Zum Anschauen: Zwei geometrieoptimierte Kochmesser

güNef

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Servus,

um die Kochmesserecke auch mal wieder ein wenig aus der Versenkung zu heben und zu zeigen, was sich konstruktiv/kreativ in der Kochmesserszene in DE so abspielt, hier die Messer eines etablierten Messermachers und eines begabten Hobbyisten: Zwei Beispiele geometrieoptimierter Kochmesser von Freaks entworfen und/oder/für Freaks gefertigt.

Extrem getapertes großes WH-Koch-und KMS-Forumsmesser, entstanden nach ausgiebigen öffentlichen Diskussionen und Brainstorming aus 1.2562 gefertigt von Jürgen Schanz. Griff aus gut abgelagertem Nussbaum. Grandioses Allzweckkochmesser mit ungemein aufwendiger Geometrie! Sehr effektiver FR im Schubschnitt, zunehmend schneidfähig Richtung Klingenspitze, insgesamt sehr homogener und gut abgestimmter Geometrieverlauf.

Daneben ein Full-Custom-Western-Laser-Gyuto aus Böhler M390 Microclean, dass schneidfähigste Messer, das ich je in der Hand hatte. Griff aus karelischer Maserbirke, schwarzem Horn, Messingliner und schwarzem Fiber! Behutsam zur Spitze hin getapert. Primärschliff leicht ballig auf Null, dann eine geführt angeschiffene Mikrofase von ein paar 1/100tel Facettenbreite!

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Beide Messer natürlich dünngeschliffen....die Klinge aus M390 extrem! :haemisch:

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Gruß, güNef
 
Günter, das sind wahrlich zwei Schmuckstücke von „hinterm Zaun“ :D

Merci vielmals.

Andreas
 
Alter Falter, das mit M390 ist ja übelst dünn. Hab ich die Angaben zur Dicke übersehen oder magst die noch nachreichen?
Maserbirke gefällt mir auch immer mehr.

Ich glaub das wäre was für mich :)

Gruß
 
Servus,

Alter Falter, das mit M390 ist ja übelst dünn. Hab ich die Angaben zur Dicke übersehen oder magst die noch nachreichen?

M390 extrem dünngeschliffen habe ich zum ersten Mal bei OWL-Knives gesehen. Das buckelt bis 1/3 die Klinge hoch und geht durch fette Möhren als wären die gar nicht vorhanden. :haemisch: Die Russische Messer-Community hat’s wirklich drauf. Dort brennt die Leidenschaft und die Typen dort loten die machbaren Grenzen von PM-Stählen aus.

M390 Microclean, also die letzte und neueste Generation dieses Stahls rostet wirklich ungern ( 20% Chrom ), was die Stahlsorte sehr interessant für Küchenmesser macht. Der eigentliche Hingucker ist der hohe Kohlenstoffanteil! Mit 1,9 Prozent Kohlenstoffanteil ist M390 Microclean bereits eine Besonderheit. Dieser hohe Wert in Kombination mit den beiden Spezialisten für harte Karbide, Vanadium und Wolfram, zeigt, dass wir es mit einem extremen Stahl zu tun haben. Die ersten beiden Generationen des Stahls sind als M390 auf dem Markt, die dritte Generation trägt den Namen M390 Microclean. Der Hauptunterschied liegt in der höheren Reinheit des Pulvers und einer erheblich geringeren Partikelgröße.

C: 1,90 %, Cr: 20,0 %, V: 4,0 %, Mo: 1,0 %, Mn: 0,3 %, Si: 0,7 %, W: 0,6 %

Der Stahl lässt bei 63 HRC noch plastisch verformbare Schneiden (bei zu großen Belastungen) zu. Um das begreifen ein Vergleich:

Ein klassisches Wetzstahlmesser z.B, ein K-Sabatier aus C-Stahl ist nur zwischen 52-54 HRC gehärtet, wird also bei harter Gangart in der Küche nicht ausbrechen, sondern sich nur plastisch verformen. Die Schneide legt sich um und muss zum Aufrichten gewetzt werden. Da der Stahl aber so weich ist, macht es keinen Sinn, eine geführt geschliffene Schneidfase in immer feiner werdender Progression anzuschleifen, da die Standzeit und die Schneidkantenstabilität viel zu gering ist. Das ist vergeudete Zeit.

