Dimm: Ich bin mir nicht ganz sicher was du sagen willst. Gradbildung ist immer ein Problem beim schaerfen, guck dir die Bilder von Verhoeven an, und gerade einfache Kohlenstoff-Staehle haben in meiner Erfahrung eine relative *geringe* Gradbildung. Groessere Problem habe ich mit Stahlen die einen hohen freien Cr Anteil haben und unterhaertet sind (Buck 420HC zum Beispiel).
Ich gucke mir eigendlich alle meine Schneiden unter einem Lichtmikroskop an und ich bin mir nicht sicher, was du mit Hartfasen meinst. Ich habe gerade den Begriff gegoogled und finde da auch nichts? Meinst du Ferrokarbide? Und riesig ist sehr relativ. Alles wozu ich 140 fache Vergroesserung brauche um es zu sehen wuerde ich nicht als "riesig" bezeichnen. Ich kann mit dem blossem Auge muehlos 0.2 mm aufloesen, bei 140 facher Vergroesserung lassen sich um die 1 Mirometer noch aufloesen und da beginnt so langsam die Beugungsgrenze eines Lichtmikroskops und reine Vergroesserung ist nicht mehr das Problem. 400 fache Vergroesserung gilt allgemein als das Maximum bei dem noch ohne Immersionsfluessigkeit gearbeitet werden kann (was mit Metallen logischerweise nicht funktioniert) und schon da ist die Benutzung von einer Immersionsfluessigkeit vorzuziehen. Bei diesen Vergroesserungen ist gewoehnlich eh die Schaerfentiefe das groesste Problem.
Roman: Ich stimme dir im Prinzip absolut zu, und ich bin ein grosser Fan von deinem Schokoladen-Model. Was mir nur auffaellt, besonders hier, dass die "allgemeine Auffassung" von diesen Staehlen ins Gegenteil umgeschlagen ist: Von Wunderstaehlen zu "totaler Scheiss, taugt eh nichts". Und meiner Meinung nach ist das Eine wie das Andere Unfug. Ausserdem ist mir aufgefallen, dass einige die Phrase "Karbide dieser Groesse passen nicht in eine duenne Schneide" so missverstanden zu haben scheinen, dass die Karbide Groesse tatsaechlich die Schneidenbreite direkt bestimmt.
Ausserdem, denke ich dass man schon einen Unterschied zwischen einem "durchschnittlichen" Produktionsmesser und einem Spezializierten oder Handgefertigten Messer machen muss. Die meisten Leute, Messerliebhaber eingeschlossen, nehmen eine Werk-geschliffenes Spyderco (nur als Beispiel) in die Hand und die Schneidfaehigkeit laesst fuer sie nichts zu wuenschen uebrig. Ein typisches Spyderco hat einen Anschliff von ca 15 Grad pro Seite und ist so um die 20 Grad poliert. Die Breite hinter der Fase betaegt um die 0.5mm. Bei so einem Anschliff, der fuer dich vielleicht passend auf eine Axt anmuten mag, ist die Primaerkarbid Groesse ja noch nicht allzu kritisch. Und bei Geometrien dieser Groessenordnungen brechen auch nicht gleich Stuecke aus der Schneide aus (die Berichte ueber S30V sind so inkonsistent, dass ich einfach vermuten muss das die Probleme nicht am Stahl liegen sondern an der Waermebehandlung).
Spyderco wird aber sicherlich ihre Staehle nicht darauf optimieren, dass der Kaeufer erstmal einen Schleifstein nimmt und die Klinge ordendlich ausduennt. So kann man meiner Meinung nach kaum den Herstellern vorwerfen, da"s sie mit Staehlen rumspielen die gute Ergebnisse in den Werk-Geometrien zeigen. Zumal weit ueber 90% des Umsatzes Firmen wie Spyderco, Benchmade und Co. mit Leuten machen, fuer die ein rasierendes Messer beeindruckend ist, und fuer solche Leute sind die hochabriebsfesten Staehle vermutlich ein Fortschritt. Da kann man doch den Firmen nicht vorwerfen dass sie Humbug verkaufen. Ich habe Eltern die eine aehnliche Einstellung zu Messern haben, wie deine. Mein Vater ist ein hervorragender Koch, aber ganz offendsichtlich ist selbst die Benutzung des Sharpmakers noch eine Herrausforderung (nicht so sehr in der Handhabung als im tatsaechlich aus dem Schrank nehmen und benutzen

).
