Vorstellung Shiro Kamo Sujihiki

AJK

Mitglied
Beiträge
655
Liebe Messerfreunde,

für eine gute Freundin habe ich ein 27cm Sujihiki von Shiro Kamo besorgt und bevor ich es weitergebe noch schnell einen Vorstellungsthread für das Forum hier erstellt.
Vielleicht hilft es bei einer der nächsten Kaufberatungen, oder auch einfach nur um die Neugierde zu befriedigen.

Das Messer wird in der hier gezeigten oder ähnlichen Form in mehreren Shops vertrieben. Teilweise als Tora-Serie benannt, zum Teil auch einfach nur als Shiro Kamo.


[Bild 1: Shiro Kamo Sujihiki 27 cm.]

Maße und Geometrie:

Schneidlage: Aogami No2, auf 63/64 HRC gehärtet
Decklage aus Suminagashi (nicht rostfrei)
Gewicht: 137 g
Klingenmaße: 278 mm x 41 mm x 2.7 mm (tapert auf 1.7 mm in der Mitte und 1.1 mm 1 cm vor er Spitze.)

1 cm über der Schneide: 1.2 mm (Ferse), 1.0 mm (Mitte). Direkt hinter der Wate ist es dünn: Durchgängig 0.2 mm.
Damit ist es definitiv schneidfreudig, ich würde es aber persönlich noch nicht als "Laser" bezeichnen. Als solcher wird es in machen Shops beworben.

Beide Klingenflanken sind ballig geschliffen.

Verarbeitung:

Mit dem ersten Eindruck war ich positiv überrascht. Meine eigenen Messer von Shiro Kamo sind zwischen 15 und 20 Jahre alt.
Damals hatten die Messer von Shiro Kamo noch den Ruf einer etwas rustikaleren Verarbeitung. Da musste man erst mal das Schleifpapier auspacken und etwas nacharbeiten. Das war bei diesem Messer nicht der Fall. Alle Kanten sind angenehm verrundet und das Flankenfinisch ist sehr sauber ausgeführt. Die Schneidlage ist poliert.

In dem Zusammenhang ist mir auch aufgefallen, dass die eingeschlagenen vier Kanji anders aussehen als bei meinen älteren Messern. Dort sind es auch nur drei.
Ob und ggf. was das zu bedeuten hat weiß ich nicht.


[Bild 2: Kanji.]

Wenn man genau hinsieht, erkannt man dass ein paar leichte Dellen an den Flanken eingeschliffen sind, die werden durch das Suminagashi der Decklagen aber vollständig kaschiert.
Im vorderen Drittel war die Klinge leicht verzogen. Das habe ich vorsichtig geradegebogen. Ich musste da mit den Suminagashi Decklagen aber weiter biegen als bei reinen Eisenflanken. Das kostet erst mal ein bisschen Überwindung.

Der oktagonale Griff ist aus zwei Sorten Holz, Walnussholz mit Ahornzwinge, zusammengesetzt. Die Klinge ist akzeptabel eingepasst und abgedichtet.


[Bild 3: Übergang Klinge zu Wa-Griff.]


Der Anschliff:

Normalerweise mecker ich nicht über die Auslieferschärfe. Ich hatte in vielen Jahren überhaupt nur zwei Messer, die mir im Auslieferzustand scharf genug waren. Ich finde es aber trotzdem schade, dass man sich zwar die Mühe macht, die Schneidlage zu polieren, dann aber einen Grat stehen lässt.
Richtig ins Licht gehalten sieht man den Grat auch auf dem Foto.


[Bild 4: Im Licht sichtbarer Grat an der Schneide.]

