@ sauerländer und Porcubine: besten Dank.
Ich hatte unlängst die Gelegenheit, mir eines von drei Böker Haddock aussuchen zu dürfen. Das Haddock an sich ist für mein Empfinden ein sehr gelungenes und stimmiges Messer. Man könnte glatt zum Hohlschliff-Sympathisanten werden. Auch die Materialwahl weiß in diesem Fall zu überzeugen, obwohl ich persönlich eher ein Freund von rostendem Stahl, Holz oder Knochen bin. Doch hier passt es einfach. Das Design hat es mit vom ersten Moment an angetan. Live und in Farbe wurde das "ich muss das Messer haben"-Gefühl x-fach verstärkt. Haptik, Führigkeit und Gewicht sind für ein EDC einfach prächtig. Die puristisch anmutende Titanplatine mit dem Framelock ist ne blanke Freude. Beim In-die-Hand-Nehmen hat man das Gefühl, dass es ganz wunderbar passt. Zudem ist das Stone-washed-Finish ne Lecke.
Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht auch genauer hinsehen würde. Und da hat sich für meinen Geschmack einfach mal zuviel Negatives angesammelt. Ich zähle es einfach mal auf:
- bei einem Exemplar konnte man den Lock bis an die G10-Seite ohne allzu große Kraftaufwendung durchdrücken; nach dem Loslassen federte er dergestalt zurück, dass er linksbündig abschloss; sprich: zu wenig Fleisch und viel zu wenig Spannung im Liner
- bei den anderen beiden Haddocks schloss der Liner linksbündig ab (bei einem neuen Messer wäre mir es lieber, wenn er im ersten Drittel zum Stehen käme), er ließ sich nur geringfügig weiter gen G10 drücken, federte aber auch bei diesen beiden geringfügig zurück (scheinbar auch hier: Spannung zu gering)
- bei zweien war die Rampe an der Klingenwurzel schön poliert; beim dritten hat man dies vergessen
- die Ausprägung des Nagelhiebs differierte in Tiefe und Länge teilweise erheblich
- bei einem schien die Spitze verschliffen/verzogen
- bei zweien war der Anschliff weit von irgendeiner Symmetrie entfernt
- bei einem anderen stand die ordentlich geschliffene Klinge nicht ansatzweise mittig
- bei dem Haddock, was noch die wenigsten Schwächen offenbarte, konnte man den Clip verschieben, obwohl die Schrauben gut angezogen waren; offensichtlich zu viel Spiel in den Bohrlöchern des Clips; zudem hatte der Clip keine Spannung; er stand sogar von der Platine ab
Ich entschied mich daher, keines der drei Haddocks zu nehmen. Ich bin nicht bereit für ein 180 Euro teures industriell gefertigtes Messer derartige Ausführungsfehler zu akzeptieren. Nennt mich gestrig, aber ich rechne immer noch gern in DM um: 360 DM für ein Klappmesser ist ordentlich viel Schotter. Es gab Zeiten (nicht mal allzu lang her), da hat man bei Böker für diesen Betrag ein Damast-Klappmesser bekommen. Und ich hätte lange überlegen müssen, 360 Öcken für ein einfach gemachtes Klappmesser hinzulegen. Und wenn, dann muss bei diesem Preis die Verarbeitungs-Qualität einfach mal passen. Was beim Haddock leider nicht der Fall ist. Die Qualitätsstreuung ist enorm! Offensichtlich wird Böker hier dem eigenen (erhofft werbewirksamen) Anspruch (Manufaktur, gefertigt von Meisterhand etc. etc.) nicht wirklich gerecht. Und dass, obwohl es mit den Helios- und Turbine-Modellen in Sachen Qualität durchaus vielversprechend aussah. Ich finde das sehr sehr schade! Gerade weil das Böker Haddock in seiner Gesamtheit ein klasse Messer sein könnte und eine bessere Verarbeitung verdient!
Also geschätzte Böker-Belegschaft: zieht hier bitte die Quali-Schraube an. Bitte.