Der 12. Ritter an der Tafel ist Modell No.4 mit Hirschhorn von Thomas Froberg.
Yup. Das ist ein Custom Messer und kein Serienmesser - ganz im Unterschied zu den bisherigen Rittern.
Ok, mein Marfione Anax ist diesbezüglich nicht ganz so eindeutig. Warum ich das so sehe, will ich kurz erklären.
Was einen echten Custom Maker oder ein echtes Custom Knife auszeichnet - darüber wird oft und viel diskutiert wie auch gestritten.
Manche verbinden mit Custom Knife lediglich ein Messer, das von einem Messermacher und nicht in einer Manufaktur oder gar Fabrik hergestellt wird, andere verlangen nach einem Unikat, das es kein zweites Mal geben darf. Oder es muss handmade sein, ohne Präzisionshilfmittel wie Lasercut und CNC oder gleich ganz ohne elektrisch betriebene Maschinen. Oder auch die Klinge soll selbst geschmiedet und gehärtet sein - keine Arbeitsschritte ausser Haus.
Gerne wird auch die Bezeichnung Custom Knife im Sinne von customized angewendet, nämlich in der Indiviualisierung eines bereits vorhandenen Messermodells.
Jedoch. Dass bloße Auswählen von Griffmaterial, Stahlsorte und wenn es aufwändiger sein darf auch noch Klingenstärke oder gar deren Länge, ist zwar eine Individualisierung bleibt aber dennoch ein Anpassen einer bestehenden Konstruktion an den Kundenwunsch - customized.
Denn. Der handgefertigte Anzug aus feinstem Tuch vom Herrenschneider in der Auslage ist halt nicht gleichbedeutend mit maßgeschneidert, auch wenn das dennoch meist ein hochwertiger Anzug ist. Und das Kürzen der Bein-und Armlängen oder enger machen an diesem Anzug ist zwar ein Anpassen aber eben keine Maßanfertigung, die jedes kundenspezifische Körpermaß berücksichtigt.
Tatsächlich ist für mich persönlich ein echtes Custom Knife also ein Messer nach meiner persönlichen Vorgabe, bei dem man dem Messermacher beschreibt, was man haben will und es dann auch in jeder Hinsicht genau so bekommt. Ohne Beschränkungen auf Vorhandenes - es sei denn, die Vorgaben wären technisch nicht umsetzbar.
Mein Kephart Kustom ist so eines..
Andererseits macht nicht jeder Kunde derart detaillierte Vorgaben nebst Skizze. Ein Jäger wird vielleicht nur eine 9cm Klinge mit Hirschhorngriff zum Aufbrechen von Rotwild vorgeben und der Messermacher hat hierzu nicht nur die Freiheiten, sondern auch alleine die Expertise, das Geeignete zu wählen und zu fertigen.
Der gemeinsame Nenner für Custom ist dann am Ende schlicht die ausgewiesene Einzelanfertigung für einen Kunden - that's it.
Nicht kundenbeauftragte Messer sind dann eben, was sie sind - Messer vom Messermacher. Knife by Knife Maker statt Production Knife und eben nicht Custom Knife.
Auch sind Custom Knife und Handmade Knife für mich zwei paar verschiedene Stiefel. Das Erste beschreibt, wie das Messer aussehen soll, welche Materialien für den Kunden verwendet werden, das Zweite lediglich, wie das Messer hergestellt wird und ist per se kein Custom Kriterium.
Am Ende liegt das Problem dieser Diskussionen überwiegend nur darin, dass für unterschiedliche Aufwands-, Schwierigkeits- und Qualitätsstufen einheitlich der Begriff Custom Knife verwendet wird, um es vom schnöden Industriemesser abzugrenzen.
Ein Messermacher, bei dem man sich in keinerlei Hinsicht Gedanken bezüglich Qualitäten machen muss, ist Thomas Froberg. Thomas war ein gelernter Werkzeugmacher, was man bis ins kleinste Detail erkennen kann - viel zu früh verstarb er im Oktober 2021.
Er war ein Werkzeugmacher alter Schule und hat nach meiner Kenntnis das Messermachen bei Gildemeister Wolf Borger gelernt, bei dem er dann gut 10 Jahre gearbeitet hatte, bevor er sich selbstständig machte.
