Review zum Junkyard Dog II
Die Messer von Tim Galyean haben mir schon immer sehr gefallen. Insofern habe ich mich über die Production-Modelle gefreut, weil sie auch mir die Gelegenheit geben, dass Design mal zu testen. Insofern habe ich schon vor einiger Zeit eins vorbestellt gehabt und vor kurzem ist es dann endlich hier angekommen.
Außergewöhnliches Design
Ich empfinde das Design des Messers im doppelten Sinne außergewöhnlich. Zum einen hebt es sich aus der Masse von Messern heraus (wobei Ken Onion als Mentor nicht verleugnet werden kann). Zum anderen finde ich das Messer außergewöhnlich gut durchdacht. Da passt alles zusammen. Die Klinge mit dem Flipper fügt sich im geöffnet wie im geschlossenen Zustand harmonisch in den Griff. Der Flipper ist in beiden Fällen (geöffnet als Handschutz) optimal positioniert. Die Griffform, die ein wenig auch an den Rebel von Jens Anso erinnern mag, liegt sehr gut und sicher in der Hand.
Auch die Klingengeometrie lässt keine Wünsche offen. Wenn ich mich da nicht täusche, dürfte die Klinge tatsächlich flach geschliffen sein. Bei einer Höhe von ca. 2,5 cm bis zur Schleiflinie und einer Klingenstärke von 3,1 mm (wirkt sogar noch dünner), dürften sich da sehr gute Schneideigenschaften ergeben (noch nicht ausprobiert). Ausgeschliffen wurde die Klinge auf ca. 0,5 mm. Für viele Schneidaufgaben dürfte sich die tief liegende Spitze als praktisch erweisen, für’s Stechen/Bohren/Hebeln ist sie sicher nicht in erster Linie gemacht. Einziger Nachteil hier aus meiner Sicht: Bedingt durch das Design ist der Abstand zwischen Zeigefinger und tatsächlichem Beginn der Schneide relativ groß. Wenn man mit viel Kraft schneiden will, ist da die Kraftübertragung vielleicht nicht optimal.
Der Flipper
Ich muss zugeben, dass ich ans »Flippern« erst gewöhnen muss. Richtig gut funktioniert es mit einem unterstützenden Schwung aus dem Handgelenk. Ohne das hatte ich anfangs meine Probleme und auch jetzt klappt es nur bei jedem dritten Mal. Aber langsam scheint sich die Klinge einzulaufen, vielleicht kann man auch den Klingengang etwas justieren, vielleicht bin ich aber einfach auch nur zu ungeschickt.
Verarbeitung: Insgesamt gut, die Schärfe ist außergewöhnlich
Die Verarbeitung ist für ein Messer dieser Preisklasse insgesamt ziemlich gut. Ich kann kaum Makel finden, die Klinge sitzt zentriert und Differenzen von Linern, Griffschalen und Spacer halten sich in Grenzen. Die Klinge wird vom Detend Ball gut in den Griff gezogen und dort sicher gehalten. Vor allem die Schärfe out of the box ist beeindruckend. Bisher war da Spyderco immer meine Referenz, aber dieses Kershaw rasiert fast noch müheloser als mein neues Calypso mit ZDP-89-Klinge. Zur Schnitthaltigkeit des Stahls kann ich noch keine Aussage machen. Für meinen Geschmack könnte der Liner ein Stück weiter auf die Rampe rutschen. Ich glaube aber trotzdem, dass er hält. Spinewhacks habe ich allerdings nicht gemacht. Getrübt wird der gute Gesamteindruck etwas durch das deutlich spürbare horizontale Spiel und das ganz minimal vertikale Spiel (spürbar nur bei großem Krafteinsatz).
Die Nachteile: Gewicht und uneleganter Clip
Kommen wir nun zu den (aus meiner Sicht gravierenden) Nachteilen des Messers. Durch die recht dicken Stahlliner hat es trotz großzügiger Aussparung unter den Griffschalen (auf dem Foto leider nicht zu erkennen) ein ziemlich hohes Gewicht (kann es leider nicht genau wiegen). Der richtige Ab-Turner ist für mich aber der Clip. Der ist riesig, wahnsinnig unelegant und das Design weckt in mir negative Assoziationen zu Fernost-Kopien von Gill-Hibben-Messern. Auffälliger kann man ein Messer nicht in der Hosentasche tragen. Hätte ich den Clip vorher gesehen, hätte ich das Messer vielleicht sogar nicht gekauft! Allerdings muss man sagen, dass Tim Galyean selbst (zumindest von Form und Montage) ähnliche Clips baut - bei ihm sehen sie trotzdem besser aus. (Hier kann man sich überzeugen:
http://www.galyeancustom.com)
Gewicht und Clip disqualifizieren das Messer für mich leider als EDC. Schade! Vielleicht sollte ich es noch mal mit dem Kleinen probieren.
Abschließendes Urteil
Das Messer ist sein Geld auf jeden Fall wert. Das Design vereint, was manchmal unvereinbar klingen mag: außer-/ungewöhnliches Äußeres mit hervorragender Ergonomie. Vielleicht kann ich den eher theoretischen Betrachtungen demnächst noch einige Praxiserfahrungen hinzufügen.
Und noch ein Wort zur Custom-Diskussion: auch ohne je ein Galyean-Custom in der Hand gehabt zu haben, glaube ich nicht, dass der Wert dieser Kunstwerke durch die Existenz der Serien-Folder gemindert wird. Dazwischen liegen in diesem Fall einfach noch Welten – den wertig fühlt sich das Messer von Kershaw nicht wirklich an.