Klinge richten

night-force

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Hallo,

kann mir bitte jemand erklären, wie Richten eines Messerrohlings
mit dem Richthammer funktioniert.
Das Messer ist fertig gehärtet und angelassen.
Nach dem Härten und anlassen zeigte sich ein leichter Verzug im Bereich des Flacherls ca. 5mm nach den Backen.
Kerben, die durch das Richten mit dem Richthammer entstehen, währen also nicht so tragisch, da sie ja später vom Griffmaterial verdeckt werden.
Muß mit dem Richthammer die konvexe oder konkave Seite bearbeitet werden ???????

Oder ist es besser, die Stelle mit einem kleinen Brenner zu erwärmen und auf diese Weise zu begradigen ????

Bitte gebt mir mal eure Erfahrungen weiter.

Wo bekommt mann einen Richthammer her ?????

Ich möchte auf keinen Fall den Messerrohling ruinieren, ist ein Vollintegral aus RWL34 und es stecken schon locker 50Std. Arbeit drin.

Viele Grüße : MIKE
 
Normalerweise benutzt man den Richthammer auf der konkaven Seite. Allerdings wohl direkt nach dem Härten, da das Gefüge erst nach 5min. stabil und damit richtig hart ist.

Alles so weit ich weiß; die Profis werden sich sicherlich noch melden.

Ookami
 
Hi,

ich habe ganz gute Erfahrungen mit Erhitzen der Klinge auf Anlasstemperatur und anschließendem geradebiegen im Schraubstock.

Grüße,

Christoph
 
Hallo Mike
auf der konkaven Seite wird gehämmert. Grund: Durch plastische Verformung in der Oberfläche entstehen auf der konkaven Seite Druckspannungen, die der Durchbiegung entgegenwirken. Mit etwas Feingefühl/Treffsicherheit und Ausdauer sollte es funktionieren.

Mit dem Erwärmen auf Anlasstemperatur und geradebiegen habe ich schon schlechte Erfahrungen gemacht. Meine 2. Klinge ist so zu Bruch gegangen. Es reicht eben nicht einfaches geradebiegen. Man muß überbiegen! Das Zeug ist halt elastisch und auch hier muß man plastisch verformen. Und nach gerade kommt kaputt.
Und mit etwas Pech kommt kaputt auch schon vor gerade.:lach:

Gruß Klaus
 
Richten ist hier auch schon vielfach besprochen worden. Wer es von der wissenschaftlichen Seite betrachten will, dem ist " Hanns Benninghoff- Wärmebehandlung der Bau- und Werkzeugstähle" zu empfehlen.
In der Praxis geht es einfacher.
1. Direkt nach dem Abschrecken kann noch mit Vorsicht gerichtet werden.
2. Mit dem Richthammer wird auf die konkave Seite gepickt, damit durch die punktuelle Streckung das Werkstück zur anderen Seite gebogen wird- wie Klaus das richtig beschrieben hat.
3. Durch Erwärmen auf gut 100 Grad kann nach dem Abschrecken recht gut gerichtet werden, weil bei der Umwandlung vom tetragonalen zum kubischen Martensit Gleitebenen vorhanden sind. Das Richten wird dabei so vorgenommen, daß man auf der konkaven Seite leicht erhitzt- eben bis auf gut 100 Grad- und dabei in die Gegenrichtung federnd biegt, bis alles schön gerade ist.
4. Nach dem Anlassen kann voll gehärtetes Material kaum noch gerichtet werden. Elastizitätsgrenze und Bruch liegen da nur noch einen Wimpernschlag auseinander.
5. Direkt hinter den Backen bei einer Vollintegralkonstruktion kann man nur noch mit großer Hitze richten. Man kann die Klinge mit der Schneide nach unten in den Schraubstock stecken und die Angel mit einem leistungsstarken Brenner auf Rotglut erhitzen. In diesem Zustand kann man dann auch an dieser Stelle richten. Eine Erweichung der Schneide ist dabei nicht wirklich zu fürchten, weil Hitze von unten nach oben wirkt und nicht umgekehrt. Wenn die Gegend der Backen etwas weicher wird, ist das kein Problem
MfG U. Gerfin
 
