Wicked Edge - Schleifen von 50er bis zu den Keramiksteinen

pitter

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Recht häufig fragen Kunden, welche Schleifsteine sie zusätzlich zum Basissytem (Körnung 100/200/400/600) kaufen sollten. Ich tu mir mit der Antwort immer etwas schwer, denn: "Scharf" ist kein definierter Wert, sondern Ansichtssache. Der eine hätts halt gerade so "ausreichnend" scharf, der nächste schärft sein Messer bis zum Maximum, einfach weils ihm Spass macht und er gerne eine spiegelpolierte Schneide hat. Dann kommts aufs Messer und die Anwendung an: Ein Küchenmesser wird man auch aus rein paktischen Gründen schärfer haben wollen, als ein Messer, mit dem man jeden Tag Kartons schneiden muss.

Das sind rein subjektive Wertungen von "scharf". Dazu kommt, dass unterschiedliche Stähle und vor allem unterschiedliche Klingengeometrien das, was man aus einem Messer an Schärfe herausholen kann, beschränken.

Welche Steine braucht man, muss man alle einzelnen Schritte machen, Abziehen auf Balsa oder Leder, welche Schleifpaste soll ich nehmen usw. - da gibts keine einfache Antwort, es kommt eben darauf an: Um was für ein Messer gehts, was mach ich damit, was erwarte ich mir, macht mir Schärfen Spass oder ists eine Notwendigkeit. usw.

Ich hab die Fragen mal als Grund hergenommen, mal wieder eine kompletten Schärfdurchlauf mit dem Wicked Edge zu machen. Ab den 50er Steinen, und kompletten neuen Anschliff der Fase.

In der Praxis kommt das bei mir eher selten vor, dass ich eine Fase komplett neu schleifen muss. Zum Schärfen eines Messer schätze ich den Winkel pi mal Daumen, stell den Wicked Edge entsprechend ein, Edding auf die Fase, mit den feinen Steinen leicht drüber, dann weiss ich wo ich liege und korrigiere den Schleifwinkel entsprechend. Das Gröbste, was ich in der Praxis brauche, sind die 200er Diamantsteine.

Bei meinem altgedienten Ontario Old Hickory Testmesser war aber dringend eine neue Fase fällig. Durch zig Versuche mit unterschiedlichen Schärfern, diverse Schnellschärfer inklusive, hatte die Schneide tiefe Macken und der Anschliff über die Länge der Schneide unterschiedliche Winkel. Muss also komplett neu gemacht werden.

Testobjekt war dieses Old Hickory Slicing Knife: http://ontarioknife.com/cutlery/old-hickory/75-8-slicing-knife-detail.html
Klinge 1095, 53-58 HRC, Klinge 20cm lang und 2,5mm dick.

Ausgangspunkt:

we_start_hickory_200x.jpg


Vergrößerung etwa 200x. Da komme ich gleich drauf zurück. Im Bild sieht man deutlich, dass die Schneide ziemlich tiefe Riefen hat. An anderen Stellen zeigte es sich, dass wenigstens drei verschiedene Schneidenwinkel in der Fase waren.

Erster Schritt, markieren mit Edding, Wicked Edge 50er Körnung, 20° Schneidenwinkel.

Die Vergrößerung habe ich zurückgeschraubt. Maximale Vergrößerung, also etwa 200fach, mit dem USB Mikroskop war auf Dauer zu umständlich. Die Klinge blieb eingespannt, das Mikroskop wurde frei Hand gegen die Schneide gehalten. So ein einigermassen ordentliches Bild hinzukriegen, ist bei der geringeren Vergrößerung deutlich einfacher. Also zurück auf etwa 50fache Vergrößerung.

Zum Maßstab: Die Schneidfase im Bild ist etwa 1,3mm breit

50er Diamant sieht so aus, nach 50x über jede Seite gefahren

001_we_50_50x.jpg


50er Diamant, 250x

002_we_50_250x.jpg


Weiter mit 80er, 100x drüber

003_we_80_100x.jpg


Und 80er, 200x. Edding wieder abgewischt.

