"Bauliche Veränderung" zur Umgehung §42a "einhändig feststellbarer Klinge"

Neuigkeiten :)

Ich hatte ja parallel versucht eine Einschätzung des Sachverhalts aus öffentlichem Munde zu erhalten.

BKA und BMI (NRW) haben mich an die regional zuständige Waffenbehörde weitergeleitet. Schade eigentlich, da ich mir ja eine möglichst klare und landesweite Rechtsauskunft erhofft hatte.

Meine hiesige Kreispolizeibehörde (KPB) Steinfurt hat jedenfalls folgende Rechtsauffassung: (Grün: Meine Fragen, Blau: Antwort der KPB)

(Die Veröffentlichung erfolgt nach Absprache und im öffentlichen Interesse. Nachfragen sollen an die jeweils zuständigen Waffenbehörden gerichtet werden!)


1. Ist der Punkt "einhändig feststellbares Messer" auf den absoluten IST Zustand oder auf seine ursprüngliche Bauart bezogen?

Kurze erläuterung: Wenn man ein bauartbedingtes Zweihandmesser leicht modifiziert (z.B. Schraube lockern) gibt es einige, die sich danach auch einhändig öffnen lassen und direkt verschließen. Sind das dann Einhandmesser oder immernoch Zweihandmesser?

Oder: Wenn ich ein Einhandmesser so modifiziere, das ich es nicht mit einer Hand öffnen kann, ohne den Verschluss vorher mit beiden Händen zu entfernen (z.B. Spyderco mit Vorhängeschloss durch das Loch und das Messer); Ist das dann noch ein Einhandmesser oder durch seinen Ist Zustand eben ein nur zweihändig öffenbares Messer?


Der Begriff des Einhandmessers definiert sich aus dem Vorhandensein konstruktiver Merkmale, die das Bedienen des Messers (Öffnen und Feststellen der Klinge) mit einer Hand erlauben.
Das Ausklappen der Klinge erfolgt mittels eines Pins
(Stift) oder einer Scheibe, eines Flippers (Nase am Messerrücken) oder eines in die Klinge eingelassenen Daumenloches.


Beidhändig zu bedienende Messer werden nicht dadurch zu Einhandmessern, dass sich die Klinge durch z. B. eine Schleuderbewegung oder ähnlich mit einer Hand öffnen lässt.
Kann die Klinge trotz Vorhandenseins eines konstruktiven Merkmals nicht einhändig ausgeklappt werden, handelt es sich ebenfalls nicht um ein Einhandmesser.


Die bei Taschenmessern übliche Kerbe in der Klinge begründet noch keine Einhandmessereigenschaft.


Kann die Klinge nicht festgestellt werden oder wird z.B. der Stift zum Ausklappen der Klinge entfernt, ist die Einhandmessereigenschaft nicht mehr gegeben.

Der Verlust der „Einhandmesser-Eigenschaft“ geht einher mit dem Entfernen oder Verändern der konstruktiven Merkmale.




Beim dem Spyderco verstehe ich es so, dass Sie ein Vorhängeschloss in das Daumenloch und das Messer an sich hängen würden. Dadurch wird zwar der Zugriff erschwert, nichtsdestotrotz bleibt es konstruktiv bei einem Einhandmesser.

Das Vorhängeschloss könnte man hier als Transportsicherung verstehen. Nach Entfernen des Schlosses ist das Messer nach wie vor ein Einhandmesser.


2. "Transport in verschlossenem Behältnis"

Muss es sich hierbei wirklich um einen vollständigen Behältnis handeln oder reicht ein "umhüllendes" Behältnis. (z.B. Netz oder Vogelkäfig :)). Und Gibt es Anforderungen an das Schloss? z.B. Gilt verschraubt als verschlossen?



An das Behältnis selbst stellt das Waffengesetz keine besonderen Anforderungen.

Verschlossen ist ein Behältnis, wenn sein Inhalt durch ein Schloss, sonstige technische Schließeinrichtungen oder auf andere Weise, z. B. durch festes Verschnüren gegen einen ordnungswidrigen Zugriff von außen besonders gesichert ist.

Bereits ein ordnungsgemäß verschlossener Rucksack fällt somit unter die Definition des verschlossenen Behältnisses. Es kann dabei grundsätzlich niemand an das Messer gelangen, ohne dass der Rucksackträger dies bemerkt.


