Watanabe Pro Gyuto 24

ebenezer

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Hallo zusammen,
@joschlot hat uns im Rahmen des aktuell laufenden PAs zum 4k Kitayama netterweise als kleines Zuckerl sein 24 er Watanabe Gyuto dazugepackt, das er hier schon mal vorgestellt hat:
Watanabe 24 / 27 Aogami2 mit rostfreien Flanken

Ich muss dazu sagen, dass ich die einschlägigen Laser Referenzen hier aus dem Forum noch nie ausprobiert habe. Die einzigen Kochmesser mit um die 0,1mm über der Wate, mit denen ich bisher gearbeitet habe, sind meine selbst auf Foodreleasegeometrien umgearbeiteten Solinger.
Insofern hatte ich schon ein Wenig Bammel, an einer so dünnen Aogami-Schneide eventuell einen Schaden zu verursachen, zumal das Messer ja auch preislich schon gehoben ist.
Ich habe das Messer an meinem 24er Culilux gemessen, was einerseits fast blasphemisch wirkt, aber andererseits ist es das einzige 24er, das ich als Vergleichsmaßstab zur Verfügung habe, und es ist hinsichtlich seiner Eigenschaften auch weithin bekannt.

Watanabe_Culilux.jpg


Das erste, was im Vergleich auffällt ist die Richtung Spitze doch recht gedrungene Form der Watanabe Klinge. Ich persönlich bevorzuge auch bei Messern dieser Länge eher schlanke Spitzen, mit denen man auch quasi chirurgisch arbeiten kann. In dieser Hinsicht ist mir das Culilux eigenlich schon zu bucklig vorne.
Was die Schwerpunktslage angeht, ist das Watanabe erheblich kopflastiger als das Culilux, bei dem der Schwerpunkt im Bereich des Kropfs liegt.
So wirkt es auf den ersten Griff schwerer, obwohl es da facto 13g weniger auf die Waage bringt, als das Culilux. (Watanabe 213g, Culilux 226g)

Ich habe zum Vergleich die üblichen dicken, kalten Karotten verwendet.
Culilux und Watanabe schnitten jeweils das hintere Ende der Karotte geräuschlos ab. Eine Karotte mittig quer zu teilen erzeugte bei beiden im letzten Drittel des Schnittes ein leichtes Ratschen.
Beim Culilux deutlich stärker als beim Watanabe.
Insgesamt ist bei jedem Schnitt des Watanabe schon ein sehr deutlich wahrnehmbar geringerer Kraftaufwand erforderlich als beim Culilux.
Die ersten 5-8mm dringt das Watanabe praktisch widerstandslos in die Karotte ein.
Dann tritt leider ein Effekt auf, der wohl dem sehr feinen Oberflächenfinish des Watanabe zuzuschreiben ist: Die Karotte saugt sich so sehr an der Flankenoberfläche fest, dass dies das Erlebnis des sehr leichten Schnittes nahezu zunichte macht. Auch die an der Flanke festklebenden Karottenwürfel lassen sich nur mit spürbarem Kraftaufwand abstreifen.
Auch das Culilux saugt an, und erzeugt einen erhöhten Widerstand beim Schnitt und beim Abstreifen, aber das etwas gröbere Finish lässt diese Störung etwas weniger heftig ausfallen.


Die Dicke über der Wate steigt beim Watanabe auf den letzten 10mm Richtung Spitze auf 0,25mm an. Dies und die von der Spitze nach hinten am Rücken sehr schnell dicker werdende Geometrie führt zu einer im Spitzenbereich wenig beeindruckenden Performance.

Auf dem Bild von oben ist oben das Culilux, Mitte das Watanabe, und unten eines meiner ausgedünnten 20er Solinger. Bei der Geometrie des letzteren fängt aus meiner Sicht eine Spitze an, Spaß zu machen.

Mein Fazit zum Watanabe: Insgesamt zu viele Negativpunkte, als dass ich das Messer haben wollen würde. Punkte, die man in einer Culilux-Preisklasse als verzeihlich ansehen würde, aber für mich in der Liga eines Watanabe nicht hinnehmbar sind.

