Es fing alles ganz harmlos mit zwei Fragen nach einer Schleifanleitung und nach relativen Härtegraden von Messerklingen im Vergleich zu Diamant an und nun nähern wir uns einem Glaubenskrieg um den wirklichen Wert teurer Messer.
Ich denke, dieses Thema kann man entschärfen, wenn man mal wirklich scharf hinschaut.
Man kann dann sehr schnell feststellen, daß es letztlich eine Frage des Anspruchs ist.
Unbestreitbar richtig ist es, daß man für wenig Geld gute Messer machen kann. Die Menschheit arbeitet seit mindestens 3000 Jahren mit Stahl und eine echte wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Material ist auch schon mehr als 100 Jahre alt. Im Laufe dieser Zeit haben sich bestimmte Kategorien von Stählen als für Schneidzwecke besonders geeignet herausgestellt. Wenn es um das bloße Schneiden ging, war die Entwicklung schon vor 100 Jahren weitgehend abgeschlossen. Die Rasiermesser unserer Großväter und Urgroßväter waren qualitativ eher besser, als die, die jetzt auf dem Markt sind.
Einen gewissen Einschnitt- und streng genommen einen Rückschritt- in der Entwicklung der Schneidkultur hat die Entwicklung rostbeständiger Stähle gebracht, die die Schneideigenschaften guter Werkzeugstähle nicht in allen Punkten erreichen. Man hat diese Probleme aber durchaus zufriedenstellend gelöst.
Der seit knapp 100 Jahren bekannte Stahl 1.4034 ist gut und billig und man kann aus ihm Messer machen, die allen Anforderungen in ordentlicher Weise gerecht werden. Die Verwendung anderer Stähle aus der Fraktion der "korrosionsbeständigen" hat nichts mit besseren Schneideigenschaften zu tun, sondern im Spülmaschinenzeitalter mit verbesserter Korrosionsbeständigkeit.
Wenn man wollte, könnte man aus diesem Stahl Kochmesser für unter 10 Euro machen, die besser schneiden würden, als es die meisten Menschen je erlebt haben oder erleben werden.
Da man bei der industriellen Fertigung aber mit den Kosten und der Tölpelhaftigkeit der Anwender rechnen muß, spart man in der Regel aufwendigere Fertigungsmethoden und geht bei der Härtung mehr in Richtung Bruchsicherheit als in Richtung Schneideigenschaften. Daher bleiben die industriellen Erzeugnisse oft hinter den Möglichkeiten zurück, die der verwendete Stahl eigentlich bieten würde.
Hat man höhere Ansprüche, so können die Eigenschaften Schneidhaltigkeit, Schärfbarkeit usw. aber durchaus gesteigert werden.
Ob man das will und wieviel Geld man für Mehrleistungen auf diesem oder jenem Gebiet ausgeben will, sollte jedem überlassen bleiben.
Im Rahmen eines Vortrags über die verschiedenen Kategorien der Damaszenerstähle habe ich sie zur Veranschaulichung mit Autos verglichen-vom Kleinwagen bis zum Ferrari. Alle fahren von A nach B, das Fahrvergnügen ist aber für den, der darauf anspricht durchaus unterschiedlich.
Die gute, dem Verwendungszweck angepasste Klinge unterscheidet sich von dem Durchschnittsprodukt durch bessere Schärfbarkeit im Sinne der Verbesserung der erreichbaren Schärfe, bessere Stabilität der feinen Schneidkante, höhere Standzeit bis zum Nachschärfen und ganz einfach durch die Freude, die sich beim Arbeiten mit einem wirklich guten Werkzeug ergibt.
Jean Tritz hat für Timm Mälzer ein Kochmesser gemacht und sie haben sich in einer von Mälzers Sendungen über das Vergnügen unterhalten, mit einem solchen Werkzeug zu arbeiten: Der Spaßfaktor ist einfach wesentlich höher.
Um ein anderes Beispiel zu gebrauchen: Warum sind hübsche Frauen und Mädchen so begehrt, wo es doch eine ganz normale durchschnittliche Person auch tun würde ?
Zu den Erfahrungen der Köche: Albino müßte hier was beisteuern können. Im übrigen bin ich bezüglich des Messerwissens unserer Köche eher skeptisch. Wenn man sieht, wie Sterneköche in den Kochsendungen mit ihren Messern umgehen, kann es einen schon grausen.
Zur zweiten Frage nach den Schneidenwinkeln:
Rasiermesser und Kochmesser für feine Schnitte (weiches Gemüse, Fisch, Fleisch) kleiner als 15 Grad.
Allroundeinsatz bei Werkzeugstählen zwischen 20 und 30 Grad, bei korrosionsbeständigen Stählen 30-40 Grad.
Äxte und ähnliches 30 Grad-es kommt hier weniger auf den Schneidenwinkel an, als vielmehr auf die Masse, die hinter ihm liegt und von der er gestützt wird. Ein Axtblatt, das selbst nur 3 mm dick wäre, wäre instabil, auch wenn die Schneide vorn mit 90 Grad angeschliffen wäre.
MfG U. Gerfin