König Strongbow und die Tafelrunde

@Ritchie

Danke sehr.

Ich hatte ja an einer Stelle geschrieben, dass nur die jeweiligen eigene Modelle und keine Collabs berücksichtig werden.

Sozusagen pur und unplugged.

grüsse, pebe
 
Da war doch noch was..


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Der siebte Ritter an der Tafel ist Atelier Perceval mit seinem Le Francais.


Das Atelier Perceval wurde 1996 von Namensgeber Eric Perceval sowie Emmanuel Chavassieux gegründet mit dem Ziel erstklassiges Besteck und Messer herzustellen - Klappmesser standen offensichtlich in keinster Weise im Fokus der Geschäftsidee.

Atelier Perceval ist damit abweichend von den bisherigen Ritterschmieden kein typischer Hersteller von Klapp- und Outdoormessern.

Es gibt recht wenig fundierte Informationen über die Anfangsjahre, überhaupt waren aussagefähige Details zur Firmengeschichte nur aufwändig und mühsam in kleinsten Portionen zu beschaffen.

Klar ist, Eric Perceval war der ausgebildete Handwerksmeister, während Emmanuel Chavassieux, noch ganz jung, nach einem Ausflug zur Fremdenlegion zum Messermachen kam und bereits vor Atelier Perveval eine eigene Firma hierzu gegründet hatte. Wie die beiden zueinander fanden, bleibt leider unklar.

Offensichtlich beherrschte Eric Perceval das tradionelle Messermacherhandwerk entsprechend, denn die Schmiede wurde im Laufe der Zeit auch zu einer respektablen Ausbildungsstätte, auch als Teil einer dualen Ausbildung mit der CFAI d‘Auvergne, einem Ausbildungszentrum für industrielle Berufe - ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des traditionellen Handwerks.

Die handwerkliche Präzision im Detail wird zum Markenzeichen der Schmiede und findet sich auch bei all jenen, die das Handwerk dort lernen und später eigene Wege gehen. Hierzu zählen ganz besonders Roland Lannier, aber auch später Marie Taillardat und Alexis Debrienne.

Chavassieux gilt als Tausendsassa, er wird nach seiner Zeit bei Atelier Perceval Fotograf, Veranstalter und bereist ausgiebig Asien, vor allem China. Er kommt mit einer neuen Idee zurück und und produziert seitdem eine ganz spezielle luftgetrocknete Wurst ohne Chemie und Konservierungsstoffe - eine Delikatesse.

Genau wie sein berühmter Messerentwurf aus dem Jahr 2003 - das Le Francais.


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Das Le Francais basiert auf einem simplen und schlichten Bauernmesser aus dem 17. Jahrhundert. Die moderne Perceval Interpretation ist denn auch ein auf das absolute Minimum reduziertes geradliniges wie symetrisches Design ohne jeden Schnörkel oder Schlenker - bis heute Ikone der schlichten Eleganz.



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Die modernisierte Bauweise besteht aus einer leichten und offenen Konstruktion, die ohne Rückenfeder keine unzugänglichen Stellen oder Ecken hat. Ein Linerlock macht‘s möglich und bietet zudem mehr Sicherheit als die Slipjoint Verschlüsse der klassischen Regionalmesser.

Die Klinge, wiederum ganz typisch für ein französisches Regionalmesser, aus Sandvik 19C27 mit knapp 9cm und max. 2,45mm Stärke ist stets fein auf Büffelleder poliert und dünn hinter der Wate ausgeschliffen. Ich kenne kein zweites Klappmesser, das ab Werk derart zuverlässig gut geschärft und leicht schneidend ausgeliefert wird. Rattenscharf.

Die verschraubte Klingenachse bleibt unter den Griffschalen verborgen, ist aber justierbar - die Optik entspricht damit dem traditionellen Stil der vernieteten Messer. Das Messer ist leicht, wiegt nur um 65g, die Liner sind aus Stahl und damit sowohl als Lock unkomplizierter im Zusammenspiel mit der Klinge als auch eher klassisch als solche aus Titan.


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Es gibt nur wenig Details, wie das sehr sehr schön bearbeitete Ricasso mit Logo, aber jedes Bauteil ist in traditioneller Handwerkskunst mit größter Aufmerksamkeit und Passgenauigkeit bearbeitet - dies ist neben der jeweiligen Form- und Materialsprache das herausragende Merkmal des Manufakturbetriebs und wird zum Markenzeichen, mehr noch - ist Bestandteil der Identität von Atelier Perceval.



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Die Griffmaterialien, insbesondere die Hölzer, sind allesamt handverlesen, stets sorgfältig vorsortiert und genau so sorgfältig wie aufwändig bearbeitet. Einige Hölzer, vor allem aus dem Wurzelwerk, werden auf der Polierscheibe (la Frotte) zu Hochglanz gebracht bis es einer Lackierung gleicht und Feuchtigkeit kaum einzudringen vermag. Optisch wie haptisch vom Feinsten.

Wer sich mit dem klassischen Look von Holz, Horn oder Zahn nicht anfreuden mag, wird mit Carbon problemlos in die Hightech Moderne geführt. Die reduzierte Silhouette lebt praktisch vom Griff alleine, unglaublich welch unterschiedliche Wirkung die vielfältigen Griffmaterialien ergeben.



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Reduzieren wir den Nutzen eines Klappmessers als Alltagsbegleiter auf den tatsächlichen Bedarf, gibt es aus meiner Sicht kein universell passenderes Messer als das Le Francais - es ist und bleibt ein Meisterstück der Messergeschichte.

Einer der späteren Hauptverantwortlichen bei Perceval - fast von Anfang an dabei - war Roland Lannier.

Im zweiten Firmenjahr 1997 fängt er dort als erster und einziger Mitarbeiter seine Ausbildung an. Er lernt das Handwerk von der Pike auf. Er kommt nach und nach in Verantwortung und leitet am Ende die Werkstatt mit der gesamten Produktion und ist im selben Maße für das Design zuständig.

Im Jahr 2008 entwirft er die berühmte L-Serie - ein weiterer Meilenstein im Hause Perceval. Das das L für Lannier steht, halte ich mal als Behauptung aufrecht bis das Gegenteil bewiesen ist. 😊


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Ist das Le Francais an schlichter Geradlinigkeit nicht zu toppen, erscheint die L-Serie mit üppigen Rundungen an Klinge und Griff - formal ein Gegenentwurf zum gänzlich strikten Le Francais.

