Um das Besondere der PM-Stähle zu verstehen, muß man sich folgende Problematik klarmachen:
Bei dem normalen schmelzmetallurgischen Vorgehen sind den Legierungsmöglichkeiten bestimmte Grenzen gesetzt: Ab einer bestimmten Menge der Legierungselemente entstehen schon in der Schmelze Karbide. Diese sind ohne erneutes Aufschmelzen in ihrer Größe durch Lösung in der Grundmasse nicht zu beeinflussen. Man kann sie also nur in gewissem Grad beim Schmieden zertrümmern, wobei aber hinter den Karbidteilen kleine Vakuumschwänzchen zurückbleiben. Die zertrümmerten Karbidteile werden in der Schmiede- meist Walzrichtung -mitgenommen und führen zur sogenannten Anisotropie des Werkstoffs. Das bedeutet, daß der Werkstoff in der Walzrichtung etwa die doppelte Festigkeit hat, wie in der Querrichtung. Als unangenehme Eigenschaft kommt noch dazu, daß auch der Verzug in Längs-und Querrichtung unterschiedlich ist, was für die präzise Werkzeugfertigung ja auch ein erheblicher Nachteil ist. Unter diesen Problemen leiden alle Ledeburitstähle-je größer der Anteil der Primärkarbide ist, desto größer sind auch die Probleme.
Um mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden, hat man bei den 12-prozentigen Chromschnittstählen und den Schnellarbeitsstählen aufwendige Schmiedemethoden, bei denen sich Strecken und Stauchen abwechselten, eingesetzt und hat so die Regulitqualitäten erzeugt, bei denen die Karbide gleichmäßiger verteilt waren.
Das Problem zu großer Karbide- selbst nach dem Walzen und Schmieden liegen bei den Ledeburitstählen noch Karbide von 50 my und größer vor-
hat man so nicht in den Griff bekommen. Eine weitere unerfreuliche Erscheinung bei hoch legierten Stählen sind Seigerungen, also das Auftreten von unterschiedlichen Legierungskonzentrationen im Stahl.
Das kann zur bekannten Apfelsinenhaut beim 440 B, zu geradezu damastähnlichen Mustern - von mir beim 1.4528 beobachtet-bis hin zum häßlichen Grind führen, bei dem Teile der Oberfläche wegen der in übertriebener Menge ausgeschiedenen Karbide nicht mehr polierbar sind und stumpf und erkennbar grobkörnig bleiben.
Diese Schwierigkeiten hat man durch das PM-Verfahren gut in den Griff bekommen: Wie Andreas schon kurz und klar dargelegt hat, wird dabei ein hochlegierter Stahl erschmolzen und verdüst. Entscheidend dabei ist, daß das Verdüsen in einem Raum erfolgt, der mit inertem Gas- meist
Argon - gefüllt ist. Durch das Verdüsen entstehen kleine Kügelchen, die auf Grund ihrer geringen Massen schnell erstarren. Verdüst man aus einer Temperatur, bei der sich noch keine Primärkarbide bilden, erzielt man bei dem geradezu blitzartigen Erstarren ein Gefüge mit feinem Matrixkorn und kleinen Karbiden. Die so entstandenen Kügelchen werden in einen Blechzylinder eingefüllt, der luftleer gepumpt und zugeschweißt wird. Die Kügelchen selbst haben auch so gut wie keine Oxydhaut, da sie ja in eine sauerstofflose Umgebung gespritzt wurden.
Sie lassen sich deshalb unter Druck und Hitze fehlerfrei verschweißen, so daß ein sehr homogener Werkstoff entsteht. Die im Moment erreichbare Karbidkorngröße liegt bei 2-3 my, wobei ich sicher bin, daß sich das noch deutlich steigern-vermindern- ließe.
Soweit ich weiß, kamen die ersten PM-Stähle in Deutschland Anfang der Achziger Jahre in den Handel. Seilstorfer in der Nähe von München erzeugte eine Qualität D4 pulvermetallurgisch-einen Stahl ähnlich D 2 mit 12 % Chrom und mit erhöhtem Vanadium- und C- Gehalt. Zapp brachte dann bald darauf die PM Stähle von Crucible Mills auf den Markt.
Ich war anfangs von diesen Stählen absolut angetan und halte sie auch nach wie vor für einen großen Fortschritt. Mein Interesse hat sich aber mehr und mehr in Richtung feinster Schneiden entwickelt und da stehen diese Stähle nach wie vor hinter den guten Werkzeugstählen für Kaltarbeit oder Leistungsdamaststählen zurück. Im Bereich der eutektoidischen oder übereutektoidischen Stähle kann man die Korngröße sehr fein einstellen und so bei guter Zähigkeit feinste Schneiden erzielen. Die Stabilität feinster Schneiden ist bei den PM-Stählen nicht nur durch die immer noch zu großen Karbide, sondern auch durch deren zu großen Anteil am Gesamtvolumen beeinträchtigt.
Roman spricht in diesem Zusammenhang von zu viel Zähnen bei zuwenig Zahnfleisch. Man kann sich das Ganze auch wie eine Schleifscheibe mit zuviel Schleifkorn bei zuwenig Grundmasse vorstellen.
Da fällt mir gerade ein, daß wir genau dieses Problem einmal diskutiert haben, als Roman die ersten Gefügebilder mit der Faltanleitung vorgestellt hat, mit der man den Schneidenwinkel simulieren kann. Ich hatte damals ganz roh vorgeschlagen, daß die "Primärkarbidfans" sich ein Modell aus Zement (Matrix) und Kieselsteinen (Karbide) machen sollten und dann versuchen sollten, den gewünschten Winkel anzuschleifen. Herbert hat das versöhnlicher gestaltet und vorgeschlagen, das Modell aus Schokolade mit entsprechend großen Nüßchen zu machen. Beides trifft den Kern und ist ganz anschaulich.
MfG U. Gerfin