Feilen zu Messer - aber wie?

Wenn man die entscheidenden Punkte beachtet, ist das Härten unlegierter Werkzeugstähle einfacher als man sich das oft vorstellt.

Hier haben wir es mit einem Feilenstahl zu tun. Was sagt uns das ?-
Wenn es sich um eine Markenfeile handelt, ist sie aus einem Stahl wie 1.1663 oder 1.1667 oder einem noch besseren leicht legierten Stahl hergestellt.

Das Angenehme an den guten Feilenstählen ist, daß sie auf die Wärmebehandlung so gut wie identisch ansprechen. Man muß sie also nicht exakt mit Vornamen und Patennamen kennen.
Sie könnten wegen des sehr hohen C-Gehalts schon von Temperaturen ab 740 Grad C gehärtet werden. Solche niedrigen Härtetemperaturen sind sogar empfehlenswert, wie Untersuchungen an Spitzeisen im Bohrhammer zeigten. Wenn man zur Sicherheit mit der Temperatur höher geht, schadet es aber auch nicht wirklich.
Wegen der vielen Karbide ist die Neigung zum Kornwachstum gering, sodaß auch bei einer Härtetemperatur von 800 oder auch 820 Grad noch nichts Schreckliches geschieht.

Die Härtung aus einer Temperatur um den Curie-Punkt ist kein Selbstzweck. Der Curie-Punkt hat mit der Härtung an sich nichts zu tun. Er hilft aber, eine geeignete Härtetemperatur zu finden.

Eine weitere angenehme Eigenschaft der Feilenstähle ist, daß sie keine Haltezeiten auf Temperatur brauchen. Sie enthalten keine oder kaum Sonderkarbide und das einfache Eisenkarbid Fe 3 C löst sich ab der Überschreitung des Ac 1 -Punktes relativ schnell im Austenit. Dies gilt zumindest von dem im eutektoidischen Perlit enthaltenen Karbid.
Diese Betrachtung könnte man noch sehr verfeinern, für praktische Zwecke genügt die Darstellung oben.

Für die praktische Ausführung des Härtens kommt es nun darauf an, die gewünschte Temperatur schnell und gleichmäßig zu erreichen.
Mit einem Schmiedefeuer ist das ein Kinderspiel, mit dem Gartengrill ist es nicht so ganz einfach. Grillkohlen ohne Luftzufuhr erreichen die erforderliche Temperatur eher nicht. Wenn man sie von oben mit dem Blasebalg oder dem Fön anbläst, werden sie heiß genug, ich empfinde aber die starke Sauerstoffzufuhr und die damit verbundene Oxidation als schädlich.

Deshalb ist es besser, die Grillkohlen von unten anzublasen. In einem Kugelgrill genügt es, die Luftzufuhr unten zu öffnen und auf den gut glühenden Kohlen ein paar dürre Ästchen zu verbrennen. Das bewirkt einen natürlichen Luftzug nach oben, der für die erforderliche Temperatur ausreicht.
Noch einfacher und wirksamer ist es, die Grillkohlen oder trockenes Holz in einer passenden Grube im Boden zu entzünden und von unten mit einem entsprechend gebogenen Rohr und dem Fön anzupusten.
Die Klinge sollte so in der Glut geführt werden, daß sie möglichst allseitig umhüllt ist und die dickeren Teile zuerst den heißesten Stellen des Feuers zugeführt werden. Durch Verschieben im Feuer kann man sie schön gleichmäßig auf Glut bringen.

Dann kommt der Magnettest: Mit einem kräftigen Magneten und einem daran angezogenen passenden Eisenstück prüft man, ob der Curie-Punkt überall erreicht und leicht überschritten ist. Greift der Magnet an keiner Stelle mehr, geht es sofort ins Öl- Die Art des Öls ist ziemlich gleichgültig. Dickflüssige Öle sollen schärfer wirken als dünnflüssige, einen Unterschied wird man da aber in der Praxis nicht feststellen.
Optimal soll das Fett eines kräftigen Sklaven härten, sie sind aber sehr selten geworden. Gegebenenfalls hilft da ein Eigenversuch.