Laut Firmendarstellung erinnert das Design an alte amerikanische Straßenkreuzer aus den 50er Jahren, wiederum andere an den Citroen DS19 oder auch an die alten Tage Havannas.

Die Form folgt keiner eindeutigen Geometrieanordung und schon gar keiner strengen - dennoch ist es ein ganz außergewöhnlicher Augenschmeichler und einer der Gründe für die Einmaligkeit und den Erfolg der L-Serie.

Die vordere Rundung der Sheepfootklinge ist eins mit der Grifform, die hintere Rundung an der Klingenwurzel senkt sich sanft in den Griffabschluss, verdeckt die Klingenwurzel und bildet keine Kante.


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Es ist ein jedenfalls wiederum ein unverwechselbares Erscheinungsbild, das dabei ebenso alle Qualitäten des traditionellen Handwerks von Atelier Perceval wiederspiegelt.

Es gibt das L-08 als reinen Linerlock, das L-09 nur mit einem Leverlock und das L-10 mit Linerlock und den Leverhebel als reine Öffnungshilfe.


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Es ist mit 9,5 cm Klingenlänge bei gleicher Stärke aber mehr Höhe, spürbar erwachsener als das Le Francais. Auch ist es mit inzwischen einem Zehntel stärkeren Linern und zwei Zehntel stärkeren Griffschalen nochmals kräftiger als auch stabiler geworden.

Es liegt damit vollwertig ergonomisch in der Hand, bleibt aber dennoch mit nur 77g ein leichtes wie feinschneidendes Messer mit großer Klinge und ausreichend Reserven.

Auch hier verführen eine herausragende Auswahl feinster Griffmaterielen nicht wenige zum Sammeln mehrerer Exemplare - die Verwendung von rostträgem Damaststahl neben dem Sandvik trägt bei beiden Messern hierzu nicht unerheblich bei.



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Ich hatte lange Zeit mehrere L-08 und nur ein Le Francais. Dies ist kein wertender Sachverhalt für Messerqualität, sondern unterstreicht aus meiner Sicht viel eher den verführerischen Charme dieser Formensprache.



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In 2008 übernimmt der Sternekoch Yves Charles das Unternehmen und richtet es entsprechend seiner beruflichen Herkunft und Motivation neu aus - das Tafelmesser wird zum Bestseller.

Der Legende nach hatte ein Restaurantgast ein mitgebrachtes Le Francais benutzt, von dem Charles derart begeistert war, dass er letztlich Atelier Perceval übernahm und für die Gastronomie eine nicht klappbare Version kreieren lies, das 9.47.



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Spätestens hier beginnt der Siegeszug um die Welt für diese schlichte wie geniale Messerform. Umsatz und Mitarbeiteranzahl vervielfachen sich in den folgenden Jahren. 3.000 Klappmesser und 20.000 Tafelmesser verlassen jährlich die Werkstatt.

Es folgt das Le Grand im Jahr 2010, ebenso aus der Feder von Roland Lannier, das mit 11,5cm Klingenlänge tatsächlich und überwiegend dem perfekten Tischbegleiter für höchste Ansprüche entspricht. Auch dieses Messer wird es sowohl als Klappmesser wie auch als Tafelmesser geben.

Le Grand


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Le Grand table

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Die Klappmesser von Atelier Perceval werden zum Inbegriff eines modernen und leichten Alltagsmesser für die französische Lebensart, insbesondere um die täglichen kulinarischen Anforderungen stilvoll zu bewältigen.

Sie stehen damit ganz in der Tradition der klassischen Laguiole und anderer französischer Regionalmesser.

Es sind und bleiben Gentleman Messer in jeder Hinsicht, mehr für die leichte Gangart- auch wenn Le Francais und besonders die L-Serie deutlich mehr wegstecken, als man aufgrund der feinen Optik vermuten möchte. Ich nehm‘s als beruhigende Reserve für den Fall der Fälle.


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Zwischenzeitlich gibt es ein, zwei weitere Modelle - allerdings aus meiner Sicht keine, die sich im selben Maße derart eigenständig von der Entwicklung anderer Hersteller unterscheiden.

Es gibt auch im Outdoorbereich einige exponierte Messer. Besonders Randonneur, Sgian Dub, Campeur und Bowie seien der vollständighalber erwähnt. Sie entsprechen in jeder Hinsicht dem Stil des Hauses - elegant nobel, perfekt verarbeitet - und in jeder Hinsicht exklusiv.

Jedoch, auf frühere 3.000 Klappmesser pro Jahr, kommen gerade mal 50 Outdoormesser - ein echter Liebhabermarkt.


Sgian Dub

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Randonneur

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Atelier Perceval, das ist heute eine kleine gallische Manufaktur in Thiers mit gut einem Dutzend Mitarbeitern. Nach über 25 Jahren und durchaus bewegter Geschichte haben sie sich einen festen Platz auch im Reich der Klappmesser erobert.

Es gibt von dort eine ganze Reihe hervorragender Messer, sowohl für den Alltag als auch für den Connaisseur - Drinnen wie Draußen und besonders bei Tisch. Und. Von Menschen mit Hingabe zum Handwerk gemacht.

Das Le Francais jedoch, ist das perfekte zeitlose Taschenmesser - so vernünftig praktisch wie ästhetisch und wertig gelungen. Chapeau, Atelier Perceval.

Es ist das einzige Messer, das ich auch als Geschenk wähle - sowohl als Zeichen meiner Wertschätzung als auch meiner Messerkenntnis gegenüber dem Beschenkten.

Den Platz an der Rittertafel hat sich der feine Franzose wahrlich verdient.

Euch allen einen schönen Sonntag.

grüsse, pebe

P.S. Meinen herzlichen Dank an Familie Brandner, die mich nicht nur mit zusätzlichen Bildern tatkräftig bei diesem Bericht unterstützt hat.
 
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Guten Morgen Peter.

Wie immer sehr informativ und schön geschrieben. Nur eine Frage am Rande:

Waren/sind Sgian Dub nicht Dolche? Laut Wiki heißt es im Gällischen wohl auch "schwarzer Dolch" und hat ein Dolch nicht 2 Schneiden? Das irritiert mich bei der oben gezeigten, wunderschönen, Ausführung.

