Interpretation von Kehlshots

Ceratos

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Hallo zusammen,
Langsam hat Ihr mich auch mit dem Küchenmesservirus angesteckt 😅 Daher beschäftige ich mich auch zunehmend mit Klingengeometrien und deren Eigenschaften. Bei den meisten Vorstellungen und Reviews finden u.a. auch immermal wieder Kehlshots.

Mir ist klar, das die Kehlshots Rückschlüsse auf die Geometrie zulassen, aber was lässt sich aus diesen Bildern wirklich alles auslesen?

Was denkt ihr beim Anblick von Kehlshots und was interpretiert Ihr dort hinnein?
Denkt ihr eher "oh geiler Laser" oder "was ein Brecher" oder geht ihr eher analytisch vor und vergleicht besondere Merkmale?

Ich würde mich sehr freuen wenn ihr vielleicht auch noch Beispiele unterschiedlicher Kehlshots habt und daran "Merkmale" zeigen oder erklären könnt.

Sonnige Grüße und vielen Dank,
Ceratos
 
Moin

Anhand von @Besserbissen und meinem Böker Test , kann man einen guten Eindruck gewinnen .

Zu 100% kann man ein Urteil erst auf dem Schneidebrett fällen ...
43560081ro.jpeg
43560073ci.jpeg
43560074aq.jpeg



Ohne die genauen Maße und wie gesagt der Schneideindruck , ist es nur ein gutes Indiz .
Zumindest beim groben , kann man schon sagen....wird nicht hübsch

Gruss

Micha
 
Servus,

ist eines meiner Themen....:D

Die richtige Interpretation von einem Kehlshot braucht ein paar weitere Daten zum Messer um aussagekräftig zu sein. Einige geben überhaupt nichts auf ein Kehlbild und meinen das sagt nichts oder zu wenig über die Eigenschaften des jeweiligen Messers aus. Das müsste man dann aber auch plausibel begründen, was selten der Fall ist.

Klar zeigt ein Kehlshot an, was zu erwarten ist, wenn das jeweilige Messer als das was es ist bezeichnet wird. Wenn die Angaben von einem Laser sprechen, also sehr dünner Klingenrücken, kein, oder fast kein Taper, dann kann man schon einen Schluss ziehen.

Beispiel: Kai Kobayshi....

P1120201.JPG


Eindeutig ein Laser, sehr dünn ausgeschliffen, allerdings auch sehr flach, also kein oder sehr geringer Foodrelease, aber leichter Schnitt über die gesamte Schneidenlänge, wenn der vordere Teil nicht verschliffen ist. Über die Flanken und über die Spitze wissen wir aber nichts, wenn wir nur den Kehlshot kennen.

Nächste Beispiel: Kamon Serienmesser, beidseitige HK

37111370ns.jpg


Was wir sehen ist der beidseitige S-Grind, eine feine Schneidenspitze und ein deutlich breiterer Rücken als bei einem Laser. Das Teil wird leicht schneiden und besser Schnittgut freisetzen als ein flacher Laser. Über die Spitze und ob es einen Taper gibt, sagt das Bild nichts aus, daher ganz wichtig, mehrere Detailbilder zu kennen um die Eigenschaften der Klinge besser einschätzen zu können.

Nächstes Beispiel: Byock faltbares Kochmesser

P1070498.JPG


Flachschliff mit klar erkennbarem V-Schliff und sehr dicker Wate. Klar zu erkennen, das schneidet schwer.

Nächstes Beispiel: Kamo To Santoku

26945081fo-1.jpg


Vergleiche zum Byock. :haemisch: Extremer, konkaver Dünnschliff, zischt beim schneiden.........

Und so ginge es endlos weiter....

