Tieftemperatur ja oder nein? [1.2510 + 1.2442]

Messer-Timo

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Hallo zusammen,

für den morgigen Härtetag würde ich schon heute euere moralische Unterstützung und Erfahrung benötigen.

2 Messer aus 1.2510 und 1.2442 (normalisiert und spannungsarm gelüht) sollen gehärtet werden. Austenitisierungstemp. 800 Grad, abschrecken in Öl. Anlassen 2x bei 200 Grad, 1-2h Haltedauer.

Ich mache mir gerade in die Hose, weil ich nicht weiß, ob ich nach dem Abschrecken tieftemperaturbehandeln soll oder nicht. „Tieftemperatur“ heißt bei mir: Trockeneis (also -79 Grad). Es wäre bei diesen Stählen sicher sinnvoll, aber ich frage mich, ob ich mir da nicht Risse einfange…..

Es fehlt mir hierzu absolut die praktische Erfahrung.

Könnt ihr mich hierzu ermutigen, oder mir davon abraten ?

Es grüsst euch

timo

PS: Die Klingengeometrie gibts hier: http://www.messerforum.net/showthread.php?119935-7-auf-einen-Streich
 
Halloho,

oha - da muss ich als Anfänger nachfragen:

1.2510 (und 1.2442) sind doch aufgrund ihres
Kohlenstoffgehaltes Kandidaten zur Restaustenitbildung ?!
Uddeholm schlägt fuer 1.2510 auch eine Tieftemp.behandlung
vor, wenn die Werstückgeometrie nicht rissanfällig ist.

Im Netz fand ich noch einen Hinweis (,,Studie,, ist übertrieben...)
darauf, dass 1.2510 sehr wohl von einer Tieftemp.behandlung profitiert.

Oder meinst Du, dass es deshalb unnötig ist, weil der Restaustenit beim
Anlassen umwandelt ?



Grüße sendet

timo
 
Timo,

darf ich dir das mal ans Herz legen.

http://www.google.com/url?sa=t&rct=...=mH6vPise3IQeux-slncZ4g&bvm=bv.51156542,d.ZG4

Eine Artikel über "Stahl und sein Verhalten bei der Wärmebehandlung". Der obige link führt dazu, dass ein Downloadfenster aufgeht, wo du auf öffnen mit Adobe Reader klicken musst.

Ich zitiere mal daraus zum Tiefkühlen.

"1.1.5 Tiefkühlen
Beim Abkühlen von der Härtetemperatur beginnt die Austenit/Martensitumwandlung beim soge-nannten Martensitpunkt Ms. Die Martensitumwandlung ist im wesentlichen kein isothermischer Vorgang, d.h. sie schreitet praktisch nur mit sinkender Temperatur fort. Bei den meisten Stählen ist die Martensitbildung bei Raumtemperatur noch nicht beendet, es sind also noch gewisse Mengen Restaustenit vorhanden. Wenn nun dieser Restaustenit auch noch zur Umwandlung gebracht werden soll, muss die Temperatur gesenkt werden.
Eine möglichst 100%ige Austenitzersetzung kann aus verschiedenen Gründen von Bedeutung sein. Bei Präzisionsteilen, Messinstrumenten und Lehren ist es wichtig, dass im Laufe der Zeit keine Massveränderungen eintreten. Diese Forderung kann nur erfüllt werden, wenn das Gefüge vollständig stabilisiert ist. Bei gewissen Stahlsorten, insbesondere bei hoch Cr-legierten Stählen spielt sich die Austenit-Martensit-Umwandlung sehr träge ab, so dass bei Raumtemperatur noch beträchtliche Mengen Restaustenit vorliegen. In diesen Fällen kann eine weitere Umwandlung, bzw. eine Gefügestabilisierung nur durch eine Tieftemperaturbehandlung erreicht werden.
Um erfolgreich zu sein, muss das Tiefkühlen unmittelbar nach dem Abschrecken erfolgen, weil sich sonst der Austenit stabilisiert. Eine Behandlung bei -85°C würde ausreichen. Es ist jedoch üblich, Kühlmittel, wie flüssiger Stickstoff oder flüssige Luft, bei Minustemperaturen von ca. 180°C zu verwenden. Es ist nicht nötig, das Werkstück auf dieser Temperatur zu halten, weil sich die Umwandlung während des Abkühlens vollzieht.
Die besten Erfolge erzielt man bei Stahl mit 12% Cr. Unlegierte und niedriglegierte Werkzeugstähle ergeben nur unwesentliche Verbesserungen. Ebenso ist bei richtig gehärteten und zweimal angelassenen Schnellstählen nur eine bescheidene Härte- und Leistungssteigerung möglich. Eine Erhöhung der Härte und Verschleissfestigkeit kann dagegen bei legierten Einsatzstählen, die stark zu Restaustenit in der Einsatzschicht neigen, festgestellt werden.
Durch Tiefkühlen wird oft auch die Neigung zur Bildung von Schleifrissen wesentlich herabgesetzt.
Um die Massveränderung im Zusammenhang mit dem Restaustenit besser zu verstehen, sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Umwandlung von Austenit in Martensit von einer Volumenvergrösserung begleitet wird."