004_we_80_200x.jpg


Weiter gehts mit den 100ern. 100er Diamant sind ja beim Basisset dabei. 100x drüber

005_we_100_100x.jpg


100er, 200x über die Schneide

006_we_100_200x.jpg


Gleiches Spiel mit den 200er, 100x drüber

007_we_200_100x.jpg


Immer noch 200er, 300x drüber

008_we_200_300x.jpg


400er Diamant, 100x über die Schneide gezogen

009_we_400_100.jpg


Immer noch 400er, 200x drüber

010_we_400_200x.jpg


Weiter mit den 600er Diamant, 100x

011_we_600_100x.jpg


600er Diamant, 300x

012_we_600_300x_002.jpg


Fazit an der Stelle:

Die groben Macken sind raus, die Schneidfase geht sauber gerade über die ganze Klinge
Schärfe: Das Ontario rasiert in diesem Status die Haare vom Arm. Wem das reicht, der braucht also keine feineren Steine.

Zeitaufwand: Geschätzt eine Stunde. Fürs Schleifen. Ich sass natürlich länger dran: pro Schritt soviele Bilder machen, bis eines dabei war, das einigermassen passt, den Fortschritt dauernd kontrollieren usw. So tiefe Macken habe ich aber auch bei keinem anderen Messer.

Bei den feinen Steinen hättens vermutlich ein paar Züge weniger auch getan. Wer am Schluss eine spiegelpolierte Schneide haben will, soll aber gerade bei den gröberen Schleifsteinen mehr Zeit investieren, bis auch sicher keine Schleifspuren vom vorigen Arbeitsschritt mehr zu sehen sind. Wenn, wie hier, auch beim 600er noch einzelne Riefen zu sehen sind, muss man sonst wieder ein paar Stufen zurückgehen, und sich wieder von grob auf fein vorarbeiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier gehts jetzt so weiter, wie *ich* mit dem Wicked Edge meine Messer schärfe.

Zwischen den beiden Versuchsreihen habe ich mir ein neues USB Mikroskop angeschafft.
Das ist zwar immer noch Welten von Olympus, Zeiss, Nikon und Co entfernt, aber besonders am Rand ist die Bildqualität deutlich besser.
Außerdem kann vor das Licht ein Polfilter eingedreht werden. Hilfreich bei spiegelnden Flächen, wie der Schneide.

Die Serie hier war der erste Versuch, zufrieden bin ich mit der Qualität noch nicht. Um einen Eindruck zu bekommen, was an der Schneide passiert, reichts erstmal.

Wicked Edge 800er Diamantstein, 100x über die Schneide (die Nachkommastellen gibt die Software vor, einigen wir uns auf 1,3mm Breite der Fase)

013_we_800_100x_ELVa.jpg


Wicked Edge 800er, 200x
Was oben links im Bild wie eine Macke in der Klinge ausschaut, ist keine. War ein Verwackler, während der Sensor ausgelesen wird.
Ist mir leider zu spät aufgefallen.

014_we_800_200x_ELVa.jpg


Wicked Edge 1000er Diamant, 100x

015_we_1000_100x_ELV.jpg


Wicked Edge 1000er Diamant, 200x

016_we_1000_200x_ELV.jpg


Wicked Edge 1200er Keramik, 100x

017_we_1200_100x_ELV.jpg


Wicked Edge 1200er Keramik, 200x

018_we_1200_200x_ELV.jpg


Wicked Edge 1600er Keramik, 100x

019_we_1600_100x_ELV.jpg


Wicked Edge 1600er Keramik, 200x

020_we_1600_200x_ELV.jpg


Auch in dem Bild sind die kleine "Macken" vorne in der Schneide keine Macken, sondern Überstrahlungen

Mit den 1600ern hör ich normalerweise auf. Noch schnell abziehen mit dem Wicked Edge Lederriemen oder einem Spannriemen, fertig.

Die mikrofeinen Keramiksteine swind noch eine Stufe feiner: "Körnung" 1,4µ/0,6µ.

Mikrofein 1,4µ, 200x

021_we_1800coarse_200x_ELV.jpg


Mikrofein 0,6µ, 200x

022_we_2000fine_200x_ELV.jpg


Ich hab hier aufgehört. Wie man sieht, wird zwar die Schneide immer feiner. Aber es sind noch ein paar Schleifspuren von einem vorangegangenen Schritt zu sehen. Die kriegt man mit den Keramiksteinen auch nicht mehr raus, dazu haben die feinen Steine viel zu wenig Abtrag.