Watanabe_Ansaugen.jpg


Culilux_Ansaugen.jpg


Watanabe_Spitze.jpg


Spitze Watanabe

Spitzenvergleich.jpg

oben Culilux, Mitte Watanabe, unten selbst ausgedünntes Solinger

Kehlshot_Watanabe.jpg
Culilux_Kehlschot.jpg

oben Watanabe, unten Culilux
 
Servus,

Dann tritt leider ein Effekt auf, der wohl dem sehr feinen Oberflächenfinish des Watanabe zuzuschreiben ist: Die Karotte saugt sich so sehr an der Flankenoberfläche fest, dass dies das Erlebnis des sehr leichten Schnittes nahezu zunichte macht. Auch die an der Flanke festklebenden Karottenwürfel lassen sich nur mit spürbarem Kraftaufwand abstreifen.

vor Jahren hätte das niemanden gekratzt. :giggle: Watanabe war immer ein Garant für wuchtige Messer, massige Klingen, aber einen dennoch ausserordentlich leichten Schnitt. Erst das Nähere und später das intensive befassen mit Klingengeometrien und Schnittgutfreisetzung/Abscheidung hat zumindest bei mir dazu geführt, das mir "klebende und saugende"Messer selbst bei dünnen Schliffen, durch die Erkenntnis, das es auch anders geht, eben jene verleiden, die ich früher für gut befunden habe. Seit "The Hollow" noch viel mehr. Was mich allerdings wundert, Watanabe ist auch für seinen sehr konvexen Schliff bekannt, der in der Regel einen gut tauglichen FR mitbringt. Ist dieses Watanabe eher flach geschliffen?

Gruß, güNef
 
Servus,

es ist eigentlich schon recht ballig.
Wahrscheinlich nimmt man den Effekt auch dann besonders wahr, wenn man erstmal auf Foodreleaseeigenschaften sensibilisiert ist.

Balligkeit hinten.jpg


hinten

Balligkeit mitte.jpg


mitte

Balligkeit vorn.jpg


vorne
 
Servus,

ja, ist schon ballig, wird aber vorne raus naturgemäß immer weniger konvex und die Flanken sind recht glatt….Physik kann man nicht überlisten. Ist auch so wie du sagst, einmal durch einen erstaunlichen FR „verdorben“ und es gibt kein zurück mehr. Du kannst nur mit Tempo und Schnitttechnik das Ergebnis noch verbessern, oder das Haften an den Flanken einfach als gegeben nehmen. Hach, was sind wir doch für verwöhnte Nerds 😂😉🤔

Gruß, güNef
 
Ich denke mal, dass man dem Messer mit einem erheblich gröberen Flankenfinish sicherlich auf die Sprünge helfen könnte.
Das Messer schneidet ja durchaus sehr leicht. Durch den sehr leichten, kraftlosen Einschnitt fällt es halt extrem auf, dass das Weiter- und Durchschneiden dann mit einem eklatanten Kraftanstieg verbunden ist. Auch, wenn diese Durchschneidekraft absolut gesehen immer noch recht niedrig ist, so erzeugt dieser Kraftanstieg doch ein unharmonisches Gesamtgefühl.
Ist jetzt nicht so, dass ein Messer ohne ausgewiesene Foodreleasemaßnahmen bei mir gleich durchgefallen ist.
Aber die Kombi aus schneidfreudiger Geometrie und Foodrelease sollte ein rundes Gesamtbild geben, bei dem ich die Eigenschaft Foodrelease auf jeden Fall mindestens gleich hoch priorisiere, wie den leichten (Ein-)Schnitt.
Ggf. anhaftendes Schnittgut sollte sich zumindest nahezu kraftfrei abstreifen lassen.
Da sollten sich die Hersteller von ausgeprägten Lasergeometrien auch mal ein paar Gedanken drüber machen.
Die Welt dreht sich halt weiter, und um am Ball zu bleiben muss man diese neuen Entwicklungen gedanklich nachvollziehen und in die eigene Arbeit einfließen lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ebenezer Vielen Dank für deinen Bericht. Ich persönlich fand den Vergleich zu dem Culilux sehr interessant, zeigt es mir doch, dass ein vierfach teureres Messer nur unwesentlich besser ist.
Das gibt mir ein gutes Gefühl, die "richtigen" Messer gekauft zu haben.

