Gabriel
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Moin,
so, ich denke es wird Zeit mein neustes Schätzchen mal vorzustellen. Einige hatten es ja im Teaser schon bemerkt, es handelt sich um ein Messer des amerikanischem Messerschmieds Chris Anderson (CJA Edged Art/ Scorpion Forge) aus Glendale/Arizona...
Wer ein wenig in internationalen Küchenmesserforen wie dem KKF unterwegs ist, der wird seine Arbeiten vermutlich kennen. Für die, die ihn nicht kennen: Ich würde Chris als ziemlichen Spezialisten in der US-Messermacherszene bezeichnen, der insbesondere für seine "Honyaki"-Gyutos, Sujihikis und Pettys bekannt ist sowie für seinen eigenen sehr speziellen Stil in Punkto Klingenprofil, Oberfläche und Griffgestaltung.
Dabei ist er ziemlich auf seine differenziell gehärteten Klingen aus AISI W2 Tool Steel spezialisiert. Dabei versucht er genau das umzusetzen, was hier im Forum oft als Vorteil der europäischen (oder sollte man sagen "westlichen") Messerschmiede im Vergleich zu den traditionellen Japanischen angeführt wird, nämlich die präzise und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Wärmebehandlung von Stählen nach einem modernen Stand der Technik statt auf uralten Traditionen und Augenmaß. Chris treibt das Ganze ziemlich auf die Spitze, was neben seinem besonderen Stil wohl ein Grund für die Nachfrage nach seinen Messern ist. Wenn einem nach Details dürstet, kann ich nur empfehlen Chris einfach mal anzuschreiben, er hat nicht nur gut Ahnung von der Materie, sondern ist auch ein allgemein sehr freundlicher und angenehmer Gesprächspartner.
Momentan liegt die Wartezeit soweit ich weiß irgendwo zwischen 2-3 Jahren. Ich hatte das Glück, dass er vor einiger Zeit mal eine Klinge online angeboten hatte, die bei der Fertigung ein Stück der Spitze eingebüßt hatte und deshalb nicht mehr die Länge hatte, die der eigentliche Kunde haben wollte. Ein 240iger Gyuto... eigentlich perfekt für mich... Optik und Profil gefielen mir aus...So konnte ich sie mir schnappen
Und hier ist das gute Stück nun (wie man sieht teilweise schon mit etwas Patina):
Nachdem er die Klinge fertig hatte, nach Absprache in seinem dunklen Finish (nicht vorpatiniert sondern durch entsprechende Politur erreicht) gefinisht, da ich der bei Meinung bin, dass die Hamon dann besser raus kommt, kam der Griff dran.
Eigentlich habe ich ihm dort mehr oder weniger freie Hand gelassen, meine einzige Vorgabe war "etwas dunkles" und mit seinem Nickel-Kupfer-Mokume (vorpatiniert) als Spacer.
Über das Finish braucht man keine Worte zu verlieren, es ist schlicht und einfach perfekt, was ich bei dem Ruf (und anderen Faktoren...) auch erwartet hatte.
Der Griff hat wie man schon sieht eine ganz eigene Form und ist extrem kurz und "knubbelig", was im Vergleich zu anderen großen Wa-Griffen (hier ein 210 Sukenari ZDP-189 von K&S) besonders deutlich wird:
Mir war vorher schon bekannt, dass Chris' seine Griff rein auf den Pinch Grip auslegt. Theoretisch passt das zu mir. Aber wie schlägt er sich in der Praxis? Die Antwort: im Pinchgrip liegt es wie angegossen in meiner Hand...in jedem anderen Griff kann man es ehrlich gesagt vergessen.