3. Was ist ein "berechtigtes Interesse"?

Wenn ich mit zwei Kindern und einem Baby auf dem Arm unterwegs bin ist es fast unmöglich, mit einem Zweihandmesser eine Tüte aufzuschneiden. (Nur mal als Beispiel). Wäre das dann ein berechtigtes Interesse an einem Einhandmesser?

Kurz: Wo sind die Grenzen oder ist das alles reine Auslegungssache des Beamten/ Richters vor Ort?



Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn das Führen der Gegenstände im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient.

Sozial-adäquate (allgemein anerkannte) Zwecke i.S.d. WaffVwV sind z.B. Picknick, Bergsteigen, Gartenpflege, Rettungswesen, Brauchtumspflege, Jagd und Fischerei.

Auch das Verbringen des gekauften Einhandmessers vom Geschäft in die eigene Wohnung gilt als berechtigtes Interesse.

D. h. wenn Sie mit Ihrer Familie z. B. Picknicken gehen, läge ein berechtigtes Interesse vor. Wie Sie allerdings bereits selber anmerken, ist dieses teilweise Auslegungssache der Beamten vor Ort.

Die Feinheiten des Waffengesetzes sind den Beamten vor Ort teilweise nicht bekannt, weil es sich doch um eine sehr spezielle Rechtsmaterie handelt. Daher kann es durchaus vorkommen, dass Ihnen trotz Vorliegen eines berechtigten Interesses das Messer vor Ort mit dem Grund „verbotenes Führen eines Einhandmessers“ abgenommen wird. Allerdings würde dann spätestens bei der Bearbeitung der Ordnungswidrigkeitenanzeige das Verfahren eingestellt, da dann im schriftlichen Verfahren herauskommt, dass doch ein berechtigtes Interesse vorgelegen hat.


Also ist es nach dieser Auffassung schon möglich, dass man die Eigenschaften eines Einhandmessers temporär durch eine Sicherung aussetzen kann. Verwunderlich ist aber, dass man dieser Auffassung nach bauliche Zweihandmesser als Einhandmesser modifizieren kann (z.B: Kugellager und leichter Lauf) und sich damit in einer rechtlichen Grauzone bewegt.

Final ist die Rechtslage also weiterhin etwas konfus und es gibt weiterhin keine allgemeingültige, offizielle und bundesweite Auslegung der Rechtslage. Allerdings bestätigt die KPB mit dieser Antwort in Teilen meine Rechtsauffassung und ich habe (zumindest in meinem Kreis) etwas mehr Sicherheit was meine Rechte angeht. Schließlich kenne ich nun die Rechtsauffassung seitens der Behörde.

Es wäre interessant, wie eure zuständigen Waffenbehörden die Rechtslage auffassen! Schreibt die doch mal mit den gleichen oder ähnlichen Fragen an, um eine Vergleichbarkeit der Bundesweiten Auslegungen zu sehen.


Liebe Grüße!

Anton
 
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Beidhändig zu bedienende Messer werden nicht dadurch zu Einhandmessern, dass sich die Klinge durch z. B. eine Schleuderbewegung oder ähnlich mit einer Hand öffnen lässt.
A.a. zur Schleuderbewegung das BKA als laut Gesetz für die Auslegung einzig zuständige Behörde explizit im FB zum Pohlforce.

Bemerkenswert finde ich die Ausführungen zum berechtigten Interesse und zum Owi-Verfahren. Leider wird in vielen Fällen dafür ja nicht die lokale Waffenbehörde, sondern die für die Führung von Qwi-Verfahren zuständige Behörde das Verfahren führen, je nach territorialer Verwaltungsgliederung.
 
Moin,

danke fürs Teilen Anton.
Mehr Sicherheit ergibt sich dadurch halt nicht, weil der FB zum Pohlforce nämlich nicht den Soll-Zustand (=Fehlen der konstruktiven Merkmale zur Einhandöffnung), sondern den Ist-Zustand bewertet. Laut KPB Steinfurt würde die Schleuderbewegung aus einem Zweihandmesser eben kein Einhandmesser machen.