Nun sollte sofort angelassen werden. Da gibt es zwei Möglichkeiten.

Die einfachste ist die mit dem Backofen als Beilage zum Sonntagsbraten. Dabei ist eigentlich nur zu beachten, daß man das anhaftende Öl vorher abwäscht. Der Klinge würde das nichts schaden, wohl aber dem Braten.
Zwei mal 20 min. bei 200 Grad ergibt eine immer noch knallharte Klinge, die aber schon einiges verträgt.

Dabei sollte man aber den Charakter des Stahls nicht vergessen: Es handelt sich bei den guten Feilenstählen um Stähle, die in der Zeit vor dem "Antikorrosionswahn" als die Spitzenstähle für Rasiermesser galten.
Ihre Stärke liegt daher eher in der Möglichkeit eine äußerst feine und haltbare Schneide anzuschleifen, als in der Widerstandsfähigkeit gegen groben Mißbrauch.
Für ein Haumesser würde ich daher Feilenstahl auch nicht in höher angelassenem Zustand empfehlen. Bei über 300 Grad Anlaßtemperatur ist er über die Blausprödigkeit hinaus, hat aber auch viel von seinem Potential verschenkt.

Die zweite Möglichkeit des Anlassens klingt rauh und roh, funktioniert aber besser als man denken sollte und hat den Charme des Ursprünglichen:
Unmittelbar nach dem Abschrecken im Öl führt man die Klinge mit dem anhaftenden Öl über der Glut hin und her, bis das Öl anfängt zu brennen.
Solange Öl auf der Klinge ist, erhitzt sie sich nicht über die Flammtemperatur des Öls, die in der Regel bei ca 220 Grad liegen dürfte. Der Vorgang wird zwei-dreimal wiederholt und die Klinge ist gebrauchsfertig angelassen.

Auf die vielen Variations- und-Spielmöglichkeiten, die sich gerade bei der Verwendung unlegierter oder einfach legierter Stähle, wie etwa der Feilenstähle ergeben- differentielle Härtung, differentielles Anlassen usw. usw.- gehe ich jetzt mal nicht ein. Das könnte Verwirrung stiften.

Zur Warnung: Die oben geschilderte Vorgehensweise empfiehlt sich nur bei nicht geschmiedeten Klingen aus Feilenstahl. Sind die Feilen nicht nur geschliffen oder nach Weichglühen gesägt oder gefeilt worden, so sollten sie vor dem Härten normalisiert werden.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Vielen Dank für die Ausführungen. Auch wenn ich nicht der Fragensteller war, so habe ich doch viel Interessantes erfahren! Der Beitrag ist in meinen Favoriten gelandet... Nur eins verstehe ich nicht:

... Optimal soll das Fett eines kräftigen Sklaven härten, sie sind aber sehr selten geworden. Gegebenenfalls hilft da ein Eigenversuch. ...

Hö? :jammer: :eek:

Ist das ein Insiderwitz?
 
Auch von mir vielen Dank an euch beide, da ich aber erst am Anfang bin und von den ganzen Stahleigenschaften so gut wie keine Ahnung habe und nur vom Lesen nicht wirklich schlauer werde (Curie-Punkt usw.) haben mir eure Antworten doch schon sehr geholfen.

Aber das es mit meinem Kugelgrill ganz gut geht, hat das Weichglühen schon gezeigt, da lag sie halt eine halbe Stunde unter Volllast und jetzt ist sie butterweich.

Wenn das mit dem Anlassen so "einfach" geht über dem Grill, dann mach ich das glaub ich. Da hab ich echt Lust drauf.

