Was bedeutet 30/70?

JoergMesser

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Hallo Forum,

ich lese schon einige Jahre hier im Forum mit, dies ist aber mein erster Fred.

Zu meiner Person: ich bin jenseits der 60 und habe im Lauf der Jahre einige Messer angesammelt:
1. einige deutsche Kochmesser
2. Misono Petty (12cm)
3. Misono Sujihiki (24cm)
4. Suisin Inox Honyaki Wa-Gyuto (21cm)
5. Suisin Inox Honyaki Wa-Santoku (18cm)
6. Güde Alpha-Olive X430/21 Brotmesser
7. Togiharu Cobalt Damasse Santoku (16,5cm)

Meine deutschen Messer schärfe ich schon einige Zeit selbst, ich nutze:
a. Noname Körnung 400
b. Naniwa Super Stone Körnung 1000
c. Naniwa Super Stone Körnung 5000

Aktuell möchte ich aber auch meine Japanmesser schärfen. Nach Angaben der Hersteller sind die Messer original asymetrisch 30/70 geschliffen. Trotz stundenlanger Suche, konnte ich keine Detailinfos finden was 30/70 bedeutet. Mein Eindruck, jeder schreibt vom Anderen ab, aber keiner hat tatsächliche Kenntnis bzw. ist bereit diese mitzuteilen.

Ich habe zwei Grafiken vorbereitet, links (1) und rechts (2).
Bei (1) sind die Fasen ca. gleich lang, der Winkel steht aber im Verhältnis 30/70.
Bei (2) ist die Länge der Fase 30/70 gewichtet.
Beide Versionen sind für einen Rechtshänder ausgelegt und die Außenseite ist mit dem Ziel, das Schneidgut besser vom Messer zu trennen, steiler ausgeführt.

43320238hj.png


Meine Frage: was bedeutet 30/70, (1) oder (2)?

Thx i adv,
viele Grüße,
RobertMagsScharf
 
Moin Robert,

das Problem, dass man keine verlässlichen Aussagen über die Angabe 70:30 bekommt, liegt zum Teil auch daran, dass es keine klar definierte Vorgabe gibt oder geben kann. Geschliffen wird in Japan freihand, daher geht es mehr um ein "Gefühl":

70% schleift man auf der ersten Seite (bei einem Messer für Rechtshänder, das von einem Rechtshänder geschliffen wird, die rechte Schneidfase. In der Regel liegt das einfach daran, dass man so lange schleift, bis man einen Grat auf der anderen Seite spürt. Erst dann wechselt man die Seite. Die meisten schleifen mit dem Klingenrücken voran, da man so den Winkel etwas besser kontrollieren kann.

Die meisten Schärfer behalten beim Wechsel der Klingenseite das Messer nun weiter in der rechten Hand und schleifen somit mit der Schneide voran. Der Winkel bleibt offiziell gleich, in der Realität natürlich nicht, da man freihand immer etwas Spiel hat. Man muss nun auf dieser 2. Seite wesentlich weniger schärfen, um den Grat erneut auf der ersten Seite zu spüren. Im Prinzip würde es reichen, wie bei einem einseitig geschliffenen Messer, die zweite Seite nur abzuziehen. Ein Kompromiss ist daher, "nach Gefühl" etwas länger zu schleifen. So merkt man beim Schneiden diesen unsymmetrischen Schliff nicht so stark. Offiziell also: 70:30.

Das Ergebnis ist also eine Mischung aus deinen beiden Skizzen: die Schneidkante liegt wie in Abb. 1 außerhalb der Klingenmitte - bei 1 mm dicker Klinge in der perfekten Schleif-Welt also 0,3 mm von der linken und 0,7 mm von der rechten Klingenseite entfernt ;-)

Der Winkel ist auf beiden Seiten gleich, sodass die Schneidfasen unterschiedlich hoch sind. So, wie auf deiner Abb. 2, wobei die Schneidfase an der Außenseite (rechts) höher ist.

Für die Praxis: Gleicher Winkel und 7 Schübe auf der rechten Seite, gefolgt von 3 Schüben auf der linken usw.