Wer bis zur Spiegelpolitur schärfen will, darf also nie zu früh auf die feinere Körnung wechseln.
Das gilt natürlich auch für die Leute, die unterschiedliche Pasten auf den Lederriemen probieren.
Reine Geduldsache.

Zu den Arbeitsschritten: Man kann - so wie hier - jede Körnung durchgehen. Muss man aber nicht, ich mach das nach Gefühl. Ist ein Messer gerade so nicht mehr scharf, fahr ich mit den 800ern Diamant, dann 1200er Keramik drüber und ziehe auf Leder ab. Aber auch das muss jeder für sich ausprobieren.

Eine Lupe ist hilfreich, ich bin zwischenzeitlich aber ein Fan von den USB Mikroskopen.
Die Bildqualität ist nicht toll, reicht aber vollkommen aus, um die einzelnen Schleifschritte zu überprüfen.

Fragen werden gerne beantwortet ;)

Pitter
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für den wirklich umfänglichen und sehr informativen Bericht.
Die Anzahl der Schleifhübe pro Durchgang überrascht mich,kommt ja ziemlich viel zusammen.Ich hatte noch nicht das Vergnügen so ein "abgenudeltes" Messer zu schleifen.

Zu den Arbeitsschritten: Man kann - so wie hier - jede Körnung durchgehen. Muss man aber nicht, ich mach das nach Gefühl. Ist ein Messer gerade so nicht mehr scharf, fahr ich mit den 800ern Diamant, dann 1200er Keramik drüber und ziehe auf Leder ab. Aber auch das muss jeder für sich ausprobieren.

Eine Lupe ist hilfreich, ich bin zwischenzeitlich aber ein Fan von den USB Mikroskopen.
Die Bildqualität ist nicht toll, reicht aber vollkommen aus, um die einzelnen Schleifschritte zu überprüfen.

Fragen werden gerne beantwortet ;)

Pitter


Beim Nachschäfen arbeitest du dann auch mit der hohen Anzahl an Schleifhüben?
Ich habe Erfahrungen mit dem Apex Pro,nutze ihn aber nur noch für den Grundschliff,macht mir zuviel Sauerei unter fertig gefinishten Klingen und versaut diese jedesmal.

Beim Schärfen(Nachschärfen) mit dem Lansy brauche ich deutlich weniger züge,wahrscheinlich bin ich da zu pingelig und schleife schon sehr früh nach.

Das USB Mikroskop wäre noch interessant,welches verwendest du da?

Gruß Carsten
 
Beim Nachschäfen arbeitest du dann auch mit der hohen Anzahl an Schleifhüben?

Nö. So ein Genudel hatte ich noch nie. Das Ontatio muss immer ran, wenn ich irgendeinen Schärfer schnell ausprobieren möchte. So siehts dann halt auch aus ;) Wieviel beim Schärfen - keine Ahnung, ich zähl nicht mit, ich sag mal zwischen 10 und 50 pro Seite, je nach Zustand, und je nachdem, welcher Schleifstein.

Das USB Mikroskop wäre noch interessant,welches verwendest du da?

http://www.elv.de -> Artikelnummer 68-10 83 44
Und dazu nen anderen Ständer: http://www.conrad.de -> Bestell-Nr.: 191381-62

Das geht grad so ;) Ich brauch halt was kompaktes, auch für unterwegs (Messen, Ausstellungen usw).

Pitter
 
Vielen Dank für die Infos.
Der Ständer sieht mal wirklich solide aus,Mikroskop denke ich wäre eine gute Option,vor allem weil ich ja nun mal Bilder dazu sehe.

10 - 50 züge pro Seite denke ich auch kommen bei "normal" stumpf sicher hin.

Nun hast du wohl einen Unterarm wie Popey nach der Aktion ;)

Gruß Carsten
 
Ich bin jetzt nicht der Schleifprofi, aber für meine Santoku´s reichen:
Schleifsteine gelb/grün (400 - 600)
Keramiksteine hellblau/weiß (1200 - 1600)
beide mit ca. 10 - 15 Hüben (keine Scharten, nur "normal-stumpf)
und abschließend 3 mal über´s Leder.
Ach ja, Winkel ist 15° für die Küchenmesser.
Walter
 
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