Fazit: Ein Kehlshot hat natürlich eine richtungsweisende Aussage, die wenn man die restlichen Daten und Bilder des Messers kennt und lässt daher eine ziemlich genaue Interpretation zu. Ausnahmen bestimmen aber auch hier die Regel. Es gibt Messer mit einem verlockenden Kehl, die verschliffen sind und nach vorne raus immer dicker werden, oder eine dicke Spitze haben, so das keine Freude aufkommt. Ein fetter Kehl bei einem gewaltig getaperten Messer, sofern er klar als ballig geschliffen erkennbar ist, kann im Gegensatz dazu vorne schneiden wie ein Laser und hinten spalten wie eine Axt. So manch gelungener Kehl hat davor lästig klebrige Flanken usw.

Ich schaue heute noch auf den Kehl und versuche auch das restliche Messer detailliert zu begutachten. Zum Glück machen das jetzt schon viele Händler und bilden Messer von vielen Seiten ab, so das man sich ein recht solides Bild von den Schneid, Gleit und Hafteigenschaften machen kann.

Die letzte Instanz ist und bleibt aber die Hand.

Gruß, güNef
 
Beim Kobayashi hätte ich den Laser auch erkannt. Beim Kamo wäre ich mir nicht sicher gewesen. Zwar sehe ich, dass es zur Schneide sehr dünn wird, allerdings wird es zum Rücken auch deutlich schneller dick als beim Kobayashi.
 
Es ist ja so, dass der Kehlfoto selten alleine steht. Niemand bespricht ein Messer und zeigt nur eine Aufnahme vom Kehl. Also muss man auch nicht groß davor warnen, dass das Kehlfoto keine endgültige Beurteilung zulässt. Klar ist das so. Andererseits hat ein Kehlbild durchaus große Aussagekraft. Mit anderen Daten/Angaben zusammen ergibt sich ein Ganzes.
 
Sehr interessantes Video, danke @UE1. Schade finde ich lediglich das kaum Angaben zu den tatsächlichen Dicken hinter der Wate gemacht werden, ab wann man von "leicht" schneiden spricht etc.
Die einzige Angabe sind beim full flat 0,22mm und da redet er von "very very small", bei den anderen fehlt diese Angabe. Der hollow grind sieht für mich wie der typisch japanische Schliff aus welcher lange nachgeschliffen werden kann ohne das man ausdünnen muss. Als Beispiele nennt er Folder / Outdoor, nichtmals Küchenmesser :rolleyes::
 
Hört sich verdammt danach an, dass der Herr Hangler hier und anderswo fleißig mitgelesen hat. Ich muss sagen, dass es das beste Messervideo ist, das ich seit langem gesehen habe. Die Geometrien sind gut erklärt und spitzenmäßig zusammengefasst und zusammengestellt. Man merkt ihm die Durchdringung des Themas an. Außerdem hab ich nichts falsches gehört und das passiert mir selten.
 
Was denkt ihr beim Anblick von Kehlshots und was interpretiert Ihr dort hinnein?
Im Video erklärt Tobias recht gut, dass es auch Schliffe gibt, bei denen der Blick auf den Kehl keine Aussagekraft hat: Wenn z. B. aus Gründen einer bequemeren Griffhaltung dieser Bereich dicker gelassen wird:
Das gilt u.a. für Küchenmesser mit Kropf und Bart oder Hohlkehlen, die nicht bis zum Kehl durchgehen (siehe Video).

Man könnte auch sagen:
Hat das Messer am Kehl eine dünne Geometrie, wird der restliche Schliff ebenfalls dünn sein (es sei denn, der Schleifer war völlig unfähig).
Ist das Messer am Kehl dagegen stabil, bringt das erst einmal keine Infomationen für die restlichen Geometrie.
 
Servus,

Im Video erklärt Tobias recht gut, dass es auch Schliffe gibt, bei denen der Blick auf den Kehl keine Aussagekraft hat: Wenn z. B. aus Gründen einer bequemeren Griffhaltung dieser Bereich dicker gelassen wird:
Das gilt u.a. für Küchenmesser mit Kropf und Bart oder Hohlkehlen, die nicht bis zum Kehl durchgehen (siehe Video).