Ich denke es ist auch zuviel verlangt von den Firmen die Werks-Geometrie deutlich zu verschlankern. Grade weil eh nur ein kleiner Prozentteil des Kundenstamms die Vorzuege erkennen wuerde und der Rest eh damit nur Unsinn anstellen wuerde. 15/20 pro Seite mit 0.5 mm Breite find ich noch ziemlich gut, wenn es Richtung 20/25 geht mit 1 mm Breite, habe ich Probleme das noch Messer zu nennen.
Klar, dass diese Staehle nicht das richtige sind wenn ich wirklich sehen will was an ultimativer Schneidfaehigkeit moeglich ist oder fuer Messer die zum Hacken und sonstigen Arbeiten mit hoher lateraler Belastung gedacht sind und ich denke dass du viel zur Aufklaerung beigetragen hast. Ich sehe nur gerade das Pendel in die andere Richtung schwingen wenn ich Posts wie #40 lese, wo sich Leute ploezlich fragen wieso das ZDP-189 Caly ein klasse Messer ist (und gar nicht mal teuer mal neben drein) wo wir doch alle wissen dass das eigendlich gar nicht sein darf weil der Stahl doch so scheisse ist. Das kann es doch eigenlich auch nicht sein oder? Ich sehe den Sinn eines Forum als Moeglichkeit zum Austausch und zur Aufklaerung, aber wie ein solcher Post belegt scheint dieser Thread trotz der tollen Informationsfuelle nicht wirklich geholfen zu haben.
Was mir in diesen ganzen Betrachtungen fehlt ist die Waermebehandlung. S30V hat sich nun in den letzten paar Jahren nicht den Besten Ruf gemacht wegen vieler Klagen ueber Schneidenausbruchen. Auch wenn der Stahl auf Grund des hohen Karbide-Volumens das nicht ueberraschend scheinen laesst, glaube ich dass das mehr was mit einer nachlaessigen Waermebehandlung zu tun hat. Wenn wir mal alle Theorie beiseite lassen, ich faende es mal interessant welche Schneiden-Geometrie wirklich die praktische Grenze fuer EDC Anwendungen von ordendlich waermebehandelte Klingen in den typischen ledeburitischen Staehlen wie gerade S30V und D2 darstellen. Ich hab' noch nicht viel ueber praktische Erfahrungen mit diesen Staehlen im sub-10-grad-pro-fase Bereiche gelesen. Cliff hat das ein bischen begonnen, aber wie er sicherlich selber zugeben wird, ist das weder systematisch noch komplett. Es scheint das S30V nicht in der Lage ist 6-grad pro Fase zu tragen. Von meinen Eigenen Erfahrung scheint es das Probleme bei 12 grad pro Fase noch nicht auftauchen (jeweils bei ca. 0.5 mm hinter der Fase).
Ich weiss nicht, wenn ich meinen eigenen Post durchlese bin ich mir nicht sicher ob ich wirklich ausgedrueckt habe was ich wollte. Das Problem ist dass ich fur meine Bedurfnisse durchaus schon dem "Roman-Model" folge und durchaus verstehe wogegen du "Kreuzzug" fuehrst. Ich versuche im Grunde nur ein Gegenmoment fuer dass was ich als Ueberrepresentation einer Seite sehe, was nicht ganz einfach ist weil das eigenlich meinen eigenen Preferenzen nicht wirklich entspricht, die eher aehnlich deinen eigenen sind. Ich muss fuer meine Arbeit meine Microtomeklingen selber schaerfen. Aber ich weiss auch was ich von einer S30V etc. Schneide erwarten kann.