Dessen sollte man sich wirklich bewusst sein! Ich für meinen Teil kann sehr gut damit leben
Mein Gyuto hat seine Standard-Geometrie. Er bietet parallel auch noch ein "Extra-Heavy Gyuto" an, welches nach seiner Aussage wohl in die Workhorse Richtung geht und ungefähr auf einem Niveau mit Kato und Co. liegen dürfte. Da meine Vorlieben weit gestreut sind, war ich mit der Standard-Geometrie einverstanden. Kurzum ist es eigentlich schon eine ziemliche Laser-Geometrie, die allerdings auch über ein gutes Maß an Food release verfügt. Natürlich will ich es nicht mit den Hohlkehlengeometrien jetzt vergleichen, aber er befindet sich hier definitiv auf einem guten Niveau... lästiges Kleben findet jedenfalls nicht statt.
Das Klingenprofil ist sehr flach gehalten, relativ schmal und bietet etwas Bauch im vorderen Drittel. Choppen geht (richtig) gut, Druck- und Zugschnitt funktioniert ebenfalls wunderbar, bei geringeren Höhen kann auch gut im Wiegeschnitt gearbeitet werden.
Besonders gut gefällt mir die sehr spitze Spitze (die allerdings für meinen Geschmack sogar noch dünner sein könnte... aber sehr spitz UND sehr dünn... ich denke hier stößt man dann auch irgendwann an die Grenzen der Praktikabilität )
Insgesamt muss ich sagen, dass ich inzwischen gerne mit dem CJA arbeite. Es ist vom Profil her einfach recht vielseitig, hat ein angenehm moderates Gewicht und eine gute Balance.
Den Stahl kenne ich wohl noch nicht genug um ihn angemessen beurteilen zu können. Nach den mir bekannten Erfahrungen aus KKF und Co. hat er wohl eine ziemlich hervorragende Standzeit und ist dabei sehr robust und leicht zu schärfen.... klingt ja eigentlich ziemlich ideal. Ich denke das wird sicher aber erst nach Monaten/ Jahren zeigen, zumal das Messer momentan noch ein wenig geschohnt wird Gehärtet ist der Stahl um die 64 HRC und so fühlt er sich auf dem Brett auch an. Geschärft habe ich das Messer bisher nicht wirklich, nur einmal schnell über den Suita gezogen und darauf hat der Stahl ziemlich gut reagiert... vielversprechend also in Punkto Schärfbarkeit.
Dass es sich nicht um eine Patina, sondern einfach nur um ein Oberflächenfinish handelt, kann man auch gut an der Patina erkennen. Ein weiterer Punkt, weshalb mit die CJA Messer immer so gereizt haben, war nämlich die abgefahrene Patina, die sich in Verbindung mit der wilden Hamon im Laufe der Zeit bildet... bei mir bisher noch anfänglich erkennbar...
Aprospos Hamon...
...besonders schön finde ich wie konsequent er das Klingenfinish fortsetzt, und zwar absolut übergangsfrei auch am Klingenrücken und Kehl.
Und wie ist nun mein Fazit zum CJA...?
Rein von der Schneidleistung zu behaupten, es wäre alleine dafür den Preis wert, wäre natürlich Quatsch. Das ist aber auch eine Illusion von der man sich IMHO zwingend befreien sollte, wenn man sich ein Custom ab einem bestimmten Preisbereich kauft. Es gibt einfach Messer im (sagen wir mal 300-700€ Segment... Custom oder Serie) die so gut schneiden, dadrüber kann eigentlich nichts mehr kommen und ich würde nicht im Ansatz behaupten, dass das CJA jetzt mein Denka oder Kato oder Koraat an die Wand schneidet (vielleicht in Sachen Stahlperformance, das wird man sehen). Jedes dieser Messer hat seine spezifischen Stärken. Das CJA kann dabei in keiner Disziplin den spezifischen Platzhirsch bei mir verdrängen, ist dabei aber ebenfalls in keiner Disziplin weit hinter dran... dafür eben einfach ein guter Allrounder.
Was darüber noch kommt ist Liebhaberei und insbesondere Liebe zum Detail (vielleicht ein paar andere Aspekte noch) und in diesen Gebieten liefert das CJA genau das ab, was ich erwartet habe, nämlich ein verdammt gutes Messer mit eher schon einer Obsession zum Detail.
