`Nabend liebe Leser,
Da dies hier der der aktuell der passendste Thread zum Thema ist, hänge ich mich mal hier mit dran. Ich hatte Mitte Dezember der Grünen-Fraktion des Bundestages eine Mail geschrieben und "jetzt schon" eine Antwort erhalten. Ich kopiere den Schriftwechsel einfach mal unkommentiert hier rein...
Zunächst meine Mail:
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von:
feedback@gruene-bundestag.de [mailto:feedback@gruene-bundestag.de]
Gesendet: Donnerstag, 13. Dezember 2007 20:09
An: Info - GRÜNE Bundestagsfraktion
Betreff: Posteingangsnummer: 6968
Dokument-URL:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/default/dok/209/209575.waffengesetz.html
Dokument-Titel: Waffengesetz
Vorname: Daniel
Nachname: Werle
Email: zensiert
Fragen & Anregungen: Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihren Antrag kann ich in großen Teilen leider nicht nachvollziehen. Insbesondere die recht endgültig formulierte Aussage: "Zugriffsbereite Messer mit feststehender und feststellbarer Klinge haben im öffentlichen Raum nichts zu suchen", wirft bei mir die Frage auf: "Wieso nicht?"
Selbstverständlich werden Messer bei Straftaten eingesetzt. Dies werden Schraubenzieher, Glasscherben, Steine, Stöcke und Tausende anderer Gegenstände allerdings auch. Wer soll dafür eine Liste erstellen, wo soll diese ein Ende finden?
Der springende Punkt ist, dass Messer eben eines der, wenn nicht DAS wichtigste Werkzeug der Menschheit sind, und als solches für die verschiedensten Anwendungen GUT sind.
Des weiteren würde ich mir wünschen, dass zunächst einmal das bestehende Recht konsequenter angewendet würde, anstatt neue, unübersichtliche Verbotsregelungen zu schaffen. Zudem differenzieren Sie in Ihren Schriftstücken und Reden oft nicht zwischen den juristischen Begriffen "Waffe", "verbotener Gegenstand" und "gefährlicher Gegenstand", sondern vermischen sie, oder wenden sie schlichtweg falsch an. Hier wäre meiner Ansicht nach etwas Nachholbedarf.
Über eine kommentierte Antwort würde ich mich freuen und verbleibe,
mit freundlichen Grüßen,
Daniel Werle
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Und die Antwort:
Sehr geehrter Herr Werle,
Entschuldigen Sie bitte die späte Antwort auf Ihre Mail vom Dezember, in der Sie nach unserer Haltung zur Änderung des Waffenrechts fragen.
Der Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Waffengesetzes greift in vielen Bereichen zu kurz. Wir haben unsere Position daher in einem eigenen Antrag (Bundestags-Drucksache 16/6961 vom 07.11.2007) dargelegt.
Was die im Gesetzentwurf der Bundesregierung geplanten Regelungen für Schusswaffen anbelangt, haben wir eine Reihe von Kritikpunkten am Entwurf aus dem Bundesinnenministerium. So ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum die Haftung für BesitzerInnen von Schießständen wieder gelockert werden soll, nachdem wir diese Regelung 2003 ins Gesetz geschrieben haben. Wir hoffen sehr, dass es in dem Punkt noch zu Verbesserungen kommt. Es kann nicht sein, dass unbeteiligte Dritte weniger geschützt werden als bisher.
Wir sehen an einigen Stellen auch die Gefahr, dass durch die Aufweichung der Zulassungsbedingungen fragwürdige Gruppen legal Schießübungen veranstalten können.
Als einen Fortschritt sehen wir die Aufhebung des sog. Erbenprivilegs. Uns geht es nicht darum, beispielsweise BesitzerInnen von zwei Kurzwaffen als Erben weiterer Kurzwaffen Probleme wegen der gesetzlichen Höchstzahl dieser Waffen zu machen. Nicht angehen kann aber, dass allein durch Erbschaft Waffen in den Besitz von Personen gelangen, die keinen Bedarf für den Besitz nachweisen können.
Unterstützt wird von uns das Verbot von Anscheinswaffen. Hier scheint die Koalition nach der Anhörung noch eine Verbesserung in unserem Sinne vorzubereiten. Auch wir wollen keine Kriminalisierung im Kinderzimmer. Wir wollen aber wirksam verhindern, dass täuschend ähnliche Nachbildungen von Waffen - nicht nur von Kriegswaffen! - auf der Straße mit sich geführt werden dürfen.
Eines der zentralen Anliegen unseres Antrags ist das Zurückdrängen des öffentlichen Tragens von Messern. Wir wollen nicht in tägliche Gewohnheiten, auch nicht in kulturelle Bräuche eingreifen. Wir wollen aber den Antrag des Landes Berlin unterstützen, der sich auf eine Eindämmung des Missbrauchs von Messern im öffentlichen Raum bezieht. Leider hält sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung bei der Beschränkung des Messergebrauchs gänzlich zurück. Möglicherweise wird sie nach der überaus eindrucksvollen Anhörung im Bundestag aber ihre abwehrende Haltung so nicht aufrechterhalten können.
