Abgebrochene Besteckmesserklinge (Fotodoku)

briesenreiter

Mitglied
Beiträge
618
Ich hoffe, das ist hier so einigermassen im richtigen Unterforum...

Hin und wieder brechen Besteckmesserklingen ab.
Bei oftmals 50 oder 80 Jahre (oder noch älter)
alten Stücken von Oma oder Uroma wäre es dann ja schade, wenn nur noch 11 Messer für die 12 Silbergabeln da sind...:mad:

Die kaputten Klingen kann man ersetzen.
Wie das funktioniert, möchte ich euch hier mal zeigen.

Es ist von grossem Vorteil auch den abgebrochenen Teil der Klinge
zur Reparatur zu bekommen zwecks neuer Klinge an alte Form angleichen.
Geht natürlich auch ein anderes Messer aus dem Besteck.

Bei dem Messer, um das es sich hier drehen soll, habe ich bei meinen
Rohlingen eine passende gefunden. Das Besteck ist ca.40 Jahre alt.
Meine Feldenkraislehrerin hat das Besteck damals zur Konfirmation bekommen.
Seit ca. 20 Jahren benutzt sie es (fast) jeden Tag.

Einige der Bilder sind etwas verwackelt. Ich werde sie der Vollständigkeit
zuliebe trotzdem mit einstellen.

Hab leider vergessen, das Messer im kaputten
Zustand zu Fotografieren:argw:

--------------------------------------------
Dann fangen wir mal an:

Hier wird das im Heft befindliche Blei (in diesem Fall) erhitzt und verflüssigt.
Die Zange, die den Klingenrest hält, wird vorsichtig gedreht.
Irgendwann merkt man, das die Klinge sich löst. Dann wird die
alte Klinge rausgezogen...

Fotodoku_002.jpg


...und man lässt den Rest Blei rauslaufen.

Fotodoku_004.jpg


Meanwhile...
...wird neues Blei heiss gemacht.

Fotodoku_005.jpg


Das hohle Heft wird bis auf die oberen ca 2cm mit Sand gefüllt.
Würde man das ganze Heft mit Blei füllen, würde das Messer zu schwer werden...

Fotodoku_006.jpg


Passt...

Fotodoku_007.jpg


Jetzt wird zuerst das Heft, dann die neue Klinge in eine Aparatur eingespannt, die extra für die folgende Arbeit konzipiert ist.
An den rechten Schrauben spannt man, mit den linken verstellt man Klinge und Heft Horizontal so zueinander, das die Klinge mittig auf dem Heft sitzt.

Fotodoku_008.jpg


Fotodoku_009.jpg


Hier kann man etwas schwer erkennen, das flüssiges Blei in das Heft gegossen wird.
Am Hebel ziehen, die Klinge fährt hoch, Blei rein und die Klinge schnell wieder absenken.

Fotodoku_014.jpg


Fotodoku_019.jpg


Soweit so gut. Klinge aus der Vorrichtung und sofort in Wasser abkühlen. Der "Kropf" ist aber noch zu gross im Durchmesser.

Fotodoku_020.jpg


Zuerst wird der Kropf auf dem Scherenstein grob in Form geschliffen.

Fotodoku_021.jpg


Danach wird ein Wellenschliff eingeschliffen. Natürlich passend zu den anderen Messern. Dieses hier hatte eine recht feine Welle.

Fotodoku_024.jpg


Fotodoku_025.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt wird der Kropf nochmal auf einer Pliestscheibe feingeschliffen...

Fotodoku_027.jpg


..der Grad an der Welle wird abgebürstet...

Fotodoku_028.jpg


...und dann werden Klinge und Heft auf der Schwabbelscheibe poliert.
Das Heft dieses Mesers ist dann zwar blanker als das der anderen 11,
aber vielleicht darf ich ja auch nochmal die restlichen 11 polieren.

Fotodoku_032.jpg


Fotodoku_034.jpg


Fertig !

