Materialabhängigkeit des Schleifwinkels

cogito

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Da ich mit der Suchfunktion dazu nichts gefunden habe, wollte ich mal nachfragen.

Der Hintergrund: ich habe meiner Frau ein japanisches Kurouchi Messer geschenkt. Da zur Pflege ein Wetzstein empfohlen wurde, habe ich ganz naiv :steirer: einen 6000er Japanstein dazu gekauft - frei nach der Devise "Erst handeln, dann denken." Meine Frau - hocherfreut über das Messer - sah den Stein und drückte mir unsere total stumpfen WMF Kochmesser in die Hand "Die haben mal über 100,- DM (=> eine frühere Hartwährung in Europa) gekostet. Bring' die mal wieder in Form."

Erst da habe ich angefangen mich zu informieren und habe bekümmert festgestellt dass ich einen Polierstein gekauft hatte, der zum Schleifen nun garnichts taugt. Also nochmal nachinvestiert und einen 280er sowie einen 1000er/3000er Kombistein gekauft sowie eine Schleifhilfe für japanische (!) Messer. Bei youtube gefühlte 1000 Videos zum Thema Schleifen angeschaut (=> dabei bitterlich :( bereut mir die Steine anstatt so einer geilen :irre: Tormek gekauft zu haben) und losgelegt.

Der Erfolg war sehr mäßig trotz Schleifhilfe. Also habe ich mir jetzt das stumpfste der Messer genommen und beschlossen "Viel hilft viel.", will sagen
- 20 Minuten mit 280er, alle 4 Minuten die Seite gewechselt, die ersten 16 Minuten mit ordentlich Druck, dann locker
- 16 Minuten mit 1000er
- 12 Minuten mit 3000er
- 8 Minuten mit 6000er
Dabei immer weniger Druck angewendet. Das Ergebnis war ordentlich; ich konnte in Papier einschneiden. Aber sehr scharf ist immer noch anders. Da es aber für den Küchengebrauch völlig ausreicht, war es erstmal gut.

Nach 2 Tagen hatte ich beim Brotschneiden den Eindruck, dass das Messer nicht mehr so gut schnitt. Nachprüfung ergab, dass ich kein Papier mehr schneiden konnte. Von einem anderen Messerkauf haben wir noch so ein Schärfgerät mit Rollen, durch die man das Messer zieht. Da ich keine Lust auf einen weiteren Kerkeraufenthalt mit Schleifstein hatte, habe ich das Messer ein paarmal durchgezogen und es war wieder scharf.

Da kam mir die Idee, dass die Schleifhilfe, die den Winkel vorgibt, ja für japanische Messer gedacht war. Vielleicht sind WMF Messer ja für einen anderen Winkel gedacht, weshalb das erste Schleifen auch garnichts brachte und Schärfe erst einzog, nachdem ich das Messer quasi von Grund auf neu eingeschliffen hatte. Dadurch hatte ich dem WMF-Messer einen japanischen Schliff aufgezwungen. Nun zu den Fragen:

- kann es ja sein, dass die unterschiedliche Härte japanischer und deutscher Stähle ja nach unterschiedlichen Winkel verlangt ?

- falls ja: ich habe keine Angaben zu den Winkeln der Schleifhilfen gefunden
 
1) Der Schleifwinkel richtet sich nicht nach der Herkunft, sondern nach Verwendungszweck und dem verwendeten Stahl. Ganz grob gesagt, nur um das Prinzip zu verdeutlichen (die Stahlprofis hier wissen das noch viel besser als ich): Je höher legiert, desto größer sollte der Winkel sein.

2) Dass das Messer nach zwei Tagen wieder stumpf war liegt daran, dass du den Grat vom Schleifen nicht ordentlich entfernt hattest. Ist ein Fehler, der gern gemacht wird: "scharfer Grat" ungleich "scharfes Messer". Der Grat ist nämlich nach 2 Tagen Gebrauch wieder weg. Bastel dir ein Abziehleder (-> Suchfunktion ;) ), dann sollten die Ergebnisse schon besser werden. Und für den Anfang reicht ein 1000er Stein überall hin. Wenn du noch nicht richtig schleifen kannst, machst du dein Messer mit dem 6000er eher wieder stumpf. Nach einem Schliff mit 1000er Stein und Abziehen auf Leder solltest du Unterarmhaare rasieren können. Wenn das nicht geht, brauchst du nicht mit feineren Steinen anzufangen.