Gruss
Ulli
 
Hätte das Watanabe einen für mich geeigneteren Stahl, wäre es definitv meins - was ich vom Culilux so oder so leider nicht sagen kann. 😉

grüsse, pebe
 
Hätte das Watanabe einen für mich geeigneteren Stahl, wäre es definitv meins - was ich vom Culilux so oder so leider nicht sagen kann.
Ist das mehr so eine emotionale Kiste, oder oder durch geometrisch technische Fakten begründbar?
Selbstverständlich fehlt dem Culilux die Aura der hohen Handwerkskunst.
Auch ist natürlich overall das Watanabe das deutlich bessere Messer, aber eben nicht in dem Maße, wie der preisliche Unterschied das erhoffen ließe.
Und gerade, wenn hohe Handwerkskunst in einem Messer drinsteckt, die unweigerlich zu einem hohen Preis führen muss, so ist es umso trauriger, wenn es an den kleinen Details fehlt, die so
ein Messer dann auch in der Performance so richtig von einem sehr guten (Groß-)Serienmesser abheben könnte.
 
An einem 24er bevorzuge ich eindeutig ein höheres Blatt, einen kräftigeren Rücken. Und. Stark ballig.

Im Privathaushalt fehlen typischerweise die Mengen, die eine große Klinge für den Kleinkram sinnvoll machen, es sind eher große oder bestimmte Stücke, die sich dann ballig ohne festzustecken sauber zerteilen lassen.

Daher ist dann bei mir eine filigrane, voll zwiebeltaugliche Spitze in diesem Format eher entbehrlich. Auch kenne ich so einige, bei denen die dünne Schwertspitze zügig abbrach.

Dass ich mit POM und Micartagriffen nix anfangen kann, ist natürlich auch eine emotionale Sache.

Dünn ausgeschliffen und hochtauglicher Stahl ab Werk zu einem kleinen Preis sind natürlich per se eine tolle Sache, da muss man schon die Herder K-Serie bemühen, wenn es direkt vergleichbar sein soll.

Und auch hier gibt es einen großen Preisunterschied, der sich tatsächlich objektiv an der Performance gemessen wenig darstellen läßt.

Das Watanabe hingegen ist für mich eine andere Messerkategorie.

grüsse, pebe
 
Servus,
Da sollten sich die Hersteller von ausgeprägten Lasergeometrien auch mal ein paar Gedanken drüber machen.
Die Welt dreht sich halt weiter, und um am Ball zu bleiben muss man diese neuen Entwicklungen gedanklich nachvollziehen und in die eigene Arbeit einfließen lassen.

es muss einem klar sein, das nur eine winzige Anzahl an Usern sich überhaupt mit Klingengeometrien/FR beschäftigen. Selbst echte Kochmesserfreaks, kaufen nach Hype, optischen Gefälligkeiten, angesagten Messermachern und exklusive Stücke/Kollaborationen/Designs.

Die Fertigung eines Watanabe und eines Culilux kann unterschiedlicher nicht sein. Das runterbrechen auf einen reinen Funktionsvergleich in Relation zum Preis ist immer schwierig. Ich würde das in diesem Fall sogar als unpassend sehen.

Nur ganz, ganz wenige Messermacher interessiert eine funktionale Verbesserung eines Kochmessers. Watanabe wird immer seiner Schmiedetradition verhaftet bleiben und keine andere Geometrie schaffen. Er ist schon durch eine zeitgemäße und steuerbare WB einen großen Schritt für einen japanischen Schmied gegangen, FR wird Watanabe nicht kratzen, seine Bücher sind voll und seine Messer verkaufen sich gut. Siehe Tritz, Raquin und viele schwedische Messermacher, die keine Innovationen produzieren. Nur ein paar Tüftler, wie Uwe Mattern, Mike Sturmschwalbe oder auch Ben Kamon, die versuchen sich in Innovationen, gehen neue Wege. Wobei jene die davon Leben, natürlich immer Stückzahlen verkaufen müssen und wenig Zeit zum experimentieren haben.

