Ich kann Walters "Entsetzen" ganz gut verstehen und will seine Frage, ob es sich für einen Laien lohnt, den "Rapatz" zu kaufen, halb ernst und halb mit einem gewissen Augenzwinkern beantworten. Es passt an sich nicht in die Erörterung, wie man Klingen färbt- vielleicht sollte man sich einmal in einer neuen Runde Gedanken machen, wieviel Theorie zum Messermachen sein muß.
Hier nur mal ein paar Gedanken dazu:
1. Wenn man Laie bleiben will, lohnt sich das Lesen dicker Bücher nicht. Ohne Grundkenntnisse ist es auch leichter, in einer Welt der Wunder zu leben: Es gab mal einen Messermacher, der kannte eine geheime Härtetechnik, sodaß er mit seinen Messern Äxte durchschneiden konnte. Leider hat es sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Die alten Inder (Perser, Japaner...usw.) kannten einen Stahl, hinter dessen Geheimnis man bis heute nicht gekommen ist-usw.
Schon einfache Grundkenntnisse können da Illusionen zerstören.
2. Wenn man schöne Messer machen will, ist es nicht notwendig, Ingenieurliteratur zu lesen.
3. Auch die Herstellung hochwertigster Klingen setzt nicht zwingend große Stahlkenntnisse voraus.Es genügt, wenn man einer anerkannten Autorität oder bewährten Tradition folgt. Im Fernsehen war vor kurzem eine Sendung über den Messermacher Keijiro Doi. Ich glaubte zunächst, der katastrophale Unsinn, der da erzählt wurde, beruhe allein auf Übersetzungsfehlern oder Journalistengeschwätz. Ich habe mir dann die ungekürzte Urfassung dieses Filmsbeitrags besorgt- da machte einiges wieder mehr Sinn. Einige Schritte blieben aber auch da sehr zweifelhaft. Ein von mir sehr geschätzter Fachmann hatte sich von einem japanischen Messermacher den Text der Urfassung übersetzen lassen und beide kamen zu dem Ergebnis" Der Opi hat keine Ahnung" . Das lasse ich jetzt einmal unkommentiert so stehen. Das ändert nichts daran, daß die Kochmesser von Meister Doi vorzüglich sind: Er arbeitet mit Stahlkombinationen, die sich für seine Arbeitsweisen bewährt haben und mit Techniken, die er seit Jahrzehnten kennt und verfeinert.
Damit kommen wir zum für mich entscheidenden Punkt: Wenn man wissen will,"wie" etwas gemacht wird, kann man sich ein intensives Studium ersparen. Wenn man dagegen wissen will,"warum" etwas so oder so am besten funktioniert, ist auch eine Beschäftigung mit der Theorie unumgänglich. Mit dem nötigen theoretischen und praktischen Wissen, kann man Fehler von vornherein vermeiden, reißerische Anpreisungen eines neuen "Wunderstahls" kritisch unter die Lupe nehmen und meist als Verkaufmasche entlarven, den richtigen Stahl zum richtigen Zweck wählen, Wärmebehandlungen selbst vornehmen, abwandeln, verfeinern und dem beabsichtigten Einsatz anpassen.
Die Beschäftigung mit der Theorie kann dann auch zu sehr klaren Aussagen für die Praxis führen. Die Erkenntnis, daß die mechanischen Eigenschaften der Stähle im Makrobereich nicht unbedingt auch im Mikrobereich, also etwa im Bereich feinster Schneiden gelten, setzt sich langsam durch. Sie ist aber letztlich unwiderlegbar, hat große Auswirkungen auf die Gestaltung hochwertiger Klingen und ist aus der Beschäftigung mit Theorie und Praxis entstanden.
MfG U. Gerfin