Der siebte Ritter an der Tafel ist Atelier Perceval mit seinem Le Francais.
Das Atelier Perceval wurde 1996 von Namensgeber Eric Perceval sowie Emmanuel Chavassieux gegründet mit dem Ziel erstklassiges Besteck und Messer herzustellen - Klappmesser standen offensichtlich in keinster Weise im Fokus der Geschäftsidee.
Atelier Perceval ist damit abweichend von den bisherigen Ritterschmieden kein typischer Hersteller von Klapp- und Outdoormessern.
Es gibt recht wenig fundierte Informationen über die Anfangsjahre, überhaupt waren aussagefähige Details zur Firmengeschichte nur aufwändig und mühsam in kleinsten Portionen zu beschaffen.
Klar ist, Eric Perceval war der ausgebildete Handwerksmeister, während Emmanuel Chavassieux, noch ganz jung, nach einem Ausflug zur Fremdenlegion zum Messermachen kam und bereits vor Atelier Perveval eine eigene Firma hierzu gegründet hatte. Wie die beiden zueinander fanden, bleibt leider unklar.
Offensichtlich beherrschte Eric Perceval das tradionelle Messermacherhandwerk entsprechend, denn die Schmiede wurde im Laufe der Zeit auch zu einer respektablen Ausbildungsstätte, auch als Teil einer dualen Ausbildung mit der CFAI d‘Auvergne, einem Ausbildungszentrum für industrielle Berufe - ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des traditionellen Handwerks.
Die handwerkliche Präzision im Detail wird zum Markenzeichen der Schmiede und findet sich auch bei all jenen, die das Handwerk dort lernen und später eigene Wege gehen. Hierzu zählen ganz besonders Roland Lannier, aber auch später Marie Taillardat und Alexis Debrienne.
Chavassieux gilt als Tausendsassa, er wird nach seiner Zeit bei Atelier Perceval Fotograf, Veranstalter und bereist ausgiebig Asien, vor allem China. Er kommt mit einer neuen Idee zurück und und produziert seitdem eine ganz spezielle luftgetrocknete Wurst ohne Chemie und Konservierungsstoffe - eine Delikatesse.
Genau wie sein berühmter Messerentwurf aus dem Jahr 2003 - das Le Francais.
Das Le Francais basiert auf einem simplen und schlichten Bauernmesser aus dem 17. Jahrhundert. Die moderne Perceval Interpretation ist denn auch ein auf das absolute Minimum reduziertes geradliniges wie symetrisches Design ohne jeden Schnörkel oder Schlenker - bis heute Ikone der schlichten Eleganz.
Die modernisierte Bauweise besteht aus einer leichten und offenen Konstruktion, die ohne Rückenfeder keine unzugänglichen Stellen oder Ecken hat. Ein Linerlock macht‘s möglich und bietet zudem mehr Sicherheit als die Slipjoint Verschlüsse der klassischen Regionalmesser.
Die Klinge, wiederum ganz typisch für ein französisches Regionalmesser, aus Sandvik 19C27 mit knapp 9cm und max. 2,45mm Stärke ist stets fein auf Büffelleder poliert und dünn hinter der Wate ausgeschliffen. Ich kenne kein zweites Klappmesser, das ab Werk derart zuverlässig gut geschärft und leicht schneidend ausgeliefert wird. Rattenscharf.
Die verschraubte Klingenachse bleibt unter den Griffschalen verborgen, ist aber justierbar - die Optik entspricht damit dem traditionellen Stil der vernieteten Messer. Das Messer ist leicht, wiegt nur um 65g, die Liner sind aus Stahl und damit sowohl als Lock unkomplizierter im Zusammenspiel mit der Klinge als auch eher klassisch als solche aus Titan.
Es gibt nur wenig Details, wie das sehr sehr schön bearbeitete Ricasso mit Logo, aber jedes Bauteil ist in traditioneller Handwerkskunst mit größter Aufmerksamkeit und Passgenauigkeit bearbeitet - dies ist neben der jeweiligen Form- und Materialsprache das herausragende Merkmal des Manufakturbetriebs und wird zum Markenzeichen, mehr noch - ist Bestandteil der Identität von Atelier Perceval.