Fotodoku_036.jpg


Ich hoffe, es hat euch ein wenig Spass gemacht.
 
Hallo,

schöner Beitrag. Genau so habe ich es schon bei einem Bekannten (Messerschmiedemeister) gesehen. Allerdings hat der statt Blei Zinn genommen.
 
Danke schön,
wieder was gelernt. Wie sieht den so eine Pliestscheibe aus? Feiner Stein oder Leder?

Ciao Sven
 
Moin Sascha, nicht nur ein wenig Spass gemacht.

Echt eine gelungene Reportage, von der jeder herausschauen kann, was ihn interessiert.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte - und Du hast uns mit vielen Bildern bedient.
Vielen Dank für Deine Mühe.

Servus - Reinhold.
 
Sehr schöne Fotodokumentation!
Dein Maschinenpark ist allerdings auch ganz ansehnlich.
Womit hast Du denn die Welle geschliffen?
 
Hat der Apparat zum Klinge einpressen auch einen Namen?

Nein...:glgl:

Die Klingen werden nicht eingepresst, sondern nur "eingelassen".

Mein Vater weiss die Bezeichnung nicht mehr.
Seit seiner Lehre zum Messerschmied sind schon so einige Jahre vergangen. Und die Aparatur wird nur benutzt, es wird nicht über sie gesprochen;)

Vielleicht weiss Jürgen wie der Apparat heisst...

...statt Blei Zinn...

Papi hat es mit Blei gelernt und so an mich weitergegeben.
Mit Zinn funktioniert es sicher auch.

Schmelzpunkt von Zinn = 232°C
Dichte = 7,3 g/cm3

Schmelzpunkt von Blei = 327°C
Dichte = 11,3g/cm3

Spülmaschinenfest ist beides.
Blei ist etwas schwerer, das Messer mit Blei
liegt auf jeden Fall mit dem Heft auf, die Klinge
ist in der Luft. Evtl. ist das der Grund.
Eine Besteckmesser das mit der Klinge aufliegt sieht
nicht gut aus.
Genau weiss ich es aber nicht:confused:

Wie sieht den so eine Pliestscheibe aus? Feiner Stein oder Leder?

Sorry. ist gar keine richtige Pliestscheibe, sondern eher eine "Feinpolierscheibe".
Das ist eine Filzscheibe mit einem Gemisch aus Spezialleim und
180 Schmiergelkorn. Das Beleimen macht mein Papi noch selbst.

Eine richtige Pliestscheibe hat eine aufgestellte Lederschicht.

Wir arbeiten aber lieber mit diesen Filzscheiben, die sind etwas weicher.

Dein Maschinenpark ist allerdings auch ganz ansehnlich.

Das Messerschleifen ist nur ein ganz kleiner Bereich bei uns. Hauptsächlich schleifen wir Werkzeuge für Tischlereien, Zimmereien und für die Metallbearbeitung. In diesen Abteilungen kann man wirklich Maschinenpark sagen...:)

Womit hast Du denn die Welle geschliffen?

Mit einer Wellenscheibe. Da haben wir 10 verschiedene von.
Mach ich auch nochmal ein Foto von.



Schön, das Euch meine kleine Doku gefallen hat:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachdem Du uns jetzt den Mund wässrig gemacht hast (zumindest mir), kannst Du uns ja den Rest der Werkstatt auch noch zeigen.
Ich finde es Klasse, wenn ein Profi sich in die Karten schauen lässt. Es gibt noch mehr mehr, was Du mal zeigen kannst, z.B. daß fachgerechte Schleifen einer Schere (hohle Seite usw.).
 