yaammoo
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Miteinander,

und Danke Dir für den Link - dieser ist mir bekannt.
Entschuldigt, wenn ich draufrumreite - ich verspreche, ich bin alles andere als Beratungsresistent !
Kann es sein, dass ich/wir Theorie und Praxis verwechseln bzw. unterschiedlich bewerten. AUs dem Text im Link und der von mir herangezogenen Literatur (Läpple, Weißbach und Landes) geht ja klar hervor, daß beim Härten von 1.2510 und 1.2442
Restaustenit im Gefüge verbleibt, welcher sich durch eine Tieftemp.behandlung beseitigen bzw. verringern lässt.

Ob das in der Praxis für ein Messer Sinn macht, steht auf einem anderen Blatt. Bei einem Messer brauche ich ja keine Maßhaltigkeit bis auf den Mikrometer - von daher kann man sich Geld und Zeit für die Behandlung sparen.

Nun komme ich aber zugegebenermaßen sehr von der theoretischen Seite her und sage mir: Restaustenit ist unerwünscht, also weg damit. Es kostet mich nicht viel Aufwand (CO2 gibts hier ums Eck). Roman Landes hebt auch die positiven Effekte hervor.

Selbst wenn es nur ein paar Prozent Verbesserung bringt.... Guckt mal hier bei "Verbesserung der Verschleißrate"
http://www.linde-gas.de/internet.lg...ryogenic_Box_Freezer_CBF[1].__de565_71032.pdf

Selbst wenn die Werte geschönt sind - das nehm ich doch mit, wenn es mit vertretbarem Aufwand machbar ist.

Oder was sehe ich da falsch ?

Vielen Dank für eure Hilfe und Geduld !

Timo

PS: Hier noch der Link zu Uddeholm (warum sie allerdings 2-3h veranschlagen weiß ich auch nicht...)
http://www.uddeholm.de/german/files/downloads/Arne_ty-99.pdf
 
Wenn die Beschaffung von Kältemittel keine Mühe macht, würde ich es auch machen ... sollte dann ein feinkörnigere, kantenstabilere Schneide, mit etwas höhere Härte bescheren ...

Gruß Jürgen
 
rein theoretisch ist die Sache eindeutig: Tiefkühlen nach dem Härten und vor dem ersten Anlassen, denn Restaustenit ist Mist, entweder weich oder nach Druckbeanspruchung in unangelassenen Martensit gewandelt spröde. Also weg damit.

Die Bedeutung in der Praxis ist weniger deutlich. Restaustenit ist eh erst bei übereutektoiden Stählen möglich und dann (bei niedrig legierten Stählen) auch nur, wenn mehr C in Lösung gebracht wurde bei der Härtung, als notwendig, sprich: wenn Härteteperatur zu hoch oder Zeit zu lang. Klar ist die Härtung ein Kompromiss, da die dünne Spitze weniger Zeit benötigt, als die Klinge am Übergang zum Ricasso.
Trotzdem: ...so aus dem Bauch heraus: wenn eine Klinge bei optimierter Wärmebehandlung ( Zeit und Temperatur passen, Gefüge vor dem Härten möglichst gut, also gut spannungsarm und weichgeglüht), wird man kaum merkliche Vorteile aus dem Tiefkühlen in der Praxis feststellen.

