Wärmebehandlung

Ulmo

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Liebe Messerfreunde!

Ich möchte eine Frage ins Forum stellen die mich schon länger beschäftigt: Wie haltet ihr es beim Kauf neuer Messer mit dem Einschätzen der Wärmebehandlung?

Über die Stahlsorten kann man sich ja gut informieren, die Wärmebehandlung ist oft schwer einsehbar. Spielt sie bei Euch eine Rolle bei der Kaufentscheidung? Glaubt ihr den Messerfirmen, dass sie hier gute Arbeit leisten oder gibt es eine Möglichkeit, Messer vor dem Kauf auf gute Härtung zu testen?
 
Das kann man ja nicht wirklich vor dem Kauf Abschätzen und auch nach dem Kauf könnte man höchstens die Härte testen, was aber auch nicht zwangsläufig eine Aussage über die Wärmebehandlung zulässt. Insofern kann man nur hoffen, dass die namhaften Hersteller das Thema im Griff haben. Den mehr oder meistens eher weniger sinnvollen tests von Youtubern traue ich eher weniger und metallurgische Untersuchungen werden sehr selten gemacht.
 
Ich vertraue auf die Angaben der Hersteller. Das funktioniert gut, wenn man namhafte Fabrikate erwirbt. Da gehe ich davon aus, dass die angegebene Stahlsorte stimmt.
Bei no name Messern oder fakes von Alieexpress würde ich darauf wetten, dass nicht mal die angegebene Stahlsorte korrekt ist.
Bisher bin ich ganz gut mit meiner Methode gefahren.
 
Härte/WHB ist so eine Sache. Höher ist ja nicht immer besser und die korrekte Härte/Behandlung auf die Geometrie/Stahlstorte/Anwendung zu finden sicherlichst Empirie. Zudem letzteres ja viel häufiger entscheidet ob sich eine Klinge gut und scharf fühlt. Da ist ja dann schon die eigene Designauswahl und letztendlichem Verwendungszweck ausschlaggebender als 0.5 HRC mehr oder weniger. Zudem wie gut man selbst nachschärfen kann.

Testmöglichkeit selber hab ich aktuell leidlich nicht mehr, aber bei den namhafteren hat ich jetzt auch noch nie das Gefühl einen Zonk gezogen zu haben der nach wenigen Schnitten stumpf ist. Was sicherlich sinnvoll ist sich vorher zu informieren. Meist findet man relativ flott Kommentare wenn die WHB zu weich ist oder es Probleme gibt. Da ich eher im Bereich fixed + useable unterwegs bin sind die Preise oder die Vergriffenheit so hoch nicht, dass man nicht abwarten könnte.
 
Für mich ist das so wie beim Geschwindigkeitsindex bei Reifen ... ich teste das nicht aus und überprüfe es auch nicht, denn in diesen Bereichen zählt Vertrauen. Wie so oft im Leben muss man dem Hersteller/Erzeuger/Macher glauben schenken. Heutzutage kommt man ja auch relativ schnell und einfach zu Erfahrungswerten Dritter, sodass ein Griff ins Klo zwar nicht total verhindert, doch relativ stark ausgeschlossen werden kann.

Würde ich alles an Aussagen überprüfen, hätte ich keine Zeit mehr zu leben (abgesehen davon, dass mir dazu die Möglichkeiten und das Wissen fehlen).
 
Wenn Du den Messer Herstellern misstraust, dass Sie die Härtung richtig machen gibts nur eins: Selber Messer machen und selbst härten, dann kannst Du es selbst steuern und machen wie Du es für richtig befindest ;-)
 
Bei industriell hergestellten Klingen muss man sich da normalerweise keine Gedanken machen. Die Härtereien wissen was sie tun. Das Thema ist da eher, dass die Vorgaben zur Härte oft etwas übervorsichtig sind. Man rechnet als Hersteller mit Missbrauch und will den Reklamationen vorbeugen.

Bei handgemachten Messern, würde ich auf Erfahrungswerte aus dem Forum vertrauen.
Ich hatte in vielen Jahren selbst nur zwei Messer, denen ich einen schlechte WB unterstellen würde, aber das wirklich nachzuweisen ist natürlich schwer und für den normalen Messerfreund eigentlich nicht machbar...

