Atlantik
Premium Mitglied
- Beiträge
- 456
An das Kamo-to kenyo bin ich auf Umwegen gekommen. Zuerst hatte ich ein Santoku 165 mm bestellt, das aber nicht lieferbar war. Eingedenk der Tatsache, dass ich mal ein Burgvogel-Santoku besaß, mit ich mich nie anfreunden konnte und das ich dann verschenkt habe, nahm ich das als Wink des Schicksals habe ich mich umentschieden. Geworden ist es ein Kamo-to Kenyo 180mm mit Honba Zuke, geliefert wurde es verlässlich und schnell vom Messerkontor. Es hat mich unbeschädigt erreicht und war insofern ausreichend verpackt, doch die meisten Messersendungen, die mich erreichen, setzen stärker auf Polsterung und Sicherheit.
Material und Maße:
Klinge Aogami 2 (Yasuki-Klasse) mit angebenen 65HRC, beiseitiger Schliff (ryo-ba)
achteckiger Griff aus Ho-Holz (Graumagnolie), Zwinge aus Wasserbüffelhorn
Klinge 19,4 cm / Schneide 18cm / Griff 13,3cm / Gesamt 32,7cm / Gewicht: 95g
Klingenrückenstärke: Angel: 4mm / Mitte: 2mm / Spitze: kann ich nicht messen, sehr dünn
Mangels Messschieber kann ich leider keine genaueren Werte liefern, verzichte daher auch auf Schätzungen der Klingendicke hinter der Wate.
Angaben des Verkäufers sind: Griffansatz: 3,7mm / Klingenmitte: 1,62mm / Spitze: ca. 0,3mm
Verarbeitung und erster Eindruck
Das Kamo-to Kenyo wusste auf Anhieb erst einmal zu enttäuschen. Ist die Farbe des Griffes noch neutral, so fand ich das Beige der Zwinge doch nichtssagend und in Kombination mit dem Griff langweilig. Der Übergang von Zwinge und Griff ist deutlich spürbar und auch aufgrund einer – sehr kleinen – Spalte sichtbar. Die Griffbohrung ist verschlossen. Der Verschluss gewinnt keinen Schönheitspreis, ist aber zweckmäßig.
Insgesamt liegt der Griff gut in der Hand. Für Ergonomie bin ich aber nicht der richtige Ansprechpartner. Ich hatte bis jetzt noch kein gößeres Küchenmesser, das eine schlechte Handlage hatte. Vielleicht habe ich einfach nur Standard-Hände. Im Pinch-Grip jedenfalls liegt das Kenyo komfortabel.
Der Kehl weist Schleifspuren auf und ist meiner Meinung nach deutlich verschliffen (siehe Foto). Der Fehlschliff hat eine Dimension, die für mich in Richtung Lieblosigkeit und Schlampigkeit geht. Eine Detailaufnahme des Kehls im Shop wäre als Kaufentscheidungshilfe schön gewesen. Von meinen anderen japanischen Messern wusste ich, dass der Kehl oft stiefmütterlich behandelt wird, z.B. nicht poliert wird, und an sich stört mich das auch nicht, da die Funktionalität der Klinge im Vordergrund steht. Die verschiedenen Schlifflinien des Kamo sind da für mich persönlich eine andere Nummer. Ich habe ernsthaft überlegt, das Messer postwendend zurückzuschicken.
Dann überwog aber die Neugier auf den vielgerühmten Honba-Zuke. Aber auch hier setzte erst einmal eine gewisse Ernüchterung ein. Das Kenyo hatte OTB eine gute bis sehr gute Gebrauchsschärfe. Es rasierte in beide Richtungen mit einer aggressiven Schneide, wirkte dabei aber stark schabend/hautrötend. Druckerpapier schnitt es gerade und in Kurven, mitunter mit leichtem Stocken. Auf diese Schärfe bringe ich meine Küchenmesser auch und bin wahrlich kein Schleifgenie. Mein Hiromoto Gyuto z.B. war OTB deutlich mit feinerer Schärfe ausgestattet, ebenso das Takeda Kogatana. Ein echter Vorwuf an das Kamo ist das nicht, es hatte ja eine sehr gute Gebrauchsschärfe und war z.B. auch OTB schärfer als meine Watanabes. Nur bin ich der Suggestion der Worte Honba-Zuke erlegen und habe dort mehr hineinprojiziert. Insofern also die Ernüchterung. Andererseits war es auch eine positive Erfahrung, denn wenn diese Art von Abzug extra beworben wird, dann sind die Standards, die ich beim Schärfen meiner Küchenmesser einhalte, auch nicht so schlecht. Obwohl mir klar ist, dass da mehr geht. Es ist vielleicht nicht sinnvoll, aber es geht wesentlich mehr (z.B. falling leaf, hanging hair).