Die Griffmaterialien, insbesondere die Hölzer, sind allesamt handverlesen, stets sorgfältig vorsortiert und genau so sorgfältig wie aufwändig bearbeitet. Einige Hölzer, vor allem aus dem Wurzelwerk, werden auf der Polierscheibe (la Frotte) zu Hochglanz gebracht bis es einer Lackierung gleicht und Feuchtigkeit kaum einzudringen vermag. Optisch wie haptisch vom Feinsten.
Wer sich mit dem klassischen Look von Holz, Horn oder Zahn nicht anfreuden mag, wird mit Carbon problemlos in die Hightech Moderne geführt. Die reduzierte Silhouette lebt praktisch vom Griff alleine, unglaublich welch unterschiedliche Wirkung die vielfältigen Griffmaterialien ergeben.
Reduzieren wir den Nutzen eines Klappmessers als Alltagsbegleiter auf den tatsächlichen Bedarf, gibt es aus meiner Sicht kein universell passenderes Messer als das Le Francais - es ist und bleibt ein Meisterstück der Messergeschichte.
Einer der späteren Hauptverantwortlichen bei Perceval - fast von Anfang an dabei - war Roland Lannier.
Im zweiten Firmenjahr 1997 fängt er dort als erster und einziger Mitarbeiter seine Ausbildung an. Er lernt das Handwerk von der Pike auf. Er kommt nach und nach in Verantwortung und leitet am Ende die Werkstatt mit der gesamten Produktion und ist im selben Maße für das Design zuständig.
Im Jahr 2008 entwirft er die berühmte L-Serie - ein weiterer Meilenstein im Hause Perceval. Das das L für Lannier steht, halte ich mal als Behauptung aufrecht bis das Gegenteil bewiesen ist. 😊
Ist das Le Francais an schlichter Geradlinigkeit nicht zu toppen, erscheint die L-Serie mit üppigen Rundungen an Klinge und Griff - formal ein Gegenentwurf zum gänzlich strikten Le Francais.
Laut Firmendarstellung erinnert das Design an alte amerikanische Straßenkreuzer aus den 50er Jahren, wiederum andere an den Citroen DS19 oder auch an die alten Tage Havannas.
Die Form folgt keiner eindeutigen Geometrieanordung und schon gar keiner strengen - dennoch ist es ein ganz außergewöhnlicher Augenschmeichler und einer der Gründe für die Einmaligkeit und den Erfolg der L-Serie.
Die vordere Rundung der Sheepfootklinge ist eins mit der Grifform, die hintere Rundung an der Klingenwurzel senkt sich sanft in den Griffabschluss, verdeckt die Klingenwurzel und bildet keine Kante.
Es ist ein jedenfalls wiederum ein unverwechselbares Erscheinungsbild, das dabei ebenso alle Qualitäten des traditionellen Handwerks von Atelier Perceval wiederspiegelt.
Es gibt das L-08 als reinen Linerlock, das L-09 nur mit einem Leverlock und das L-10 mit Linerlock und den Leverhebel als reine Öffnungshilfe.
Es ist mit 9,5 cm Klingenlänge bei gleicher Stärke aber mehr Höhe, spürbar erwachsener als das Le Francais. Auch ist es mit inzwischen einem Zehntel stärkeren Linern und zwei Zehntel stärkeren Griffschalen nochmals kräftiger als auch stabiler geworden.
Es liegt damit vollwertig ergonomisch in der Hand, bleibt aber dennoch mit nur 77g ein leichtes wie feinschneidendes Messer mit großer Klinge und ausreichend Reserven.
Auch hier verführen eine herausragende Auswahl feinster Griffmaterielen nicht wenige zum Sammeln mehrerer Exemplare - die Verwendung von rostträgem Damaststahl neben dem Sandvik trägt bei beiden Messern hierzu nicht unerheblich bei.