Ergibt das Sinn? Kaum. Aber wie bei vielen traditionellen Berufen (z.B. auch dem Kochen) gelten 3 Regeln:

1. Das haben wir schon immer so gemacht.
2. Das haben wir noch nie so gemacht.
3. Da könnt ja jeder kommen.

Gruß Torsten
 
Ich besitze keine japanischen Kochmesser, doch habe ich einige Olfa-Messer in Gebrauch, die asymmetrische Klingen haben. Im Bild unten ist mein allerliebstes Craft-Knife zu sehen, und die Klingen (die man natürlich wechseln, aber auch hervorragend nachschleifen kann) haben ein Profil, wie im Bild daneben gezeichnet. Ich habe die Schneidfacetten mal vermessen, und es ergeben sich Werte von 3,6 für die nicht gebrochene Seite, und 1 mm für die kurze und 2,5 mm für die zweite Fase. Bei 3,6=100% kommen die Facettenbreiten im Verhältnis auf ca. 70:30, ungeachtet der Ungenauigkeiten beim Ausmessen mit der Schieblehre.
Insofern entspricht die Angabe der Skizze Nr. 2, wobei auf beiden Seiten ein Schneidwinkel angetragen ist.
 

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70/30 ist asymmetrisch geschliffen. Wenn das nicht interessiert ist es mit ein paar Zügen umgeschliffen.

Man kann Schneiden für unterschiedliche Aufgaben optimieren. ZB robust ballig fürs Grobe. Da ist 70/30 nur eine Variante. Bild 2. wäre ein Schliff für einen Linkshänder.

Ich mag solche asymmetrische Schliffe, und das begann mit einer Hartwurst und einem einfachen Kochmesser.

Symmetrisch geschärft mit den üblichen 0,5mm über Fase ist es kaum möglich, gleichmässig dünne Scheiben von hartem Schnittgut zu schneiden. Die linke Fase drückt die Schneide aus dem Schnittgut. Das wird deutlich besser wenn man die linke Fase verkleinert. Allerdings zieht das Messer dann ein wenig ins Schnittgut.

Das lässt sich beheben indem man den Winkel der linken Fase erhöht bis das Messer wieder geradeaus schneidet. Und schon ist man bei 70/30 gelandet, und das alles nur wegen einer Salami.

Bei einem fein schneidenden Messer (das noch kein Laser ist) kann das beim FoodRelease helfen. Die asymmetrische Schneide hat auf der rechten Seite mehr Material als ein vergleichbar dicker symmetrischer Schliff.

Sinn ergibt das wenn man fein schneidet und die Schneide nicht zu empfindlich haben möchte. Beim Schälen und dünnen Scheiben lässt sich eine asymmetrische Schneide besser kontrollieren als eine symmetrische. ZB Fisch oder Paprika häuten. Da hilft die kleine Fase mit dem stumpfen Winkel.

@herbert
Das Beispiel gefällt mir. Für unterschiedliche Anforderungen gibt es unterschiedliche Schliffe.
 
Beide Versionen sind für einen Rechtshänder ausgelegt und die Außenseite ist mit dem Ziel, das Schneidgut besser vom Messer zu trennen, steiler ausgeführt.
Der Schliff auf der linken Seite ist bei 70/30 Messern oft flacher als rechts. Die Schneide wird auch nach links versetzt. Schuld ist wieder die Salami. So kann man für dünne Scheiben besser geradeaus schneiden.

Die Grafiken sind schön geworden,
 
genau, @knife-art.de hat das bei den Fujiwaras fotografiert.

und ich hab keine Ahnung wie Japaner ihre Messer für Salami schärfen. Aber bei einem asymmetrischen Schliff für die Küche wird die Schneide gewöhnlich nach links versetzt. Ich gehe von dem Messer in der Hand aus.
 
Moin @JoergMesser

Ich hab selber 2 Suisin IHO, und die sind sogar 90 / 10 geschliffen. Das kann man ja auch gut sehen.
Ich habe damals Aoki ( der Hersteller ) und Korin den Vertrieb angeschrieben .

1. Von Aoki kam die Antwort : Tradition und die bevorzugte Schneidtechnik der Japaner.

2. Von Korin , die auch japanische Schleifer beschäftigen , kam ähnliches. Hier kann der Kunde seine Wünsche hingehend äußern.
Je nach bevorzugter Schnitttechnik....bei Suisin IHO ist der feine Zugschnitt ähnlich dem Yanagiba oft gewünscht.


