Unterschied 440c und 1.4116 fühlbar?

Mezza

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Hallo! Ich bin immer noch auf der Suche nach einem neuen Küchenmesser für mich 🙈

Was die Geometrie betrifft bin ich noch am wanken.

Eine Frage beschäftigt mich jedoch durchgängig, da sie nirgends konkret beantwortet wird. In der Suche konnte ich zumindest keine Antwort finden. Wahrscheinlich sind die Suchbegriffe auch zu allgemein.

Meine Frage:
Ist der Unterschied bezüglich 440c und 1.4116 bei Küchenmesser überhaupt spürbar? Damit meine ich einerseits die erreichbare Schärfe, andererseits die Standzeit. Ich unterstelle jetzt mal es würde sich von der Geometrie her um identische Messer handeln.

Einerseits werden die Stähle oft in einem Aufwasch genannt. Auch die Härte ist vergleichbar. Allerdings hat der 440c einen doppelt so hohen Kohlenstoffanteil. Wie macht sich der bemerkbar?

Danke für Eure Bemühungen einen Laien ein Stück weit schlauer zu machen
 
Der deutlich höhere Carbonanteil in 440C macht ihn in Verbindung mit dem ebenfalls höheren Chromanteil schnitthaltiger durch den dadurch bedingten größeren Anteil an harten Karbiden, die sich im Zusammenspiel von Carbon und Chrom bilden.

Scharf bekommt man alle Stähle ;) ...

R’n‘R
 
Zunächt mal: Ich kenne eigentlich kaum Küchenmesser aus 440C (Böker Saga-Serie fällt mir da ein). Das hat einen einfachen Grund, die agressive Prozedur in einer Geschirrspülmaschine würde den Stahl trotz des hohen Cr-Gehalts zum Rosten bringen. Und die meisten Küchenmesser landen nun mal in Geschirrspülern.
Deswegen wurde in der deutschen Messerindustrie auch einst von 1.4034 auf 1.4116 umgestellt, als nämlich in den meisten Haushalten Geschirrspüler üblich wurden.

440C gilt als etwas spröde, weshalb man z.B. Jagdmesser aus diesem Stahl immer recht dick, mit großen Schliffwinkeln und eher grober mikrosägeähnlicher Schneide ausgestattet hat. Dieser Stahl schneidet also idealerweise leicht sägend - bei Jagd und Outdooranwendungen ist das ok und sicher.

Bei gleicher Geometrie würde ein 440C wohl eher zu Ausbrüchen tendieren, deswegen ist in der Küche ein nicht so harter, feinkörnigerer und elastischer Stahl vernünftiger. (sofern des das Schneidverhalten des Durchschnittsnutzers angeht: auch mal hebeln, auf dem Küchenbrett rumhacken, Messer in Gefriergut treiben, nach der Arbeit in den Geschirrspüler, danach rumms in die Schublade zu den anderen Messern...).
Von Nutzern, die sich auskennen, auch mit einem noch viel spröderen Messer sorgfältig und ohne Ausbrüche arbeiten und es niemals in einen Geschirrspüler tun würden, reden wir hier mal nicht.

Scharf bekommt man beide sicher gleich. Die Standzeit wäre bei 440C höher anzusiedeln, bei erwähnten Nachteilen. 1.4116 ist spülmaschinenfest, was im Durchschnittshaushalt der große Vorteil ist.

Wenn du bereit bist, in entsprechende Pflege zu investieren und vorsichtig mit dem Messer umgehst, geht auch 440C.

Man möge mich korrigieren, wenn ich irgendwo mit meinen Aussagen danebenliege.

edit: zur Ausgangsfrage, ob der Unterschied fühlbar sei. Wenn ich die beiden Stähle auf einem Stein schärfe, kann ich den Unterschied fühlen, der härtere 440C kratzt mehr auf dem Stein als der weichere 1.4116, und braucht länger zum scharfwerden.
 