Wir sind einfach eine winzige Minderheit die etwas einfordern, das die Masse an Messermachern nicht liefern kann. Wir bringen keinen Mehrwert als Käufer, wir sind eher Problemkunden, die Wünsche äußern, die lästig sind. Und vor allem bin ich weder Stammkunde noch kaufe ich vorwiegend nach optischen Aspekten und bin deshalb kein guter Kunde.😬

Gruß, güNef
 
Das runterbrechen auf einen reinen Funktionsvergleich in Relation zum Preis ist immer schwierig. Ich würde das in diesem Fall sogar als unpassend sehen.
Für viele echte Messernerds ist diese Frage tatsächlich wenig relevant, weil die Kaufentscheidung durch viele Aspekte abseits der reinen Funktion beeinflusst wird.
Das ist wohl auch Teil der Definition eines Nerds, nämlich das Überwinden des Preis-Leistungs-Gedankens.

Für ganz viele, die hier im Forum schweigend mitlesen, oder sich auch als Einsteiger mit einer Kaufberatung ans Forum wenden, ist es aber DIE zentrale Frage:
Wie viel mehr an positivem Schneiderlebnis bekomme ich, wenn ich sehr viel mehr an Geld ausgebe.
Sie kommen ja, angetrieben durch massiv negative Schneiderfahrungen mit stumpfen, dicken, häufig minderwertigen Messern.
Für sie ist es nahezu unmöglich, ein Gefühl zu entwickeln, ob sie nun für den Einstieg in die Welt gut schneidender Messer 100, 300 oder 500€ pro Messer ausgeben müssen.
Denen hilft so ein "unpassender" Vergleich durchaus sehr.
Aus meiner Sicht ist ein Kochmesser von sagen wir mal 300€ aufwärts in jedem Fall eine Sache für Leute, die ihre Vorlieben und Wünsche hinsichtlich Schneiderlebnis, Klingenform und Schliff schon sehr genau kennen. Oder welche, die viel Spaß am Ankauf-Verkaufs-Karussell haben.

Wenn man sich mal die Beratungsformulare so ansieht, so stellt man fest, dass in zunehmendem Maße das Thema Foodrelease angesprochen wird, auch wenn es für die meisten noch ein abstrakter Begriff ist, der nicht durch ein Realerlebnis belegt ist. Anklebendes Schnittgut wird denke ich schon auf breiter Basis als unangenehm empfunden.
Es gibt halt nur relativ wenige Optionen innerhalb der allgemein üblichen Budgets.
Meine Vision - die ich wohl nicht mehr erleben werde - wäre schon, dass irgendwann gute, industrialisierbare Foodreleasemaßnahmen in hochwertigen Serienmessern Einzug halten, ebenso wie schneidfreudige Grundgeometrien.

Wir bringen keinen Mehrwert als Käufer, wir sind eher Problemkunden, die Wünsche äußern, die lästig sind.
Für einen Handwerker mit Berufsehre sind beide Arten von Kunden wichtig. Die relativ unkritischen, die für volle Kassen sorgen, und diejenigen, die ihm durch erhöhte Ansprüche dazu verhelfen, sich täglich neu mit seiner Materie auseinanderzusetzen, seine Erkenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern und sich so letztendlich auch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Mein berufliches Mindset wäre zumindest so. Arbeit verliert für mich sofort ihrem Reiz, wenn ich keinen Wunsch nach Verbesserung habe und keinen Raum für Kreativität.