Aber bitte: Für generelle Schleifthemen -> Suchfunktion. Das wurde alles schon x-mal durchgekaut. Danke. ;)

-Walter
 
1) Der Schleifwinkel richtet sich nicht nach der Herkunft, sondern nach Verwendungszweck und dem verwendeten Stahl. Ganz grob gesagt, nur um das Prinzip zu verdeutlichen (die Stahlprofis hier wissen das noch viel besser als ich): Je höher legiert, desto größer sollte der Winkel sein.

Danke für die prompte Antwort.

Also doch eine Materialabhängigkeit des Winkels. Fragt sich nur, wie ich jetzt an andere (>15°) Schleifhilfen komme - vor allem, wo da nie ein Winkel angegeben wird. Wahrscheinlich selber basteln. Werde mal das Forum daraufhin absuchen.

p.s. freihändig iss' nich' ; ich = ungeschickter Mensch :glgl:
 
Cogitas, ergo es.

Nichts für ungut, Dein Künstlername hat so was Provozierendes.
Erst mal herzlich willkommen.

Dein Problem ist im Forum eigentlich gefühlte tausend Mal behandelt worden.

An die einfachen Lösungen glaubt aber offensichtlich niemand.
Das kann doch nicht sein, daß man ohne Geld und technischen Aufwand ein Messer in wenigen Minuten auf "Armkratzrasierschärfe" und damit auf eine gute Gebrauchsschärfe bringen kann.
Es muß doch eine teure high tech -Lösung geben !.

Die gibt es natürlich auch.

Vorab: Die im Handel befindlichen Schärfsysteme, die mit vorgegebenen
Schneidwinkeln arbeiten, sind gut und erleichtern auch dem handwerklich weniger Geschickten die Arbeit.

Die Tormek ist vorzüglich und verhindert, ebenso wie ähnlich konstruierte langsam laufende Naßschleifgeräte, ein Überhitzen der Schneide und damit eine unerwünschte Erweichung des Materials.

Schleifbock und Bandschleifer sollten für den Anfänger aus dem gegenteiligen Grund absolut tabu sein.
Bei rostfreien Stählen sind sie wegen deren höherer Anlaßbeständigkeit weniger gefährlich.

Die "Durchziehrollen" aus Hartmetall sind für billige, weiche Messer brauchbar, sie erzeugen eine fürchterliche, zackige Sägeschneide.
Für hochwertige, ausreichend harte Klingen sind sie unbrauchbar, da sie dort nicht oder kaum angreifen.
Eine Ausnahme würde bei "meisterhaft vorbehandelten" Klingen gelten, die mit Bandschleifer und Schwabbel so erweicht sind, daß auch die Rollen greifen.

Wie kann man es aber wirklich wirksam und gefahrlos machen?.

Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:

1.) Die Klinge ist richtig stumpf. Beim senkrechten Draufblicken sieht man die Schneide als silbrige Linie.
Da hilft kein Streicheln und Polieren.
Das ist das Einsatzgebiet grober, weichgebundener Schärfsteine, vorzugsweise aus Preis- und Effektivitätsgünden auf SiC- Basis.
Sie sind in jedem Baumarkt in Körnungen von 120-280 für.unter 10 Euro zu haben.
Sie werden naß eingesetzt und die Klinge wird unter dem gewünschten Winkel k r a f t v o l l so über den Stein gezogen, als wolle man von dem Stein eine Schicht der Oberfläche abschneiden- also mit der Schneide voran.

Der gewünschte Winkel wird nach dem gedachten Einsatzzweck gewählt.

Industriell geschärfte Messerklingen haben meist einen Schneidenwinkel von 40 Grad und mehr. Das verleiht ihnen eine hohe "Mißbrauchsresistenz" und mangelhafte Schneideigenschaften.
Da es hier nicht um Extremschärfe geht, schlage ich einen Winkel von 20 Grad für feinschneidende Klingen und von 30 Grad für den Allgemeingebrauch vor.

Die Einhaltung dieses Winkels kann durch ein Haltesystem gewährleistet werden. Das ist hilfreich und gut, zwingend erforderlich ist es nicht.