Und wiederum trotzdem: es schadet ja auch nix, also warum nicht machen?

Unterm Strich: Erstmal Zeit und Aufwand in einen guten Ausgangszustand für die Härtung stecken, dann erst über das TK nachdenken ;-)

VG,
torsten
 
Hallo Torsten,

wie schon gesagt ist die Martensitbildung nach dem Abschrecken nicht abgeschlossen. Es verbleiben knapp 10% Restaustenit im Stahl, variiert je nach Stahl. Ersichtlich auch in den ZTU Schaubildern die es für jeden Stahl gibt. Die Linie unten Links waagerecht mit einem Knick nach unten zeigt den Restaustenitgehalt an. Die Martensitbildung erfolgt bei Temperaturen zwischen ca. 250 und 150°C, Der Bereich ist für die verschiedenen Stähle etwas unterschiedlich. Man erreicht die vollständige Umwandlung durch weiteres Abkühlen wobei ich die -79°C sagen kann ob das gelingt. Aber durch 3 x 1 h Anlassen, wobei der erste Anlassprozess zwischen 170 und 220 °C die Endhärte bestimmt und zwei mal 1 h bei ca. 150 - 170 °C die Martensitbildung abschließt, also 3 x 45 min gehen auch, wenn das Material nicht allzu dick ist.

In der Praxis macht das keiner. Ist viel zu teuer. Ich mache das allerdings doch seit ich das weiß.

Grüße

DHO
 
Hallo miteinander,

dann ist ja ganz einfach die vorausgehende Wärmebehandlung die Pflicht, gefolgt von der Tieftemp.behandlung als Kür.
Eine Tieftemp.beh. macht eine bescheidene Wärmebehandlung nicht wett, ist aber für eine gelungene Wärmebehandlung das Tüpfelchen auf dem "i".

Da ich annehme, dass ich im Vorfeld alles richtig gemacht habe, das CO2 im Nachbarort jeden Tag frisch gemacht wird und auch ein Transportbehältnis vorhanden ist (wir arbeiten in unserem kleinen Weinbau im Herbst mit CO2), fiel mir die Entscheidung leicht.....

Achja: Um auf die ursprüngliche Fragestellung zurückzukommen: Risse gab es nach dem Aufenthalt der Klingen im Trockeneis nicht.

Es grüßt euch

Timo
 
@DHO: ja klar, Umwandlung von Austenit zu Martensit ist bei Raumtemperatur (je nach Legierung mehr oder weniger) nicht abgeschlossen -> Restaustenit im Gefüge -> der muss weg.
Für niedriglegierte Stähle (die schnell Umwandeln) gibts es zur Beseitigung zwei Wege:
- Tiefkühlen, um die Umwandlung beim Abkühlen möglichst vollständig zu erzielen
- Anlassen, da dadurch feine Karbide ausgeschieden werden und der Restaustenit soweit an C verarmt, dass er noch zu Martensit umklappt. Daher auch das zwei- oder mehrmalige Anlassen, um neu gebildeten, unangelassenen und damit relative spröden Martensit in angelassenen, zäheren Martensit zu wandeln.

Unterm Strich, und ich wiederhole mich (sry, ist nicht anmaßend gemeint), bleibe ich aber bei der Position:
Ein sorgfältig wärmebehandelter niedriglegierter Stahl (weichgeglüht, spannungsarmgeglüht, gehärtet, angelassen - bei an die Materialstärke optimierter Härtetemperatur und - Haltezeit) zeigt in der Praxis keine merklichen Vor- oder Nachteile gegenüber einer Tiefkühlung direkt nach dem Härten und darauf folgendem Anlassen.

.... da machen sich ein paar mehr hunderstel Milimeter Änderung der Schneidendicken oder ein paar Grad steilerer Schneidenwinkel wesentlich mehr bemerkbar. ... würde ich so aus dem Bauch heraus schätzen. Ist zwar nicht belegt, kenne aber auch nichts, was sich damit haltbar beschäftigt hat.