Schöne Grüße
 
Zuletzt bearbeitet:
Foodrelease wird auch von Otto-Normal-Verbrauchern gewünscht, auch wenn sie den Begriff nicht kennen. Die Schwemme an Santokus mit diesen größtenteils nichts bringenden Kullen kommt ja nicht von ungefähr. Wirklich praktikable Konzepte in der für diese Kundengruppe relevanten Preisregion fehlen tatsächlich leider. Die sehr gut funktionierenden Glestain-Messer sind zwar Serie, aber zu teuer und zu unbekannt. Die Sakai Takayuki Grand Chef Western SP sind ebenfalls erst im dreistelligen Preisbereich zu finden, während für "Normalos" ein "gutes Kochmesser" eher 50€ kosten darf und 80€ schon als sehr teuer empfunden werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus,

ein positives Schneiderlebnis oder Schneiderfahrung ist zu einem großen Teil eine persönliche Wahrnehmung und nicht immer übertragbar oder gar belegbar. Hier beginnt ja die Krux an der Sache. Jetzt potenziert sich noch die gewaltige Kopfsache, die mit Charme, Spirit, Flow oder was auch immer, zusätzliche Eigenschaften umschreibt. Dann kann noch eine nüchterne handwerkliche Einordnung erfolgen, die sich bis zur Messerkunst und Designstudie hochschrauben lässt.

Ich verstehe deinen Beitrag und seinen Zweck, aber jene „stillen Normalos“ werden, um jetzt deinen Vergleich zu bemühen, das Culilux kaufen, weil es das preislich attraktivere Angebot darstellt und es nach deiner Beurteilung einem Watanabe zumindest funktional, bezogen auf FR und Schneidfähigkeit soweit nahekommt, das die Preisdifferenz nicht über die Funktion zu rechtfertigen ist, aber eben über die Art der Herstellung und den in Japan zu bezahlenden Preisen für dieses Handwerk. Deshalb meine ich, das hier ein Vergleich schwieriger ist, als wenn Watanabe mit Kamo verglichen wird. Noch dazu wird der Culilux-Käufer nie erfahren ob ihm das Watanabe nicht doch um ein Vielfaches besser gefallen hätte, weil die Beschreibung niemals das Beschriebene sein kann. Und schon bin ich wieder bei der Krux dieser Sache.😉

Gruß, güNef
 
Ehrlich gesagt habe ich es auch deshalb gewagt, diesen unüblichen Vergleich zu veröffentlichen, weil ich weiß, dass die Kollegen, die das Messer ebenfalls noch bekommen werden über Messer verfügen, die als Vergleichsmaßstab passender sind.
Wenn wie ich hoffe, auch sie sich hier dann zu dem Messer äußern, dann wird sich ein umfassenderes, und auch für Nerds passenderes Gesamtbild des Messers ergeben.
Meine Darstellung des Messers ist also im besten Falle eine Facette des Gesamtbildes.
Bin selbst schon sehr gespannt, auf die Einordnung der Anderen.

Ich kenne das aber auch aus einem meiner anderen Hobbies, den guten Weinen:
Sich kritisch zu allgemein etablierten Ikonen zu äußern ist schwierig, und man wird schnell in die Ecke der Banausen gestellt.
Meine Aussagen zu relativieren läuft hier dankenswerterweise sehr respektvoll. :)
 
Servus,

und man wird schnell in die Ecke der Banausen gestellt.

nur zur Richtigstellung: Ich halte dich keinesfalls für einen Banausen, sondern das Gegenteil ist der Fall. Du bemühst dich intensiv um das Verständnis für Geometrien und funktionale Kniffe/Oberflächen an Klingen/Flanken mit durchaus auch praktischem Erfolg. Diskussion auf Augenhöhe also.

