Restaustenit bei hohen Anlasstemperaturen

Xerxes

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Hi Leute,

ich bin seit kurzem auch ein stolzer Besitzer eines E-Langgut-Härteofens. Als erstes stehen ein paar Schaukampfschwerter aus den altbekannten Federstählen 55Si7 bzw. 65Si7 auf dem Plan.

Allerdings habe ich zur Zeit noch keinen ausreichend dimensionierten Anlassofen. Im Normalfall sollen Stähle ja möglichst zeitnah nach dem Härten angelassen werden, da sich sonst u.a. das Restaustenit stabilisiert.

Mein Ofen bräuchte aufgrund der guten Isolierung jedoch mindestens 45 Min um mit geöffneten Deckel von 820 auf 350 Grad abzukühlen. Ich hatte vor ein paar Versuche im Bereich zwischen 300 und 500 Grad zu machen...

Nun erinnere ich mich jedoch irgendwo gelesen zu haben, dass sich das Restaustenit bei 300-350 Grad Anlasstemperatur vollständig auflöst. Soweit ich mich erinnern kann, unabhängig von der Dauer zwischen Härten und Anlassen.

Leider weiß ich nicht mehr, wo ich das gelesen habe und ob ich es richtig in Erinnerung habe. Mein Rapatz schweigt jedenfalls dazu.

Vielleicht kann mir jemand helfen.

Gruß Jannis
 
ohne genauer in Diagramme geschaut zu haben, wirst du bei den genannten Federstählen kein Problem mit Restaustenit haben.
Die haben zu wenig C bzw. Legierungselemente.
 
.....Mein Ofen brauchte aufgrund der guten Isolierung jedoch mindestens 45 min, um mit geöffnetem Deckel von 820 auf 350°C abzukühlen. Ich hatte vor, ein paar Versuche im Bereich zwischen 300 und 500°C zu machen...
Ich bin zwar eher nicht so der Metallurg, aber ich glaube aus meiner Praxis sagen zu können, dass das Anlassen auch nach einer oder zwei Stunden nach dem Härten noch kein Problem ist.

Ich verstehe, dass Du stets nach dem Optimum suchst, aber wenn da kein Risiko besteht, warum dann Klimmzüge machen?

Wenn Dein Ofen übrigens eine Wärmedämmung aus Keramikfaser hätte, wäre die Wärmespeicherung eher gering und das Risiko für Schäden am Ofen durch die Sturzkühlung ebenso!

Gruß

sanjuro
 
Hi Leute, vielen Dank erstmal für eure Antworten.

Allerdings möchte ich das schon genauer wissen. Bei Schaukampfwaffen hängt ja tatsächlich die Gesundheit der Benutzer von der Qualität der Waffen ab. Da reicht mir ein "das müsste schon passen" nicht.

Hab im Netz eine interessante Dissertation zu dem Thema gefunden. Werds hier berichten, wenn ich was brauchbares gefunden habe.

Wenn Dein Ofen übrigens eine Wärmedämmung aus Keramikfaser hätte, wäre die Wärmespeicherung eher gering und das Risiko für Schäden am Ofen durch die Sturzkühlung ebenso!

Mein Ofen besteht im Kern aus einem Silimantin-Keramikrohr mit 5mm Wandstärke. Der Kantaldraht ist mit Sauereisenzement Nr. 8 auf dem Rohr fixiert und isoliert ist das ganze mit einer ca. 170mm dicken Schicht aus Keramikfasermatte. Mit geschlossenem Deckel kühlt sich der Ofen von 900 Grad in einer Stunde auf ca. 850 Grad ab. Mit offenen Deckel geht es zwar schneller aber nicht gleichmäßig. Im oberen Bereich kühlt der Ofen deutlich schneller ab. Daher brauche ich schon ca. 45 Min bis ich den Ofen gleichmäig auf Anlasstemperatur gebracht habe. Evtl. sogar noch länger...

Gruß Jannis
 
Ungläubiger!:D

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Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle Blatt II-132 Werkstoff 71Si7

Härtetemperatur 845°C / 10min Haltezeit ergibt bei einer Abkühlung von 845°C auf 200°C innerhalb von 10 Sekunden einen RA-Gehalt von <15%

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Blatt II-131 Werkstoff 38Si6

Härtetemperatur 880°C / 10min Haltezeit, abgekühlt auf 350°C innerhalb von 2,x sec (sonst ZWS), kein RA nachweisbar.

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Restaustenitgehalte sind meiner Erfahrung nach jedoch problematisch wenn man sie genau nachweisen will. Mit Röntgen lässt sich was halbwegs verlässliches machen, Lichtmikroskopisch kann man ab ~15-20% was erkennen, die Auswertung ist jedoch auch mit automatischen Programmen ein besseres Schätzen.

Wichtiger als RA wäre mir die Zeit zwischen Härten und Anlassen!
 
.... und was den Ofen angeht: hast Du einen Kompressor oder einen Ventilator? Dann blas' die Wärme einfach raus.
 
Die Stabilisierung des Restaustenits ist bei den Stählen der "Federstahlklasse" kein Problem-nicht einmal ein Problemchen.
Kababear hat das schon richtig dargestellt.

Zum besseren Verständnis:

Bei untereutektoidischen Stählen tritt Restaustenit bei korrektem Härten in solchen Prozentzahlen auf, daß er 1. die Eigenschaften nicht wesentlich beeinflußt und 2. schwer nachzuweisen ist.

Die klassischen Stahlmonographien befassen sich deshalb mit diesem Thema nicht oder nur ganz am Rande.
Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß eigentlich immer ein gewisser Restaustenitgehalt nach dem Härten vorliegt-der aber, wie gesagt, praktisch ohne Auswirkungen bleibt.
Eine der Kapazitäten auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. Ing. Hans Berns. Es ist aber wohl nicht nötig, ihn mit diesbezüglichen Fragen zu belästigen-siehe oben.

Bei hohen Anlaßtemperaturen, wie sie hier vorgesehen sind, wird sich im übrigen auch der hartnäckigste Restaustenit weitgehend verabschieden.
U. Wyss( in: Wärmebehandlung der Bau- und Werkzeugstähle) beschreibt die Vorgänge recht ausführlich.

Wichtig bleibt: 1. So schnell anlassen wie möglich-weniger wegen des Restaustenits, als wegen der Rißgefahr.
2. Mindestens zweimal anlassen, damit auch der aus dem Restaustenit neu gebildete Martensit eine ordentliche Anlaßbehandlung erfährt

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
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