Zuletzt bearbeitet:
440C gilt als etwas spröde, weshalb man z.B. Jagdmesser aus diesem Stahl immer recht dick, mit großen Schliffwinkeln und eher grober mikrosägeähnlicher Schneide ausgestattet hat.
Soweit ich mich erinnere bewegt sich 440C was die Zähigkeit angeht auf einem ähnlichen Level wie z.B. VG-10, der in der Küchenmesserwelt häufig Verwendung findet und mitunter bei über 60 HRC hauchdünn ausgeschliffen wird. Natürlich sind solche Klingen empfindlicher als solche aus 1.4116, aber gehen tut das schon :)

@Mezza Was für die Standzeit auf dem Schneidbrett und die "Schärfe" entscheidender ist als der Unterschied zwischen 1.4116 und 440C sind deine Schnitttechnik und deine Fähigkeit ein Messer zu schärfen.
 
Soweit ich mich erinnere bewegt sich 440C was die Zähigkeit angeht auf einem ähnlichen Level wie z.B. VG-10, der in der Küchenmesserwelt häufig Verwendung findet und mitunter bei über 60 HRC hauchdünn ausgeschliffen wird. Natürlich sind solche Klingen empfindlicher als solche aus 1.4116, aber gehen tut das schon :)
Ja klar, das geht. Aber insbesondere bei VG-10-Laminat-Küchenmessern habe ich schon fingernagelgroße Ausbrüche gesehen, weil zu grob damit umgegangen wurde. Mir ist deswegen auch VG-10 etwas suspekt.
Meine Standard-Küchenmesser sind aus 1.4116, die werden jeden Tag benutzt und ich habe damit keine Probleme. Ab und zu über einen Keramikstab, und wenn nötig mal schleifen.
Daneben habe ich noch ein paar Küchenmesser von Kevin Wilkins im Einsatz, die sind aus Becut, Niolox oder 14C28N.
 
Was die Zähigkeit angeht, ist es um 1.4116 nicht so überragend bestellt. Liegt auf dem Niveau von Niolox und erreicht 8 ft-lbs bei 57 HRC.

VG10 erreicht 5.8 ft-lbs bei 60,7 HRC.

14C28N spielt dagegen in einer ganz anderen Liga: 30 ft-lbs bei 61 HRC …

Es dürfte also bezüglich 1.4116, Niolox und VG10 wesentlich auf die Wärmebehandlung und Geometrie der jeweiligen Messer ankommen.

R’n‘R
 
Ich habe hier einige Micrographen von Larrin Thomas, die den Zusammenhang sehr schön aufzeigen. Ein Stahl ist in der Regel um so zäher, je feiner die Struktur ist. Bilder 01 bis 03 zeigen 440C, VG10 und Niolox. Die Struktur ist sehr ähnlich, was sich ja auch in den oben genannten Werten in ft-lbs widerspiegelt. Die überall auftretenden - relativ großen - Klunker stehen einer guten Zähigkeit entgegen.

Anders 14C28N in Bild 04. Hier sind keine großen Karbide erkennbar. Die Struktur ist deutlich feinkörniger.

Nun zu 1.4116. Bild 05 sieht recht vielversprechend aus. Aber die Ernüchterung folgt in Bild 06. An verschiedenen Stellen in der Matrix von 1.4116 treten fette Brocken in Erscheinung, die die Hoffnung zunichte machen und 1.4116 bezüglich seiner gemessenen Zähigkeitswerte in der Gegend von 440C, VG10 und Niolox belassen.

01 440C-cropped-scaled.jpg


02 VG10-500X-resized2.jpg


03 1000X-NIOLOX.jpg


04 1000X-14C28N.jpg


05 1000X-X50-1 1.4116.jpg


05 1000X-X50-2 1.4116.jpg


R’n‘R
 
In der Regel sind Küchenmesser aus 1.4116 ja auch - milde ausgedrückt - "robust" ausgeschliffen.
Wenn 1.4116 auf 56-58 HRC so dünn ausgeschliffen und so behandelt wird wie der VG-10 auf 61 HRC aus deinem Beispiel, bricht er halt nicht aus sondern verformt sich plastisch. Die Reperatur ist dann aber oftmals nicht weniger aufwendig, weil halt auch viel Material weg muss um die Schneide neu aufzubauen ("Schlittschuh"). Wie Rock'n'Roll sagt, liegt das im Ergebnis aber eher an der Wärmebehandlung als an der Legierung selbst.
 
