Messerpreise
stangl schrieb:
....ich habe gehört, japanische Messer seien in Japan wesentlich teurer als in Deutschland. Nun ist bekanntlich die Qualitätsspanne bei Messern nach oben offen. Japanische Touristen belagern Messershops in Deutschland und kaufen fleißig ein. Fragen:
Wird die Schmiedekunst in Japan so hoch bewertet, dass das gleiche Messer dort teurer ist? Oder verkaufen die ins Ausland billigen Mist? (ich habe einige preiswerte Japaner (20.- bis 85.-Euro), die recht ordentlich sind).....
Guten Tag!
Du hast schon recht: Qualität wird im modernen Japan von einer breiten Bevölkerungsschicht geschätzt und auch erkannt. Viele Japaner haben eine Neigung, lange auf ein hochwertiges Produkt zu sparen, um dann aber ein Leben lang Freude daran zu haben. Das gilt für Messer ebenso wie für gute Keramik, Tuschebilder, Kalligrafien und andere Erzeugnisse aus den traditionellen Bereichen Kunst und Handwerk. Dafür können sich viele Japaner (auch wegen beengter Wohnverhältnisse) auf insgesamt wenige Besitztümer beschränken.
In Deutschland kaufen die Japaner nur deutsche Erzeugnisse; sie sind sehr markengläubig und sind überzeugt, dass alles mit dem Aufdruck "Solingen" supergut sein müsse. Ebenso halten sie deutsche Autos pauschal für sehr gut; in Japan sind Mercedes, Audi und andere hochwertige deutsche PKW Statussymbole.
Was die Japaner außer Landes verkaufen, ist meist ganz ordentlich, aber doch wesentlich von Export-Marktanalysen geleitet. Während in Japan unter "Fans" und Fachleuten gute Kochmesser mit € 500.-- und z.T. deutlich darüber gehandelt werden, wäre hier der Markt dafür zu klein. Dafür kaufen wir dann im Bereich 20.-- bis 85.-- € mittlere Qualität ein, die ihre Aufgabe erfüllt, aber eben keinen "Spirit" wie ein handgemachtes Stück hat - und auch nicht haben kann.
In Japan gibt es eine Form des Handwerks, die sich MINGEI nennt. Das sind Produkte des täglichen Lebens, die einfach und gut sind, und von erfahrenen Handwerkern manuell hergestellt werden. Aus der Serie können aber Einzelstücke dennoch durch besondere Formschönheit und Qualität herausstechen. So etwas überhaupt zu erkennen, setzt Sensibilität und Kenntnisse sowie ein waches Auge und natürlich Vergleichsmöglichkeiten voraus. Bei industriellen Produkten, die völlig gleichartig die Herstellungshallen verlassen, gibt es diese Variationen natürlich nicht.
Wir haben in Europa leider dieses Gefühl für gute Formen, angenehme Haptik und ausgezeichnete Qualität weitgehend verloren; gute Messermachen z.B. beleben das allerdings wieder neu.
Auch das Design hat im Export eine wesentliche Rolle. Um bei den Messern zu bleiben: etliche Hersteller in Japan produzieren extra für die Ausfuhr Messer mit symmetrischem Klingenschliff und Griffen aus haltbaren (synthetischen) Materialien, die mit Nieten gehalten werden; keineswegs traditionell, kommt aber wegen des uns vertrauten Anblicks hier gut an. In Japan gäbe es dafür keinen großen Markt. Ein anderes Beispiel: die vielen "traditionellen" Teeservice aus hauchdünnem Porzellan (möglichst noch mit "GEISHA"-Dekor oder Goldbemalung), die hier in Teeläden angeboten werden, sind in Japan fast unbekannt. Man sieht sie wirklich nur hier. Aber das war schon im China des späten Mittelalters so, dass Porzellan speziell für den Geschmack des Auslands produziert wurde.
Was können wir daraus lernen?
Es macht Sinn, sich vor einem Kauf über die verschiedenen qualitativen Aspekte und Einsatzmöglichkeiten genau zu informieren, statt unüberlegt irgend ein "Japan-Messer" oder ein Billig-KATANA zu kaufen. Und dann ist es nach meiner Meinung besser, wenige gute Messer zu benutzen, statt sich über eine große Kollektion in minderer Qualität zu ärgern.
Gruß
sanjuro