Es besteht Handlungsdruck. Kaum ein Tag vergeht, an dem keine brutalen Messerattacken stattfinden. Diese oftmals tödlichen Messerangriffe von Jugendlichen und jungen Männern haben Bewegung in die Diskussion über das Waffenrecht gebracht. Mit unserem Antrag treten wir für eine Kultur der waffenfreien öffentlichen Räume ein. Hier müssen die Länder gemeinsam mit Eltern, Schulen, Freizeiteinrichtungen und StreetworkerInnen Konzepte entwickeln, wie die Entwaffnung gerade von jungen Männern durchgesetzt werden kann. Das Messer in der Tasche ist Teil einer verfehlten Männlichkeitskultur. Es muss mit gesellschaftspolitischen Mitteln deutlich vermittelt werden, dass Konflikte in der Zivilgesellschaft ohne Gewalt und ohne Waffen ausgetragen werden müssen. Wir tolerieren diese Machogewalt nicht. Die Polizeien der Länder müssen in die Lage versetzt werden, das Waffenverbot tatsächlich durchzusetzen. Bislang ist dies in den großstädtischen sozialen Brennpunkten nicht einmal ernsthaft versucht worden.
Das statistische Material ist lückenhaft. Dennoch betonen Fachleute - inkl. Forum Waffenrecht -, dass bei vielen Gewaltdelikten Waffen, insbesondere Messer, benutzt wurden. Zu oft bleibt das Messer nicht in der Tasche. Eine regionale Untersuchung im Rhein-Main-Raum hat ergeben, dass Messer mehr als die Hälfte der Instrumente bei der Gewaltanwendung sind. Das kann so nicht weitergehen. Wir haben im geltenden Recht im Übrigen schon heute eine Reihe von Beschränkungen. So regelt §2 Abs. 3 des Versammlungsgesetzes, dass keine Gegenstände bei Versammlungen mitgeführt werden dürfen, die Menschen verletzen können. Dieses Verbot bezieht sich keineswegs nur auf Waffen im klassischen Sinne, sondern auch auf Zaunlatten und andere Gegenstände. §27 Abs. 1 sieht bei Verstößen sogar einen Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Ähnliche Bestimmungen, beispielsweise für Volksfeste und Messen, gibt es schon seit langem auch im Waffengesetz selbst. Erst kürzlich wurde den Ländern das Recht eingeräumt, in besonders belasteten Bereichen Verbote zu verhängen.
Immer wieder hören wir die Frage, warum der Staat schon wieder in die Freiheit des Einzelnen eingreifen muss. Ist es aber wirklich ein Grundrecht, mit Messern bewaffnet in Diskotheken, Schulen und auf öffentliche Plätze zu gehen, um andere gezielt zu erschrecken, einzuschüchtern und ihre Rechte zu nehmen? Wo Menschen im öffentlichen Raum zusammenkommen, haben Waffen nichts zu suchen! Hier muss die Politik klar und konsequent handeln. Oft kommt hier noch der Einwand, man dürfe den Transport eines Küchenmessers vom Kaufhaus in die Wohnung nicht kriminalisieren. Warum, so müssen wir hier fragen, soll es nicht möglich sein, im Geschäft selbst die Messer sicher und womöglich auch versiegelt verpacken zu lassen. Auf diese Weise lassen sich diese Gegenstände ohne Gefahr für andere sicher und gefahrlos transportieren und nicht einsatzbereit offen zeigen. Der uns entgegen gehaltene Einwand mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Bei näherem Hinsehen ist er jedoch eine Ausrede.
Das Beispiel der Machete macht dies deutlich. Sie ist bestimmt zum Schneiden von Zuckerrohr. Sie wird aber - und dafür gibt es leider viele Beispiele - oftmals als ein hoch gefährliches Instrument benutzt, um Menschen zu bedrohen, zu verstümmeln und zu töten. Ist es da abwegig, der Polizei die Möglichkeit einzuräumen, jemandem dieses Instrument aus der Hand zu nehmen? Uns ist klar, dass das ein Grenzbereich ist und bestimmte Gegenstände nicht, wie Butterfly-Messer, einfach sanktionsbewährt verboten werden können.
Wer unseren Antrag genau liest, wird gerade an dieser Stelle nichts vom Drehen an der Sanktionsschraube lesen. Gerade für polizeiliche Maßnahmen gilt das sog. Opportunitätsprinzip, das der Polizei ganz gezielt Handlungsspielräume eröffnet und anders als bei der Strafverfolgung gerade nicht dazu zwingt, hier einzuschreiten. Um an dieser Stelle die viel zitierten Beispiele von Schraubenziehern und Brotmessern aufzugreifen: Diese Gegenstände haben weder in der Schule am Vormittag, noch in der Disko am Abend etwa verloren. Was wir brauchen, ist ein verändertes Bewusstsein für die Gefährlichkeit. Niemand nimmt einer Pfadfindergruppe in Wald und Flur ihre Fahrtenmesser weg. Wo aber Waffen - auch im nichttechnischen Sinne - neben der objektiven Eignung zum Verletzen von Menschen mitgeführt werden und dabei der erklärte oder offenkundige Wille des Gewahrsamsinhabers vorhanden ist, sie auch einzusetzen, muss das Recht der Polizei gestärkt werden, einzuschreiten. Es ist nicht einsehbar, warum beispielsweise bei Versammlungen, Messen und Volksfesten das Mitführen all dieser Gegenstände verboten ist, nicht aber in Schulen oder Kneipen. Es konnte uns noch niemand plausibel erklären, warum auf dem Oktoberfest Waffen verboten sind, nicht aber im Hofbräuhaus. Wir sind sehr dafür, geltendes Recht konsequent anzuwenden. Aber es gibt hier Lücken und Wertungswidersprüche, die zu beseitigen sind.
Ich hoffe sehr, Ihnen unsere Haltung etwas besser verständlich gemacht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
C. Ilawa
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