Küchenmesser Geometrie

shamrock

Mitglied
Beiträge
66
Hallo Leute!

Ich lese jetzt schon einige Zeit hier im Forum mit. Was ich aber bisher noch nie so genau verstanden habe... Woran erkenne ich, ob die Geometrie des Messers gut ist, oder eben nicht???:confused: Mag sein, dass das jetzt eine blöde Frage ist! Aber ich möchte eben einfach verstehen, wenn ich mich zum Kauf eines Messers entscheide, oder über eins diskutiert wird, woran ich eine gute Klingengeometrie festmachen kann...

LG shamrock
 
Moin,

also unter Klingengeometrie verstehen wir im Allgemeinen die Dickenwerte der Klinge über das Profil. Du kannst es dir wie die Messpunkte über den Querschnitt verteilt vorstellen. Dazu messen wir bzw. viele von uns die Klingendicke mit einem Messschieber an spezifischen Punkten der Klinge.

Ich messe beispielsweise in 4-5 verschiedenen höhen über der Schneide: 1 mm (also direkt an der Schneide quasi), 0,5 cm, 1 cm, 2 cm und direkt am Klingenrücken und das ganze hinten am Kehl (also der Hinterkante der Klinge), dann in der Klingenmitte, 5 cm vor der Spitze und 1 cm direkt an der Spitze. Das Ganze variiert natürlich je nach Messer, Lust & Laune, messender Person etc.

Beispiele solcher Messungen findest zu hier: http://www.messerforum.net/showthread.php?127232-Sammelthread-Geometrie-von-K%FCchenmessern-%28Messwerte%29

Natürlich kannst du dir auch ein Bild von der Geometrie machen ohne solch aufwendige Messungen heranzuziehen.

- Natürlich kannst du das Messer einfach von der Hinterseite ("Kehl") betrachten. Je feiner das Messer ausgeschliffen ist (v.a. in der Nähe der Schneide) desto schneidfreudiger ist es.
- Du kannst natürlich auch auf Nagelgängigkeit prüfen, also gucken ob sich die Klinge unter leichtem Druck an der Schneide biegen lässt und eine charakteristische Beule aufwirft.
- Und natürlich kannst du auch einfach schneiden und beurteilen je nach dem wie sich das Messer schlägt. Möhren oder anderes hartes Gemüse sind bspw. ein guter Indikator für die Geometrie auch in den Bereichen oberhalb der Schneide ("spaltet es oder schneidet es"), während weicheres Gemüse eher Rückschlüsse über die Geometrie direkt an der Wate liefert IMHO. Die Geometrie an der Spitze des Messers beurteile ich gern anhand der waagerechten Schnitte beim Zwiebeln würfeln und danach wie stark das Messer die Zwiebel "anhebt".

Natürlich sind das alles bloß Indikatoren und relativ subjektiv, daher die Messungen... ;)

Selbstverständlich versteht auch nicht jeder das Gleiche unter einer "guten Geometrie", manche bevorzugen ultradünne "Laser"-Geometrien, manche bevorzugen ausgeglichere Geometrien mit etwas "Fleisch" an der Wate und manche bevorzugen Geometrien bei denen die Schneide möglichst dünn ausgeschliffen ist, die Gesamtdicke der Klinge aber nicht minimal dünn sein muss.

Bei mir persönlich kommt es immer drauf an, wofür ich das Messer verwenden will. Je nach Anwendung variiert meiner Meinung nach das Optimum der passenden Geometrie stark. Für viele Dinge bevorzuge ich z.B. dünne Lasergeometrien, jedoch empfinde ich auch gerade z.B. für hartes Schnittgut Geometrien als vorteilhaft, die nicht so flach und dünn, sondern eher etwas ausgeglichener und etweder leicht ballig oder mit einem "Knick" (also einer sog. Shinogelinie) ausgeführt ist, da diese Klingen meiner Meinung nach nicht so stark kleben.

Hoffe das hilft.

Gruß, Gabriel
 
Servus,

Gabriel hat hat ja schon ein Antwortpaket geschnürt! :super:

Bei mir persönlich kommt es immer drauf an, wofür ich das Messer verwenden will. Je nach Anwendung variiert meiner Meinung nach das Optimum der passenden Geometrie stark.

Sehr wichtige Feststellung! Wenn jemand nur ein Hauptmesser haben will oder kann, so wird er um eine universelle Geometrie nicht herumkommen, da er die Eigenschaft der Schneidfähigkeit mit anderen Eigenschaften kombinieren muss um alle Aufgabenbereiche dieses Messers abzudecken.