M390 Microclean hingegen hat eine zigfach längere Standzeit, verträgt eine extrem dünne und feine Schneide und bleibt trotz 63° Härte plastisch verformbar und daher wetzbar. Die Faustregel besagt, ab 60° Härte ist Schluss mit wetzen, da die Schneide dann beschädigt wird. Hier nicht. Das bedeutet du kannst eine perfekte Schneidfacette anschleifen und die bleibt laaange scharf. Wenn sie dann langsam beginnt an Schärfe zu verlieren, dann reicht ein Microfeinzug um die Schärfe wieder zurückzuholen und das geht auch noch laaange bis zum nächsten Grundschliff. In Kürze steht mit einer 270er Klinge ein echter Härtetest in der Profiküche an, 600 Mahlzeiten pro Tag und keine Zeit für besondere Sorgfalt. :haemisch:

Auf Wunsch härten die bei Owl-Knife auch auf 65 HRC, was das Verhalten der Plastizität wieder einschränkt, aber die Standzeit noch mal nach oben schraubt. Standzeit und Schneidkantenstabilität durch geführte Schleifsysteme an PM-Stählen ist anscheinend das Steckenpferd russischer Messerfreaks die an Seilschnittwettbewerben teilnehmen.


M390 ist schwierig zu bearbeiten und verbraucht jede Menge +36 Cubitron-Bänder, dass kommt auf den Stahlpreis nochmal drauf. :eek:

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Die fertig geschliffene Klinge wiegt 94g, Der Rücken ist von 2,2 auf 0,6mm getapert und läuft bis zur Spitze immer feiner aus. 1cm über der Schneide sind hinten 1,0 und vorne raus 0,6mm und direkt über der Mikrofase liegen 0,05mm über der Wate an. Mein dünnstes Messer.

Das komplette Messer wiegt:

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Griffmaterialien sind so abgestimmt, dass sich folgender Balancepunkt ergibt:

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Das Messer selbst ist nicht von OWL-Knives sondern hat ein begabter und leidenschaftlich an Kochmessern interessierte Hobbymessermacher für mich angefertigt! ;)

Gruß, güNef
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin güNef,

sehr schöne Morgenlektüre. Auch, wenn mir die Messerchen zu groß sind: Ich bin wieder mal beeindruckt! In der Zeile mit den Inhaltsstoffen des M390 ist Dir der Stift ausgerutscht: Si: 0,7 und W: 0,6 fehlen ;) ...

Beste Grüße aus Monte Gordo

R'n'R
 
Servus,

sehr schöne Morgenlektüre. Auch, wenn mir die Messerchen zu groß sind: Ich bin wieder mal beeindruckt! In der Zeile mit den Inhaltsstoffen des M390 ist Dir der Stift ausgerutscht: Si: 0,7 und W: 0,6 fehlen ;) ...

freut mich, dich noch beeindrucken zu können! ;)

Danke für den Hinweis, ich habs ergänzt! :super:

Gruß, güNef
 
Hallo güNef, ich bin begeistert von dem Messer dieses Hobby Messermachers. Wirklich toll. Gruß Sven-Olaf
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
M390, was einzelne Eigenschaften angeht, ist wohl nichts besonderes.

Jedoch das Zeug ist in der Küche schon "rostfrei", kein Lochfraß.

Bis ca. 62 noch ordentlich plastisch, sehr robust und mit Natursteinen relativ leicht schärfbar, da passt auch z.B. Keramikstab.

Bis 63 HRc kann Owl Knife den Stahl schon härten, bis 65 und noch ordentlich plastisch- damit hab ich keine eigenen Erfahrungen- gelesen hab ich das- sowas kommt nur als Einzelfertigungen von einem anderen Machern.
 
Hallo güNef,

verstehe ich das richtig, dass die Klinge von dem Messer mit Griff aus Maserbirke sozusagen eine Fertigklinge von OWL-knives ist, zu welcher dann die Griffmontur hinzukam? Oder hat der Macher dieses Messers selber eine entsprechend buckelnde Klinge aus M390 microclean hergestellt?

Gruß

yaammoo
 
Klingt ja echt wie der Überlaser aus dem Überstahl. Besser geht es eigentlich von den Eigenschaften nicht mehr. Lange Standzeit, leicht schärfbar, nicht spröde, mit dem Stahl wetzbar, rostfrei. Kann man diesen Stahl in Deutschland kaufen und kann ihn jemand härten?

Mich würde noch interessieren wie der Laser im Vergleich zu anderen abschneidet? Ist er im Laserranking so weit vorne wie deine Angaben vermuten lassen. Dass die Klinge bis zu 1/3 der Klingenhöhe hoch buckelt ist echt extrem. Das spricht für zwei Dinge. Erstens natürlich, dass die Klinge dünn ist und zweitens, dass der Stahl flexibler ist als andere.
 
Servus,

verstehe ich das richtig, dass die Klinge von dem Messer mit Griff aus Maserbirke sozusagen eine Fertigklinge von OWL-knives ist, zu welcher dann die Griffmontur hinzukam? Oder hat der Macher dieses Messers selber eine entsprechend buckelnde Klinge aus M390 microclean hergestellt?