Grüße,
Stefan
 
Moin Stefan,
meines Wissens nach ist das Sgian Dubh Bestandteil der schottischen Kiltausstattung und wurde seitlich in den Strumpf gesteckt, getragen. Das deckt sich mit dem, was ich hierzu gelesen habe, dass die Messer mit wenigen Ausnahmen in einer bestimmten Zeit, überwiegend nur einseitig geschliffen waren.

Scheint mir ungefährlicher für die Wade. 😋

grüsse, peter
 
Servus,

wieder ein grandioser Beitrag zur Tafelrunde. Ich besitze immer noch ein L10 und kann was den Ausschliff und die Schärfe betrifft nur zustimmen.

Gruß, güNef
 
Magnifique, mon cher Pierre, cette présentation enrichissante de l'atelier Perceval et ces produits!

Wieder ein toller Beitrag und interessanter Neuzugang an der Tafelrunde - diese bewegen sich mehr und mehr in Richtung meiner Präferenzen :super:
:)

Bon dimanche!

A+

Virgil
 
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Der Wahnsinn!

Jeden Tag schaue man ins Forum und hofft es könnte ein neues Mitglied der Tafelrunde vorgestellt worden sein.
Gleichzeitig fürchtet man den Tag, an dem die Runde vollständig ist ...

Heute hast Du mich besonders angefixt, ich liebe Symmetrien über alles und das Francais ist in dieser Hinsicht einfach perfekt.
Ich werde meinen zuckenden Finger nicht lange davon abhalten können auf den Bestellknopf zu drücken.

Nochmals danke für diesen kurzweilig geschriebenen und extrem inspirierenden Thread!

Linda
 
Yup, da isser, der leichte elegante Franzose auf den ich gehofft habe, dass er in die Runde kommt :D

Wieder mal eine sehr ausführliche Beschreibung mit vielen Fakten und Hintergründen sowie eine gelungene Hinführung warum es das Le Francais geworden ist und keines der anderen. Vielen Dank dafür, das erheitert einem den Sonntag doch gleich noch mehr, als es bei dem schönen Wetter eh schon der Fall ist :super:

Habe aktuell 3 Perceval, ein L08 in wunderbarer gestockter Buche, ein Le Francais in blauem Krion und ein weiteres Le Francais in weißem G10. Das weiße hatte ich eigentlich für den Alltag gedacht aber seit meine Frau es einmal in Verwendung hatte, hat sie das Erstzugriffsrecht darauf beansprucht. Wir können daher alles was du über das Vergnügen bei der Verwendung geschrieben hast nachvollziehen und bestätigen. Mein Wahl für die Nicht-Holz-Varianten bei den Le Francais habe ich aus zwei Gründen getroffen: a) habe schon sehr viele Laguioles in Holz und Horn und b) passen moderne Materialien sehr gut zu diesem klassisch modernen Design. Aber das was du hier an Hölzern gezeigt hast ist ganz großes Kino und vielleicht findet ja doch noch eines in Holz zu mir.

In freudiger Erwartung der weiteren Nominierungen, wünsche ich noch einen schönen Sonntag
 
Kleines Update.

Das L in der L-Serie, steht tatsächlich für Lannier. Das L-10 war das erste aus der Serie und entstand in Rolands 10. Jubiläumsjahr bei Atelier Perceval. Die Nummern 09 und 08 wurden dann eher willkürlich von Yves Charles vergeben.

grüsse, pebe
 
Der achte Ritter an der Tafel ist das Moki Blakiston‘s Fish Owl.


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Der Japaner Shigetaka Sakura beginnt 1907 in Seki City Taschenmesser herzustellen. Das Wenige was aus dieser Anfangszeit bekannt ist, sind seine sorgfältige wie genaue Arbeitsweise mit der er die bestmögliche Qualität erreichen möchte.

Das Streben nach Vollkommenheit ist im alten Japan Teil der Kultur, man denke nur an die berühmte Teezeremonie. Im klassischen Handwerk findet dies durch Präzision und Aufwand im kleinsten Detail seinen Ausdruck.

Es ist kaum bekannt, welche Modelle in den ersten 50 Jahren entwickelt und produziert wurden, das herausragende Merkmal zum Thema ist und bleibt die erreichte Fertigungsqualität des Firmengründers.

Der anfängliche Einmannbetrieb entwickelt sich über Dekaden langsam aber stetig weiter, die Sicherung der hohen Qualität bei steigender Produktion wird durch die Entwicklung und Übernahme möglichst vieler Arbeitsschritte im eigenen Haus erreicht.

Als der Senior schließlich die Firma 1952 an seinen Sohn Moki Sakurai übergibt, bleibt dieser dem Qualitätsanspruch treu und mehr noch - macht ihn endgültig zum Markenzeichen der Firma.

Mit dem Einzug 1968 in ein neugebautes Fabrikationsgebäude können zum ersten Mal alle notwendigen Arbeitsschritte in der eigenen Werkstatt erledigt werden und man ist weitgehend unabhängig von Zulieferern mit schwankenden Qualitäten.

Die Fertigungsqualitäten genießen inzwischen auch weltweit einen hervorragenden Ruf und werden in der Branche mit dem Namen des Firmenchefs Moki Sakurai verknüpft. Moki‘s wird zu einer gebräuchlichen Bezeichnung für hohe Qualität in der Messerfertigung und führt 1987 schließlich zur Namensänderung in Moki Knife Company.

In der Folge stellt Moki nicht nur Messer unter eigenem Namen her, auch andere Hersteller nutzen die herausragenden Fertigkeiten der Manufaktur. Al Mar, Spyderco, SOG, Beretta, Fällkniven und William Henry, um nur einige zu nennen, lassen bei Moki ausgesuchte Modelle herstellen.

Die Spezialität im Hause Moki sind Backlocks, deren Passgenauigkeit des Federelements mit der Klinge gilt als Maßstab in der Serienproduktion. Bis heute ist die Wertung Moki Niveau für einen Backlock ein eindeutiges Qualitätsmerkmal in der Messerwelt.

Desgleichen gilt auch für die aufwändige Intarsienarbeiten mit exotischen Materialien wie Perlmutt und Abalone aber auch Holz in perfekter Ausführung. Moki hält über 180 Design- und Gebrauchsmusterrechte hierzu und diese Arbeiten sind bis heute Kern und Herzstück der meisten eigenen Produkte - in unerreichter Qualität.