Um eine Vorstellung von den Schneidenwinkeln zu bekommen, kann man sich ein DIN A 4 Blatt diagonal falten und hat dann in der Ecke einen Winkel von 45 Grad. Wenn man diesen nochmals halbiert, ergeben sich 22,5 Grad.
Bei zweiseitig geschliffenen Klingen ergibt sich der gewünschte Winkel, wenn man mit dem halben Winkelbetrag auf jeder Seite schleift.

Ob man dort schleift, wo man es will, kann man durch die "Eddingmethode" kontrollieren.

Bei einem gut greifenden Stein sollten für jede Seite10-12 kraftvolle Züge über den Stein genügen, um bis zur Schneidenspitze durchzuschleifen. Da man mit der Schneide voran geschliffen hat, ist der entstandene Grat minimal.
Er wird durch Schleifen auf einem feineren Stein -jeweils abwechselnd ein Zug für jede Seite entfernt- und eine brauchbare Schneide steht.

2.) Die Klinge ist noch einigermaßen scharf und der vorhandene Winkel soll nicht geändert werden.

Hier wird ein feinerer Stein eingesetzt-Korn 280 ist fein genug, Korn 1000 auch brauchbar.
Der Schleifwinkel wird wieder mit der Eddingmethode kontrolliert. Bei dem ohnehin guten Zustand sollten auch hier 10-12 Züge ausreichen, um den Schneidenwinkel bis zur Spitze durchzuschleifen.

Weshalb ist das so einfach und weshalb funktionieren Methoden mit tagelanger Zwangsarbeit nicht ?.
Eben weil es einfach ist, den Schneidenwinkel für kurze Zeit exakt einzuhalten, bei stundenlangem Gequäle aber nicht.

Die Frage nach der Abhängigkeit des Schneidenwinkels vom Stahl ist auch ganz schnell beantwortet:

1. Mit der Härte des Stahls hat das nichts zu tun. "Japanische Stähle" sind auch nicht härter als europäische-Stahl ist Stahl und verhält sich wie Stahl.

2. Karbidüberladene Stähle neigen zu Ausbrüchen in der Schneide und lassen sich nicht so fein schärfen wie normale.
In der industriellen Fertigung gibt es solche Stähle aber auch nur ganz ausnahmsweise. Sie werden dann mit großem Pomp als "ewig scharf" angepriesen und man kann sich vor ihnen hüten.

3.) Sinnvollerweise ist der Schneidenwinkel vom gedachten Einsatzzweck abhängig. Geht es nur darum, Fleisch, Gemüse und ähnlich weiches Material zu zerteilen, ist ein kleiner Winkel zu empfehlen. Knochen u.ä. verlangen einen größeren Winkel.

Kommt so etwas in der Küche vor ?.

Um noch eine Vorstellung von der Stabilität eines Schneidenwinkels von ca. 30 Grad zu geben: So werden Hobelmesser und Stechbeitel angeschliffen, die sicher massiveren Belastungen ausgesetzt sind als Küchenmesser.

Noch ein kleiner Nachtrag: Bei langen Klingen kann man sie in Abschnitten von ca. 10 cm zu schärfen, weil es dann einfacher ist, den erforderlichen Druck gleichmäßig aufrechtzuerhalten.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Ich kann mich dem nur anschliessen was u. Gerfin gesagt hat, es ist
wirklich keine Hexerei die Messer auf Rasierschärfe zu bringen.
Ich hatte auch Respekt meine japanischen Messer zu Schleifen bis ich
einmal ein billiges Messer mit den wassersteinen geschliffen habe
und das Ergebnis war supper, dann habe ich mich auch an die japanischen messer getraut, Alle Rasiermesserscharf.
Verwendete Steine (Körnung) 400/1000 und 3000 dann auf dem Leder
mit Polierpaste den Grat abgezogen, es ist wichtig dass die messer auf
dem Leder abgezogen werden nur so erhällt mann Rasierschärfe.
Mann kann wie Gerfin schon sagte auch auf noch feineren steinen Schleifen (6000/8000/10000 und noch höher bis mann kein Leder
mehr braucht aber das ist nicht einfach wegen dem Schleifwinkel genau
einzuhalten weil der Stein ist hart und das Leder ist relativ weich
darum ist es dann auch nicht so schlimm wenn beim Abziehen auf dem
Leder der Winkel ein bisschen variert.
Hier noch ein Link wo Du alles über das Messerschleifen nachsehen kannst. Habe es auch dort erlernt.

http://www.messer-machen.de/messer.htm
 
Eine Verständnisfrage an U. Gerfin, der schreibt:

"Industriell geschärfte Messerklingen haben meist einen Schneidenwinkel von 40 Grad und mehr. Das verleiht ihnen eine hohe "Mißbrauchsresistenz" und mangelhafte Schneideigenschaften.
Da es hier nicht um Extremschärfe geht, schlage ich einen Winkel von 20 Grad für feinschneidende Klingen und von 30 Grad für den Allgemeingebrauch vor."


