Atlantik
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Haben Messer eine „Seele“? Nun, das Teruyasu Fujiwara Nashiji Gyuto hat bestimmt eine. Allerdings ist eine dunkle, zwiegespaltene, in sich zerrissene Seele, und wer sie beschreibt, wandelt auf den Spuren von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Hintergrund:
Teruyasu Fujiwara ist Schmied in 4. Generation. In der Geschichte der Familie finden sich Schwertschmiede und Werkzeugschmiede, mit Teruyasu Fujiwara dem vierten liegt der Schwerpunkt auf Küchenmessern.
Bei Gyutos bietet Fujiwara drei Serien an, die Nashiji-Linie und die Maborishi Linie aus Shirogami #1, nach manchen Angaben gehärtet auf 64-65 HRC, und die Denka-Linie aus blauem Papierstahl (Chigusa-cou). Alle Arbeitsschritte werden von Teruyasu Fujiwara selbst durchgeführt. Die Gyutos sind im Sanmai-uchi Verfahren mit weicherem rostfreiem Stahl laminiert. Man kann zwischen Wa- und Ho-Griffen wählen:
http://www.teruyasu.net/products/gyuto.html
Bemerkenswert ist die Preispolitik bei den Gyutos: Im Übergang von den 21er zu den 24er Gyutos findet ein heftiger Preissprung noch oben statt. Unter 21cm ist die Preiserhöhung bei gleicher Längensteigerung bei weitem nicht so abrupt. Ist das nun ein Profizuschlag oder ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass man hier jetzt im ernsthaften Bereich des Schneidens angekommen ist?
Geordert habe ich jedenfalls ein 24cm Nashiji Wa-Gyuto direkt von Teruyasu Fujiwara. Nach rund einer Woche war das Messer fertig und ging auf die Reise. Es kam sehr sicher verpackt an mit mehreren Lagen Polsterung. Als ich vom Zoll abgeholt hatte, habe ich ein paar erste Schnitttests durchgeführt und mich erfreut bei Teruyasu Fujiwara bedankt. Dann habe ich die Klinge genauer in Augenschein genommen und es bereut, die Mail so abgeschickt zu haben…
Daten
• Klingenlänge / Schneidlänge: 255mm / 242mm
• Klingenstärke: 4mm (Kehl) / 2mm (Mitte) / 1mm (1cm vor Spitze)
• Gesamtlänge: 398mm
• Höhe: 55mm
• Gewicht: 175g
• Klinge: San-Mai-uchi: Shirogami #1 (64-65HRC) mit rostfreien Flanken
• Griff: Magnolien-Holz mit Büffelhorn-Zwinge, achteckig (hakkaku)
• Anschliff: beidseitig
Verarbeitung / Fit und Finish
Hier zeigt sich die Mr.Hyde-Natur des Messers: Es kommt gewissermaßen hinkend und übellaunig daher. Im Klartext: Die Verarbeitung war mit Abstand die rauheste, die mir bei einem japanischen Schmied untergekommen ist, und ich bin da eigentlich ziemlich unempfindlich. Der Griff, oft Kritikpunkt an Fujiwara-Messern, allerdings vor allen bei den Ho-Griffen, ist noch gut ausgeführt, liegt satt in der Hand mit kaum spürbaren Übergang von Griff zur Zwinge. Das Bohrloch ist verschlossen, auch bündig. Die Signatur (mei) ist sehr sauber eingeschlagen.
Die Klinge hat dafür etliche Macken: Kehl und Rücken sind weder poliert noch deren Kanten gebrochen, dafür aber unregelmäßig gearbeitet. An Rücken und Kehl sind die beiden Seitenlagen (jigane) leicht höher gezogen als die Kernlage (hagane), wobei die linke Seitenlage die rechte noch leicht überragt. Die Differenz ist gering, aber spürbar. Man kann z.B. den Daumennagel durch die Vertiefung laufen lassen. Richtig zu sehen ist das allerdings nur mit der Lupe. Erst ab Mitte des Klingenrückens sind jigane und hagane dann auf einer Höhe. Auch die Seitenlage sind unterschiedlich dick, wie am Kehl klar zu erkennen ist.
Am der hinteren Schneidkante (ago) findet sich über zwei Millimeter ein Fehlschliff der Schneide, auf der rechten Seite ziehen sich im vorderen Klingendrittel grobe Schleifspuren vom Kasumi-Finish der Fase (kiriha) über die Trennlinie von Stahl und Eisen (hasakai) hinweg bis kurz vor die Schneidkante.