Eben ein echtes Schätzchen, an dem ich mich jedes Mal erfreue wenn ich es sehe und benutze
Gruß, Gabriel
so, ich denke es wird Zeit mein neustes Schätzchen mal vorzustellen. Einige hatten es ja im Teaser schon bemerkt, es handelt sich um ein Messer des amerikanischem Messerschmieds Chris Anderson (CJA Edged Art/ Scorpion Forge) aus Glendale/Arizona...
Wer ein wenig in internationalen Küchenmesserforen wie dem KKF unterwegs ist, der wird seine Arbeiten vermutlich kennen. Für die, die ihn nicht kennen: Ich würde Chris als ziemlichen Spezialisten in der US-Messermacherszene bezeichnen, der insbesondere für seine "Honyaki"-Gyutos, Sujihikis und Pettys bekannt ist sowie für seinen eigenen sehr speziellen Stil in Punkto Klingenprofil, Oberfläche und Griffgestaltung.
Dabei ist er ziemlich auf seine differenziell gehärteten Klingen aus AISI W2 Tool Steel spezialisiert. Dabei versucht er genau das umzusetzen, was hier im Forum oft als Vorteil der europäischen (oder sollte man sagen "westlichen") Messerschmiede im Vergleich zu den traditionellen Japanischen angeführt wird, nämlich die präzise und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Wärmebehandlung von Stählen nach einem modernen Stand der Technik statt auf uralten Traditionen und Augenmaß. Chris treibt das Ganze ziemlich auf die Spitze, was neben seinem besonderen Stil wohl ein Grund für die Nachfrage nach seinen Messern ist. Wenn einem nach Details dürstet, kann ich nur empfehlen Chris einfach mal anzuschreiben, er hat nicht nur gut Ahnung von der Materie, sondern ist auch ein allgemein sehr freundlicher und angenehmer Gesprächspartner.
Momentan liegt die Wartezeit soweit ich weiß irgendwo zwischen 2-3 Jahren. Ich hatte das Glück, dass er vor einiger Zeit mal eine Klinge online angeboten hatte, die bei der Fertigung ein Stück der Spitze eingebüßt hatte und deshalb nicht mehr die Länge hatte, die der eigentliche Kunde haben wollte. Ein 240iger Gyuto... eigentlich perfekt für mich... Optik und Profil gefielen mir aus...So konnte ich sie mir schnappen
Und hier ist das gute Stück nun (wie man sieht teilweise schon mit etwas Patina):
Nachdem er die Klinge fertig hatte, nach Absprache in seinem dunklen Finish (nicht vorpatiniert sondern durch entsprechende Politur erreicht) gefinisht, da ich der bei Meinung bin, dass die Hamon dann besser raus kommt, kam der Griff dran.
Eigentlich habe ich ihm dort mehr oder weniger freie Hand gelassen, meine einzige Vorgabe war "etwas dunkles" und mit seinem Nickel-Kupfer-Mokume (vorpatiniert) als Spacer.
Über das Finish braucht man keine Worte zu verlieren, es ist schlicht und einfach perfekt, was ich bei dem Ruf (und anderen Faktoren...) auch erwartet hatte.
Der Griff hat wie man schon sieht eine ganz eigene Form und ist extrem kurz und "knubbelig", was im Vergleich zu anderen großen Wa-Griffen (hier ein 210 Sukenari ZDP-189 von K&S) besonders deutlich wird:
Mir war vorher schon bekannt, dass Chris' seine Griff rein auf den Pinch Grip auslegt. Theoretisch passt das zu mir. Aber wie schlägt er sich in der Praxis? Die Antwort: im Pinchgrip liegt es wie angegossen in meiner Hand...in jedem anderen Griff kann man es ehrlich gesagt vergessen.
Dessen sollte man sich wirklich bewusst sein! Ich für meinen Teil kann sehr gut damit leben
Mein Gyuto hat seine Standard-Geometrie. Er bietet parallel auch noch ein "Extra-Heavy Gyuto" an, welches nach seiner Aussage wohl in die Workhorse Richtung geht und ungefähr auf einem Niveau mit Kato und Co. liegen dürfte. Da meine Vorlieben weit gestreut sind, war ich mit der Standard-Geometrie einverstanden. Kurzum ist es eigentlich schon eine ziemliche Laser-Geometrie, die allerdings auch über ein gutes Maß an Food release verfügt. Natürlich will ich es nicht mit den Hohlkehlengeometrien jetzt vergleichen, aber er befindet sich hier definitiv auf einem guten Niveau... lästiges Kleben findet jedenfalls nicht statt.