Zu meinem Verständnis: Wenn hier von 20 und 30 Grad die Rede ist, bedeutet das 10 Grad bzw. 15 Grad pro Seite? Extrem oft lese ich, dass für Küchenmesser ein Winkel von 15-20 Grad pro Messerseite, also insgesamt 30-40 Grad empfehlenswert ist, und so ungefähr ist mein persönlicher Winkel, seit Jahrzehnten im Muskelgedächtnis meines Handgelenks verankert. Weniger als 15 Grad pro Seite ist mir für meine Zwiebeln und Mohrrüben zu dünn, wäre allerdings zum Schneiden von Lachsscheiben bestens geeignet.

Vor einigen Monate war ich in einem kleinen und feinen Messergeschäft in Wien, in dem der Inhaber auch Schleifkurse anbietet. Bezogen auf seine Messer der Marke Chroma hat er mir -- sichtlich voller Stolz und mit etwas Geheimnisvoll-Verbotenem in der Stimme -- erzählt, dass er sie mit 11 Grad pro Seite schärft, während er seine Rasiermesser mit ca. 8 Grad schärfe. Nach seiner Erfahrung würde kaum ein anderes Messer einen so feinen/dünnen Schliff vertragen, ohne Ausbrüche an der Schneide zu riskieren. Keine Ahnung, ob das stimmt. Allerdings hat er mir vorsichtshalber seine Schneidetechnik vorgeführt: Das Messer hat er in einem ca. 30-Grad-Winkel zum Brett gehalten, nur die Messerspitze hatte leichten Kontakt zum Brett. Zum Schneiden hat er das Messer in diesem 30-Grad-Winkel einfach zu sich hin und durch das (eher weiche) Schneidegut zog. Kein Hacken, kein Kochmesser-Wiegeschnitt; mit Ausnahme der Spitze hat die Schneide keinen Kontakt zum Schneidebrett gehabt. Sah gekonnt aus, und ohne den häufigen Holzkontakt stumpft die Schneide bei dieser Methode sicherlich langsamer ab.

Sam
 
Ich meine mit 30 Grad Schneidenwinkel den ganzen Winkel.
Auf jeder Seite wird also mit einem Winkel von 15 Grad geschliffen.
Das ist für einen richtig behandelten geeigneten Werkzeugstahl nicht zu dünn. Ich verweise nochmals auf den Anschliff von Hobelmessern und Stechbeiteln.
Daß ein Messer mit sehr feinem Schneidenwinkel feinfühliger eingesetzt werden muß als eine Axt, ist sicher klar.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Danke für die Aufklärung. Ich stolperte nicht über die 30, sondern über die 20 Grad, demnach also 10 Grad auf jeder Seite. So dünn habe ich noch kein Gebrauchsmesser gesehen, außer neulich in Wien mit 11 Grad, was ich erstaunlich fand. Ich hole nun ein altes Gemüsemesser aus dem Schrank und übe einen neuen Winkel.

Gruß
Sam
 
Hallo, das ist eben ganz einfach, einen wenig legierten Stahl, der dann bei einem Küchenmesser eingesetzt wird, den schleift man dann auf 20 Grad und erhält so ein richtig gutes Küchenmesser. Nur muss der Anwender eben auch damit umgehen "wollen", aber dazu ist sicher der größte Teil der Anwender nicht bereit. Ich sehe das z.B. sehr gut bei meiner Frau, der kann ich 1000mal sagen "schlage bitte nicht mit der Schneide auf den Topfrand", aber sie ignoriert das immer, deshalb darf nur ich, bei uns zu hause, in den Genuss eines guten Küchenmessers kommen.
 
so oft dieses Theme aufgegriffen wird vermisse ich immer den Einfluß des "Ausschliffs" der Klinge. Ich meine damit daß eine auf null ausgeschliffene Klinge, unabhängig vom Schleifwinkel, beim harten Schnittgut, wie zum Beispiel dem angesprochenen Geflügelknochen, versagt.
Andersrum bei einer Scandiklinge, wo der gesamte Ausschliff der Schleifwinkel ist und nur ca. 20 Grad aufweist, kein geeignetes Küchenmesser für den allgemeinen Gebrauch darstellt, obwohl Stahl und Schleifwinkel sicher zusammenpassen. Die Klinge arbeitet wie eine Spaltaxt an der Karotte und man möcht mit dem Hammer draufschlagen.