5. Direkt hinter den Backen bei einer Vollintegralkonstruktion kann man nur noch mit großer Hitze richten. Man kann die Klinge mit der Schneide nach unten in den Schraubstock stecken und die Angel mit einem leistungsstarken Brenner auf Rotglut erhitzen. In diesem Zustand kann man dann auch an dieser Stelle richten. Eine Erweichung der Schneide ist dabei nicht wirklich zu fürchten, weil Hitze von unten nach oben wirkt und nicht umgekehrt. Wenn die Gegend der Backen etwas weicher wird, ist das kein Problem
MfG U. Gerfin

Wenn ich Mike richtig verstanden habe möchte er nicht die Angel warm machen und dann biegen, sondern flammrichten. Also nur punktuell erhitzen so dass die Spannungen beim Abkühlen die Klinge begradigen:
Würdest Du das eher nicht empfehlen?

Hans
 
Hallo Hans !
Richten durch punktuelle Erwärmung ist eine Richtmethode, die bei kohlenstoffarmen Blechen eingesetzt wird.
Die Wirkungsweise ist bei gehärtetem und nicht gehärtetem Stahl gegenläufig. Schon im einfacheren Fall eines nicht gehärteten Werkstücks ist die Maßnahme relativ kompliziert und wenn sie nicht mit einer Druckbeanspruchung verbunden wird, wenig wirksam. Sie wirkt isoliert und ohne druck angewendet auch exakt andersherum, als man erwarten sollte: Beim Erwärmen streckt sich die erwärmte Seite erst mal und biegt das Werkstück zur kühleren Seite hin. Sie zieht sich aber beim Abkühlen stärker zusammen, als sie sich ausgedehnt hat. Man muß also auf der konvexen Seite erhitzen und nicht, wie man glauben könnte, auf der konkaven.
Ich stelle mir das aber an einer vermutlich schon recht dicken Stelle direkt hinter den Backen nicht so einfach vor. Das Richten durch scharfe punktuelle Erhitzung kann dort nur funktionieren, wenn viele begrenzte Punkte gesetzt werden, die durch eine Ausdehnung in die Gegenrichtung wirken. Wie soll das funktionieren ? Durch die lokale Erwärmung dehnt sich der Stahl auf der erhitzten Seite etwas aus. Das würde bewirken, daß er sich auf die konvexe Seite zubiegt, solange die deutlich kälter bleibt, als die konkave. Bei den Abmessungen einer Messerklinge und der guten Wärmeleitfähigkeit wird das nur zu erreichen sein, wenn man die konvexe Seite während des Erwärmens auf der anderen Seite kühlt.
Das wird nur bei ganz geringer Abweichung von der Geraden ausreichend sein.
Bei gehärteten Teilen verstärkt sich dieser Effekt. Man darf nämlich nicht vergessen, daß Martensit die Stahlmodifikation mit der größten Ausdehnung ist. Das heißt, daß bei gehärteten Teilen auf der konvexen oder "Buckelseite" erwärmt werden muß. Nach dem Abkühlen zieht sich nämlich die erwärmte Seite stärker zusammen, als sie sich in der Hitze ausgedehnt hat. Wenn also auf der konvexen Seite der Martensit durch lokales Anlassen in Ferrit-Perlit umgewandelt wird, auf der konkaven aber noch bestehen bleibt, biegt sich das Werkstück zur konvexen Seite hin. Das Verfahren ist also, wie man sieht, recht kompliziert, wenig wirksam und zudem gefährlich.
Da die lokal erhitzten Teile, die in martensitischen Zonen liegen, nach dem Erhitzen aber schrumpfen, geraten sie unter Zugspannungen, die zu ringförmigen Rissen führen können.
Bei nicht gehärteten Teilen wird diese Technik funktionieren, bei gehärteten Teilen halte ich sie für sehr problematisch.
Bei einer professionell gehärteten Klinge gehe ich davon aus, daß auch die Angel mitgehärtet ist, sodaß vor dieser Vorgehensweise dringend zu warnen ist.
MfG U. Gerfin
 
Hallo Hans !
Richten durch punktuelle Erwärmung ist eine Richtmethode, die bei kohlenstoffarmen Blechen eingesetzt wird.