Nachdem Du uns jetzt den Mund wässrig gemacht hast (zumindest mir), kannst Du uns ja den Rest der Werkstatt auch noch zeigen.
Mir gehts genauso. Man hat nicht oft die Gelegenheit einem Profi über die Schulter zu schaun, bzw. mal einen Blick in seine Werkstatt zu werfen.
Ein paar Bilder wären super ;) .
Super Doku
MfG Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier, wie versprochen, Bilder von ein paar Wellenscheiben.
Links oben, die schwarze ist eine Microverzahnungsscheibe für Friseurscheren.
Die ganz groben Wellenscheiben sind für grosse Brotschneidemaschinen, wie Bäcker sie haben.

Werkstatt_009.jpg


Hier eine 1,5mm Verzahnung für Besteckmesser.

Werkstatt_013.jpg


Und dann nochmal eine Pliestscheibe. Der Grundkörper ist aus Holz und das Leder steht hochkant. Dazu wird mit Fett und Schmirgel gearbeitet.

Pliestscheibe.jpg


Werkstattbilder folgen dann demnächst noch mal und das fachmännische Scherenschleifen zeig ich auch gerne einmal.
Ich muss aber erst noch ein wenig an meinen Fotografierkünsten arbeiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schön, hier mal von solchen Techniken zu hören!

Nebenbei - wird denn heutzutage überhaupt noch gepliestet? Das ist doch von Schleifbändern und Polierscheiben längst abgelöst worden, oder?

Da ich leicht nostalgisch veranlagt bin, wohl aus Respekt vor den frühzeitlichen Erfindungen, würde ich solche Techniken gerne weiter bestehen sehen.

MfG
newtoolsmith
 
Ich "plieste" direkt vorm polieren, nach dem Schleifband.

Die Filzscheiben haben einen ganz ähnlichen schleifeffekt.

Ich blaupliestere aber nicht. Nach dem Pliesten wird nochmal
auf einer Schwabbelscheibe poliert.

Ich benutze die Scheiben als Vorstufe der Politur.
 
@briesenreiter,
mir ist der apparat eigentlich nur als einlöthilfe bekannt. - aber das "ding" oder "apparat" funktioniert auch, da weiss jeder was gemeint ist :)

interessant - du "polierst" noch mit lederscheiben? - ist dir der aufwand nicht zu groß??


zum blei - reines blei oder zinn ist das nicht, das sind andere legierungsbestandteile noch mit dabei - sonst wäre es viel zu weich und die klingen würde gleich wieder anfangen zu wackeln.
keine ahnung was für eine "mixtur" es genau ist...

sehr schöner beitrag!!!



so ganz nebenbei - wenn jemand versucht klingen "auszulöten" - BITTE IMMER MIT BRILLE - DAS KANN SCHWEINEGEFÄHRLICH SEIN.

mir sind da schon einige um die ohren geflogen, da es früher spezialisten gab die so ziemlich alles was grad da war in die hefte reingestopft haben, wenn dann noch etwas feuchtigkeit in den griff eingedrungen ist, kann das zu wunderbaren explosionen führen...
 
Super Beitrag, das sind die Juwelen nach denen man lange suchen muss. Danke fürs einstellen sagt der STEINPILZ. :super: :super: :super:
 
@briesenreiter

Diesen Beitrag habe ich mit großem Interesse gelesen.

Kann das zwar nicht anwenden, was du uns da gezeigt hast (mangels Werkstatt,Maschinen und Geräte).

Trotzdem habe ich wieder was gelernt und wissenswertes erfahren. :ahaa:
Ist eine prima Dokumentation,möchte mich dafür auch herzlich bedanken.

Zusätzlich kann man hier wieder sehen,daß Bilder einen Beitrag enorm aufwerten und weit besser verständlich machen.:)

Gruß William
 
Einfach Klasse!!

Dank für diese Dokumentation!
Es ist einfach sagenhaft, was man in diesem Forum lernen kann.

Bernibär
 
Dieser Beitrag ist extrem lehrreich und hochinteressant. So also hat man das mit den Bestecken gemacht.
In der Tat, solche Beiträge sind die Juwelen.
Ich hoffe, man liest noch öfter etwas in der Richtung von Dir, briesenreiter.
 
Zurück