Zu den Eigenschaften kann ich natürlich nichts sagen, nur das sie nicht geschmiedet ist.
Aber die Feile ist nicht so alt, zum Hersteller kann ich nur sagen das als Logo eine Eule in einem Kasten zu sehen ist, was mir aber auch nicht wirklich weiter hilft.

Ps.: Den Satz mit dem "Sklaven Fett" hab ich auch nicht verstanden.

CU Chickster
 
Ihr habt soeben einen Beitrag von einem der belesensten Forumsteilnehmer gelesen. Sucht mal gezielt nach seinen Beiträgen und ihr werdet feststellen, dass U.Gerfin sehr viele Anekdoten aus alten Zeiten und Schmiedegeschichten zu erzählen weiß.

Das Fett eines Sklaven dürfte in dieser Kategorie zu finden sein und hat rein gar nichts mit praktikablen Methoden zu tun, wobei es mich nicht wundern würde, wenn tatsächlich in anderen düsteren Zeiten tatsächlich mal eine glühende Klinge im Bauch eines unglücklichen Menschen abgeschreckt worden wäre.
 
Moin!

Eventuell kann ich etwas Licht in die Frage nach dem Sklavenfett bringen (man verzeihe mir bitte diesen OffTopic)...:ahaa:

Ein Trommelbauer aus dem Dorf, in dem ich zuletzt wohnte, verwendet für die Bespannung seiner Trommeln ausschließlich das Leder von ausgemergelten, pakistanischen Ziegen...
Dies aus dem einfachen Grund, dass er sagt, die heimischen Ziegen hätten es viel zu gut und ihre Häute seien daher nicht robust genug...
Erst die Viecher, denen es im Leben schon dreckig ging, hätten die von ihm benötigte Belastbarkeit...

Analog kann man das auf das Beispiel mit dem Sklavenfett anwenden:
Je dreckiger es dem Kerl ging, desto belastbarer und zäher wird die abgeschreckte Klinge letztlich werden... ;)

In diesem Sinne frohes Schaffen!

Dom
 
Über die Wirkung verschiedener Härtemedien haben wir uns schon ausführlich auseinandergesetzt und dabei auch die unterschiedlichen Härteöle angesprochen.

Das ist in der Zeit, in der man Stahlleistung weniger durch mehr oder minder aufwendige Legierung steuerte als durch saubere Erschmelzung und den C-Gehalt eine wichtige Frage gewesen.

Grundsätzlich kann man sagen, daß Pflanzenöle schärfer abschrecken als Mineralöle und dickflüssige Öle stärker wirken als dünnflüssige.
Schweineschmalz war ein recht wirksames Härtemedium, wenn auch sicher kein wohlriechendes.

Die Geschichte mit dem Härten im Fett eines kräftigen Mannes ist tatsächlich als Theorie überliefert, wenn auch-hoffentlich- nie in die Realität umgesetzt worden.
Die Idee dabei war, daß die Schwertklinge durch die Lebenskraft des Mannes sozusagen getränkt und gestärkt wurde.

Eine ähnliche Idee ist in der -leider recht albernen- Verfilmung der Nibelungensage mit dem Hammerwerfer Uwe Beier aufgegriffen worden.
Siegfried hatte sich gerade sein Schwert geschmiedet, als sich ein neidischer Gehilfe des Schmiedes Mime von hinten anschlich und ihn erschlagen wollte. Siegfried durchbohrte ihn mit dem noch glühenden Schwert und Mime meinte, das sei die beste denkbare Härtung, weil das Blut eines "Alben"-um einen solchen handelte es sich bei dem Gehilfen- kälter als Eis sei und deshalb besonders gut härte.
Daraus könnte man nun folgern, daß der Meisterschmied Mime vom Härten nicht viel verstand oder aber, daß er schon mit hochlegiertem Stahl arbeitete, der für eine Tiefkühlung gedacht war.

Damit wollen wir es aber mit den "fett- und blutrünstigen" Geschichten gut sein lassen.
Für Messerklingen genügt in der Regel so gut wie jedes Öl.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
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