Bei nicht gehärteten Teilen wird diese Technik funktionieren, bei gehärteten Teilen halte ich sie für sehr problematisch.

Hallo Ulrich,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!

Angeblich wird Flammrichten bei Beplankungen im Waggonbau ja immer noch standardmässig eingesetzt, aber da handelt es sich ja wohl um kohlenstoffarme Stähle und da sollte es ja auch funktionieren.

Und ich hatte auch tatsächlich eher diese Makrobereiche vor Augen.

An das Stahlgefüge im Mikrobereich dachte ich noch gar nicht, aber das hast Du ja sehr gut erklärt.

Bei Messerklingen hätte ich mich aber auch ohne Deine Erklärungen und Warnungen nicht getraut!

Aber ich bekam mal eine Küchenmesserklinge, die noch einen deutlichen "Brandfleck" hatte vom Flammrichten.
Allerdings war die Klinge ziemlich dünn und damit elastisch, genauer biegeweich und vielleicht können diese Klingen diese Behandlung besser ertragen. Jedenfalls habe ich bis jetzt noch keine Probleme festgestellt.

Hans
 
Hallo zusammen,

Bei uns in der Firma richten wir kleine, harte Teile regelmäßig mit der Flamme und/oder mit dem Hammer.

Es handelt sich um Press-Stempel aus 1.2436, so ca. 130x40x3 (und dünner). Die Teile werden auf der einer Platte liegend mit scharfer Flamme punktuell erwärmt, und zwar auf der konvexen Seite. Das klappt eigentlich recht gut.

Beim Richten gibt es mehrere verschiedene Formen von Hämmern. Hier richten wir oder unsere Kunden außer den Stempel auch Gesteinssägeblätter.
Der gebräuchlichste Richthammer ist ballig. Damit haut man auf die konvexe Seite. Man haut die "Beule" praktisch platt.

Eine andere Form ist der Schneid- oder Zughammer. Der hat eine Art Schneide. Damit haut man auf die konkave Seite. Die konkave Seite ist "kürzer" als die konvexe Seite. Mit der "Schneide" wird die Außenfaser der konkaven Seite gelängt, es entsteht sozusagen eine Druckspannung, die Seite längt sich.

Übrigens wird hier ganz bewußt eine Spannung erzeugt, das Blatt wird "gespannt". Damit werden die Zentrifugalkräfte auf das Sägeblatt wärend dem Betrieb (durch die Umdrehung) kompensiert.:ahaa:

Wir haben das ballige Richten und das Flammrichten oft und erfolgreich auch bei Messern angewendet. Schneidhammer habe ich nicht versucht, glaube auch nicht, dass es geht.

Aber: Dass Ihr mich richtig versteht: Es braucht etwas Übung, geht nicht immer, birgt Risiken und führt manchmal zu etwas unerwarteten Resultaten (ich sage nur: Torsion:D). Nicht dass jetzt jeder denkt, wir haben die ultimative Waffe gegen Verzug!

Wo es nicht geht, ist bei Damast und Damasteel. Die Erwärmungspunkte sieht man als Verfärbungen nach dem Ätzen.:mad: Hier mache ich es nur unter der Griffzone.

Grüße

Gerhard
 
Zuletzt bearbeitet:
hallo

wir haben in der Firma industrie Messer immer nach dem härten und anlassen mit dem Richthammer (hartmetallschneide) gerichtet.

Das ist auch bei sehr dünnen Messern möglich.
Allerdings sollte mann das richten nicht übertreiben, es werden Spannungen eingebracht und auch Kerben. Versucht mann bei stark verzogenen Messern auf 0 zu richten und schleift anschliessend die Kerben aus, wird das Messer ein Stück nachkommen.


gruß Bene
 
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