Dort hatte übrigens auch ein anderer herausragender Messermacher sein Handwerk zu lernen begonnen, Daniel Boll. Nicht umsonst ähnlichen sich deren beider Messer in einiger Hinsicht.
Auf Bildern von seiner Werkstatt kann man die legendäre Wandtafel mit gut 80 nummerierten Messerschablonen erkennen. Ein paar davon sind allerdings von Daniel Boll, der die Werkstatt mitnutzt, wenn er in heimischen Gefilden unterwegs ist und ausschließlich dessen Kunden vorbehalten.
Jedenfalls ergibt alleine der Vorrat an bestehenden Schablonen eine schier unerschöpfliche Quelle als Ausgangspunkt für ein individuelles Messer.
Das Spektrum bei Froberg Klappern ist hierbei extrem weit, es gibt solche mit unter 4cm und mit über 15cm Zentimeterklingen - vom kleinen dicken Pummel über langen schmalen Stecher bis wuchtiges Workhorse ist alles dabei.
Es spricht sehr für den Erfahrungshorizont und die Flexibilität eines Messermachers, wenn er sich bei seinen Arbeiten auf eine solch große Vielfalt einlässt. Die in unserem und auch in anderen Foren gezeigten Werke sind jedoch regelmäßig und überwiegend Modelle der Nummern 1-7.
Mein größter Froberg war ein No.5 und besteht aus einer 12,5cm Klinge aus dem berühmten Monsterdamastpaket, dazu Griffschalen aus Seekuhrippen - ein gewaltiges Klappmesser und eine herrliche Arbeit zugleich - sehr typisch für Thomas.
Mein kleinstes war ein No.2 - ein sehr schlankes Hirschhorn mit 1.2519 Stahl.
Drei Punkte sind an Froberg Linerlock-Klappern ganz besonders herausragend wie bemerkenswert:
Erstens sind die Klapper mit konventionellen Werkzeugen maximal präzise gefertigt, zweitens gehört das Verhältnis Klingenlänge zu Grifflänge zu dem Besten, was man finden kann und drittens sind seine Klingen sowohl besonders schneidfähig als auch sehr scharf ab Werkstatt.
Präzision heißt hier konkret, dass nicht nur exakte Passgenauigkeit bei jedem Messer vorhanden ist, sondern auch in solch engen Toleranzen besteht, dass man nur konzentriert und ohne jeglichliches Verkanten die Teile nach dem Zerlegen wieder sauber zusammengesetzt bekommt. Entsprechend präzise arbeiten seine Klapper dann auch in der täglichen Handhabung.
Thomas benutzt für die Klingenachse eine Art Bushing, wie es von der Wirkung vergleichbar, auch Chris Reeve verwendet. Dort bestimmt allerdings eine Hülse über der Achse die Zentrierung und den Leichtlauf der Klinge.
Bei Thomas sind die Liner ausgefräst und die Achsen sitzen dort verankert. Schrauben zudrehen und die Klinge ist stets bei leichtestem Lauf perfekt zentriert.
Einfache Washer genügen hier und der Klingenlauf hat dennoch Fallbeilcharakter ohne jegliches Spiel in irgend einer Richtung.
Dies alles funktioniert nur derart perfekt, wenn sehr genau gearbeitet wurde.
Und. Das funktioniert weder pi mal Daumen noch durch bloße Berechnung. Hier lotet einer die Schmerzgrenze tatsächlich aus und setzt diese kompromisslos um. Jeder Muckensäckl mehr oder weniger führt zur Abweichung von der Ideallinie - genau so fühlt es sich beim Schrauben an. Hier gibt‘s nix, aber auch gar nix mit einer CNC zu verbessern.
Die ganze Konstruktion hält auch dann gnadenlos zusammen, wenn alle Schrauben entfernt sind - enger geht‘s wirklich nicht.
Der Linerlock ist eine eingelegte Stahlfeder. Aus rein ästhetischen Gründen sind die Federn praktisch immer mit Sonnenschliff versehen - der Erzählung nach überwiegend zur Freude des Messermachers selbst.