Ich kann Dir aber zwei Tips mit auf den Weg geben:

Ersten: Sprich den Messermacher direkt auf die WB an. Die Guten reden da sehr offen drüber, und sagen auch was sie nicht tun oder können.

Zweitens: Bleibe bei den Stählen, die ein Messermacher regelmäßig verwendet. Bei jedem Stahl braucht es eine Lernkurve, bis man den Prozess der WB gut beherrscht. Exotische Stähle können schnell neugierig machen, aber wenn es an Erfahrung fehlt bleiben sie oft hinter ihrem Potential zurück.

Gruß, Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für die vielen ausführlichen Antworten!
Es hilft mir sehr zu lesen, dass ihr überwiegend vertrauensvoll an das Thema rangeht und bisher auch nur wenige negative Erfahrungen gemacht habt.
 
Es hilft mir sehr zu lesen, dass ihr überwiegend vertrauensvoll an das Thema rangeht
Wenn man erst mal verstanden hat, dass die Geometrie des Messers wichtiger ist als der Stahl, sieht man vieles entspannter.
Trotzdem gilt, wenn man das Maximum für das Messer, bzw. die Anwendung herausholen will, dann hat man oft auch bzgl Stahl und WB genaue Vorstellungen.
 
naja, immerr zu erwähnen: gute WB kostet.... (Zeit ist Geld) und so kommt es daß viele Firmen (man denke an chinesische Produktion) z.b. den an sich guten 14c28 sehr weich härten, so dass der Stahl gar nicht sein Potential ausschöpft....

Bei Edelstählen ist Cryo - so hab ich es hier gelernt- fast immer eine deutliche Verbesserung, nur: wer macht es??? (von den grossen Firmen).
 
Bei industriell hergestellten Klingen muss man sich da normalerweise keine Gedanken machen. Die Härtereien wissen was sie tun.
+1

Für unterschiedliche Zielgruppen werden unterschiedliche Wärmebehandlungen angeboten. Bei billigen Produkten wird oft eine geringe Härte zugunsten von mehr Zähigkeit angeboten. So gibt es bei Mißbrauch nur Verformung, keine Brüche. Wenn man betrachtet wie viele der billigen Stecheisen geschärft, und für Holzarbeiten genutzt werden, macht das Sinn.

Bei Werkzeugen zum benutzen ist die Wärmehandlung dem Einsatzgebiet angepasst. Die Roster von Herder aus der Kirschbaum Serie sind verblüffend weich. Ich hab mal gesehen wie ein Vogelschnabel mit übel verbogener Spitze mit dem Daumen auf der Aubeitsplatte gerichtet wurde. Der Kommentar war "das passiert hier ständig". Aber mit einem Wetzstahl lassen sich die Dinger scharf halten, bis von dem Stahl nichts mehr übrig ist. Die Messer sollen gut schneiden und nicht zu empfindlich sein.

Scandis sind für Holzbearbeitung gemacht. Da ist es durchaus üblich dis Schneide für unterschidliche Anwendungen unterschiedlich zu schleifen. Dem entsprechend werden die in dem üblichen Optimum aus feinem Gefüge mit genug Härte für feine Schneiden mit ausreichend Zähigkeit angelassen.

die Wärmebehandlung ist oft schwer einsehbar. Spielt sie bei Euch eine Rolle bei der Kaufentscheidung?

So weit ich das beurteilen kann stimmen die Härte-Angaben der Hersteller. Daraus, und der Stahlsorte, kann man Schlüsse auf die Wärmebandlung und die Eigenschaften der Klinge ziehen. Mehr Härte bedeutet weniger Zähigkeit und umgekehrt gilt das auch. So etwa, und dann gibt es noch ein paar weitere Details.

Und natürlich kann eine bestimmte Wärmebehandlung ein Kaufargument sein. Ich finde es nicht einfach, mit meinem begrenzten Wissen die Wunsch-Wärmebehandlung zu bestimmen. Kaufen ist dann einfacher, da kann ich aus dem Angebot auswählen, was am bestem passt. Ein Kauf wegen der Wärmebehandlung war eine günstige zweilagige Klinge aus niedrig legiertem Carbonstahl, niedrig angelassen. Wie bei dem Scandi bin ich von der Leistungsfähigkeit dieser einfachen Stähle begeistert.