Der Schliff selbst ist asymmetrisch. An der rechten Seite ist die Fase breiter als an der linken. Das ist in Japan nicht ungewöhnlich und für Rechtshänder sicher kein Nachteil. Wenn es stört, lässt sich das auch schnell auf symmetrisch umschleifen. Im Bild unten sieht man die Asymmetrie bei der Nahaufnahme im Kehlshot.
Den Schleifwinkel habe ich beidseitig auf ca 10-12 Grad bestimmt. Für einen reinen Slicer passt das IMHO, hätte ich ähnlich gewählt.


[Bild 5: Kehlshot.]

Im Grunde wäre es mir das Liebste, die Messer würden zwar dünn geschliffen aber ungeschärft in den Handel kommen. In Japan war das zumindest früher auch üblich.
Den letzten Schliff kann man dann selbst nach seinen Vorstellungen anbringen. Bzw vom Händler als Dienstleitung anbringen lassen.
Aber so, wie die Messer ausgeliefert werden ist das nichts Halbes und nichts Ganzes.


Wie schneidet das Messer?

Nun, das Messer ist nicht für mich selbst. Deshalb kann ich es nicht so testen wie ich gerne würde. Insbesondere möchte ich vermeiden, dass es eine Patina bekommt. Deshalb lass ich den Part hier aus.
Ich kann aber sagen, dass die Balance des Messer sehr stimmig ist. Es fühlt sich trotz der 137 g nicht zu leicht an.
Die Klinge ist steif und biegt sich nicht so schnell. Das hatte mich zuletzt an einem Sujihiki von Hatsukokoro gestört.

Fazit:

Ich kann das Messer empfehlen. Preis-Leistung scheint bei Shiro-Kamo noch zu passen. Da wo andere japanische Schmiede ihre Preise deutlich angezogen haben, sind die Preissteigerungen bei Kamo moderat geblieben. Das Messer ist nicht perfekt, aber die kleinen Schwächen im Klingenverzug und Anschliff kann man selbst leicht fixen.

Scharfe Grüße,
Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Schöner Messerbericht als erstklassige Wochenendelektüre. Besten Dank!

Genau so stimmig muss das präsentiert werden - wenn mich ein Messertypus eigentlich wenig interessiert und ich dennoch mit Genuss lesen mag. 😋

grüsse, pebe
 
Servus,

danke für die Vorstellung.👍

Da ich schon sehr lange keine Stangenware mehr gekauft habe und immer exzellentes Finish gewohnt bin, leide ich ein wenig wenn ich sehe wie der Erl in den Griff eingebracht wurde. 🥲 Ist jetzt nicht ungewöhnlich und tut der Funktion keinen Abbruch, für mich geht das aber nicht mehr, auch weil es japanische Hersteller gibt, die das mit mehr Hingabe ausfertigen und das Loch zumindest plan verschließen, manche sogar mit farblich passendem Kitt. Ich würde da noch nacharbeiten.

Kann einem halt stören, muss aber nicht.

Gruß, güNef
 
Genau so stimmig muss das präsentiert werden - wenn mich ein Messertypus eigentlich wenig interessiert und ich dennoch mit Genuss lesen mag. 😋
Danke für die netten Worte!

Da ich schon sehr lange keine Stangenware mehr gekauft habe und immer exzellentes Finish gewohnt bin, leide ich ein wenig wenn ich sehe wie der Erl in den Griff eingebracht wurde.
Absolut nachvollziehbar. Das geht definitiv besser!
 
Optisch finde ich das Suminagashi sehr ansprechend. Ich frage mich, wie lange das so bleibt. Beziehungsweise wie es nach längerer Benutzung aussieht.

Mit welcher Körnung / welchem Stein würdest Du so ein Messer schleifen?

Liebe Grüße,
Andrea
 
Mit welcher Körnung / welchem Stein würdest Du so ein Messer schleifen?
Bei so einem Messer aus dem Aogami Stahl würde ich sehr hoch gehen. Z.B. Kitayama 8000. Vielleicht auch Naniwa SS10k.
Was Sinn macht hängt auch von den Schleiffähigkeiten ab. Bei 27 cm Länge und hohen Körnungen muss man da schon fit sein.
Ich könnte mir vorstellen, dass, je nach Schnittgut, auch ein letzter Abzug auf einer feinen Polierpaste funktioniert. Sowas muss man ausprobieren.