Von Daniel Boll wird Thomas als „Vater der eingelegten Feder“ bezeichnet. Es war mir leider nicht möglich, zeitnah den Hintergrund hierfür abschließend zu ergründen. Ausser, dass er früh die perfekte Feder als auch viele weitergehende Lösungen entwickelt hatte, bei denen z.B. der Lock nur begrenzt wandern konnte oder er auch Doppelsicherungen in Form eines zusätzlichen Axislockhebel oder eines zusätzlichen Drehschiebers entwarf und verwendete.
Wobei ich persönlich nur von zwei solchen Exemplaren mit dem Schieber weiß. Es steht wohl eher für die Expertise beim Bau der Federkonstruktion.
Mit der Stahlfeder trifft für beste Funktion Stahl auf Stahl und wäre im Bedarfsfall einfach zu ersetzen. Gleichzeitig bleibt das Gewicht mit den TitanLinern gering und es gibt dort keine Korrisionsprobleme. Der Lock greift sicher. Bei Thomas immer. Und lässt sich mit genau dem Maß an Leichtigkeit lösen, das man sich mit einem Regler einstellen würde.
Ich hatte einiges an Custom Messern bei mir im Haus, oft genug gab es einen Grund kein zweites davon zu holen. Die Messer von Thomas hingegen waren alle so zuverlässig gut, wie man es leider nur selten erwarten darf.
Und da spreche ich schon explizit von mir, der gerne sehr genau und kritisch hinsieht - diese Frobergs sind einfach eine Klasse für sich.
Thomas hat irgendwann manche seiner Entwürfe überarbeitet - sie wurden schlichter oder besser gesagt, klarer im Design. Es gab Diskussionen hierzu, das der orignär eigenständigere Wiedererkennungswert damit weitgehend entfallen wäre.
Ich will hierauf nicht näher eingehen, ausser mit der Anmerkung, dass für mich persönlich gerade das Weglassen von unnötigen und eigenwilligen Designduftmarken oder Girlanden in diesem Fall die Extraklasse geradezu unterstreicht.
Und genau dieses führt uns auch zu meinem Ritter Froberg, einer neueren No.4 mit 10cm langer Klinge aus 1.2442 Stahl und Hirschhornschalen.
Hier im Auslieferungszustand mit brünierter Klinge.
Ich unterscheide ja streng zwischen einem eigentlichen Taschenmesser für den Hosensack und einem klappbaren Messer, das schon eher ein Fixed ersetzen kann.
Ein solches hat bei mir mindestens eine fullsize Klinge und einen üppigeren Griff, mit dem sich bequem auch etwas länger und intensiver Arbeiten läßt - handlicher als ein Fixed aber eben doch mit solchen Genen.
Meine No. 4 hat eine 10,1cm lange Klinge bei 11,6cm Grifflänge. Das gibt einen Relationswert von 1,14 oder 0,87 je nach Verhältnis - Weltklasse für ein echtes Funktionsmesser.
Zum Vergleich. Mein Insigno hat 9,1cm Klingenlänge bei 12,1cm Grifflänge, also 1,33 oder 0,75.
Formal wäre damit diese No.4 nach meiner eigenen Definition eigentlich sogar noch ein Taschenmesser - aufgrund der üppigen Breite aber dann doch ein Fullsize.
Jedenfalls, es gibt nur wenige, die eine derart große Klinge in einem solch kleinem Rahmen unterbringen können.
Die Liner sind bei meinem nicht Thomas typisch blau, sondern bronze goldig anodisiert. Dass alles extrem passgenau und exakt verarbeitet ist - der Frobergsche Normalfall.
Die Klinge hat eine leichte Droppointform. Vorne nicht ganz unähnlich der Spyderco Leaf Form. Entsprechend hervorragend universell in der Anwendung.
Mein Froberg hat den 1.2442 Stahl, den Thomas oft und gerne verwendet hat. Gut geeignet für einen feineren Ausschliff - dafür nicht besonders rostträge.
Daher, bei Auslieferung ziemlich schwarz brüniert, hatte ich dieses umgehend geändert und die Schicht relativ fein, erst runter und dann aufpoliert.
Die so verdichtete Oberfläche sollte die gleiche rosthemmende Wirkung wie feinpließten haben. Die gleichzeitig damit freigelegten minimalen Unregelmäßigkeiten der zuvor brünierten Klinge bewahren bei genauem Hinsehen dennoch etwas von dem rustikalen Charme.