Nein! Der Macher ist durch einen Hinweis eines russisch sprechenden Forumiten der sich mit PM-Stählen und perfektem schleifen/schärfen beschäftigt, auf OWL-Knives und deren Videos hingewiesen worden. Der Mann hat sich dann ein paar Laufmeter M390 Microclean Flachstahl bestellt und ein paar Messer daraus gefertigt. Vollständig bis auf die WB/Härten. Das wurde extern in einem Betrieb mit einer modernen, mikroprozessorgesteuerten Anlage exakt nach Datenblatt durchgeführt.

Der extreme Dünnschliff orientierte sich an OWL-Knives und meinen Wunsch nach einer besonders schneidfähigen Geometrie. So ist das gesamte Projekt eine ein Mann Hobbyisten-Show mit auswärtiger WB geworden. Das Ergebnis spricht eine klare Sprache des Könnens und braucht sich auch international vor nichts und niemanden zu verstecken. Ich meine sogar im Gegenteil, dass ist mehr als Talent, dass ist zeitgemässer Custom-Kochmesserbau von jemanden der verstanden hat, wie man Messer geometrisch präparieren muss um variablen Einsatzzwecken gerecht zu werden. Haushalt, (Groß)Gastronomie, Schaukochen, und für Kochmesserfreaks und Nerd's, die immer extremere Ansprüche an Kochmesser stellen. :D

Gruß, güNef
 
Servus,

Klingt ja echt wie der Überlaser aus dem Überstahl. Besser geht es eigentlich von den Eigenschaften nicht mehr. Lange Standzeit, leicht schärfbar, nicht spröde, mit dem Stahl wetzbar, rostfrei. Kann man diesen Stahl in Deutschland kaufen und kann ihn jemand härten?

Mich würde noch interessieren wie der Laser im Vergleich zu anderen abschneidet? Ist er im Laserranking so weit vorne wie deine Angaben vermuten lassen. Dass die Klinge bis zu 1/3 der Klingenhöhe hoch buckelt ist echt extrem. Das spricht für zwei Dinge. Erstens natürlich, dass die Klinge dünn ist und zweitens, dass der Stahl flexibler ist als andere.

im ersten Moment erscheint einem das so, wenn man das liest. Wenn man darüber nachdenkt, dann ist es eigentlich nur Fortschritt. Fortschritt der Stahlindustrie die immer bessere Legierungen erzeugt die sich von Generation zu Generation verbessert und der Fortschritt derer die wirklich ernsthaft an Kochmesser interessiert sind. Das ist klarweise ein kleiner Kreis verrückter und eine nicht wahrgenommene Minderheit, aber die kollektiv gesammelten Erfahrungen münden dann in solchen Messern wie den oben gezeigten. Diese Messer sind funktionell einem normalen handelsüblichen Kochmesser weit überlegen und selbst einem dünngeschliffenen Herder oder nachtäglich ausgedünnten Messer, weil der Stahl solche geringen Materialstärken erlaubt und weil es eine erfahrene und kundige Hand braucht, die versteht, wie wichtig homogen getaperte Flanken sind. Zuviel oder zu wenig Material an falscher Stelle und die Gleitfähigkeit wird gebrochen. Getestet wird ja ziehend oder schiebend nur mit Eigengewicht um zu sehen ab wann die Klinge sich festsetzt und ob sich das noch verbessern lässt. Wenn dann im Alltag normal damit geschnitten wird, also mit mehr Druck und Zug/Schub den man auf das Messer bringt, kommt man aus dem Staunen nicht raus, wie das selbst durch dicke, knackige Möhren gleitet, als wären die jetzt weich und widerstandslos. Sieht man auch in dem Video schön. Wenn dann mit einem normalen Kochmesser verglichen wird, be-greift man den Unterschied erst in seinem vollen Ausmaß.

Die WB wurde in DE gemacht und der Stahl ist wohl auch aus DE oder AT, dass kann ich aber nicht beschwören und müsste ich nachfragen.

Du kennst ja die Alte und sehr dünn und leicht konkav geschliffene Kamo-To-Serie. Dieses Messer war aufgrund der genialen Geometrie und der Flangengestaltung bis zuletzt meine Benchmark, wenn es um den leichten Schnitt durch dicke Möhren ging und an eine wirklich merkbare und nicht eingebildete Verbesserung habe ich nicht mehr geglaubt. Zu viele Messer die ich verglichen habe, zogen im besten Fall gleich, aber wirklich leichter hat keines geschnitten.

Bis zu dem M390er. Nach ausgedehnten Vergleichen bin ich sicher, dass dieses Messer noch leichter schneidet als das Kamo.