Dazu kommt die persönlich gemachte Erfahrung, die eine Einschätzung der Schneidfähigkeit/Geometrie erst möglich macht. Wie soll ich vergleichend beurteilen wenn ich noch nichts verglichen habe? Das ist einer der Gründe warum ich versuche möglichst viele Gelegenheiten zu nützen um für mich interessante Messer zwischen die Finger zu kriegen! ;)

Wenn ich nur robuste deutsche Kochmesser nütze und erstmals auf ein hier empfohlenes japanisches Universalmesser wie z.B. einem Misono UX10 oder einem Schanz Luzidus wechsle, dann ist das gefühlt ein Sprung nach vorne und die Begeisterung folgt am Fuss. Diese hält dann so lange an, bis man mit einem Ashi Ginga oder Takamura Migaki R2 geschnitten hat. Dann hat man "mit der Hand" gespürt was den Unterschied zwischen einer universellen Allroundgeometrie und einer sehr dünnen Geometrie ausmacht. Weiter geht es dann mit optimierten Klingen, die man von Meister Schanz ausdünnen lässt, bis kein Stahlatom mehr zu viel an der Schneide ist. Solche Klingen haben bereits eine fragile Schneide, sind sehr dünn, immer nagelgängig und fast gegen null ausgeschliffen. Die Schnitttechnik passt sich dann den fragilen Klingen an, man arbeitet konzentriert und bedächtig. Universell brauchbar ist das schon lange nicht mehr, aber ein großes Vergnügen! :D

Irgendwann trifft man dann auf überreizte, papierdünn mit japanischen Natursteinen ausgeschliffene und geschärfte Klingen und beim Wechsel auf ein Misono UX10 fühlt sich dieses beim Schneiden von Möhren plötzlich an wie eine Axt! :steirer:

Das ist jetzt ein wenig überspitzt formuliert, aber verdeutlicht was ich meine. Wenn einem einmal mehrere Dutzend Messer von grob bis papierdünn durch die Hände gegangen sind, dann hat man einen "gefühlten" Zugang zu dem was "mit Geometrie" gemeint ist, unabhängig davon ob diese Messer noch vernünftig nutzbar sind oder nicht.

Messdaten, Kehlbilder, Gewichtsangaben, Prospektbilder und ob die Schneide "nagelt" sind alles gute Hilfsmittel um einschätzen zu können, was von einer Geometrie zu halten ist, aber wissen kann ich es erst wenn ich das Messer in der Hand habe und damit schneide!

So teile ich die Geometrie meiner Messer in Vernunft und Nutzen und in Obsession und Spaß am Schneiden ein.

Langsam gesellt sich auch die Wertschätzung der Handwerkskunst dazu, Geometrie und Schneidfähigkeit sind in diesem fall sekundär, aber das ist eine andere Geschichte. ;)

Gruß, güNef
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Gabriel und güNef!

Vielen Dank für Eure ausführlichen Erklärungen. Dadurch wurden einige offene Fragen bei mir beantwortet und ich kann am Wochenende an mein erstes Review gehen.

Gruß shamrock
 
Der Größte Unterschied den ich je bei einer Geometrie gespürt habe war beim klein schneiden von richtig großen Gemüsezwiebeln.

Ich habe ein Eden VG10 (dreilagenkonstruktion, rasiert, HRC60), welches extra auf Null ausgeschliffen ist, d.h. keine wirkliche Fase mehr besitzt
und ein Herder 1922.
Beide Messer gleichhart, beide ungefähr gleich schwer, beide ungefähr gleich lang, beides Kochmesserformen, beide ohne Fase, beide rasiermesserscharf abgezogen; aber nur eins Nagelgängig.

Der Unterschied ist gewaltig. Unglaublich.

Wärend das Herder beim "durchritzen" der Zwiebel mühelos durchfliegt mit der Spitze, bleibt das Eden sofort stecken. Viel mehr Kraft notwendig um durch die Zwiebel zu kommen.
Gleiches bei Möhren.
Ich schneide meine Möhren total gerne in Julienne ( http://www.lebensmittellexikon.de/j0000050.php ). D.h. als erstes in schräge dünne Scheiben und danach die Scheiben in Julienne. Beim Eden fühlt es sich an, als würde ich eine "Axt" benutzen.
Beim direkten Julienne-schneiden (also nach dem man die Scheiben gechnitten hat), wo man so gut wie keine Schnitttiefe mehr hat, merkt man überhaupt keinen unterschied mehr bei der Performance.

--> große Schnitttiefe: gute Geometrie nötig!
--> flache Schnittiefe: da reicht ein scharfes Beil.

Ich hoffe ich konnte mit dem Praxisbeispiel nochmal helfen.
 
Zurück