Deshalb ist meiner Ansicht der Zusammenhang von: Verwendungszweck-WB/Stahl-Schleifwinkel nicht ausreichend. Es fehlt, zumindest beim Küchenmesser, wie dünn die Klinge ausgeschliffen ist!

ein frohes gesegnetes neues Messerjahr

Karl
 
Hallo, der kleinstmögliche Schneidenwinkel ist sicher von dem Material und der selbstverständlich, beim Stahl, dazugehörigen Wärmebehandlung abhängig. Aber zur Schneidfähigkeit einer Klinge gehört eben noch mehr. Dabei spielt dann der Anschliffwinkel und eben die Stärke am Ausschliff noch mit rein. Dazu kommen dann sicher noch viele Dinge z.B. die Klingenoberfläche. Um dieses alles abzuklären wäre dann aber schon ein Buch und nicht zu unterschätzen viel Erfahrung von Nöten.
 
Die in Beitrag 10 angesprochene Frage ist berechtigt.

Die Schneidwirkung einer Klinge ist natürlich nicht nur von der äußersten Schneidenspitze abhängig, sondern auch von dem, was danach kommt.

Die Ausgangsfrage bezog sich allerdings allein auf den Schneidenanschliff selbst und deshalb beschäftigten sich die Antworten auch nur damit.

Wenn man den Ausschliff der gesamten Klinge mit einbezieht, so ergibt sich im vergröberten Modell folgendes Bild:

Fall 1:

Ein Flachschliff ist exakt gerade auf beiden Flanken ausgeführt und bis Null durchgezogen. Einen solchen Schliff kann man sich verdeutlichen, indem man ein Blatt Papier zweimal über Eck faltet. Es ergibt sich beim ersten Falten ein Winkel von 45 Grad und beim zweiten Falten eben von 22,5 Grad.
Dieser an sich ja schon sehr feine Winkel führt aber, wenn er exakt eingehalten wird, sehr schnell zu ganz massiven Dimensionen. 5 cm von der Schneidenspitze ergäbe sich schon eine Rückenstärke von ca. 2 cm, also schon so etwas wie eine Axt.
Damit kann man logischerweise keine feinen Karottenscheibcen schneiden.

Fall 2:

Die ganze Klinge ist nur 0,5 mm stark. Dann fehlt der Schneidenspitze die erforderliche Stütze und sie kann nur mit Vorsicht eingesetzt werden.
Größere Spitzenwinkel würden da auch nicht viel helfen, weil sie die Klinge stumpfer machen und damit höhere Schneidkräfte erfordern würden, denen die zarte Klinge vielleicht auch nicht gewachsen wäre.

Optimales Schneiden setzt also, wie richtig bemerkt wurde, eine gelungene Kombination zwischen eigentlichem Schneidenanschliff und Klingenausschliff voraus.
Der Klingenausschliff ist aber, wenn es nicht gerade um ganz roibuste Schneid- und Hackaufgaben geht, weniger problematisch. Schon 2 mm Rückenstärke verleihen einer Klinge ausreichende Stabilität für sämtliche Schneidaufgaben. Bei rücksichtsvollem Gebrauch kann es ohne weiteres auch weniger sein.