Die eigene Moki Modelle bleiben stets im Gentleman Format, meist sind die Klingen unterhalb der 3 Zoll Größe oder haben maximal genau diese 7,6cm Klingenlänge.

So beim berühmten Kronos aus dem Jahr 2008 mit jigged bones und genau 3 Zoll Klingenlänge.

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Das Edzo Red Fox ist ein Volledelstahlmesser mit 6,3cm Klingenlänge bei nur 37g mit schöner Holzeinlage.

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Und dann gibt es auch schlanke wie schöne Fixed, so das Banff, das es in 3 Längen gibt

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Und ein edles Bird & Trout

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Mein Ritter an der Tafel jedoch, ist trotz einiger Auswahlmöglichkeiten, das schlichteste Moki Modell - das Blakiston‘s Fish Owl aus dem Jahr 2005 in large.

Blakiston’s Fish Owl ist die größte lebende Eule, genauer ein Uhu, mit den Ausmaßen eines Adlers. Spannweiten bis 2m sind zu beobachten.

Sie ist extrem selten und kaum mehr als ein paar Hundert leben in Russland, China und eben in Japan. Der englische Naturforscher Thomas Blakiston, der Namensgeber, entdeckte diese Spezies erstmalig in der Gegend von Hokkaido, ganz im Süden der nördlichen Japaninsel.


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Das Moki Messer war ursprünglich nicht für den Export in das Ausland vorgesehen und trug daher den japanischen Namen für die Eule - Shimafukurou. Als es aber dann doch aufgrund der Nachfrage in den internationalen Handel kam, wollte man unbedingt die Bedeutung des Namens erkenntlich belassen und entschied sich, den etwas sperrigen aber amtlichen englischen Namen für die Eule zu verwenden.

In Japan genießt diese seltene Eule eine ganz besondere und ausgeprägte Wertschätzung und ist damit auch Sinnbild von japanischem Kulturverständnis. Die bewusste Wahl der Namensgebung für das Messer darf man vermutlich als Anforderung verstehen, einer solch hohen Wertschätzung zu entsprechen.

Das Blakiston’s Fish Owl ist ein sehr traditionelles Messer, den schlichten Bauernmessern wie sie länderübergreifend benutzt wurden, nachempfunden - wenngleich auf Gentleman Format verkleinert.


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Die einfache Konstruktion mit Griffschalen aus polierten schwarzen Micartaleinen, selbsttragend ohne Liner, besitzt einen Backlockverschluss. Die Klinge aus rostträgen, fein satinierten AUS8 Stahl ist beim Large 7,6cm lang . Ein klassisches 3 Zoll Messer - geschlossen 10,2cm groß.

Das sind die gleichen Werte wie bei meinem Native 5 - bei nicht mal halben Gewicht der G10 Version.


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Die Klinge ist fein dünn ausgeschliffen, meine war ab Werk nicht ganz sauber abgezogen. Nach etwas Arbeit auf dem Leder war der Schneidteufel perfekt.

Das Messer ist traditionell vollständig verstiftet und nicht verschraubt. Die Nieten sind perfekt rund, gleichmäßig groß und selbst mit dem Fingernagel kann ich keinen Übergang ertasten. Mehr geht nicht.

Besonderes und augenfälliges Detail ist die ungewöhnlich große Achsniete - sie ist mit einem hellen und einem dunklen Ring offenkundig dem Auge der Rieseneule nachempfunden.

Das ist nicht nur als Verbindung zum Namen eine wunderbar gelungene wie ausgesprochen schöne Lösung, sondern gibt dem Messer auch einen unverwechselbaren Charakter.


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In der Größe Large wiegt der Fischuhu nur 45g, damit sollte das Gewicht auch unter zartesten Umständen keine Rolle spielen, zumal die feine Haptik des Micarta auch nix metallisch Hartes an sich hat.

Wer sich für die Eule in small, dem kleineren Bruder mit 6,5cm Klinge entscheidet, bekommt mit 33g das absolute Leichtgewicht.


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Der Klingengang ist seidenweich, die Klinge rastet sauber und satt im Rücken ein, dabei liegt die Feder vollkommen plan und spaltfrei an den Griffschalen, selbst der Spalt zwischen Klinge und Feder verschwindet nahezu vollständig. Moki Standard.


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Kleine Messer sind oft schwierig zu greifen, besonders wenn man große Hände hat. Die Eule in large lässt sich mit meinen 10.5er Händen dank fehlender Mulden jedoch problemlos im 4-Fingergriff halten und ist in jeder Hinsicht ein Handschmeichler.

Dabei ist die ganze Konstruktion solider als man auf den ersten Blick vermuten mag. Einen Karton zerlegen funktioniert nicht nur bestens, es wackelt und leiert auch nichts. Weder währenddessen noch danach.

Aber klar, es ist und bleibt ein Messer für die feineren Arbeiten. Für all die Dinge, die man erledigt, wenn man eher urban im Zwirn denn in Schnürstiefeln im Gehölz unterwegs ist.

Bei diesem Messer geht es auch nicht um Effizienz oder besondere Praktikabilität. Design und Form sind reduziert auf das Grundsätzliche im Messerbau. Und dies in schönster klassischer Machart und in perfekter Ausführung.

Das kleine Schwarze für Männer - genau so.

Das Moki Blakiston’s Fish Owl ist ein Lehrstück des Messermachens. Ein Factory Custom Knife erster Güte. Und günstiger kommt man nicht an eine solche handmade Qualität.

An der Tafel ist er derjenige, dem weder der Stärkste noch der Glänzendste erzählen muss, was einen Ritter ausmacht.

Euch allen wünsche ich ein schönes Wochenende.

grüsse, pebe

P.S. Meinen herzlichen Dank an Susanna Niedermaier, Selected Knives für die Unterstützung auch mit Bildmaterial.
 
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Hallo pebe,

mit gemischten Gefühlen habe ich gerade in der Übersicht realisiert, dass es endlich einen neuen Beitrag von Dir zur Tafelrunde gibt.
Einerseits Freude, andererseits Angst vor einem weiteren Anschlag auf meine Geldbörse.