Gruß,

Nick
 
Natürlich gibt mir das mehr Sicherheit. Sollte der vermutlich sehr unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ich im Park beim Picknick von einem Beamten auf mein Messer angesprochen werde beispielsweise. Dann kann ich ja direkt auf diese Nachfrage verweisen und die Situation vor Ort aufklären. Allerdings gilt das nur in meinem Kreis. Anderorts wird es offensichtlich kniffeliger.

Wie ich bereits erwähnt habe teile ich die Rechtsauffassung meiner KPB nicht in allen Fällen. So sehe auch ich es so, dass jedes im Ist Zustand einhändig öffenbare Zweihandesser auch als Einhandmesser zu bewerten ist.
 
So sehe auch ich es so, dass jedes im Ist Zustand einhändig öffenbare Zweihandesser auch als Einhandmesser zu bewerten ist.
Wie definierst Du dann "öffnen"? Fast jeder Folder läßt sich ja irgendwie einhändig öffnen, es sei denn er hat eine verschraubte und unbebuchste Klingenachse, die man dann extrem fest angezogen hat.
 
Ja also im logischen Sinne müsste man noch etwas zu meiner Definition hinzufügen.

Im Ist- Zustand mit Klinge voran und Hand am Griff einhändig öffenbares , sowie automatisch arretierendes Messer.

Denn dafür soll es ja eben nicht genutzt werden können. Als Waffe die der Leidtragende nicht kommen sehen kann.

Wenn man erst umständlich nach dem Aufklappen umgreifen muss wäre das ja nicht mehr gegeben. Mein Laguiole kann man auf keinen Fall einfach einhändig öffnen :) und auch viele andere Messer würden nach der Definition korrekt als Zweihandmesser eingestuft.

Aber es gibt ja eben keine sinnvolle offiziell gültige Definition :rolleyes::
 
Soweit ich das nachvollziehen kann geht es bei der Gesetzgebung nicht um eine vorbereitete Straftat sondern eher darum, Leuten mit kriminellen Energien was übliches aus ihrem Gewaltrepertoire wegzunehmen. Und im Normalfall hat niemand eine blanke Klinge in der Tasche um diese für den Notfall oder eben im Affekt zu ziehen. Ein Einhandmesser jedoch schon.

Wer es von vorneherein darauf abgesehen hat jemanden zu verletzen, den stören vermutlich auch irgendwelche Gesetzgebungen nicht.

Das ist zumindest meines Erachtens nach der Tiefere Sinn hinter der Gesetzgebung.
 
Die Gesetzesbegründung verwies ja auf das Verbot von Butterfflymessern in 2002, das wiederum mit einer Bundestagsdrucksache begründet wurde, in der mehrere Bundesländer beleglos behauptet hatten, daß solche Messer bei der Straßen- und Jugenkriminalität eine besondere Rolle spielen würden. Was Butterflymesser angeht, so sind diese ja vergleichsweise ungeeignet, um sie im spontanen Einsatz überraschend zu öffnen. Da ist ein Zweihandfolder unauffälliger und im Zweifel auch schneller.
Nach den offiziellen Polizeimeldungen kommen zumindest hier in der Region grade bei Affekttaten und Gruppenauseinandersetzungen überwiegend feststehende Messer zum Einsatz und überwiegend aus dem Haushaltswarenbereich und nach allen Anzeichen vor allem aus dem niedrigpreisigen Bereich. Das gilt natürlich noch mehr für den Bereich der geplanten Taten bei gefährlicher oder schwerer Körperverletzung, auch weil hier nach hiesigen polizeilichen Erkenntnissen als Täter ein recht elitärer Kreis aus Intensivtätern dominiert, die kaum Interesse für die Rechtsordnung aufweisen.
 
Wie man in Deinem Bericht erkennen kann, Ant0n, ist die Auslegung Deiner örtlichen Behörde recht "verbraucherfreundlich".
Allerdings legt es jede Behörde anders aus. :(
Und selbst wenn der Sachbearbeiter, der diese Auskunft erteilt hat, durch einen Kollegen ersetzt wird, kann der schon wieder eine andere Meinung vertreten.
Diese "Rechtsunsicherheit" ist von der Gesetzgebung offensichtlich gewollt, um den Ordnungskräften in bestimmten Fällen entsprechende Spielräume zu verschaffen.