In anderen Berichten über die Nashiji Linie aus amerikanischen Foren wurden ähnliche Mängel mehrfach beschrieben. Kontaktiert man den Macher, ist er wohl bereit, die Mängel auf Kundenwunsch nachzuarbeiten, sieht sie aber selber aber nur als kosmetische Mängel an, die die Funktion nicht beeinträchtigen. Man muss die Versandkosten tragen.
Klingengeometrie:
Das Nashiji ist schlank, aber ausreichend robust mit einer sehr feinen Spitze. Der Kehl zeigt die Unregelmäßigkeiten des Schichtenaufbaus. Wie immer, gibt es als Beleg nur Bilder:
Performance
In der Leistung wandelt sich das Messer, das man gerade noch kritisch beäugt hat, zurück zum genialen Dr. Jekyll. OTB kam es enorm scharf. Papier ließ sich ohne spürbaren Widerstand schneiden, und auch wenn die meisten japanischen Klingen bei mir in irgendeiner Weise rasierfähig ankamen, war das Nashiji das erste Küchenmesser, mit dem ich mich wirklich hätte rasieren wollen. Es glitt sanft und ohne jede Reizung über den Unterarm und hinterließ dort mit einem Zug eine enthaarte Schneise. Diese feine Schärfe des Shirogami hat mich sehr beeindruckt.
Im anfänglichen Gebrauch – und das war ein Novum für mich – war mir das das Messer fast zu scharf. Der reine Druckschnitt endete unweigerlich damit, dass das Messer in die harte Eberesche einschnitt, ebenso im Wiegeschnitt. Dieses knirschende Geräusch… Hier musste man einen sanften Druck-Schiebeschnitt anwenden und die Klinge laufen lassen, dann sprang das Schnittgut fast auseinander.
Erfreulicher Weise zeigte sich, dass das Nashiji-Finish (Birnenhaut) sehr gute Anti-Haft-Eigenschaften hat, vor allem wenn man die Klinge mit deutlicher Vorwärtsbewegung durch das Schnittgut schiebt. Zusammen mit dem stärker werdenden Klingenprofil ergibt sich dann der Effekt, dass Geschnittenes an Ort und Stelle liegenbleiben. Diese Effizienz kann ein bisschen süchtig machen, und mir ist klar geworden, dass ich im Bereich der Gyutos keine Klingen unter 24cm mehr erwerben werde.
Getestet habe ich das Messer an allem möglichen Gemüse, Fisch und Fleisch. Überall ergab sich ein gleichmäßig gutes Bild. Das Nashiji-Gyuto erwies sich als sehr guter Allrounder. In der Leichtigkeit des Schnitts war das Kamo-to Kenyo zwar überlegen und als es z.B. darum ging, die holzigen Enden bei einem Bündel Spargel abzuschneiden, zeigte sich, dass die aggressive Schärfe des Shigefusa Santokus hier die Arbeit noch einmal erleichterte, aber das Nashiji Gyuto überzeugte insgesamt durch die Ausgewogenheit der Schnittleistung und die überragende Trennfähigkeit (food separation).
Dass der Shirogami hoch gehärtet ist, wirkt sich positiv auf die Standzeit des Messers aus. Regelmäßig auf Chromoxid-Leder abgezogen, hält es eine gute Gebrauchsschärfe (noch knapp rasierfähig) nun über eine Woche. Die enorme Anfangsschärfe allerdings war nach nur einer Session (rund 2 Stunden am Brett) verloren und müsste wieder mit dem Stein hergestellt werden. Da ich persönlich aber mit einem echten Rasiermesserabzug für den Küchengebrauch wenig anfangen kann, werde ich das Messer zunächst auf guter Gebrauchsschärfe halten. Damit läuft der Shirogami #1 aber deutlich unter seinem Limit, und es war wirklich ein Pluspunkt, dass der Abzug des Machers OTB gezeigt hat, was da möglich ist.
Fazit
Ich hätte mir gewünscht, dass die Klinge sauberer verarbeitet wäre, dann wäre das Nashiji ein Traummesser. Von der Performance her ist es das auf jeden Fall. (Vielleicht ist die rustikale Verarbeitung eine Abgrenzung zu der nochmals deutlich teureren Maboroshi-Linie, die ebenfalls mit Shirogami um die 64-65 HRC operiert.) Das Messer ist mir in der Woche im Gebrauch aber doch ans Herz gewachsen. Da ich meine Messer wesentlich mehr benutze, als sie mir mit der Lupe anzuschauen, sehe ich mich fast immer nur Dr. Jekyll gegenüber und Mr. Hyde tritt in den Hintergrund. Ein paar kosmetische Verbesserungen werde ich aber wohl demnächst selber vornehmen und dann wird Mr. Hyde noch ein Stück weiter verschwinden…. Ganz fort sein wird er bei diesem Messer aber nie.