Man könnte auch sagen:
Hat das Messer am Kehl eine dünne Geometrie, wird der restliche Schliff ebenfalls dünn sein (es sei denn, der Schleifer war völlig unfähig).
Ist das Messer am Kehl dagegen stabil, bringt das erst einmal keine Infomationen für die restlichen Geometrie.

völlig richtig. Wobei Kropf/Bart die Welt der deutsch-französischen Kochmesser ist und ebendieser Kropf/Bart den Blick auf den Kehl verstellt, also scheiden solche Messer aus. Ein Abschätzen der Schneideigenschaften mit Blick über den Kehl ist also bei solcher Bauart nicht möglich.

Abgesetzte HK findet man nur bei Customs, denke ich, aber auch hier führt nur ein Blick über den Kehl zu einer Fehlinterpretation.

Die Stabilität am Kehl bringt insofern eine Information, wenn die Art des Schliffes klar erkennbar ist, also satt ballig auf „Null“ oder flach geschliffen mit deutlich sichtbarem V-Schliff mit breiter Fase. Um weiter abzuwägen braucht es wie schon in meinem ersten Beitrag geschrieben, mehr Informationen zum Messer.

Ich sag mal so, wenn jemand nur die beiden Flanken von einem Messer zeigt, sehe ich nur deren Oberfläche und das Profil und eventuell die „Dicke“ der Fase, sonst nix. Kommt der Rücken dazu, sehe ich Taper oder keinen, dünn oder nicht und die Spitze. Ohne Kehl ist mir das aber zu wenig. Erst der Kehl komplettiert das Bild der zu erwartenden Geometrie, natürlich immer einen kompetenten Schliff vorausgesetzt. Dann fehlt noch Gewicht und Balancepunkt. Wie sich das dann greift und wie die Einzelheiten sich dann zusammenfügen, kann man nicht in Bildern oder bewegten Bildern sehen.

Es bleibt je nachdem mal aufschlussreich und mal vage.

Gruß, güNef
 
Ein Abschätzen der Schneideigenschaften mit Blick über den Kehl ist also bei solcher Bauart nicht möglich.
Ja. stimmt. Aber ich verstehe sowieso nicht, wozu die Überlegung gut sein soll, was das Kehlbild offenbart, wenn es die einzige Informationsquelle ist, weil es ja praktisch nie die einzige Informationsquelle ist. Das hat sowas "Wetten, dass..." - mäßiges. "Ordnen Sie anhand des Kehlbilds die Messer nach Schneidfähigkeit." Klar ist das schwierig bzw. kann zu falschen Einschätzungen führen, wenn man keine anderen Informationen hat und ist dann ganz unmöglich, wenn das Kehlbild gar keinen Querschnitt durch das Messer darstellt, sondern diesen verdeckt. Je mehr der Kehl einem regulären Querschnitt entspricht, desto aussagekräftiger. Je weniger, desto weniger aussagekräftig. Das ist nun keine großartige Erkenntnis. Man muss eben durch Zusatzinformationen beurteilen in welchem Maß das Kehlbild einem Schnitt durch das Messer nahekommt oder eben nicht.
 
Der Tobias Hangler ist der Macher mit dem fundiertesten Wissen, den ich kenn. Als ich ihn damals kennen gelernt hab, hat er mich sehr positiv überrascht. Hatte zwar schon nen guten Ruf, aber seine theoretischen Überlegungen und Fachwissen haben mich dennoch beeindruckt. Er macht sich Gedanken um kleinste Kleinigkeiten, welche ich nur von wenigen anderen Sammlern, die ihre Messer benutzen und mit der Materie beschäftigen, kenne.

