Einfluss der Flankenbeschaffenheit auf die Performance von Kochmessern

ebenezer

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Hallo zusammen,

betrachtet man die verschiedenen Varianten von Kochmessern sowohl aus industrieller als auch handwerklicher Fertigung, so gewinnt man den Eindruck, als sei die Beschaffenheit der Flankenoberfläche mehrheitlich das zufällige Ergebnis der verschiedenen Fertigungsprozesse, oder aber folge bei besonders hochwertigen Messern optisch stilistischen Erwägungen.

Den funktionalen Eigenschaften der Flanken, bzw. der unterschiedlichen Flankenbereiche wird selten Rechnung getragen.

Dabei ist es aus meiner Sicht für die funktionsoptimale Gestaltung eines Kochmessers unerlässlich, sich die im Schneidprozess auftretenden Oberflächeneffekte zu vergegenwärtigen, und ihnen im Hinblick auf leichten Schnitt und gutes Foodrelease Rechnung zu tragen.

Meine Gedanken beziehen sich hierbei in erster Linie auf problematische, weil harte und saftarme Gemüsesorten. (zB. Karotte, Kohlrabi, Sellerie, Süßkartoffel)

Ein Messer, das diese Gemüse gut verarbeitet, kommt idR. mit Tomate, Gurke, Paprika und co. ohnehin gut klar. Fleisch sowieso.

Während sich das Schnittgut in den unterschiedlichen Phasen des Schnittes von der Wate nach oben an der Flanke entlang bewegt, kommen den unterschiedlichen Flankenbereichen unterschiedliche Aufgaben zu, die unterschiedliche Anforderungen an die Oberfläche mit sich bringen.

Hier würde ich als allererstes mal unterscheiden zwischen der Subtratseitigen Flanke, also der Flanke, an der das ungeschnittene Gemüsestück anliegt, und der Schneidgutseitigen Flanke, also der Flanke, an der die abgeschnittenen Teile sich befinden.

Leider gibt der Duden für diese Begrifflichkeiten nichts vernünftiges her.
Dort gibt es die Bezeichnung Schnittgut für das zu schneidende Gut. Für das geschnittene Gut gibt es keine Bezeichnung. Daher verwende ich eigene Bezeichnungen.

Beim Schnitt tritt aus den Zellen eine gewisse, relativ kleine Menge Flüssigkeit aus. Für einen leichten Schnitt ist es sinnvoll, diese Flüssigkeit zu nutzen, um einen Gleitfilm aufzubauen.
Daher scheint es mir sinnvoll, wenn die ersten paar Millimeter über der Wate poliert sind. Ist die Oberfläche in diesem Bereich relativ fein geschliffen, so verschwindet der Gleitfilm sofort in den Schleiffurchen und es tritt ein Ansaugen auf.
Ist sie gröber geschliffen, verschwindet der Gleitfilm ebenfalls, und die Schleifriefen erzeugen erhöhte Reibung, die sich ebenfalls als hemmend für den Schnitt zeigt.
Nach den ersten Millimetern ist der Gleitfilm in aller Regel verbraucht, und es beginnt der Flankenbereich, in dem man Schneidgutseitig ein Ablösen erzielen möchte.

Dazu bedarf es irgendeiner geometrischen Maßnahme in der Flanke, die Luft zwischen Flanke und Schneidgut befördert.
Das kann im einfachsten Falle eine Balligkeit oder ein Knick, oder aber eine heftigere Maßnahme wie eine Hohlkehle oder ein Hook sein.
Dennoch kann es sein, dass kleineres Schneidgut diese Maßnahme überwindet, oder es durch einen Abführstau zu einem Sekundärkontakt mit dem Schneidgut kommt.

Deshalb ist es sinnvoll ab diesem Bereich nach oben Richtung Rücken eine gröber strukturierte Oberfläche zu haben, die ein zu intensives Wiederanlegen verhindert.
Das kann ein grober Schliff oder auch Frässpuren oder Schmiedehaut sein. So fällt das Schneidgut entweder von selbst, oder bei leichtester Berührung ab.

Auf der Substratseite braucht die Flanke naturgemäß mehr Anlage, da hier der Schnitt auch geführt werden muss.
Da scheint es sinnvoll auch nach oben hin weitere polierte Gleitflächen zu bieten. Um dennoch ein Ansaugen und damit Schnittwiderstand zu vermeiden sollten diese Gleitflächen aber nur einen Teil der Flanke bedecken, und von Rücksprüngen in der Fläche unterbrochen sein, die Luftzugang ermöglichen und Adhäsion verringern.