Moin

Ich danke Ihnen allen für die großartige Diskussion zwischen 4116 und 4034. Aber wo passt 4110 hierher? normalerweise 4110 im billigeren Bereich, aber der Kohlenstoffgehalt ist höher? Danke.
 
Aber wo passt 4110 hierher?

1.4116: C: 0,45-0,55 Cr: 14,00-15,00 Mo 0,50-0,80 V: 0,10-0,20 Mn: 1,00 Si: 0,50-1,00

1.4110: C: 0,48-0,60 Cr: 13,00-15,00 Mo: 0,50-0,80 V: 0,00-0,15 Mn: 1,00 Si: 1,00

Quelle 1.4116: Zknives
Quelle 1.4110: Zknives

Da sich bei 1.4116 und 1.4110 die Legierungsbestandteile sehr stark gleichen, sind keine essentiellen Unterschiede zu erwarten. Vor allem kommt es auf die Charge an, da es Abweichungen je nach Hersteller gibt. Es kann also durchaus sein, daß beide Stähle identisch legiert sind. Je nach dem, wo man sie beschafft. Im Fall eines tatsächlich höheren C-Gehalts bei gleichem Chromgehalt wäre eine etwas höhere Schnitthaltigkeit bei minimal geringerer Rostträgheit zu erwarten, da es zu einer leicht erhöhten Karbidbildung kommt und dadurch weniger freier Chrom in der Grundmasse für den Rostschutz verfügbar ist.

R’n‘R
 
Hervorragende Expertise in diesem Thraed, der sich mit meinen Erfahrungen deckt. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch ergänzen, 440C entspricht 1.4125.
Dann sucht es sich im Stahlschlüssel entspannter.
Schönen Sonntag! rocco26
 
und um das Mass voll zu machen: 440C ist auch noch als 1.3543 bei den Wälzlagerstählen zu finden. War ursprünglich als rostfreier Kugellagerstahl gedacht. Ist so wie mit dem 100Cr6 als Werkzeugstahl (1.2067 als Kaltarbeitsstahl und 1.3505 als Kugellagerstahl). Die Erzeugungsart und die erreichbaren Gefüge/Karbidgrößen/Freiheit von Begleitstoffen spielt dabei die Rolle.
 
Stahlsorten sind überschätzt, ich würde mir da mehr Gedanken über Geometrie und Profil machen!
 
Stahlsorten sind überschätzt, ich würde mir da mehr Gedanken über Geometrie und Profil machen!

Roman Landes hat es mal so definiert:

„Cause geometry cuts, .....steel determines the level and the duration"

Darüber hinaus interessiert es halt auch, wie rostträge ein Stahl ist, Patina ja / nein, wie einfach er sich schärfen läßt, der Preis …

Und letztlich interessiert sich hier mancher auch ganz grundsätzlich dafür, wie sich die unterschiedlichen Legierungen auswirken.

Ist wie beim Schärfen - der eine schärft, um zu schneiden, der andere, um zu schärfen ;)

R’n‘R
 
In der Regel sind Küchenmesser aus 1.4116 ja auch - milde ausgedrückt - "robust" ausgeschliffen.
?? Kann hier nur für mein Güde- Tranchiermesser sprechen. 1,5 bis 2 mm am Rücken, Vollflachschliff. Biegt locker auf 30°, mehr probiere ich nicht aus, wozu auch. Nimmt eine tolle Schärfe an. Dagegen ein Wüsthoff, Flachschliff, zur Klingenwurzel zunehmend, insgesamt deutlich dicker, natürlich auch steifer. Schärfe ok. Es kommt drauf an, wer was aus dem Stahl macht.