Die Überraschung und Erleichterung war dann aber gross, schleiche ich doch die Letzten Wochen schon permanent um ein Moki Fish Owl herum :)
Nachdem es jetzt von Dir zum Ritter geschlagen wurde kann ich die Kaufentscheidung natürlich nicht länger hinauszögern :)

Grüße Linda
 
Lieber pebe,

Du hast mich wirklich grandios überrascht. Niemals nicht hätte ich damit gerechnet - obwohl es bei einmal drüber nachdenken, nach dem Perceval durchaus schlüssig ist - dass ein Moki es an Deine Runde schafft.
Ich bin ein absoluter Moki Fan, ich hatte sogar damals im 2018er Kanada Urlaub nur ein Moki Ares, ein Vic Compact und ein F1 dabei und das hatte völlig gelangt.
Die Geschichte von der Eule war völlig neu für mich und daher vielen Dank für die ausgiebige Recherche und das Zusammentragen der Informationen auch über die Historie der Firma.
Bei mir sind die Mokis in letzter Zeit etwas weniger rumgeschleppt worden, weil ich doch mehr auf die modernen Hochleistungsstähle stehe, was aber völliger Blödsinn ist, weil dass, was ich mit dem Viper Hug schneide kann ich auch perfekt mit dem Ares, Pliant oder der Eule schneiden. Und den AUS 8 oder VG10 kriege ich auch viel schneller wieder scharf.

Vielen Dank dafür, daß du mir dieses wunderbare Messer wieder nach oben geholt hast. Gerade wie Du die Besonderheiten der Eule hervorgehoben hast macht es umso klarer, dass genau dieses den Platz an der Tafel bekommen hat.

Wobei ich hier gerne nochmal für alle Nich-Moki-Kenner unterstreichen möchte, dass die Qualität dieser Messer unerreicht ist. Vor allem für den Preis. Mein Ares ist seit 2006 bei mir und da wackelt nix, das öffnet und schließt immer noch smooth und der Übergang von Klinge zu Rückenfeder ist immer noch so perfekt wie am ersten Tag.
Schaut selbst: Ares und Pliant und auch noch ein Al Mar Eagle, von Moki gebaut. Alle mindestens 10 Jahre alt und als Gentleman Messer viel genutzt. Vor allem seit es den unsäglichen 42a gibt.

In freudiger Erwartung der nächsten Nominierung...
 
Der neunte Ritter an der Tafel ist ein Solinger Jagdklappmesser mit Hirschhorn - bei mir ein Hubertus aus der 12er Serie mit der etwas sperrigen Bezeichnung 12.300.HH.00.


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Jagdklappmesser mit Hirschhorn waren einst eine Domäne der Solinger Werkstätten. Seit 1865 begannen Messerhersteller in Solingen, Klappjagdmesser unter industriellen Bedingungen in großen Serien herzustellen und erreichten schon bald weltweit einen hervorragend Ruf.

Berühmt für ihre Formen, Detailreichtums der Ausführungen, Klingenkomponenten und der Griffschalen aus echtem Hirschorn werden diese Messer zum Synoym für Solinger Taschenmesser. Und. Exportschlager.

Die Liste der ruhmreichen Solinger Messerhersteller ist lang - zu lang, um hier detailiiert darauf einzugehen. Gut 400 Messerhersteller werden bei Übergang ins 20. Jahrhundert in der Klingenstadt gezählt. Der Messerkatalog der Firma Wüsthof weist zu dieser Zeit über 1.000 verschiedene Taschenmesservarianten aus.

Und. Unter welchen Umständen es zum einstigen Siegeszug kam, ist in besonderem Maße erzählenswert und hat am Ende nicht nur Bedeutung für eine Stadt, sondern für eine ganze Nation.

Der einzige ernst zu nehmende Konkurrent ist in jenen Anfangsjahren das britische Sheffield, dessen Fabrikanten den Solingern in Sachen Stahlgüte und Kunstfertigkeit vorerst noch ein Stück voraus sind. Die zu diesem Zeitpunkt teils minderwertigen Einfuhren aus Deutschland zu günstigen Preisen machen sich im Geschäft jedoch deutlich störend spürbar. Die Sheffielder Produzenten sind es, die 1887 zum Schutz ihrer Interessen durchsetzen, dass die deutschen Importe mit dem Zusatz „made in Germany“ gekennzeichnet werden müssen.

Als die Solinger wenig später technisch aufholen und an den Sheffieldern sogar vorbeiziehen, wird die zum Schutz gedachte Kennzeichnung zu jenem weltweit anerkannten Gütesiegel, das sie bis heute ist und Teil unserer nationalen Idendität wurde.

Erst die Wirtschaftskrise, zwei Weltkriege und die aufstrebende Konkurrenz aus Asien bremsen Solingens Aufstieg. Zunehmend erweist sich das Festhalten an der kleinteiligen Produktionsweise, die ursprünglich die großartige Produktvielfalt erst ermöglichte, nun als Nachteil, weil es die Mechanisierung erschwert.

Weil die wenigsten die Zeichen der Zeit richtig deuten, schrumpft die Klingenproduktion ab 1960 dramatisch. Von 252 Betrieben der Nachkriegszeit sind Ende der 80er-Jahre nur noch 61 übrig, die mehr als 20 Leute beschäftigen.

Die Solinger suchen größtenteils ihren Platz in der Nische, auch im berühmten Werk von Puma wird entsprechend reagiert.

Mitte der 1950er wird dort die Produktion schwerpunktmäßig auf funktionale Jagd- und Sportmesser umgestellt. Durch Zusammenarbeit mit Profis, z.B. dem bekannte Oberforstmeister Frevert, werden Ikonen geschaffen. Mit Puma als Filmausstatter der Winnetou Reihe, Anfang der 1960er, gelangt das White Hunter am Gürtel von Lex Barker aka Old Shatterhand zu Weltruhm.

Jagdliche Klingen aus Solingen sind wieder gefragt.


Puma White Hunter mit Hirschhorn

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Ebenso erwähnenswert die Firma Weltersbach mit der Marke Waidmannsheil. Warum? Weltersbach war ursprünglich führend in der Herstellung der Springermesser - die Urform der zuverlässig funktionierenden Einhandmesser.

Über 40 verschieden Modelle waren im Laufe der Zeit im Programm und ein weltweiter Exportschlager. Weltersbach fertigte erstklassig und dies auch für andere Hersteller, z.B. auch eben für Puma und war schlussendlich bis Anfang der 1990er aktiv.