Gruß, güNef
 
Ein Problem bei der Bewertung von Messern ist die Serienschwankung.
Auch ein Simon Herde mit einer "Klein"-Serie hat ein kleines Problem mit Serienschwankung.
Hab selber eines und hatte zwei weitere schon kurz getestet. Gesamtbild war zwar insgesamt stimmig, aber Unterschiede definitv vorhanden. Ist beim Watanabe so, ist bei Culilux so.
Hatte auch schon drei Culilux in der Hand. Für mich ein gutes Messer zu einem guten Preis. Läuft relativ rund, schneidet relativ leicht und pflegearm.
Hatte auch schon Watanabe bzw Toyamas in der Hand und im Besitz. Angenehmes Gewicht, ziemlich leichter Schnitt und gutes nicht ganz so rundes Profil. Watanabe/Toyama hat einen satteren Schnitt als ein Culilux, aber nicht wirklich einen schwereren. Somit liegt für mich persönlich das Watoyama in dem Punkt vorne. Culilux ist schon ziemlich flach, während Watoyamas meist eine schöne leichte Balligkeit aufweisen. Für mich klebt das Culilux deutlich mehr, sowohl im Schnitt, als auch um Schnittgut von der Klinge zu lösen. Richtig festsaugen tut es sich zum Glück jedoch auch selten. Somit für mich wieder Watoyama vorne. Profil ist Geschmackssache, funktinoeren für mich beide. Watoyama hat definitv eine dickere Spitze, dickeren Spitzenbereich. Für mich kein Zwiebelkiller, wie manch anderes Messer in meinem Besitz, aber würde mich auch nicht beschweren, damit 5kg zu schneiden. Sie funktioniert bei meinem gut genug. Hab zum Beispiel ein Messer da ist mit die Spitze eigentlich fast schon zu dünn, bzw fehlt die Masser an der Spitze bedingt durch Profil und Klingenhöhe. Würde ich da nur ein Bild vom Rückentaper einstellen, würden die meisten denken funktioniert bestimmt super. Könnte der Spitzenbereich bei Watoyama dünner sein? Absolut, aber kein K.O.-Kriterium für mich.
Watoyamas sind oftmals auch auf Null ausgeschliffen, Schneide bröselt etwas, da hilft eine Mikrofase. Stahl, Wärmebehandlung, find ich ziemlich gut. Standzeit ist ordentlich, schleifen angenehm. Aber er neigt auch je nach Schliff zu einer Mikrosäge, dadurch kommt einem die Standzeit länger vor und ist ideal als Tomatenmesser. Je höher geschliffen, desto weniger.
Preislich find ich Watoyamas mittlerweise schwierig, aber ist noch eines der wenigen Japaner die ich besitze und sehr mag.
Watoyma Pro 180mm zählt für mich auch noch zu den besten Nakiris. Auch da gibt es Schwankungen, aber insgesamt sehr gut.
Sollte man sich ein Watoyama zulegen? Muss jeder für sich entscheiden, aber einer der wenigen Japaner die ich empfehle. Letzte Preiserhöhung hat aber auch dazu geführt, dass ich mir wahrscheinlich keiner mehr holen würde. Andererseits weiss man nicht wie lange es die noch geben wird.

Grüße,
Julian
 
Hallo zusammen,

von @ebenezer ging das Watanabe in dem kleinen PA zu mir.
Vorab ein paar Anmerkungen:
Auch nach ein paar Jahren hier im Forum tue ich mir mit zwei Begriffen immer noch etwas schwer.
Das ist zum einen der „Laser“:
Wann genau kann ein Messer als ein solcher bezeichnet werden?
Manchmal wird dieser Begriff schon sehr inflationär gebraucht. Nicht alles was aus Japan kommt und gut schneidet ist ein Laser …
Das andere ist „Food-Release“:
Wenn man es wörtlich nimmt „Essens-Freisetzung“.
Ist damit nun gemeint, dass das Messer das Schnittgut freiwillig hergibt, also im Idealfall gleich auswirft/abwirft oder ist ein guter Food-Release schon gegeben, wenn ich mit dem Finger das Anhaftende leicht von der Klinge streifen kann …
Also ersteres – Messer wirft Schnittgut freiwillig ab – ist mir bei den halbwegs normalen Geometrien noch nicht begegnet.
Ich kenne mehr die Einschätzung „geht gut oder nicht gut mit dem Finger ab“.