Hintergrund:
Teruyasu Fujiwara ist Schmied in 4. Generation. In der Geschichte der Familie finden sich Schwertschmiede und Werkzeugschmiede, mit Teruyasu Fujiwara dem vierten liegt der Schwerpunkt auf Küchenmessern.
Bei Gyutos bietet Fujiwara drei Serien an, die Nashiji-Linie und die Maborishi Linie aus Shirogami #1, nach manchen Angaben gehärtet auf 64-65 HRC, und die Denka-Linie aus blauem Papierstahl (Chigusa-cou). Alle Arbeitsschritte werden von Teruyasu Fujiwara selbst durchgeführt. Die Gyutos sind im Sanmai-uchi Verfahren mit weicherem rostfreiem Stahl laminiert. Man kann zwischen Wa- und Ho-Griffen wählen:
http://www.teruyasu.net/products/gyuto.html
Bemerkenswert ist die Preispolitik bei den Gyutos: Im Übergang von den 21er zu den 24er Gyutos findet ein heftiger Preissprung noch oben statt. Unter 21cm ist die Preiserhöhung bei gleicher Längensteigerung bei weitem nicht so abrupt. Ist das nun ein Profizuschlag oder ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass man hier jetzt im ernsthaften Bereich des Schneidens angekommen ist?
Geordert habe ich jedenfalls ein 24cm Nashiji Wa-Gyuto direkt von Teruyasu Fujiwara. Nach rund einer Woche war das Messer fertig und ging auf die Reise. Es kam sehr sicher verpackt an mit mehreren Lagen Polsterung. Als ich vom Zoll abgeholt hatte, habe ich ein paar erste Schnitttests durchgeführt und mich erfreut bei Teruyasu Fujiwara bedankt. Dann habe ich die Klinge genauer in Augenschein genommen und es bereut, die Mail so abgeschickt zu haben…
Daten
• Klingenlänge / Schneidlänge: 255mm / 242mm
• Klingenstärke: 4mm (Kehl) / 2mm (Mitte) / 1mm (1cm vor Spitze)
• Gesamtlänge: 398mm
• Höhe: 55mm
• Gewicht: 175g
• Klinge: San-Mai-uchi: Shirogami #1 (64-65HRC) mit rostfreien Flanken
• Griff: Magnolien-Holz mit Büffelhorn-Zwinge, achteckig (hakkaku)
• Anschliff: beidseitig
Verarbeitung / Fit und Finish
Hier zeigt sich die Mr.Hyde-Natur des Messers: Es kommt gewissermaßen hinkend und übellaunig daher. Im Klartext: Die Verarbeitung war mit Abstand die rauheste, die mir bei einem japanischen Schmied untergekommen ist, und ich bin da eigentlich ziemlich unempfindlich. Der Griff, oft Kritikpunkt an Fujiwara-Messern, allerdings vor allen bei den Ho-Griffen, ist noch gut ausgeführt, liegt satt in der Hand mit kaum spürbaren Übergang von Griff zur Zwinge. Das Bohrloch ist verschlossen, auch bündig. Die Signatur (mei) ist sehr sauber eingeschlagen.
Die Klinge hat dafür etliche Macken: Kehl und Rücken sind weder poliert noch deren Kanten gebrochen, dafür aber unregelmäßig gearbeitet. An Rücken und Kehl sind die beiden Seitenlagen (jigane) leicht höher gezogen als die Kernlage (hagane), wobei die linke Seitenlage die rechte noch leicht überragt. Die Differenz ist gering, aber spürbar. Man kann z.B. den Daumennagel durch die Vertiefung laufen lassen. Richtig zu sehen ist das allerdings nur mit der Lupe. Erst ab Mitte des Klingenrückens sind jigane und hagane dann auf einer Höhe. Auch die Seitenlage sind unterschiedlich dick, wie am Kehl klar zu erkennen ist.
Am der hinteren Schneidkante (ago) findet sich über zwei Millimeter ein Fehlschliff der Schneide, auf der rechten Seite ziehen sich im vorderen Klingendrittel grobe Schleifspuren vom Kasumi-Finish der Fase (kiriha) über die Trennlinie von Stahl und Eisen (hasakai) hinweg bis kurz vor die Schneidkante.
In anderen Berichten über die Nashiji Linie aus amerikanischen Foren wurden ähnliche Mängel mehrfach beschrieben. Kontaktiert man den Macher, ist er wohl bereit, die Mängel auf Kundenwunsch nachzuarbeiten, sieht sie aber selber aber nur als kosmetische Mängel an, die die Funktion nicht beeinträchtigen. Man muss die Versandkosten tragen.