Nur auf Anforderung oder bei richtig großen Klappern, macht Thomas die Klingen stärker als 3mm. Weil dies bei geeignetem Stahl mit guter Wärmebehandlung völlig ausreichend ist und eine fein schneidende Klinge ermöglicht.
Und damit sind wir beim berühmten Froberg Schliff.
Flach runter auf 0,3mm und dann ballig auf Null abgezogen. Schneidet wie Hulle. Die meisten Küchenmesser haben da das Nachsehen - sind sie doch überwiegend dicker hinter der Fase.
Der ballige Abzug macht den feinen Abschluss stabiler und sorgt für ein besonderes Schneidvergnügen, dass sich eben so beim Kurven nur bei ballig auf Null offenbart.
Hirschhorn ist ein Naturprodukt, die Oberfläche sehr griffig und fühlt sich dennoch geschmeidig und warm an. Schön kontuiert, in der Mitte am dicksten, ergibt das einen angenehmen wie fülligen Grip, ohne dass das Messer dabei schwer wird. 127g sind immer noch hinreichend leicht.
Ich mag ja eigentlich ganz besonders geradlinige Formen und es hat eine Weile gedauert, bis sich praktischer Nutzen UND Ästhetik der aufragenden Griffenden mir erschloss.
Klingenwurzel und -spitze sind damit optisch wie technisch verpackt. Die vermeintliche Asymetrie ist keine mehr, wenn man die obere Klingentangente zu Rate zieht. Und natürlich liegt das Messer mit der ausgeprägten Rundung am Griffende sehr angenehm bei kräftigem Arbeiten in der Hand.
Hierin findet sich auch die Urform der Arbeitsmesser wieder, wie sie auch beim Moki Blakiston Fishowl vorhanden ist.
Ich selbst glaube ja, dass sich Thomas weniger Gedanken um solch detaillierte Ästhetikpunkte gemacht hat, sondern, das sich diese bei ihm als Ergebnis aus der perfektionierten Handwerkskunst ergeben.
Überhaupt. In Sachen Selbstvermarktung und Nutzen von Onlinemedien war Thomas kein Held. Nur wer zu Messerausstellungen ging oder regelmäßig in den Messerforen laß, erfuhr überhaupt etwas von seinem herausragenden Können und seinen Arbeiten.
Ein regionaler Fernsehbeitrag aus seiner Werkstatt zeigte ihn leider eher als kompententen Messerfachmann und Schleifer, keinesfalls als den begnadeten Messermacher, der er eigentlich war.
Denn tatsächlich ist dieser Froberg No.4 nicht einfach nur ein hervorragend gemachtes Custom Messer, sondern ein ganz besonderes aus meiner Sicht.
Dank Linerlock ist er einerseits ein moderner Fullsize Folder andererseits hat er nichts von einer italienischen Diva, französischer Femme Fatale oder einem amerikanischen Titanboliden. Er steht vielmehr ganz in der Tradition der Solinger Jagdtaschenmesser, dem Ursprung deutscher Messermacherkunst.
Das Hirschhorn mit den bronze gold anodisierten Linern und Schrauben wie dem gewählten Stahl kombinieren genau die Materialien, die hier zum Charakter und auch meiner persönlichen Vorstellung zu einem solch erdigen und dennoch nicht altbackenen Klassiker passen.
Dabei wird ohne jeden Schnörkel mit perfekter Funktionalität und handwerklicher Präzision genau jene unverwechselbare Ästhetik erreicht, die sich aus meiner Sicht am ehesten mit einer typisch deutschen Machart verbinden lässt - alles, was ich im besten Sinne mit „Made in Germany“ verbinde, ist in diesem Messer verwirklicht.
Mein Froberg ist tatsächlich das Messer, das ich für ein Nationentreffen als das Messer der Deutschen schicken würde - so typisch wie gelungen ist dieser Hirschhornklapper für mich.
An der Tafel sitzt er zur Rechten des Königs. Er ist der Ritter, der alle Tugenden vereint und die Geschichte der Tafelrunde aus seinem Blickwinkel erzählt.
Euch allen ein schönes Wochenende
grüsse, pebe