Ich hatte lange Zeit mehrere L-08 und nur ein Le Francais. Dies ist kein wertender Sachverhalt für Messerqualität, sondern unterstreicht aus meiner Sicht viel eher den verführerischen Charme dieser Formensprache.
In 2008 übernimmt der Sternekoch Yves Charles das Unternehmen und richtet es entsprechend seiner beruflichen Herkunft und Motivation neu aus - das Tafelmesser wird zum Bestseller.
Der Legende nach hatte ein Restaurantgast ein mitgebrachtes Le Francais benutzt, von dem Charles derart begeistert war, dass er letztlich Atelier Perceval übernahm und für die Gastronomie eine nicht klappbare Version kreieren lies, das 9.47.
Spätestens hier beginnt der Siegeszug um die Welt für diese schlichte wie geniale Messerform. Umsatz und Mitarbeiteranzahl vervielfachen sich in den folgenden Jahren. 3.000 Klappmesser und 20.000 Tafelmesser verlassen jährlich die Werkstatt.
Es folgt das Le Grand im Jahr 2010, ebenso aus der Feder von Roland Lannier, das mit 11,5cm Klingenlänge tatsächlich und überwiegend dem perfekten Tischbegleiter für höchste Ansprüche entspricht. Auch dieses Messer wird es sowohl als Klappmesser wie auch als Tafelmesser geben.
Le Grand
Le Grand table
Die Klappmesser von Atelier Perceval werden zum Inbegriff eines modernen und leichten Alltagsmesser für die französische Lebensart, insbesondere um die täglichen kulinarischen Anforderungen stilvoll zu bewältigen.
Sie stehen damit ganz in der Tradition der klassischen Laguiole und anderer französischer Regionalmesser.
Es sind und bleiben Gentleman Messer in jeder Hinsicht, mehr für die leichte Gangart- auch wenn Le Francais und besonders die L-Serie deutlich mehr wegstecken, als man aufgrund der feinen Optik vermuten möchte. Ich nehm‘s als beruhigende Reserve für den Fall der Fälle.
Zwischenzeitlich gibt es ein, zwei weitere Modelle - allerdings aus meiner Sicht keine, die sich im selben Maße derart eigenständig von der Entwicklung anderer Hersteller unterscheiden.
Es gibt auch im Outdoorbereich einige exponierte Messer. Besonders Randonneur, Sgian Dub, Campeur und Bowie seien der vollständighalber erwähnt. Sie entsprechen in jeder Hinsicht dem Stil des Hauses - elegant nobel, perfekt verarbeitet - und in jeder Hinsicht exklusiv.
Jedoch, auf frühere 3.000 Klappmesser pro Jahr, kommen gerade mal 50 Outdoormesser - ein echter Liebhabermarkt.
Sgian Dub
Randonneur
Atelier Perceval, das ist heute eine kleine gallische Manufaktur in Thiers mit gut einem Dutzend Mitarbeitern. Nach über 25 Jahren und durchaus bewegter Geschichte haben sie sich einen festen Platz auch im Reich der Klappmesser erobert.
Es gibt von dort eine ganze Reihe hervorragender Messer, sowohl für den Alltag als auch für den Connaisseur - Drinnen wie Draußen und besonders bei Tisch. Und. Von Menschen mit Hingabe zum Handwerk gemacht.
Das Le Francais jedoch, ist das perfekte zeitlose Taschenmesser - so vernünftig praktisch wie ästhetisch und wertig gelungen. Chapeau, Atelier Perceval.
Es ist das einzige Messer, das ich auch als Geschenk wähle - sowohl als Zeichen meiner Wertschätzung als auch meiner Messerkenntnis gegenüber dem Beschenkten.
Den Platz an der Rittertafel hat sich der feine Franzose wahrlich verdient.
Euch allen einen schönen Sonntag.
grüsse, pebe
P.S. Meinen herzlichen Dank an Familie Brandner, die mich nicht nur mit zusätzlichen Bildern tatkräftig bei diesem Bericht unterstützt hat.