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Dann übernahm Diefenthal die Markenrechte an Waidmannsheil und lieferte aus meiner Sicht bis zum Schluss die beste Manufakturqualität in neuerer Zeit für Jagdklapper, insbesondere solche mit mehreren Klingen.


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Erstklassige Manufakturarbeit - ein Traum in Stahl und Hirschhorn


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Ich habe mich dennoch bei meinen Jägerklingen aus guten Gründen für die Firma Hubertus entschieden - der vielleicht wichtigste, dass diese nie CNC Technik einsetzten, die Messer unverändert nach alter Väter Sitte hergestellt wurden und vorallem auch ein sehr breites Sortiment bis zum Schluss vorhanden war.


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Im Jahre 1932 von Kuno Ritter in Solingen gegründet, übernahm dieser 1950 durch Kauf seines Zulieferers, des Solinger Handelshauses J. Albert Schmidt Nachf. die Namensrechte an der Marke Hubertus. Hubertus ist der Schutzpatron der Jäger - Nomen est Omen, passender geht‘s nicht.

In den 1960er Jahren kommt durch weiteren Zukauf die 1869 gegründete Traditionsfirma Gräfrath und deren Produktionsanlagen hinzu. Gräfrath gehörte zu den führenden Spezialisten mit hervorragendem Ruf.

Die Geschichte läuft für Ritter einigermaßen kontinuierlich, es werden auch Auftragsarbeiten für andere Markennamen ausgeführt. Sonderserien, neue Produkte wie ein Rettungstool für Behörden weltweit oder Spezialitäten und regelmäßige Jubiläumsmesser helfen, auch schwierige Zeiten zu überstehen. Die Springermesser Marke Hubertus haben in den USA längst Kultstatus und Hubertus ist dort ein Synonym für Springermesser wie Tempo für Papiertaschentücher.

Die Firma Hubertus Schneidwarenfabrik blieb damit bis neulich als eine der Wenigen aus ruhmreicher Zeit erhalten - jedoch sind aktuell auch diese Werktore für immer geschlossen - Restbestände aber gerade noch erhältlich.

Mein Ritter an der Tafel ist das Hubertus aus der 12er Serie mit nur einer Hauptklinge. Das Messer, das Steven Spielberg dem berühmtesten Abenteurer, Indiana Jones, filmisch mit auf den Weg gibt.

Nur eine Klinge, weil alle Ritter so ausgestattet sind und natürlich auch ein jagdlicher Hirschhornklapper damit einem schlichten klassischen Taschenmesser entspricht.


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Der 12er Hubertus hat eine 8cm Klinge aus 1.4109 rostträgem Solinger Stahl in 3mm Stärke mit schönem Taper nach vorne. Geschlossen gerade mal 10,5cm lang, ist es überaus handlich und zudem mit nur 103g auch hosentaschentauglich - ziemlich genau VirgilWeight.


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Messing Platinen und Backen aus Neusilber mit Rillen. Der am Ende des Griffs positionierte und herausragende Backlock traditioneller Bauart, ermöglicht eine sichere Handhabung während der Benutzung und ein unkompliziertes Entriegeln der Klinge auch unter widrigen Umständen. Die Griffschalen sind hinten breiter als vorne, zusammen mit der Hirschhornstruktur gibt das einen besonders sicheren Halt, nicht nur bei der roten Arbeit.


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Mit meinen großen Hände kann ich das eher kleine Messer ohne Griffmulden bequem und sicher halten, durch die schlanke Klingenform ist der knappe Zentimeter unterhalb der 3.5 Zoll edc Standardklingenlänge wenig bedeutsam, in der Hosentasche ist das Messer aber spürbar weniger sperrig.


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Mein 12er Hubertus ist ein nachträglich im Werk korrigiertes Exemplar. Die Klinge ist nun spielfrei und steht mittig. Der Rücken ist frei von mangelhaften Spalten. Die hinteren Federhälften sind aussen wie innen sauber, gerade und gleichlang abgelängt wie poliert und liegen spaltfrei an. Volltreffer!


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Insgesamt gibt es die Hubertus Jagdklappmesser in 5 Klingenlängen. 5,5cm, 7cm, 8cm, 9cm und 10,5cm. Die passenden Serienbezeichnungen in der gleichen Reihenfolge sind Nr. 10 - 14.

Alle klassischen Hubertus Jagdklappmesserklingen haben die Form der traditionellen Jagdnicker, weswegen sie zu Anfang auch Taschennicker genannt wurden. Darüber hinaus ist die schmale aber kräftige Klinge ausgezeichnet alltagstauglich und für mich die ideale Vesperklinge.

Mein Hubertus Serie 13 sieht filigraner aus, als er tatsächlich ist. Die 9cm lange Klinge hat satte 4mm im Kreuz. Dank dem Taper bleibt er aber ausgezeichnet schneidtauglich. Er hat den schönen Hahnekopp, also ein Bolster mit Ausbuchtung. Aufgeklappt ergibt diese eine Schutzfunktion, die das nach vorne rutschen der Hand verhindert. Der sehr robuste Klapper ist nicht nur größer, sondern mit 130g auch deutlich gewichtiger und daher in jeder Hinsicht eher schon zu wuchtig für ein daily edc.

Für mich dennoch unverzichtbar - ein tolles Messer.


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Der große Hubert aus der 14er Serie ist mit 10,5cm Klingelänge und 13,5cm geschlossen, der Längste. Er wird mit zusätzlichen Bolstern auch am Ende des Griffs verstärkt. Mit 4mm Rückenstärke und 166g ist das ein ordentliches Klappeisen - stark genug, um einen Bären das Fell abzuziehen oder den Ochsen am Spieß zu tranchieren. Thorins Klappschwert.


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Vergleich der 3 Brüder

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Ich hatte lange gezögert, ein Solinger Jagdtaschenmesser an die Tafel zu holen, obwohl deren Bedeutung unbestritten ist und ich schon immer einen Vertreter dieses Klassikers im Hause habe.

Aber. Es war und ist schwierig hierbei eine Fertigungsqualität zu finden, die auch dem hohen Ritteranspruch gerecht wird und dabei meine ich nicht die neuzeitlichen CNC Produktionen aus Fernost, sondern ganz klar die Messer aus Solinger Manufakturbetrieb mit einigem Anteil Handarbeit.