Ich hab eins auf 50/50 umgeschliffen und kann bestätigen das 90/10 für den Zugschnitt denn besseren Foodrelease aufweist.
Das wird ja Freihand geschliffen...und da nimmt man erst die flachere Seite...bis zum Grad

Gruss

Micha
 
Vielen Dank für die sehr ausführlichen Antworten.

Ich habe folgendes Verstanden:
Es ist keine Mathematik sondern eher "zirka" 30/70

Ansonsten habe ich in der folgenden Grafik versucht mein Verständnis zusammenzufassen:

43330729et.png


Ich hatte bei Korin angefragt und hatte die Anwort "The wa-santoku can be sharpened at a 30/70 angle" bekommen. Leider etwas an meiner Fragestellung vorbei. Ich hatte nach den tatsächlichen Verhältnissen gefragt. "can be" ist leider nicht zielführend gewesen, aber egal ich denke ich habe es ja jetzt, Dank des Forums :)

Sollte mein Verständnis nicht korrekt sein, bitte ich um Korrektur.

Thx i adv,
viele Grüße
Robert
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt haben laut Graphik beide Seiten der Schneide aber den gleichen Schleifwinkel und die gleich Dicke, oder? Nur die äußere Seite ist länger, da die Mittelachse der Schneide weiter innen sitzt.
Ich war davon ausgegangen, dass die beiden Seiten an der Schneidfase unterschiedlich dick sein sollten.
🤔
Gruß Beate
 
Die Skizze entspricht auf jeden Fall genau dem, was ich beschrieben habe und so würde ich deine jap. Messer auch schärfen.

@JoergMesser Danke für die Skizzen. Die helfen sicher auch anderen weiter.
 
Bild 3 trifft es schon ganz gut. Mit einem stumpferen Winkel links wäre es perfekt zB 27°/13°.
 
Die Skizzen sind super, herzlichen Dank.
Sie gilt wohl auch grundsätzlich für alle Kochmesser aus Mono-Stahl.
Also nicht nur für japanische Messer, sondern alles was frei Hand geschliffen wird, wenn 30/70 wegen besserem Food Release gewünscht wird.

Um die Sache aber noch ein wenig zu verkomplizieren:
Was ist denn mit einem klassischen Santoku aus 3-Lagen-Stahl ?
Da würde ja die Schneidlage aus z.B. Shirogami dann außermittig liegen... ???
Wohl eher nicht zu empfehlen.
 
Was ist denn mit einem klassischen Santoku aus 3-Lagen-Stahl ?
Wir reden ja hier immer noch von dünn ausgeschliffenen, japanischen Messern, oder? Da wirst du auch bei einer 3-Lagen-Konstruktion mit dem Schliff der Schneidfase nicht in den Bereich der Außenlagen kommen. Ob 70:30 oder was auch immer spielt somit keine Rolle.

@JoergMesser "Richtig" ist, was gefällt. Es kommt ja nicht die Winkel-Polizei. Aber ich denke nicht, dass bewusst von einem traditionellen japanischen Messerschärfer unterschiedliche Winkel an die Schneide geschliffen werden. Daher fallen für mich Skizze 1,2 und 4 raus.

Aber wie schon gesagt, erlaubt ist, was gefällt.
 
Also in meinem Beispiel war es jeweils die Breite der angeschliffenen Facette, die im Verhältnis stehen, und die Seite mit der Ecke ist bei Rechtshängern außen, so ist jedenfalls die Olfa-Klinge konzipiert.
 
Ich finde #4 Klasse, und ich frage mich was richtig in diesem Zusammenhang bedeutet.

Beim Messer schärfen geht es für mich, wie bei allen anderen Werkzeugen die man an die eigenen Anforderungen anpassen kann, um ein Optimierungsproblem. Daher auch mein Versuch zu erläutern was mit so einem Schliff geht. Zum Erläutern ist #4 besser, weil die unterschiedlichen Winkel dargestellt sind.
 
Nur nochmal zum Verständnis: wir reden hier doch von Schneidfasen, die nur wenige 10tel mm hoch sind. Zumindest ist das bei meinen dünn ausgeschliffenen Japanern der Fall. Da soll man Veränderungen beim Food Release oder Salami-Schneiden merken?
Ich weiß nicht…
 
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