Dass ein Kehlshot unnütz ist, halte ich immer noch für Unfug.
Es wird immer argumentiert, dass es nur eine Momentaufnahme eines kleinen Bereichs ist, dem Kehl. Dies stimmt natürlich, aber jede Information ist nützlich um ein Messer beurteilen zu können.
Anhand des Kehls seh ich schon mal wie gut verrundet dieser ist, ich kann die Geometrie und den Schliff erahnen. Flachschliff, konkav, konvex... Es kommt natürlich immer wieder vor, dass Macher einen Überschliff am Kehl erzeugen und dir somit ein besseres Bild vorgauckeln. Aber ich sehe trotzdem eine Tendenz, ob ein Messer generell zu dick geschliffen ist, vor allem direkt über der Schneide und ob Primär- und Sekundärschliff gut genug verschmolzen sind, ineinander fließen. Ich hab ja auch noch die Seitenansicht und sehe da zumeist wie breit die Fase geschliffen ist.
Kamon mag immer Kehlshots nicht so gerne. Dabei führt er seine Messer an, welche hinten dicker aussehen. Ich habe jedoch noch nie einen Kehlshot von seinen Messern gesehen und gedacht, boah ist das fett. Gerade die Kombination mit einem Bild vom Rücken und somit dem Taper und der Dicke der Spitze vermittelt mir einen guten Eindruck von dem Messer.
Kehlshot in Kombination mit Rückenbild vermittelt mir den besten Eindruck um ein Messer zu beurteilen. Für mich sind dies sehr wichtige Faktoren um ein Messer, ohne es in der Hand zu haben, zu evaluieren. Die Ausrede bringt nix ist einfach Faulheit oder beschränktes Denken. Jede Information ist wichtig.

Grüße,
Julian
 
Vielen Dank euch allen für die Antworten, besonders für die Fotos und das Video! Gerade der Vergleich mit anderen Kehlshots mit ausgeprägten Geometrien macht die Unterschiede schön deutlich.

Ich hatte versucht Kehlshots von meinen eigenen Messer zu interpretieren. Geholfen hatte mir die Geometrie dabei einmal nachzuzeichnen und dann anhand von den Merkmalen zu vergleichen. Definitiv ein spannendes Thema.

IMG_20230510_000744.jpg

Na ja, man lernt immer dazu... dafür liebe ich dieses Forum 😉

Danke nochmal, Ceratos
 
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Reaktionen: UE1
Kehlshots sind allein schon deswegen interessant, da man damit die Geometrie einer Klinge von deren Profil unterscheidet. Gerade für Einsteiger in die Materie kann das ein neue Erkenntnis sein :)

Mit drei Bildern: Kehl, Rücken und Seite lässt sich schon einiges über das Potential eines Küchenmessers aussagen.
 
Kehlshots sind allein schon deswegen interessant, da man damit die Geometrie einer Klinge von deren Profil unterscheidet.
Der Satz ist erklärungsbedürftig. Was verstehst du unter Profil? im Unterschied zur Geometrie? Profil kann alles mögliche bedeuten z.B. Seitenansicht oder Schnitt oder auch nur Linienverlauf. Unter der Geometrie einer Klinge kann man allgemein den Dickenverlauf oder die Dimensionierung der Dicke in zwei Richtungen verstehen. Also Querschnitt und Längsschnitt. Verlauf der Dicke vom Rücken zur Schneide oder auch vom Klingenanfang am Griff bis zur Spitze. Geometrie kann aber manchmal aber auch nur Querschnitt bedeuten im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Schneidfähigkeit.
 
Was verstehst du unter Profil?
Der Versuch, Begriffe zur Beschreibung zu finden, ergibt natürlich nur Sinn, wenn man dadurch die Kommunikation erleichtert. Wollen wir also über Messer sprechen, benötigen wir ein geeignetes Vokabular.

Das Profil der Klinge ist (zumindest für mich) die Seitenansicht. So, wie das Profil eines Gesichts dessen Seitenansicht ist.

Die Geometrie (im ursprünglichen Sinne von "Erdmessung") beschreibt das, was nicht offensichtlich zu erkennen ist und vermessen werden muss: den Verlauf vom Klingenrücken hinunter zur Schneide über die gesamte Länge der Klinge hinweg.
 
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