Das kann durch Hohlkehlen, Längsrillen oder partielle Vertiefungen erzielt werden. Bei Schmiedehaut müssten auf der Substratseite die „Bergspitzen“ des Oberflächenreliefs weg geschliffen und poliert werden, um deren Reibung am Substrat zu minimieren.

Fazit: Es braucht eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Flankenbereiche und eine jeweils angepasste Oberfläche für beste Performance.

So meine Sicht der Dinge und mein Stand der Erkenntnis.

Beste Grüße
Norbert
 
Hy Norbert,
Das ist in der Tat ein interessantes Thema.
Unter dem microscop betrachtet, sind die Theorien natürlich einleuchtend. Aber der Faktor Geschwindigkeit sollte auch bedacht werden. Ich schneide ja nicht in Zeitlupe um dem Schnittgut Bedenkzeit zu geben sondern eben im normalen Tempo, was für jeden natürlich unterschiedlich ist.
Da wäre dann also die Frage in wie weit die Oberflächenbeschaffenheit noch Einfluss hat, wenn ich mit "Tempo" schneide.

Ich persönlich bevorzuge das Konzept der groben vertikalen satinierung bei Alltags Messern/Alleskönnern. Ich glaube an die von dir erwähnte Theorie des Anhaft Verlustes und des damit verbundenen leichteren abstreifens des Schnittgutes. Fein polierte Oberfläche wirken da Kontra produktiv.

Bei Spezialisten ohne besonderen Performance Anspruch, was die Oberfläche angeht, gefällt mir der feine längs Abzug wiederum besser. Also rein optisch.

Gruß Fabian ✌️
 
Hallo Fabian,
da gebe ich Dir völlig Recht. Ein sehr dynamischer Schneidvorgang mit entsprechender Schnitttechnik überlagert natürlich die oben beschriebenen Vorgänge , kann sie ein Stückweit aushebeln
und in ihrer Relevanz zurückdrängen.
Das hat halt auch nicht jeder drauf.
Grüße
Norbert
 
Es stellt sich auch die Frage, ob sehr hohe Klingen zuhause Sinn ergeben, wenn man sowieso nicht im Rollschnitt (Wiegeschnitt mit Vor und Zurück) schneidet. Für die meisten Schneidaufgaben reicht ein Petty oder etwas größeres Office-Messer völlig aus. Mit entsprechenden Vorteilen beim FR wegen der geringeren Klingenhöhe.

Es ist z.B. interessant, dass auch viele Köche (z.B. Marco Pierre White, Jaques Pepin oder David Kinch) hauptsächlich mit recht kleinen und vor allem flachen Messern arbeiten und hohe Kochmesser nur verwenden, wenn sehr großes Obst und Gemüse vorbereitet wird.
 
Ich schneide hauptsächlich im zugschnitt und im Wiegeschnitt, daher ist es für mich persönlich angenehmer mit hohen Klingen zu arbeiten. Meine Frau nimmt was rum liegt und drückt drauf los 😁 da wäre es also egal
 
Es stellt sich auch die Frage, ob sehr hohe Klingen zuhause Sinn ergeben, wenn man sowieso nicht im Rollschnitt (Wiegeschnitt mit Vor und Zurück) schneidet.
Ist Deine Kernaussage: Wer das dynamische Schneiden nicht gut genug beherrscht, soll halt die Finger von großen Kochmessern lassen?

Also, Messermacher macht euch mal keinen Kopf und überlasst die Verantwortung für ein angenehmes Schnittverhalten dem Anwender?

Ich bin Ingenieur. Meine Maxime ist: lass kein Detail Deines Bauteils einfach unbeachtet links liegen, sondern gib jedem Detail die maximal mögliche Funktion mit.
 
Davon ab.