Aber auch klar, wenn es nich' viel kostet: TK! Optimierung ist immer gut. Allerdings kommt mir da auch immer wieder spontan die Diskussion aus dem HIFi-Bereich um Goldkontakte und mystische Kabel vor Augen. Na ja, vlt. mag ja jemand mal einen Vergleichsversuch in die Richtung erdenken und wir testen das mal ;-)

VG,
Torsten
 
Zuletzt bearbeitet:
... interessant ist dabei auch noch die Aufheizgeschwindigkeit; wenn man mal z.B. in Richtung induktiv gehärteter klingen schaut; das sind feine Messer!

VG,
Torsten
 
Guten Morgen !

Eine Sache spricht für mich stark gegen die Tieftemperaturgeschichte: Wenn die Werte aus dem obigen Linde-Link halbwegs korrekt sind, warum ist das Tiefkühlen dann kein Standardverfahren in der Industrie bzw. Härtereitechnik ? Ich wär doch schön blöd, wenn ich auf diesen (teils enormen) Zugewinn verzichten würde ?!

Eine erste schnelle ( = Messer nicht ueberschliffen und Messstelle nicht poliert) Messung ergab für den 1.2510 61 HRC, 1.2442 62 HRC
und 1.2714 (den ich auch noch durchgezogen habe) 50 HRC. Angelassen 2x 2h bei 200°, 1x 1h bei 150°
Die ersten beiden liegen exakt laut Tabelle (ZUfall würd ich sagen...). 1.2714 ca. 4HRC unter dem Sollwert.

Dies mal vorab.

Timo
 
Für die alltägliche industrielle Verwendung dieser Stähle ist die standardisierte WB bezüglich Gefüge ausreichend. Man arbeitet auch beim maschinellen Schnitt nur äusserst selten mit so feinen Geometrien, wie sie bei Handmessern üblich sind. Extras kosten extra, ist eben mehr Aufwand damit verbunden. Wobei ich auch kurz ansprechen möchte, weshalb Du über 3h für TK gestolpert bist:
solche Angaben sind auf gößere Querschnitte, bzw. auf die von standardisierten Laborproben bezogen, z.B. D 20, 25 oder 30mm. Oder eben solche Dimensionen und Formen, wie sie auf dem Datenblatt als Bilder von Stanz- und Umformwerkzeugen zu sehen sind. Es sind eben fast alles ursprüngliche und hauptsächliche Werkzeugstähle und keine reinen Messerstähle - rein technisch/technologisch betrachtet.

Das ist etwas ganz anderes, als ein dünnes, keiliges Messer von 30 bis 40mm Breite (Höhe), was am Rücken nur 3 oder 4mm dick ist. Darum sollte man u.a. auch die Haltezeiten auf seinen verwendeten Querschnitt runterrechnen. Also bei einem Rohling von z.B. 4(Rückendicke)x40x200mm nicht 1h auf 850°C, sondern nur 2-3min zum Austenitisieren halten.

Gruß Andreas
 
(...) sondern nur 2-3min zum Austenitisieren halten.

Du meinst aber damit das reine Halten, dazu käme dann noch die Zeit, die zum Aufheizen benötigt wird, oder?

@Messer-Timo: Bzgl. Härtetemperatur/ -zeit lohnt Probieren, bis man die richtige Kombi aus Temp. und Zeit raus hat. Ich hab das mal gemacht, aus Interesse (ging aber dabei 'nur'um die Temp., nicht um die Zeit, da habe ich 10min vorgegeben, s.u.). Auf Klingenquerschnitt geschliffen, in gleich lange Stücke geteilt und bei verschiedene Temperaturen gehärtet. Dann Glasritztest zum ungefähren Bestimmen der Härte (vor allem, ab welcher Temp./ Zeit genug C in Lösung gegangen ist). Angelassen, nochmal Glasritztest. Die mindeste Härtetemp. ist damit klar. Dann Bruchprobe und das Gefüge unter Lupe und niedrig vergrößerndem Mikroskop angeschaut. Feiner Martensit muss matt aussehen, zu hoch/ zu lang gehärtet führt zu grobem Korn. Das sieht dann glänzend aus und der Bruch wikrt nicht mehr fein. Zudem kann man beim Brechen auch den Winkel mit im Auge haben, wie "spröde" das Material sich verhält. Ist schon einige Jahre her, dass ich das gemacht habe, ich weiß aber noch, dass bei Klingenquerschnitt der 1.2842 schon ab 770°C statt im Datenblatt angegebenen 790°-820°C gut gehärtet war bei 10min Haltezeit. Für den 1.2002 (Feile) passten 760° statt den angegebenen 770°-800°C.. Klar hätte man an der Haltezeit noch was drehen können, allerdings ich nicht. Ich habe 'nen ziemlich kleinen Härteofen mit PID-Regler . Da fällt die Temperatur des Ofens schnell und heftig beim Öffnen der Klappe ab, von daher rechne ich ca. 6min fürs Wiederaufheizen auf Härtetemp. und Aufheizen der Klinge und 4min Haltezeit auf Temp. .
Für den 1.2510 habe ich das leider damals nicht gemacht, aber is ja auch abhängig vom Ofen und der Stahlcharge und dem Klingenquerschnitt.

VG,
Torsten
 
Guten Morgen zusammen,

gestern kam mir so der Gedanke: Wenn ich wirklich wissen möchte, ob ich ein Werkstück (= Messer) gut gehärtet habe, dann hilft mir eine Härtebestimmung nicht wirklich weiter, sondern ich müsste das Gefüge angucken. Wenn ich das nicht mache, dann muss ich glauben oder darauf vertrauen, daß ich alles korrekt gemacht habe.
Dann bleibt "nur" abzuwarten, wie sich das Messer in der Praxis verhält: Habe ich es tägöich im Einsatz, und nur alle Monate nachschleifen müssen, und nach 5 Jahren ist nix ausgebrochen, geschweige denn gebrochen, dann weiß ich im Nachhinein: Alles richtig gemacht :)

Eine Versuchsreihe wie von Dir, Thorsten, bringt das Härten (vorallem im eigenen Arbeitsumfeld !! (Ofen, Öl, Stahl...)) sicherlich auf ein Optimum. Wenn ich weiter am Messerbasteln dranbleibe, werde ich sowas auch auf meine to-do-Liste setzen.

Eine Frage zu den Haltezeiten, insbesondere dem Austenitisieren:
Dass das Aufheizen auf Temperatur unterschiedlich lange dauert ist klar - je nach Materialstärke. Der Umwandlungsvorgang in Austenit
bzw. das Auflösen von Carbiden ist ein Vorgang, der Zeit benötigt. Dann ist es doch eigentlich egal ob mein Werkstück 100mm dick ist, oder 4mm. Wenn es ausf Temperatur ist, muss ich es so lange halten, bis die Umwandlung abgeschlossen ist. Selbst bei nem 0.01mm-Bandstahl.
Die Haltezeiten variieren dann nur noch abhängig von der Temperatur.

Oder ist es so (aber das habe ich bisher nicht so verstanden), daß mit dem Erreichen der Umwandlungstemp. die Umwandlung auch innerhalb von Sekunden(bruchteilen) abgeschlossen ist ?
Das würde ja bedeuten, daß ich eigentlich nicht halten muss, sondern "nur" das Werkstück bis in den Kern die Umwandlungstemp. erreichen muss ?

Oder falle ich da jetzt wieder auf der anderen Seite vom Pferd.... Ich glaube für mich gibt es nur schwarz oder weiß :)

Grüße sendet

Timo
 
Torsten:
Natürlich, die Haltezeit zählt erst dann, wenn man die Temperatur erreicht hat. Anders gehts es ja nicht. Je nach Ofenleistung dauert das Aufheizen ja schon fast eine Stunde, die Haltezeit ist da aussen vor, die ist für sich ein fester Wert.

Timo:
Ein dicker Stahl muss länger durchwärmen, deshalb braucht eine Messerklinge keine Stunde, um auf Temperatur zu kommen. Das Werkstück muss komplett auf gleicher Temperatur sein, vom Rand bis in den innersten Kern. Der ist bei einem 4mm dünnen Rohling selbstverständlich schneller auf Temperatur, als ein 30mm Zylinder. Darum wird auch bei manchen Dimensionen ein Halten auf Zwischentemperatur empfohlen, um die Temperaturdifferenz von innen nach aussen stetig auszugleichen. Auch um Verspannungen und Risse zu vermeiden.

Um es bildlicher zu machen:
Nimm einen Streichholz, brenn den an und mach das gleiche noch mal mit einem Besenstiel - ist nicht 1:1, es soll nur zur Plausibiltät dienen :cool:

Gruß Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
@messer-timo:
Es gibt da auch noch Zusammenhänge zwischen Aufheizgeschwindigkeit, Haltezeit sowie der Homogenität des Austenits. Es ist ein Lösevorgang dabei, der entstandene Austenit muß den Kohlenstoff lösen, damit nachher martensitische Härte entsteht. Und solche Vorgänge brauchen Zeit, da letztlich alles Diffusion ist.
Wenn Du Spaß an solchen Untersuchungen hast, solltest Du Dir mal den Atlas der Wärmebehandlung der Stähle ausleihen (Uni, Fernleihe der örtlichen Bücherei,....
Du hast Recht, nicht nur Härtemessungen machen, sondern auch Gefügeangucken.
Man kann ja am Messer hinten am Griff ein Stück Material überstehen lassen, vorher aber tief einschneiden, so dass man nach dem Härten das abbrechen kann. Nachher halt beischleifen. Man hat dann Gefüge, Bruch, Härte, etc. an einem Probestück.
Hab ich mal an meinem ersten Messer (Nicker aus 1.2510) gemacht. Sehr interessant, was da rauskommt.

@xtorsten: hast Du die Probestücke noch? Wäre eine Idee, daran noch Schliffbilder machen zu lassen! ich glaube, ich könnte das hinkriegen.
 
herbert: ich weiß es nicht genau. Zum letzten Mal hatte ich sie vor zwei Jahren in der Hand, als wir in unser neues (altes) Haus umgezogen sind - dabei habe ich aber gründlich aussortiert, hm...
... die Idee ist aber toll, ich schaue nach.

Die Aufheizgeschwindigkeit hatte ich außen vor gelassen, aber die ganze Zeit schon induktive Härtung von dünnen Querschnitten (ist allerdings ein Sonderfall, z.B. bei Sägeblättern gebräuchlich) im Kopf, wo superschnell auf recht hohe Härtetemperatur bei kaum Haltezeit erhitzt wird. Hat man da alle Parameter ordentlich im Griff, ergibt das überraschend hohe Härte bei feinstem Gefüge.

@Messer-Timo: Herbert hat es ja schon geschrieben - Austenitisieren ist ein Diffussionsvorgang, der Zeit benötigt. Wie schnell sich die Karbide lösen hängt maßgeblich vom Ausgangsgefüge ab. Beim normalen Abkühlen nach dem Walzen von höher C-haltigen, niedriglegierten Stählen auf Raumteperatur ohne zwischenzeitliches Halten zum Weichglühen entsteht z.B. Perlit, das bedeutet Karbidstreifen im Gefüge, die sich schlecht lösen und entsprechend Zeit bräuchten. Von daher wird der Stahl weichgeglüht. Nicht nur, um die Bearbeitung zu vereinfachen, sondern auch, um die Karbide in kleine "Kügelchenform" bei feiner und gleichmäßiger Verteilung zu bringen. Das ist der beste Ausgangszustand für eine gute Härtung, denn die Lösen sich schnell und die Diffusionswege sind so kurz also möglich. Je nach Wärmebehandlung und Stahlcharge wird also die Haltezeit auf Temp. variieren. So wie ich Deine Beiträge hier gelesen hab, weißt Du das wahrscheinlich schon, aber vlt. stolpert ja mal jemand anderes über den thread hier und kann mit der Info was anfangen.

VG,
Torsten
 
gut gesagt und richtig, torsten. Das fehlte noch , um alles komplett zu machen. Aus dem Schmieden empfiehlt sich Normalisieren, wenn man gekauften Stahl nimmt, ist der normalerweise im weichgeglühten Zustand gut eingestellt.

Wird übrigens im Verhoeven alles sehr schön dargestellt, insofern möchte ich meinen Hinweis auf den Atlas der Wärmebehandlung etwas modifizieren und ergänzen.

@torsten: wäre echt klasse, wenn die Stücke noch da wären. So eine Untersuchung wollte ich immer schon mal machen, jetzt habe ich wieder mehr experimentelle Möglichkeiten.
 
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