Was die chinesischen HAP40 Messer betrifft. Ich sehe die Preise ziehen an. Das Exemplar, dass ich zum Testen hatte, kostete um die 80,- Euro! Trotzdem für das Gebotene noch ein gutes Preis-leistungsverhältnis. Leider sind die ansonsten schön gemachten Messer noch deutlich zu dick ausgeschliffen und diesen Stahl mit "Hausmittel" ausdünnen zu wollen, uff.....

Die Chinesen lernen schnell, da werden immer bessere Messer nachrücken.

Gruß, güNef
 
Zuletzt bearbeitet:
"Dieses Messer war aufgrund der genialen Geometrie und der Flangengestaltung bis zuletzt meine Benchmark, wenn es um den leichten Schnitt durch dicke Möhren ging und an eine wirklich merkbare und nicht eingebildete Verbesserung habe ich nicht mehr geglaubt."
Genau, dein Kamo hatte ich im Sinn bei der Nachfrage und deine Beschreibung machte den Eindruck als sei es besser als dein bisheriges Benchmarkmesser. Freut mich, dass es tatsächlich so ist. Den M390 merk ich mir auf jeden Fall für ein zukünftiges Messerprojekt.

Dass die Preise anziehen ist mir auch aufgefallen. Als ich vor zwei Monaten mit dem amorphen Metallteil geliebäugelt habe, war der Preis auch unter !00€, 70 oder 80€ meines Wissens. Aber unschärfbar ist einfach ein "gehtnicht"-Kriterium.

Leider sind die ansonsten schön gemachten Messer noch deutlich zu dick ausgeschliffen und diesen Stahl mit "Hausmittel" ausdünnen zu wollen, uff.....
Ja leider. Reizen würde mich das hap 40 schon. Auch die Höhe finde ich Klasse.
 
Nur um das nochmal klar herauszustellen: unschärfbar ist der HAP40 nicht. Ganz im Gegenteil. Erstaunlich gut arbeiten Natursteine auf den harten Sonderstählen. Wem das nicht reicht, der sollte sich bei Aliexpress harzgebundene Diamantsteine kaufen. Sind nicht besonders teuer und halten lange.

Was schwierig ist, ist das Ausdünnen. Bzw. das Zurücksetzen der Schneide. Das sollte man an jemanden Auslagern, der einen Bandschleifer besitzt - und willens ist, ein paar Bänder an dem entsprechenden Messer herunter zu schrubben.

VG
Peter
 
Nur um das nochmal klar herauszustellen: unschärfbar ist der HAP40 nicht. Ganz im Gegenteil. Erstaunlich gut arbeiten Natursteine auf den harten Sonderstählen. Wem das nicht reicht, der sollte sich bei Aliexpress harzgebundene Diamantsteine kaufen. Sind nicht besonders teuer und halten lange.

Was schwierig ist, ist das Ausdünnen. Bzw. das Zurücksetzen der Schneide. Das sollte man an jemanden Auslagern, der einen Bandschleifer besitzt - und willens ist, ein paar Bänder an dem entsprechenden Messer herunter zu schrubben.

VG
Peter

HAP 40 ist super nachzuschärfen.... Wirklich Problemlos! Mit Shapton Pro Steinen z.B. auch nicht schwieriger wie VG 10 z.B. oder SB1

@güNef bezog sich auf das Dünnschleifen.....

grüße wastl.
 
Nur obiges Messer müsste man ja noch dünn schleifen. Außerdem hat das in den letzten Tagen nochmal 30€ zugelegt. Da kann man sich dann gleich das Asagao kaufen. Außer man legt wert auf die hohe Klinge. Wirklich günstig ist das nicht mehr.
 
Nur um das nochmal klar herauszustellen: unschärfbar ist der HAP40 nicht. Ganz im Gegenteil. Erstaunlich gut arbeiten Natursteine auf den harten Sonderstählen. Wem das nicht reicht, der sollte sich bei Aliexpress harzgebundene Diamantsteine kaufen. Sind nicht besonders teuer und halten lange.

Was schwierig ist, ist das Ausdünnen. Bzw. das Zurücksetzen der Schneide. Das sollte man an jemanden Auslagern, der einen Bandschleifer besitzt - und willens ist, ein paar Bänder an dem entsprechenden Messer herunter zu schrubben.

VG
Peter

Je nach WB kann M390 schwierig bis superleicht bis Haarspalterei schärfbar sein.

Ausdünnen- da beginnen schon bei M390 oder anderen hochlegierten Stahlsorten wie 1.2562 Probleme.

Hohlschliff wie das OwlKnife zeigt beseitigt das Problem vollständig. Solche Klingen schneiden leichter als Ballige, sind aber mechanisch natürlich nicht so stabil.
 
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