Dennoch. Es gibt sie noch, von halbwegs akzeptabel bis ganz besonders gelungen. Und. Ein handgefertigter Hirschhornklapper, bei dem eine sterile CNC Präzision eher unpassend wirkt, ist dann ein ganz besonderes Stück der Messermacherkunst. Ein unverwüstliches Urgestein in jeder Hinsicht.

Der 12er Hubertus ist ganz klar ein stabiler Allrounder für die Hosentasche, ein treuer Begleiter, der was wegstecken kann und dabei keineswegs grobschlächtig daher kommt.

Im Gegenteil, der 1.4109 nimmt eine feine Schärfe an, die gerade schlanke Griff- wie auch Klingenform sind für den präzisen Schnitt ausgelegt - ein feineres Perceval Le Francais zeigt deutlich, wie zeitlos funktional diese Grundform ist.

Am Ende finden wir verdient den ersten deutschen Ritter an der Tafel. Ein erdiger wie rustikaler Gefährte, der zuverlässig seit 5 Generationen unzählig viele Männer im Alltag, auf der Jagd, auf Expeditionen und auch in Kriegen an den entlegensten Plätzen dieser Erde begleitet hat und trotz alter Rüstung noch zu glänzen weiß.

Keine Frage, dem Solinger Klassiker mit bewegender Messergeschichte, gebührt ein besonderer Platz an der Tafelrunde.

Euch allen einen schönen Sonntag

grüsse, pebe
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber pebe,

einen sehr kurzweiligen und äußerst interessanten Sonntagvormittag hast Du mir hier wieder beschert. Tolle Bilder und eine sehr kurzweilig erzählte Geschichte. Dankeschön.
Spekuliert hatte ich ja schon mit etwas traditionellem aus Solingen, nur gingen meine Überlegungen in Richtung Anker Messer oder Hippekniep. Auf jeden Fall bleibt die Spannung erhalten.
Dir, und allen die hier mitlesen noch einen schönen 2ten Advent.
 
Moin,

kleines update. Die Firma Otter hat die Produktion und den Vertrieb der Hubertus Springermesser übernommen. Auch wird, nach meiner schriftlichen Anfrage, bestätigt, dass Reparaturen und Instandsetzung aller Hubertusmesser übernommen wird.

grüsse, pebe
 
Der elfte Ritter an der Tafel ist ein besonders vernünftiger - das Real Steel Phasma M390


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Zu chinesischen CNC Produktionen gibt es weder Ahnen- noch echte Rittergeschichten zu erzählen, es gibt weder jahrzehntelange Erfahrung noch Bewährungszeiten - man darf sich also wundern, weshalb ein Messer aus dem Reich der Mitte zur Ritterschaft gelangt.

Hier ist es nun - das Real Steel Phasma.

Ich hatte diesen ja schon ausgiebig vorgestellt und zwar hier Thema 'Real Steel Phasma M390 Poltergeist'

Auf das Phasma war ich gestoßen, als ich mal wieder auf der Suche nach DEM Alltagsmesser oder neudeutsch EDC, war. Also einem Messer, das größer und stabiler als ein Gentleman Messer aber kleiner und handlicher als ein ordentliches Klappmesser ist.

Ein Thema, das immer wiederkehrend für reichlich Diskussionen sorgt. Aber. Wer sucht, der findet.


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Real Steel ist ein Messerhersteller in China, der erst seit 2013 am Markt ist. Das ist gemessen an den bisherigen Herstellern natürlich eine kurze Zeitspanne, geht jedoch über den Status Newcomer dann doch deutlich hinaus.

Waren chinesische Messerprodukte jahrzehntelang für schlechte bis mäßige Qualitäten zum kleinsten Preis bekannt, hat sich der Markt inzwischen dramatisch verändert und es konnte sich eine handvoll Hersteller mit hervorragender und ausgereifter CNC Technik als Lieferant von hochwertiger bis premium Qualitäten etablieren, die neben den eigenen Produkten auch für bekannte westliche Marken produzieren.

Das reicht von schlichteren Messern mit ordentlichen Materialien, sehr sauber gefertigt, für kleines Geld angeboten bis zu aufwändig hochkomplexen Gitterkonstruktionen teuerster Materialien, an der ein Macher händisch wochenlang sitzen würde.

Da ist sehr viel Ordentliches dabei, besonders einfachere Konstruktionen, die sehr sauber gefertigt sind und den Dukatenbeutel wenig belasten, sehe ich als echten Fortschritt. Weniger gefallen mir die Funktionsmesser, die durch blosse Anhäufung von teurem Material und Fertigungskomplikationen aufgewertet daher kommen.

Im Kern besteht das Problem dieser jungen Firmen nun genau darin, den hauseigenen Produkten ein eigenständiges UND beständiges Gesicht zu geben, statt überwiegend mit einer Vielzahl und ständig wechselnden Designs die technischen Fähigkeiten zu demonstrieren.

Wer in diesem umfangreichen Potpurie mit attraktiven Preisen seine Möglichkeiten findet, wird das anders sehen - für viele andere ist dies aber die oft bemühte Beliebigkeit solcher Produkte - anders ausgedrückt wird so die Qualität eines Messers überwiegend auf die Materialwahl, preiswert wie ordentlich hergestellt, reduziert. Weil. Schneiden tut jedes Messer.

Für mich persönlich liegt hierin jedoch ganz klar der entscheidende Unterschied zwischen dem Messermacher, der aus Überzeugung ein bestimmtes Messerdesign kreiert und beibehält und der blossen Herstellung attraktiver Verkaufsware.

Die erfolgreichen chinesischen Hersteller bedienen sich nicht ohne Grund häufig den Designkünsten international anerkannter Messermacher. Entweder wird ein custom Modell für die Serie modifiziert oder gleich ein neues Serienmodell entworfen.

Dieser Hinweis ist wichtig. Sieht man doch dem einen oder anderen Modell an, dass es wenig aufwändig daher kommt. Es ist dabei einerlei, ob Kosten für zusätzliche Produktionsschritte eingespart oder ein Abstand zum Custom Modell eingehalten werden soll. Eine Anpassung an das hauseigene Design wie bei Spyderco Collabs ist es jedenfalls nicht.