Ziemlich schnell dagegen war klar, dass die Geometrie passt, wenn man es dann schaffte, über den versauten Kehl hinweg in Richtung Schneide zu blicken. Ist mir nach mehreren Anläufen dann auch gelungen.
Praxistest
In Erwartung des Kenyos hatte ich vorgesorgt und ein Kilo Wurzelgemüse geholt, das dann zusammen mit 500g Rindfleich, einer harten Chorizo, Zwiebeln, Chili, Knoblauch und Limonen zu einer sauerscharfen Pfanne verarbeitet werden wollte. Zum Vergleich habe ich ein Watanabe pro-Gyuto, ein kleines Schanz Gyuto, ein Hiromoto As-Gyuto und ein Balbach-Küchenmesser (gesenkgeschmiedete Kleinserie für T&More mit Handabzug) herangezogen.
Und hier war dann alle Enttäuschung verflogen: Das Kamo-to Gyuto hat sich in der Schneidleistung durchgesetzt: ein knapper Punktsieg (close but clear), mit spürbaren Vorteilen beim Druckschnitt. Das hätte ich so nun wieder auch nicht erwartet. Reibungsgeräusche beim Zerteilen von Möhren habe ich vernommen, vor allem aber noch mehr, dass das Kamo ohne großen Druck durch die Möhren geschoben werden konnte. Der Wiegeschnitt war auch sehr gut. Nur beim Zugschnitt erwies sich der SB1 des Schanz als überlegen und beim längsseitigen Zerteilen von Pertersilienwurzeln, roter Beete und harter Chorizo erwartungsgemäß die dickere und längere Balbach-Klinge. In den dickeren Rote-Beete-Knollen blieb das Kenyo sogar mehrfach stecken, das es keine Spaltwirkung hatte, sondern nur schnitt. Nach Halbierung der Knolle aber revanchierte sich das Kenyo mit blitzschneller Zerkleinerung.
Zwiebeln und Limonen zeigten dann, dass das Kenyo stark reaktiv ist. Es lief sofort über die ganze Höhe der Klinge an, verfärbte aber die Zwiebeln nicht. Metallgeschmack konnte ich nicht feststellen, habe mich aber auf Stichproben beschränkt. Die feine Spitze des Kenyo eignet sich gut für filigranere Arbeiten wie etwa das Häuten und Entkeimen von Knoblauch.
Nach dem Kilo Gemüse und dem Fleisch habe ich dann wieder den Rasurtest gemacht. Das Kenyo rasierte nicht mehr, schnitt aber subjektiv kaum schlechter als zu Beginn. Ich habe ein Brett mit weichem Holz benutzt und keine harten Aufschläge der Klinge verzeichnet. Dieser geringfügige Schärfeverlust ist aber auch damals so bei meinem neuen Schanz Gyuto und dem Watanabe Gyuto aufgetreten. Vielleicht liegt es doch an meiner Schnitttechnik. Das Kenyo liegt aber schnittechnisch nach wie vor an der Spitze des Feldes.
Fazit
Ein Messer mit beeindruckender Funktionalität und sub-optimalem Finish. Wer Schneidleistung pur liebt, ist mit einem Kamo-to Kenyo gut beraten. Für Fit-and-Finish-Perfektionisten ist es eher nichts. Würde ich noch ein Kamo kaufen? Auf jeden Fall. Das 165mm Santoku ist für mich jetzt von Neuem interessant geworden und ich persönlich habe eine echte Alternative zu Schanz und Watanabe gefunden, und das ist von meiner Seite aus ein sehr großes Lob.
Anhänge
Zuletzt bearbeitet: