Hi Herr Kraft,
ich hab ja mal ne Arbeit (allerdings fürs Fach Geschichte) über historische Schweißmusterstähle geschrieben. Meiner Ansicht nach, können beim Rennofenprozess tatsächlich keine metallischen Legierungselemente sowie Silizium in den Stahl gelangen. Ich hab mindestens hundert versch. Analysen alter und neuer Renn-Stähle ausgewertet und die maximalen Konzentrationen von Mn und Si lagen bei 0,1%. Osann und Krite gehen aber davon aus, dass diese Werte durch Schlackeeinschlüsse im Stahl entstehen. Hier mal nen Auszug meiner Arbeit:
5.4 - Welche Legierungselemente sind in historischem Eisen/Stahl enthalten?
Neben dem Hauptelementen Eisen und Kohlenstoff können modernen Stählen eine Vielzahl verschiedener Legierungselemente wie Chrom, Vanadium, Wolfram usw. beigemischt sein, die sich wiederum auf die physikalischen Eigenschaften des Stahls auswirken. Diese Legierungselemente werden den Stählen gezielt beigemischt, um bestimmte Eigenschaften der Stähle zu optimieren.
Um eine objektive Einschätzung der Mechanik historischer Stähle (insbesondere Schweißmusterstähle) zu ermöglichen, ist es nötig herauszufinden, welche Legierungselemente in historischen Stählen vorhanden sein konnten. Eine aufschlussreiche Auflistung diverser Analyseergebnisse versch. im Rennofen hergestellter Eisen- und Stahlteile von der Völkerwanderungszeit bis ins 15. Jahrhundert wurde von Eberhard Schürmann aufgestellt. Bei der spektrometrischen Analyse diverser Eisenteile (darunter Nägel, Kettenglieder, Axtköpfe, Schwerter, Messer, Mauerharken, Pfeilspitzen) konnten ausschließlich sehr geringe Spuren metallischer Legierungselemente nachgewiesen werden. Ausschließlich die Elemente Kohlenstoff und Phosphor konnten in stark variierenden Konzentrationen zwischen 0,02% bis 0,7% für Kohlenstoff und 0,05% bis 0,9% für Phosphor nachgewiesen werden. Der Autor verweist darauf, dass zwar in einigen Proben auch erhöhte Mangan- und Siliziumkonzentrationen nachgewiesen werden konnten, diese Elemente sein jedoch ausschließlich in der Schlacke enthalten, die bei den im Rennofen verhütteten Stählen als feine Einschlüsse im Gefüge vorliegt und somit als Legierungselement keine direkten Auswirkungen auf die Eigenschaften des Eisens/Stahls haben.
Diese Beobachtungen decken sich auch mit diversen anderen Untersuchungen. So konnte z.B. Bernd Zimmermann in seiner Dissertation (2002) 85 mittelalterliche Geschossspitzen sowie Vergleichsartefakte aus der römischen Kaiserzeit, und der frühen Neuzeit analysieren. Es wurden ausschließlich Raffinierstähle untersucht, also Rennstähle, die bereits durch mehrfaches Falten und Ausschmieden gereinigt und homogenisiert wurden. Neben Kohlenstoff wurden die Konzentrationen von 13 weiteren Elementen untersucht. Die Folgenden Werte geben den Mittelwert der Analyseergebnisse an:
Fe 97,00
C 0,2
P 0,4
S 0,2
Die angegebenen Zahlen sind in %.. Nicht aufgeführte Elemente waren entweder unterhalb der Nachweisgrenze oder unter 0,1% und somit aus metallurgischer Sicht nicht relevant.
Diese Angaben werden auch durch eine Vielzahl von Analysen, die an „modernen“ im Rennofen verhütteten Stählen durchgeführt wurden, bestätigt:
Im Sommer 2010 gelang es Achim Wirtz in einem archäologischen Experimant einen japanischen Tataraofen nachzubauen und erfolgreich zu fahren. Während einer Ofenreise wurden 1300 Kg hämatitisches Erz verhüttet und eine ca. 400 Kg schwere Eisenluppe mit unterschiedlichem Kohlungsgrad gewonnen. Ein Teil der Luppe wurde bereits analysiert. Die Analysewerte zeigen deutlich, dass keine Legierungselemente außer Kohlenstoff in nennenswerten Mengen in den Stahl gelangt sind :
Tabelle I (siehe Anhang)
Sehr aufschlussreich sind auch die Analysen von Alfred Bullermann aus dem Jahr 1999. Er ließ ein Luppenstück, welches er aus frisoyther Raseneisenerz im Rennofen verhüttet hat, an fünf Stellen von dem Institut für Eisenhüttenkunde der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen analysieren. Typisch für das frisoyther Raseneisenerz ist ein relativ hoher Phosphor-, Silizium- und Mangangehalt. Anhand der Analysewerte wird deutlich, dass trotz erhöhter Mangan- und Siliziumgehalte im Erz, keine nennenswerten Mengen dieser Elemente in den Stahl gelangt sind. Ausschließlich Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel kommen in variierenden Gehalten über 0,1% vor. Der hohe Schwefelgehalt des Stahls lässt sich durch die Verwendung des Schwarztorfes als Brennstoffe erklären:
Tabelle II (siehe Anhang)
Anhand der Proben wird deutlich, dass sämtliche metallischen Legierungselemente sowie die Elemente Silizium und Mangan bei dem Rennofenprozess nur in ätherisch kleinen Mengen in den Stahl gelangen können. Dennoch spielen diese Elemente bei den chemischen Prozessen im Innern des Ofens durchaus eine Rolle, da sie z.B. als Schlackebildner die Bildung einer kompakten Luppe erst möglich machen bzw. Einfluss auf den Kohlenstoffgehalt des erzeugten Eisens nehmen. Osann stellt zur Rolle der Legierungselemente fest:
„Wir wissen heute, daß Mangan die Aufkohlung, also die Gewinnung von Stahl begünstigt. Interessant dabei ist, daß das Mangan diese Wirkung ausübt, obwohl vom Mangan selbst nur sehr wenig aus den Manganoxiden des Eisenerzes reduziert wird und ins Eisen geht. Die Mangangehalte alter Eisen- und Stahlfunde liegen durchweg unter 0,1%. Wenn gelegentlich im Schrifttum höhere Gehalte angegeben werden, so müssen bei der Analyse Schlackeeinschlüsse miterfaßt worden sein. In noch größerem Umfang gilt das für Silizium, das im Rennfeuereisen oder –stahl nur bis zu einem Hundertstel % enthalten sein kann; höhere Siliziumgehalte können also nur aus der Kieselsäure der Schlackeeinschlüsse stammen.“
Zu dem gleichen Ergebnis kommt Cornelia Kriete von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe:
„Mangan kommt weder in der Ofenwand noch in der Asche in nennenswerten Konzentrationen vor und geht bei der Verhüttung nahezu vollständig in die Schlacke.“
Man kann also mit absoluter Gewissheit sagen, dass im Rennofen verhüttete Stähle nie relevante Mengen metallischer Legierungselemente sowie des Elementes Silizium enthalten, die sich auf die Eigenschaften des Materials auswirken würden. Lediglich die Elemente Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel können in nennenswerten Mengen im Stahl enthalten sein.
Die Fußnoten hab ich entfernt, gibt Probleme mit der Formatierung hier im Forum. Ich stell aber gleich noch ne Literaturliste ein...
Gruß Jannis