Und die zwei Lagen ermöglichen so etwas wie geführtes schärfen ohne System. Das kann beim schärfen hilfreich sein. Ich möchte schließlich sehen was der Stahl kann,

Viel Spaß bei der Suche nach deiner Wärmebehandlung!
 
Bei Edelstählen ist Cryo - so hab ich es hier gelernt- fast immer eine deutliche Verbesserung, nur: wer macht es???
Auf der Website von Güde kann man darüber einiges erfahren, so als Beispiel. Da gibt es ein Video über den vollständigen Produktionslauf. Von Dick weiß ich auch, daß sie es perfekt machen. Bei Mikov in Tchechien war ich mal zum Tag der offenen Tür, Die können das auch recht gut.
 
Wenn man erst mal verstanden hat, dass die Geometrie des Messers wichtiger ist als der Stahl, sieht man vieles entspannter.
Trotzdem gilt, wenn man das Maximum für das Messer, bzw. die Anwendung herausholen will, dann hat man oft auch bzgl Stahl und WB genaue Vorstellungen.

Keine Geometrie kann eine gute WB ersetzen oder wichtiger als WB sein.

Das ist so wie die Aussage: ein Bein wäre wichtiger als ein Arm....
 
Keine Geometrie kann eine gute WB ersetzen oder wichtiger als WB sein.

Das ist so wie die Aussage: ein Bein wäre wichtiger als ein Arm....
Ja, Geometrie kann man im Nachhinein ändern... WB nicht. Deshalb ist die als unverrückbarer Bestandteil des Messers beim Kauf die grösste Katze im Sack.
 
Wärmebehandlungen sind für unterschiedliche Anwendungen optimiert. Und mit der Härteangabe lässt sich einschätzen für welchen Gebrauch die gedacht ist. So weit ist die Welt für mich in Ordnung.
Glaubt ihr den Messerfirmen, dass sie hier gute Arbeit leisten oder gibt es eine Möglichkeit, Messer vor dem Kauf auf gute Härtung zu testen?
Ich verstehe nicht, was da besser oder schlechter sein soll.

Hier wird gerne mal an der Qualität der Wärmebahandlung gezweifelt. Wenn die Standzeit zu gering ist, oder wenn sich Microchipping zeigt, kann man versuchen das mit einer schlechten Wärmebehandlung zu erklären. So hat der Hersteller Schuld, und der Nutzer hat alles richtig gemacht. Und eine Fehlersuche ist dann natürlich überflüssig.

Die Geschichte wird vielleicht verständlicher, wenn man ein konkretes Produkt mit schlechter Wärmebehandlung betrachtet. Welches Produkt hat eine schlechte Warmebehandlung? Falls sich da etwas findet, können wir betrachten ob die Wärmebehandlung schlecht war, oder ob die für ein bestimmtes Einsatzgebiet passt.
 
Gute oder schlechte Wärmebehandlung. Wer definiert das überhaupt? Letztendlich definiert erstmal der Hersteller, welche Eigenschaften er im Rahmen der Möglichkeiten des verwendten Stahls erzielen und liefern möchte. Ob der Kunde dieses Eigenschaftsprofil für den speziellen Einsatz als optimal empfindet, steht auf einem anderen Blatt.
Eine gute Wärmebehandlung wäre also, wenn der Hersteller die korrekten Prozesse zur Erzielung der gewünschten Eigenschaften kennt, und in einem ausreichend engen Prozessfenster zuverlässig umsetzen kann. Welcher Kunde aber kann das beurteilen? Wir können letztendlich nur feststellen, ob ein Messer in der Praxis auffallend deutlich von den erwarteten Eigenschaften hinsichtlich Schärfehaltung und Robustheit abweicht. Fällt das bei einem Hersteller vielen Kunden auf, so lässt sich das in Foren wie diesem hier erkennen.
Grundsätzlich würde ich erwarten, dass eingeschwungene Serienprozesse eines Serienherstellers eine größere Gleichmäßigkeit in den Ergebnissen erwarten lassen, als individuelle Einzelhärtungen.
 
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