Ein Muss ist dies ebenso wenig- die von Custom Knife Factory in China realisierten Collabs sind den Custom Modellen ebenbürtig - mindestens. Auch wenn dies auf einem anderen Preisniveau geschieht.

Für mich ist es jedenfalls kein Zufall, dass eines aus der Masse herausragendes Modell aus einer Kollabaration mit einem bekannten Messermacher stammt. Das Phasma.

Das Design des Phasma stammt von Jakub Wieczorkiewicz von Poltergeist Works.

Seine besonderen äußerlichen Kennzeichen sind die Verschraubung der Messer mit nur 2 überdimensonierten Schrauben sowie einer - sagen wir mal - eher unkonventionellen Klingenform.

Während die beiden großen Schrauben, mit Schlitzen zum Öffnen und Schließen mit einer kleinen Münze, mir persönlich sowohl optisch als auch praktisch ganz hervorragend gefallen, treffen die zuweilen eigenwilligen Klingenformen weniger mein Gefallen. Wie immer - Geschmacksache.

Hier das Custom Original.

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Um so besser fand ich, dass für das Phasma eine klassische Klingenform mit maximaler Schneidlänge gewählt wurde.


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Wir haben hier einen full titanium folder mit knapp 8,5cm langer und 3mm starker M390 Klinge. Geschlossen 11,4 cm lang, nur 96g schwer - schön schmal und hosentaschentauglich.

Die Klinge in Blattform läuft auf unempfindlichen Washern, es gibt einen tauglichen Clip - insgesamt robust, handlich und sehr präzise gebaut.

Die Ausführungen der Klinge und der Griffschalen verschenken keinen Milimeter. Maximale Schneidlänge und maximaler Halteplatz für die Hand. Griffmulden für Halt zum Bäumefällen sind bei einem EDC auch nicht zwingend notwendig.


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Es ist für mich schon rein datenmäßig und materialtechnisch einer der gelungensten Kompromisse für ein hochwertiges wie robustes daily EDC Messer, dass weder kleine noch große Schneidaufgaben noch Wasser zur Reinigung scheuen muss.

Mir persönlich sagt auch die klare und schlichte Formensprache mit dem feinen Titan Finish in ganz besonderen Maße zu.


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Diese Begeisterung für das Phasma habe nicht nur ich, auch andere mit großen Bestand und viel Erfahrung teilen diese Auffassung. Warum also führt das Phasma dennoch eher ein Schattendasein?

Die Antwort könnte recht simpel sein. Es ist vielleicht einfach derart durchdacht gestaltet, dass am Ende eine gewisse Eigenwilligkeit für den notwendigen Kick fehlt.

Und. Am Ende ist es eben auch „nur“ ein Real Steel Knife - ohne Aura der heiligen Messerhallen.

Zum Thema Käuferverhalten und Vernunft wusste 1981 mein damaliger Professor in der ersten Marketing Vorlesung von Volkswagen zu berichten, die in den Siebzigerjahren eine breit angelegte Befragung unter den Kunden vornahmen, wie denn das ideale Auto zu gestalten wäre, das sie gerne kaufen würden.

Die Studie war staatlich beauftragt wie großzügig gefördert und wurde entsprechend aufwändig durchgeführt. Mit den Ergebnissen der umfassenden Untersuchung baute VW einen Prototypen, der den gewichteten Kundenwünschen entsprach.

Der Prototyp steht heute, meiner Erinnerung nach, in irgendeinem Münchner Museum. Es gingen nicht mal ansatzweise genügend Anfragen für eine Vorbestellung ein, sodaß das Projekt schließlich eingestampft wurde.

Soviel zum Thema vernunftgesteuerte Kaufentscheidung des Homo oeconomicus.

Und doch sehen wir an der immer wiederkehrenden Frage nach dem perfekten edc im MesserForum - durchaus auch von jenen, die länger dabei sind - dass die Suche nach einem solchen möglichst universaltauglichem Hosentaschenmesser immer wieder mal beschäftigt und selten erfolgreich abgeschlossen wird.

Ich für meinen Teil hatte auch einige Custom Messer, die grundsätzlich in dieses Format passen. Besonders zu erwähnen wären Ekhard Schmoll, der immer eine Bank hierfür ist.


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Aber auch Chuck Richards hat mit dem Counselor 2.0 eine schöne Lösung hierzu.


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Ich habe ja auch noch die Damastversion vom Phasma mit carbon inlay. Ziemlich schick und ebenso wertig gemacht. Natürlich ist das eine Aufwertung und gibt dem Phasma eine entsprechende Optik. Aber eine notwendige Verbesserung ergibt sich aus meiner Sicht damit nicht.


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Die letzten Beispiele zeigen, dass man natürlich mit ordentlich Geld in der Hand auch ein Messer beauftragen kann - und sich doch oft genug lediglich dem Thema nähert.

Mal ist es das Gwicht, die Klingengröße oder -form, der Clip, die Materialwahl, das Format - irgendwas stört meistens. Für das gesuchte Idealformat.

Ich bin ja gerne der, der noch die Schuppe zum Haar in der Suppe betrachtet, aber viel gab es hier nicht zu sehen.

Und ja, das Real Steel Logo gefällt mir rein optisch nicht, die Clipausfräsung ist zu großzügig bemessen und mit einem Custom Maker würde ich auch diskutieren, ob die Schrauben trotz Vorteile zwecks Fingerhalt und bei Münzeneinsatz nicht doch plan zu den Griffschalen verbaut werden können. ABER. Das sind dann Kleinigkeiten, wenn wie beim Phasma das große Ganze perfekt stimmig ist.

Das Phasma ist tatsächlich das einzige Messer, das in Summe meine Erwartungen an das perfekte EDC am besten erfüllt und dies nicht nur in praktischer sondern eben auch in wertiger und ästhetischer Hinsicht.

Und weil ich dies so sehe, bekommt das Phasma einen Platz an der Tafel, obwohl es sich noch nicht zwanzig Jahre bewährt hat, obwohl es keinen berühmten Namen trägt, es ein vergleichsweise günstiges Messer ist und die chinesische Flagge auf der Packung klebt.

Der Asiate mit europäischen Wurzeln hat sich seinen Platz an der Tafelrunde sehr hart erkämpft.

Euch Allen einen schönen Sonntag.

grüsse, pebe
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant, Peter. Die Damast-Version hat auch einen optisch ansprechenderen Clip bekommen, scheint mir?
 
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