Klingengeometrie:
Das Nashiji ist schlank, aber ausreichend robust mit einer sehr feinen Spitze. Der Kehl zeigt die Unregelmäßigkeiten des Schichtenaufbaus. Wie immer, gibt es als Beleg nur Bilder:
Performance
In der Leistung wandelt sich das Messer, das man gerade noch kritisch beäugt hat, zurück zum genialen Dr. Jekyll. OTB kam es enorm scharf. Papier ließ sich ohne spürbaren Widerstand schneiden, und auch wenn die meisten japanischen Klingen bei mir in irgendeiner Weise rasierfähig ankamen, war das Nashiji das erste Küchenmesser, mit dem ich mich wirklich hätte rasieren wollen. Es glitt sanft und ohne jede Reizung über den Unterarm und hinterließ dort mit einem Zug eine enthaarte Schneise. Diese feine Schärfe des Shirogami hat mich sehr beeindruckt.
Im anfänglichen Gebrauch – und das war ein Novum für mich – war mir das das Messer fast zu scharf. Der reine Druckschnitt endete unweigerlich damit, dass das Messer in die harte Eberesche einschnitt, ebenso im Wiegeschnitt. Dieses knirschende Geräusch… Hier musste man einen sanften Druck-Schiebeschnitt anwenden und die Klinge laufen lassen, dann sprang das Schnittgut fast auseinander.
Erfreulicher Weise zeigte sich, dass das Nashiji-Finish (Birnenhaut) sehr gute Anti-Haft-Eigenschaften hat, vor allem wenn man die Klinge mit deutlicher Vorwärtsbewegung durch das Schnittgut schiebt. Zusammen mit dem stärker werdenden Klingenprofil ergibt sich dann der Effekt, dass Geschnittenes an Ort und Stelle liegenbleiben. Diese Effizienz kann ein bisschen süchtig machen, und mir ist klar geworden, dass ich im Bereich der Gyutos keine Klingen unter 24cm mehr erwerben werde.
Getestet habe ich das Messer an allem möglichen Gemüse, Fisch und Fleisch. Überall ergab sich ein gleichmäßig gutes Bild. Das Nashiji-Gyuto erwies sich als sehr guter Allrounder. In der Leichtigkeit des Schnitts war das Kamo-to Kenyo zwar überlegen und als es z.B. darum ging, die holzigen Enden bei einem Bündel Spargel abzuschneiden, zeigte sich, dass die aggressive Schärfe des Shigefusa Santokus hier die Arbeit noch einmal erleichterte, aber das Nashiji Gyuto überzeugte insgesamt durch die Ausgewogenheit der Schnittleistung und die überragende Trennfähigkeit (food separation).
Dass der Shirogami hoch gehärtet ist, wirkt sich positiv auf die Standzeit des Messers aus. Regelmäßig auf Chromoxid-Leder abgezogen, hält es eine gute Gebrauchsschärfe (noch knapp rasierfähig) nun über eine Woche. Die enorme Anfangsschärfe allerdings war nach nur einer Session (rund 2 Stunden am Brett) verloren und müsste wieder mit dem Stein hergestellt werden. Da ich persönlich aber mit einem echten Rasiermesserabzug für den Küchengebrauch wenig anfangen kann, werde ich das Messer zunächst auf guter Gebrauchsschärfe halten. Damit läuft der Shirogami #1 aber deutlich unter seinem Limit, und es war wirklich ein Pluspunkt, dass der Abzug des Machers OTB gezeigt hat, was da möglich ist.
Fazit
Ich hätte mir gewünscht, dass die Klinge sauberer verarbeitet wäre, dann wäre das Nashiji ein Traummesser. Von der Performance her ist es das auf jeden Fall. (Vielleicht ist die rustikale Verarbeitung eine Abgrenzung zu der nochmals deutlich teureren Maboroshi-Linie, die ebenfalls mit Shirogami um die 64-65 HRC operiert.) Das Messer ist mir in der Woche im Gebrauch aber doch ans Herz gewachsen. Da ich meine Messer wesentlich mehr benutze, als sie mir mit der Lupe anzuschauen, sehe ich mich fast immer nur Dr. Jekyll gegenüber und Mr. Hyde tritt in den Hintergrund. Ein paar kosmetische Verbesserungen werde ich aber wohl demnächst selber vornehmen und dann wird Mr. Hyde noch ein Stück weiter verschwinden…. Ganz fort sein wird er bei diesem Messer aber nie.
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