Auch die Art des Übergangs vom Ausschliff zum Anschliff spielt eine Rolle. Hier geht es dann um die Kontroverse ballig versus exakt winklig.
Das ist aber ein anderes Thema.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
Ein Hoch auf Karl Zeitler. Ich gebe nun zu, dass ich meine Küchenmesser, mit nur einer Ausnahme, mit einem Gesamtwinkel von ca. 34 Grad, also etwa 17 Grad pro Seite, und die von meiner Frau bei 20 Grad pro Seite schärfe. Sie hat ihre Messer dauernd im Einsatz, geht robust damit um, und die 20 Grad pro Seite scheinen unter den Bedingungen mehr Stabilität zu bieten. Damit sind alle in der Familie schon sehr lange sehr zufrieden. Allerdings ist das Schneiden vor allem von Gemüse auch dann keine Freude, wenn die Restklinge, die sich nach der Schneide ebenfalls durch das Schneidgut durchzwängen muss, sich zu rasch verdickt. Das bedeutet Widerstand, Muskelkater, Unlust. Deswegen sind die kleinen Gemüsemesser mit sehr dünner Klinge und gutem Stahl (z. B. Windmühle) zu recht so beliebt, und deswegen macht es so viel Freude, mit jenen preiswerten, primitiv anmutenden und sagenhaft dünnen vietnamesischen "Authentic Blades" (wurden hier schon mal besprochen) zu schneiden. Kaum spaltet die Schneide die Mohrrübe, schon schlüpft die dahinter befindliche Restklinge ebenfalls durch, bevor irgendjemand es merkt.

Sam
 
Liebe Messerfreunde,
immer wieder gerne lese ich die geist- und hilfreichen Beiträge von U. Gerfin, der es wie kaum ein anderer versteht, die Dinge messerscharf verständlich zu erklären :super:

Nun zurück zur eigentlichen Frage: "Materialabhängikeit des Schleifwinkels"
Meine bescheidene Meinung dazu ist, dass der Schleif- oder Schneidenwinkel in erster Linie davon abhängt, welches Material man schneiden will, bzw. welches Material man als Schneidunterlage verwendet. Niemand wird Freude daran haben, ein Messer auf 20 oder 30° zu schärfen, wenn man damit auf Tellern oder Glasbrettern schneidet. Als Zweites erst ist die Beschaffenheit des Schnittguts selbst entscheidend für den geeigneten Schneidenwinkel. Sehr sandiges Gemüse wird beispielsweise eine feine Schneide schnell zerstören. Hartes Wurzelgemüse wird am liebsten von sehr schlanken Schneiden geschnitten. Weiche Gemüsesorten mit fester Haut, wie zum Beispiel Tomaten und Paprika, werden am liebsten mit sehr scharfen Schneiden bearbeitet, wobei der Schneidenwinkel nebensächlich ist.
Mein Tip: Man kann getrost mit einer fein ausgeschliffenen Schneide anfangen zu arbeiten. Wenn dann nach kurzer Zeit Scharten entstehen oder die Schneide sich umlegt, dann sollte man die Schneide mit einem feinen Wetzstahl wieder aufrichten und in einem größeren Winkel abziehen. So stellt sich nach einer Weile das Optimum für den Schneidenwinkel anhand des individuellen Gebrauchs ein.

einen schneidigen Neujahrsgruß
von Mico
 
Hallo mico, Du beschreibst sehr gut wie der gemeine Anwender ein Messer benutzt, er macht sich über die Schneide einfach keine Gedanken, in dem Falle ist der Schneidenwinkel sicher nicht so wichtig, in dem Falle ist wohl am besten eine Schneide mit einer Sägeverzahnung. Einer meiner Freunde hatte auch superscharfe Messer mit Sägeverzahnung in der Küche im Gebrauch, das geht auch, aber als ich ihm ein besseres Messer gab überzeugte ihn das. Aber eben genau für den Zweck für den das Messer gemacht ist, so etwas wie in der Werbung zum Glasschneiden, Büchsen öffnen, Sushi zubereiten und Möhren schneiden habe ich leider in der Praxis noch nicht gesehen.
 
Ich wollte mich eigentlich an den ambitionierten Messerbenutzer wenden, der zwar gute Messer hat, aber sich nicht recht traut, da einfach mit nem Schleifstein ranzugehen. Der will halt vorher wissen, in welchem Winkel er das Messer über den Stein führen soll.