Zur Eingangsfrage: 440C würde ich nicht gegen die feiner geschliffene Klinge tauschen. Schau dir die Messer nebeneinander an. Der Hersteller, der seinen Klingen mehr zutraut (dünner) wird die Qualität besser im Griff haben und du dann später mehr Spaß. So wars bei mir.
 
Mit "ausgeschliffen" meinte ich eigentlich nicht die Stärke des Klingenrückens, sondern wie dünn/fein die Klinge zur Schneidkante hin ausläuft. Denn das beeinflusst letztlich, wie anfällig die Schneide für Beschädigungen ist. Dort wirkt sich der Impact auf Brett und Schnittgut unmittelbar aus.

Beispiel: Ein Messer aus 1.4116 mit 4mm Rückenstärke, das auf 0,1mm über der Fase ausläuft, ist empfindlicher, als ein Messer mit 1,5mm Rückenstärke, das auf 0,4mm ausläuft. Letzteres hält aggressives Choppen oder das Wiegen von holzigen Kräutern usw. problemlos aus, Ersteres wird sich dabei wahrscheinlich plastisch verformen.

Die beiden genannten Hersteller gehen beim Klingenschliff halt eher auf Nummer sicher und lassen Materialreserven über der Fase stehen, unabhängig davon, ob das Messer flex hat oder nicht. Das meinte ich mit "'robust' ausgeschliffen".

Edit: Messer mit flexibler Klinge gibt's doch auch von Wüsthof.
 
Nochmal zurück zur Bedeutung der Stahlwahl für ein Messer. Es wurde ja schon mehrfach auf die Zähigkeit hingewiesen. Sie ist eine Eigenschaft, die Ausbrüche verhindern hilft. Und das wird um so bedeutender, je filigraner die Geometrie einer Klinge ist. Bei sehr kleinen Schneidenwinkeln und wenig bis quasi nix hinter der Wate ist die Ausbruchgefahr ständig gegenwärtig. Und steigt mit der Unachtsamkeit des Nutzers.

Aus genau diesem Grund verwendet z.B. Jürgen Schanz für die Slim-Line-Serie seiner Kochmesser 14C28N (Standard-Serie SB1 / SB1+).

Beide Stähle liegen von der Schnitthaltigkeit her auf etwa dem selben Niveau. Die Zähigkeit von 14C28N ist mehr als deutlich besser. Und dazu ist er noch einen guten Tacken rostträger als SB1.

Es macht also unter vielen Gesichtspunkten Sinn, sich mit den Eigenschaften von Stahl zu beschäftigen. Hier noch einmal die Grafik mit den Zähigkeitswerten, ein Bild der feinen Struktur von 14C28N und eine Übersicht bezüglich der Rostträgheit (die Stähle unterhalb der fetten Linie gelten nicht mehr als rostträge) …

Quelle: Knifesteelnerds

budget-stainless-toughness.jpg


14C28N-HT-1065C.jpg


corrosion-rating-table-12-10-19.jpg


R’n‘R
 
So weit ich weiß ist Zähigkeit ist ein zusammengefasster Wert aus Messungen unterschiedlicher Größen, ohne Standard. Daher wären unterschiedliche Werte für einen Stahl denkbar.

In der Tabelle ist 11416 ähnlich zäh wie VG10, bei unterschiedlicher Härte. 1.1416 kann wunderbar nageln, und verformt sich bei Überlastung. VG10 habe ich nicht, Ausbrüche waren aber schon öfter ein Thema. Vermutlich gibt es nennenswerte Unterschiede in der Zähigkeit der Stähle, trotz des gleichen Wertes in der Tabelle. Wenn man unterschiedliche Größen zu einer Zahl zusammenfasst, kann so etwas schon mal passieren.

Daher frage ich mich, wie aussagekräftig die Tabelle ist?

@Rock'n'Roll
Hast du mal den Link zur Herkunft der Tabelle? KnifeSteelNerds gibt ja meist an, wie relevante Daten ermittelt wurden.
 
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