Gruß, Andreas
 
Da ich seit ca. 2 Jahren ein Nakiri aus der Serie habe, möchte ich auch mal ein paar Bilder zeigen.

49899326dz.jpg


49899327wh.jpg


49899328mm.jpg


49899329ec.jpg


49899325ol.jpg


Das Messer schneidet wirklich sehr sehr gut und lässt sich auch leicht auf Topschärfe bringen. Die hält es eben nur leider nicht lange. Einen wöchentlichen Touchup bei täglicher Benutzung mache ich immer und geht auch sehr schnell. Dafür benutze ich entweder den Naniwa 3000, Rika 5000, Shapton 5000 oder Arashiyama 6000 (ich habe eindeutig zu viele Steine). Ich möchte das meine Messer keine Probleme mit weichen Tomaten haben und Tomaten gibt es bei mir sehr häufig. Ansonsten wäre wohl ein wöchentlicher Touchup nicht notwendig.

Ich denke die Beschenkte wird sich darüber freuen und wünsche ihr viel Spaß mit dem Messer :).

Gruß, Vaan
 
Das Messer schneidet wirklich sehr sehr gut und lässt sich auch leicht auf Topschärfe bringen. Die hält es eben nur leider nicht lange. Einen wöchentlichen Touchup bei täglicher Benutzung mache ich immer und geht auch sehr schnell.
War denn das Nakiri mit ähnlich spitzem Winkel angeschliffen wie das Sujihiki und eventuell auch asymmetrisch?
Würde mich einfach interessieren, ob das eine Eigenschaft der Serie ist oder je nach Schleifer (Shiro Kamo scheint da wohl mehrere in seiner Werkstatt zu haben) etwas anders ausgeführt wird.

Gruß, Andreas
 
War denn das Nakiri mit ähnlich spitzem Winkel angeschliffen wie das Sujihiki und eventuell auch asymmetrisch?
Hallo Andreas, soweit ich mich erinnere war der Schliff symmetrisch. Wäre es nicht so, wäre es mir sicher in Erinnerung geblieben.
Gruß, Vaan
 
  • Like
Reaktionen: AJK
Irgendwie lässt es mir keine Ruhe, deshalb frage ich nochmal in die Runde:
Kann jemand etwas zu den unterschiedlichen Kanji sagen?
Unten im Bild ist links ein Shiro Kamo Messer aus dem Jahr 2025 dargestellt, rechts eines aus 2008.



Gruß, Andreas
 
Ich habe interessehalber mal die KI gefragt:

Linke Gravur (auf Damaststahl):
加茂 白 作
Aussprache: Kamo Shiro Saku
  • 加茂 (Kamo) – der Familienname, also Kamo
  • 白 (Shiro) – der Vorname
  • 作 (Saku) – bedeutet „gemacht von“ oder „hergestellt von
Bedeutung:
„Hergestellt von Shiro Kamo“ – das ist die typische Signatur (銘 „mei“) eines Schmieds.

Rechte Gravur (glatter Stahl):
和 華 藤
Diese ist weniger eindeutig, da sie vermutlich nicht den Schmied, sondern eine Produktlinie oder einen Markennamen beschreibt. Einzelbedeutung:
  • 和 (Wa) – japanisch, Harmonie
  • 華 (Ka) – Blüte, Pracht, auch: elegant
  • 藤 (Tō/Fuji) – Wisteria (Glyzinie), ein traditionell japanisch besetztes Zeichen, auch in Familiennamen wie Fujiwara üblich
Interpretation:

„Waka Fuji“ oder „Wa-Ka-Tō“ könnte eine Produktreihe oder eine poetische Bezeichnung sein. Wörtlich wäre es etwa:
„Japanische Blütenranke“ oder sinngemäß „Eleganz Japans“.