Legt Euch bei der Begrifflichkeit "Waffe" auch bitte nicht auf die Definition eines Gegenstandes im Waffengesetz fest.
Als Waffe kann vor Gericht fast alles ausgelegt werden. Es kommt nur darauf, wie der betreffende Gegenstand verwendet wurde oder auch werden könnte. (Stein, Stock, Schlüsselbund, etc.pp)

Ich war bei einer Gerichtsverhandlung anwesend, wo die Richterin den Angeklagten nach seinen Schuhen fragte, die er bei seiner Selbstverteidigungsaktion gegen 2 "unnette" Menschen getragen hatte, die nur 2., respektive 3. Sieger bei dieser Auseinandersetzung waren.
Stabile Straßenschuhe hatte sie damals "Waffen" gleichsetzen wollen, flexiblere Turnschuhe wären von ihr "strafmildernd" eingeschätzt worden. :rolleyes::

Was sagt uns das alles?
Definitiv nicht erlaubte Gegenstände zuhause lassen. Und im Falle einer Kontrolle freundlich sein und auf Rechtskenntnis und/oder Einsicht der kontrollierenden Beamten*innen hoffen. ;)

Selbst wenn ein Gegenstand widerrechtlich eingezogen wurde, bleibt (uns) erstmal der Ärger mit dem Gang zur Polizei/Ordungsbehörde am folgenden Tag um diesen wieder einzufordern oder sogar eine eventuelle Gerichtsverhandlung.
 
Legt Euch bei der Begrifflichkeit "Waffe" auch bitte nicht auf die Definition eines Gegenstandes im Waffengesetz fest.
Als Waffe kann vor Gericht fast alles ausgelegt werden. Es kommt nur darauf, wie der betreffende Gegenstand verwendet wurde oder auch werden könnte. (Stein, Stock, Schlüsselbund, etc.pp)
Dabei geht es dann aber um Waffen i.S.e. Tatbestandes im StGB nicht im Waffenrecht. Das wird erst relevant, wenn man einen Straftatbestand aktiv erfüllt hat.

Selbst wenn ein Gegenstand widerrechtlich eingezogen wurde, bleibt (uns) erstmal der Ärger mit dem Gang zur Polizei/Ordungsbehörde am folgenden Tag um diesen wieder einzufordern oder sogar eine eventuelle Gerichtsverhandlung.
Das kann zum Glück nicht passieren, eingezogen werden kann ohne Zustimmung des Eigentümers erst anläßlich eines rechtkräftig gewordenen Urteils. Dann allerdings auch widerrechtlich.
Trotzdem sollte man sofort bei einer erfolgenden Sicherstellung dieser widersprechen und so schnell wie möglich zu Protokoll eine Herausgabe verlangen.
 
Die Begriffe "Einziehen" und "Sicherstellen" sind mir in rechtlicher Definition nicht sooo geläufig, gemeint habe ich dann wohl das Sicherstellen - Danke für die Richtigstellung. (y)

Auf den Begriff "Waffe i.S.e. Tatbestandes im StGB nicht im Waffenrecht" ;) bezog ich mich, da oben auch auf mögliche Straftaten und von Dir in Post #49 auf Butterfly-Messer eingegangen wurde.
Lass`uns nicht über meine Fehlinterpretationen diskutieren, wir meinen im Endeffekt sicher das Gleiche.
 
Das mit dem Sicherstellen ist insofern wichtig, als das darauf achten muß, um sich gegen etwaige hoheitliche Übergriffe auf dem Rechtsweg taktisch möglichst effektiv zur Wehr setzen zu können.

Hinzu kommt noch, daß nach dem jeweils geltenden Polizeirecht jedwede Gegenstände sichergestellt werden können, sofern es dafür einen ausreichenden Anlaß gibt und die Sicherstellung verhältnismäßig ist.
 
Vielleicht müssen erst massenhaft Victorinox-Besitzer bestraft werden, damit ein großer Player mit "skin in the game" tatsächlich mal versucht, endgültige Rechtssicherheit zu schaffen. Böker hat ja beispielsweise beim Griploc nach dem Einspruch "aufgegeben", was ich halbwegs nachvollziehen kann.
 
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