Das Klingenprofil ist sehr flach gehalten, relativ schmal und bietet etwas Bauch im vorderen Drittel. Choppen geht (richtig) gut, Druck- und Zugschnitt funktioniert ebenfalls wunderbar, bei geringeren Höhen kann auch gut im Wiegeschnitt gearbeitet werden.
Besonders gut gefällt mir die sehr spitze Spitze (die allerdings für meinen Geschmack sogar noch dünner sein könnte... aber sehr spitz UND sehr dünn... ich denke hier stößt man dann auch irgendwann an die Grenzen der Praktikabilität )
Insgesamt muss ich sagen, dass ich inzwischen gerne mit dem CJA arbeite. Es ist vom Profil her einfach recht vielseitig, hat ein angenehm moderates Gewicht und eine gute Balance.
Den Stahl kenne ich wohl noch nicht genug um ihn angemessen beurteilen zu können. Nach den mir bekannten Erfahrungen aus KKF und Co. hat er wohl eine ziemlich hervorragende Standzeit und ist dabei sehr robust und leicht zu schärfen.... klingt ja eigentlich ziemlich ideal. Ich denke das wird sicher aber erst nach Monaten/ Jahren zeigen, zumal das Messer momentan noch ein wenig geschohnt wird Gehärtet ist der Stahl um die 64 HRC und so fühlt er sich auf dem Brett auch an. Geschärft habe ich das Messer bisher nicht wirklich, nur einmal schnell über den Suita gezogen und darauf hat der Stahl ziemlich gut reagiert... vielversprechend also in Punkto Schärfbarkeit.
Dass es sich nicht um eine Patina, sondern einfach nur um ein Oberflächenfinish handelt, kann man auch gut an der Patina erkennen. Ein weiterer Punkt, weshalb mit die CJA Messer immer so gereizt haben, war nämlich die abgefahrene Patina, die sich in Verbindung mit der wilden Hamon im Laufe der Zeit bildet... bei mir bisher noch anfänglich erkennbar...
Aprospos Hamon...
...besonders schön finde ich wie konsequent er das Klingenfinish fortsetzt, und zwar absolut übergangsfrei auch am Klingenrücken und Kehl.
Und wie ist nun mein Fazit zum CJA...?
Rein von der Schneidleistung zu behaupten, es wäre alleine dafür den Preis wert, wäre natürlich Quatsch. Das ist aber auch eine Illusion von der man sich IMHO zwingend befreien sollte, wenn man sich ein Custom ab einem bestimmten Preisbereich kauft. Es gibt einfach Messer im (sagen wir mal 300-700€ Segment... Custom oder Serie) die so gut schneiden, dadrüber kann eigentlich nichts mehr kommen und ich würde nicht im Ansatz behaupten, dass das CJA jetzt mein Denka oder Kato oder Koraat an die Wand schneidet (vielleicht in Sachen Stahlperformance, das wird man sehen). Jedes dieser Messer hat seine spezifischen Stärken. Das CJA kann dabei in keiner Disziplin den spezifischen Platzhirsch bei mir verdrängen, ist dabei aber ebenfalls in keiner Disziplin weit hinter dran... dafür eben einfach ein guter Allrounder.
Was darüber noch kommt ist Liebhaberei und insbesondere Liebe zum Detail (vielleicht ein paar andere Aspekte noch) und in diesen Gebieten liefert das CJA genau das ab, was ich erwartet habe, nämlich ein verdammt gutes Messer mit eher schon einer Obsession zum Detail.
Eben ein echtes Schätzchen, an dem ich mich jedes Mal erfreue wenn ich es sehe und benutze
Gruß, Gabriel