Fazit:
  • 🔪 Linkes Messer: Ein echtes, vom Schmied Shiro Kamo handsigniertes Messer – mit der traditionellen Gravur: 加茂白作
  • 🔪 Rechtes Messer: Wahrscheinlich aus der selben Schmiede, aber mit Fokus auf eine Produktlinie oder ästhetischen Stilnamen.
 
  • Like
Reaktionen: AJK
Was war denn da der Prompt? Hast du der KI gesagt, dass es sich um Shiro-Kamo-Messer handelt?

Kanji-ID seitens der KI kann man immer ganz gut überprüfen, indem man für dieselben Bilder in zwei verschiedenen Anfragen mehr oder weniger Kontext vorgibt. Wenn die Ergebnisse sich dann sehr wild unterscheiden, waren wahrscheinlich beide Ergebnisse Quark.

Das rechte Messer hat den Firmennamen von Shiro Kamo's Betrieb, 加茂藤 Kamotō, eingraviert. Immerhin das letzte Zeichen hat die KI korrekt identifiziert ;)

Das linke Messer hat die Herkunftstadt, 越前武生 Echizen Takefu, eingraviert, würde ich sagen.
 
Vielen Dank für die Mühe!

Mein Versuch mit KI hatte nichts brauchbares geliefert...
Welches Tool nutzt ihr da? Und wie habt ihr es gefüttert?

Das rechte Messer hat den Firmennamen von Shiro Kamo's Betrieb, 加茂藤 Kamotō, eingraviert.
Das klingt plausibel. Das Messer wurde einst unter dem Namen "Kamo-To" vertrieben.

Das linke Messer hat die Herkunftstadt, 越前武生 Echizen Takefu, eingraviert, würde ich sagen.
Kanji 2-4 kann ich wiedererkennen. Beim ersten vermisse ich ein paar Striche. Passen würde die Herkunft.
Wäre jetzt interessant warum kein konkreter Name auf dem Messer steht. Evtl werden nicht alle Fertigungsschritte in der selben Manufaktur durchgeführt? Oder man hat den eigenen Namen für die höchste Qualitätstufe reserviert? Da bleibt mir nur die Spekulation...

Gruß, Andreas
 
Hab noch kein brauchbares Tool gefunden.

Google Lens jedenfalls nicht. Das erkennt bei mir zuverlässig alle japanischen Messer als Yu Kurosaki bzw. Tojiro, je nachdem, ob Wa oder westlicher Griff.

ChatGPT ist da schon variabler beim Fabulieren, aber hilfreich ist es selten.

Brauchbare Ergebnisse habe ich mit beiden Tools nur bei gestanzten Kanji bekommen, weil die regelmäßiger und weniger stilisiert sind. Ist häufig beim Stahl der Fall.

Zu den Kamoto Kanji, die gibt es auch immer noch auf vielen aktuell produzierten Messern von Shiro Kamo. Würde da auch nicht zuviel reininterpretieren, die ritzen halt ein, was der Kunde/Im-/Exporteur bestellt.
 
  • Like
Reaktionen: AJK
es gibt ein subreddit (r/kanji), das bei der Identifizierung von Messern oft hilfreich ist. Da bekommt man, im Idealfall, menschliche Antworten.
 
  • Like
Reaktionen: AJK
Wurde damals die Kamo-To Reihe nicht von Herder vertrieben? Es gab ja auch eine Kamo-To Lignum Edition.
Ja, genau. Herder war, soweit ich mich erinnere, der Importeur. Im Sortiment hatten es dann mehrere Händler.
Ich kann mich vage erinnern, dass es ein K2 mit japanischer Klinge gab und ein Lignum (S1?). Die waren aber mit VG10-Klinge und hatten mich deshalb nicht weiter interessiert.
Die Idee der Kooperation fand ich aber gut (y)
 
Zurück