Ich habe recht große Hände, da bleibt in der Regel nur die Spitze von einem Petty auf dem Brett nutzbar - das kann bei Zwergen, Kindern und Akrobaten natürlich anders aussehen.

grüsse, pebe
 
Ich bin ein Zeitlupenschnippler. Zu den genannten Schnitttechniken kann ich nichts sagen.
Aber das chinesische Kochmesser bringt einen großen Abstand zu der scharfen Schneide. Chef Panko in YT sagt, es muß scharf, aber nicht hübsch sein. Also habe ich auf der Abschnittseite eine Hohlkehle eingeschliffen und das Blatt darüber mit einem X-Schliffbild verunstaltet, um den Foodrelease zu verbessern. In den deutschen Küchen ist so ein breites Messer sicherlich schwer unterzubringen.
Bei Kürbissen, Melonen oder ähnlich harten Zeugs führt die hohe Klinge sich selbst gerade durch das Gemüse.
Bei Pizza nehme ich es lieber als den Rollenschneider, weil bei dem der Käse immer wieder am Lager anklebt.
Seit die Schneide ballig geschliffen wurde, ist auch meine Frau von dem ungewohnten Messer nicht mehr abgeschreckt.
Wenn man dann den Pitchgriff (drei Finger an der Klinge, heißt das so?) entdeckt, bekommt das Messer eine Wendigkeit am Schneidbrett, die begeistert,
Auch, wenn ich nicht qualifiziert bin für solch ein Messer, benutze ich es gerne.
Es hilft mir auch beim Schleifen lernen. Eure Überlegungen über die Flanken der Schneide halte ich für wichtig.
 
Die Frage ist doch: passt man das Werkzeug der Schnitt-Technik an oder die Schnitt-Technik dem Werkzeug.
Da würde ich sagen, ich passe die Schnitttechnik dem Werkzeug an. Ich kapituliere ja nicht vor dem Kohlrabi, nur weil ich gerade kein großes Messer da habe 😁 dann nehme ich eben das kleine und wühle mich damit durch.

Gruß Fabian ✌️
 
Gerne. Es muß mir nur jemand einen Tip geben, wie ich glänzende Metalflächen mit der Oberflächenstruktur fotografieren kann.
Ich habe keine Softbox. Kamera ist Olympus 5050 Camedia
 
Ich suche mir immer einen Platz mit diffusem Licht und spiele dann so lange mit der Ausrichtung des Objektes, bis das, was ich zeigen will einigermaßen rauskommt.
Du musst ja hier keinen Fotowettbewerb gewinnen.
Handyfotos reichen auch.
 
Danke!!
Hier die Bilder: Beim Einfügen als Bild einfügen gab es eine Fehlermeldung. Können die Bilder nur einzeln eingefügt werden?
Bilder
Was auch immer Ihr nun seht.
Bei dem Cleaver haben beide Seiten hinter dre Schneide eine kleine Hohkehle. Einfach auf die Tormek draufgelegt und mit der groben Diamantscheibe reingeschliffen. Auf der linken Seite soll diese Nut das Schneiden erleichtern, weil die Klinge nicht so sehr an dem zu Schneidene klebt.
Bild 57 ist die rechte Seite der Klinge.
Bild 71 ist die linke Seite.
Sechs Bilder sollten es insgesamt sein.
Auf der rechten Seite habe ich erst hinter der Nut mit einem Stein einen 2cm breiten Streifen poliert. Tip 1 von Chef Panko. Das Schnittgut klebte aber immer noch an der Klinge. Daraufhin habe ich mit 1000er Papier x-förmig Riefen draufgemacht. Tip 2 von Chef Panko. Dann haftete das Schnittgut nur so fest, dass ich mühelos über der Schüssel abstreifen konnte. Auf die breite Klinge passt eine Menge Schnittgut.(-:
Am Anfang hatte ich 12 ° Schleifwinkel. Da gab es aber häufig Ausbrüche. Deshalb bin ich auf 15° gegangen.
Ich hatte erwogen, 3 Stück 12mm Bohrungen reinerodieren zu lassen. Ähnlich dem Camenbert Messer.
Dann kam aber Tormek mit dem KJ-45 Halter und ich habe die Schneide ballig geschliffen.
Nun unterstützt das Gewicht der Klinge angenehm das mühelose Schneiden von Gemüse, Kürbis und Melone. Also nix mit Erodieren.
Zum Nachschärfen husche ich einfach über das Filzrad mit Chromoxyd.
Das Messer gab es für 40€ im Urwald.
 
Hallo Pietje,
danke für die Bilder.
Deine X-Riefen mit 1000er Papier halte ich für Placebos.
Um Anhaften zu verhindern musst Du auch gar keine X-Riefen machen.
Die Vertikalrichtung, die auf der Flanke schon vorhanden ist, reicht.
Wenn Du die mit 80er oder 120er SIC Schleifpapier überarbeitest, wirkt das gut und die Optik bleibt einigermaßen homogen.
 
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