Servus,
ich würde mich jetzt nicht in theoretischem Stahlvergleichen verbeißen, das ist nur eine grobe Orientierung. Das gilt auch für die Erwartung an einen "zähen" Stahl. Ist eine Schneide spröde, so wird sie eine Überbelastung mit versagen der Schneide in Form von Ausbrüchen quittieren. Ist eine Schneide zäh, so wird sie eine Überlastung der Schneide mit versagen in Form von plastischen Verformungen quittieren. Beide Schneiden sind dann nur noch bedingt einsatzbereit und der Schaden kann in beiden Fällen enorm sein. Bei sprödem Stahl können Risse bis weit in die Klinge hochkriechen und das Messer irreparabel ruinieren, bei zähem Stahl kann sich die Schneide durch Schock über weite Strecken so massiv plastisch Verformen, so das die Schneide praktisch "umklappt" bis zu einer weit in die Klinge reichende Stauchung. In beiden Fällen kannst du im Wald mit einfachen Mitteln nicht mehr viel ausrichten.
Entscheidend ist die Frage nach dem Einsatzzweck mit all seinen Kompromissen. Dann wählt man grob den Stahl aus. Dann erst beginnt es wichtig zu werden. Wärmebehandlung ohne Fehler, Wahl von Klingengeometrie, Dicke über der Schneide und zuletzt der für die Aufgabe beste Schneidenwinkel. Zu Schluss ein technisch perfekter Schliff, der die Schneide in einen Zustand versetzt, der sie extrem widerstandsfähig gegen mechanische Belastungen macht.
Ein Beispiel:
Ich mag D2 überhaupt nicht. Ist ein Grobkarbider und für feine, dünne Schneiden bestimmt nicht die erste Wahl. Wenn ich aber ein Ouddoormesser mit 0,5mm über der Schneide sauber mit 40° Schneidenwinkel, oder darüber ( V-Schliff ) schärfe, dann ist das eine ziemlich robuste und schnitthaltige Klinge, die weder schnell versagen, noch schnell "rosten" wird, da D2 ein "Semi-rostträger" Stahl ist. Kann man machen, muss man aber nicht, weil es in der Tat schon viel besser geeignete Stähle gibt. Verwendet wird er aber immer noch häufig und nicht nur weil er billig ist, sondern weil die Hersteller, wenn er "stabil" genug geschliffen verkauft wird, wenig Reklamationen haben. So ist D2 per Se nicht schlecht, sondern einfach technologisch überholt.
Nehme ich den selben Stahl und wähle die Klingengeometrie bis zur richtigen Nagelgängigkeit, also 0,1mm über der Schneide, in einem Schneidenwinkel von 20° dann bröselt mir der selbe Stahl bei hartem Choppen selbst auf einem weichen Schneidbrett davon. Dieser grobe "Karbidmatrixmix" ist für so feine Schneiden nicht wirklich geeignet, da brechen die groben Karbide einfach raus, die Schneide wird zu einer ungewollten "Säge" und durch diese zerklüftete Oberfläche entstehen dann immer gröbere Ausbrüche/Schäden.
Fazit:
Viel entscheidender als der Stahl und seine "theoretisch möglichen "Eigenschaften ist die richtige WB, die richtige Geometrie der Klinge, die Dicke über der Schneide, der Schneidenwinkel und zuletzt ein technisch sauberer Schliff mit der passenden Abschlusskörnung. Und das immer in Bezug auf den Einsatzzweck des Messers. Wenn ich an einem Seilschnitt-Wettbewerb teilnehme kommt es auf völlig andere Kriterien an, als wenn ich einen Ast im Wald abhacken möchte. Für beide Einsatzzwecke kann ich mein Messer richtig präparieren. Möchte ich beides machen, beginnt der übliche Kompromiss, beides geht halt nicht mit der gleichen Höchstleistung, die ein perfekt adaptiertes Messer für eine spezielle Aufgabe mitbringen kann.
Der Anwender kann aus einem vermeintlich ungeeigneten Stahl das Maximum rausholen, wenn er oben genanntes richtig erkannt und verstanden hat und einen gut geeigneten "Superstahl" durch die falsche Kombination verschiedener Faktoren ( Geometrie, Dicke, Winkel, Schliff, Schärfmethode ) deutlich unter seinen Möglichkeiten anwenden/verwenden.
Gruß, güNef