Dieselbe Frage stellte ich mir auch, als mein 100€ Santoku stumpf wurde. Ich hatte auch Angst, etwas kaputtzumachen oder zu zerkratzen. Im letzten Jahr habe ich aber die Schneidengeometrie umgeschliffen und bin seitdem angstfreier :D Dem habe ich einen symmetrischen Flachschliff mit 2,5° Flankenwinkel verpasst, damit die Klinge schön schlank wird. Anschließend habe ich die Schneide aber stumpfer abgezogen. Das habe ich freihändig erledigt und schätze den Winkel auf 30-40°. Jetzt halte ich es schon seid fast einem Jahr nur mit dem Keramikwetzstab und diversen Abziehriemen sauscharf :hehe:

Parallel zum Santoku benutze ich noch ein 5,-DM Chef-Messer, das ich umgeschliffen habe. Anfangs war es zu empfindlich, aber nach und nach hat sich der Schneidenwinkel durch das Abziehen einem Optimum angenähert. Jetzt hat er so 40-50°.
 
Hallo mico, ich finde gut was Du da beschrieben hast, besonders für alle "Angsthasen". Ich kenne das auch von einigen Leuten, also ruhig mal ran an den Schleifstein, sollte dabei etwas verkratzen, dann ist es eben Lehrgeld und beim schneiden stört es sicher in den wenigsten fällen. Zu Deinem großem Schneidwinkel kann ich aber nur vermuten: eben doch ein Stahl der nicht für einen kleineren Winkel ausgelegt ist oder, oder und Du gehst mit der Schneide etwas zu rustikal, schneiden auf einem Keramikteller, um.
 
Zu Deinem großem Schneidwinkel kann ich aber nur vermuten: eben doch ein Stahl der nicht für einen kleineren Winkel ausgelegt ist oder, oder und Du gehst mit der Schneide etwas zu rustikal, schneiden auf einem Keramikteller, um.

Ich gehe mal davon aus, dass Du die 40-50° beim Billigmesser meinst. Ja, der ist schon recht grob. (Der verwendete Stahl ist rostfrei und ansonsten unbekannt.) Das Messer benutzt auch meist meine Freundin, die nicht so sehr die Schneide schont. Anfangs hat diese sich oft beim Gebrauch umgelegt. Durch regelmäßiges stumpferes Abziehen auf dem Keramikstab hat sich die Schneide stabilisiert. Den Anschliff habe ich rustikal ballig auf Banksteinen ausgeführt, wodurch der Schneidenbereich noch recht dick ist (im Vergleich zum Santoku). Dadurch ergibt sich eine recht stabile Schneidengeometrie, die aber für hartes Gemüse nicht empfehlenswert ist.

Selbst die 30-40° Schneidenwinkel für mein Santoku sind schon recht grob. Da aber der Anschliff bis zur Schneide sehr dünn ausläuft, stört der größere Schneidenwinkel kaum das Schnittverhalten. Ich würde es wahrscheinlich nur beim Spalten von Kürbissen merken.

Den Kontakt mit einem harten Gegenstand, wie einem Teller, Glas oder Topf, sieht man jeder scharfen Schneide an - sie ist nämlich dort platt (siehe hellen Strich unter Auflicht). Der Schneidenwinkel ist da ziemlich egal. Wenn man Glück hat, kann man ziehend mit einem feinen oder glatten Wetzstahl die Wate wieder aufrichten und dadurch retten, ansonsten bleibt das bis zum nächsten Besuch auf dem Bankstein plattgedrückt.
 
Hallo, ich sehe das genauso, wenn der Anschliff einen kleinen Winkel besitzt und sehr dünn zur Schneide ausläuft, dann ist das für die Schneidfähigkeit schon mal sehr gut. Ich meine gerade bei an sich knackigem Schittgut, Mohrrüben, Salat oder Kürbis wird es keinen so großen Unterschied machen wie scharf an sich die Schneide ist, aber bei Fleisch, Fisch oder ähnlichem merkt man schon die Schärfe der Schneide.
 
Ich definiere Schärfe so: Schärfe ist umgekehrt proportional zur Dicke der Wate einer Schneide. Je dünner die Wate ausgeschliffen wurde, umso schärfer ist die Schneide. Theoretisch spielt der Keilwinkel der Schneide für die Schärfe keine Rolle. Trotzdem wird man bei sehr großen Winkeln >90° an die Grenze der Schneidfähigkeit stoßen.
Deswegen ist der Schneidenwinkel (sofern er unter 60° liegt) in der Küchenpraxis relativ egal, wenn die Schneide kleiner 0,5mm breit ist.
Für die Praxis bedeutet das, dass man getrost freihändig sein Messer wetzen darf, ohne streng den Winkel einzuhalten.
 
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