Vieles das im bisherigen Verlauf des Threads geschrieben wurde schätze ich auch so ein; an das Testen des Watanabes bin ich mal ganz anders rangegangen und zwar mit zwei Duellen. In diesen ging es mir vorrangig um das Thema „Schneidfreudigkeit“ und um die „Essens-Freisetzung“.
  1. Duell – rein japanisch: Watanabe 24 Pro gegen mein 24 Shiro Kamo aus Aogami Super
    LR__7523.jpg


  2. Duell – Japan gegen Stutensee: Watanabe gegen mein 26er custom Chefmesser von Jürgen Schanz. Ich habe mir von Jürgen Schanz ein Chefmesser – so wie er es in seinem Shop anbietet – machen lassen, allerdings in deutlich getunter oder wie man hier sagt in geschanzter Form :D::
    Stahl: SB+, HRC: 61
    LR__7524.jpg
Doch zuerst bin ich messtechnisch rangegangen:
WatanabeShiro KamoJürgen Schanz
Dicke des Rückens am Kehl3,8 mm3,2 mm2,6 mm
In der Mitte der Klinge2,2 mm2,2 mm2,3 mm
2 cm vor der Spitze2,0 mm1,9 mm1,3 mm
Dicke 1cm über der Wate Klingenende1,4 mm1,0 mm1,4 mm
In der Mitte der Klinge1,3 mm0,9 mm1,0 mm
2 cm vor der Spitze1,3 mm0,9 mm1,0 mm
Klingenhöhe Kehl5,5 cm5,3 cm4,7 cm
Mitte5,0 cm4,9 cm4,3 cm
2 cm vor der Spitze2,5 cm2,2 cm1,6 cm
Gewicht187 Gramm214 Gramm197 Gramm

Die Dicke direkt über der Wate habe ich bewusst nicht gemessen. Das habe ich in der Vergangenheit schon oft probiert und immer sehr schwankende und damit unzuverlässige Werte erhalten. Soviel sei gesagt – bei allen dreien ist die Klinge schon sehr dünn ausgeschliffen.

Jetzt aber zur Praxis!

1. Duell
Hier geht die Leichtigkeit des Schnittes an das Watanabe. Das Schneiden macht wirklich Spaß. Das Messer fällt locker durch das Schnittgut. Mein Shiro Kamo ist in dieser Disziplin gut, aber klar zweiter Sieger. Jetzt bin ich wieder bei meiner Anfangsbemerkung: Wenn das Watanabe ein Laser ist, ist dann mein Shiro Kamo auch noch einer ...? :unsure:
Dafür geht der Punkt beim Food-Release – also beim Finger abstreichen – an mein Shiro Kamo. Hier merkt man einfach den Unterschied des Migaki- gegen das Kuroutchi-Finish.
Ist es damit ein Unentschieden?
Nein, das Duell entscheidet das Watanabe für sich. Ein wirklich tolles Messer, das ich mir sofort zulegen würde.
Inoffizielle Wertung für den Kaufpreis: Dieser Punkt geht an das Shiro Kamo, da günstiger :D::

IMG_3935.jpeg


2. Duell
Bei den Duellen habe ich immer abwechselnd geschnitten; also zwei Scheiben mit dem einen Messer, dann mit dem anderen. So ging das durch diverses Gemüse. Einmal hatte ich den Eindruck, dass das Watanabe die Nase vorn hat; ein anderes Mal hatte Jürgen die Nase vorn.
Beim leichten Schnitt ein klares Unentschieden!
Ebenfalls beim Food-Release gab es keinen Sieger, das Finish der beiden Klingen ist zu ähnlich. Das kleine Bisschen „besser“ beim Jürgen zählt nicht, denn das ist vermutlich der etwas geringeren Klingenhöhe zuzuschreiben.
Inoffizielle Wertung für den Kaufpreis: Auch hier hat Jürgen die Nase vorn, allerdings nicht so klar wie das Shiro Kamo :D::

Wer hätte es gedacht?
Darum habe ich zuerst die Messwerte beschrieben. Rein nach den Zahlen hätte ich das Shiro Kamo beim leichten Schnitt vorne gesehen. Aber es kommt ja noch viel mehr dazu. Unter anderem die Geometrie. Hierzu möchte ich den Vergleich der drei Kehl-Shots zeigen:
LR__7525-ps.jpg

Von links nach rechts: Jürgen Schanz, Watanabe, Shiro Kamo
Nicht wundern, die vermeintlich sehr unterschiedlichen Klingenhöhen ergeben sich aus dem Übergang des Klingenrückens in den Griff. (siehe Bilder)

Fazit:
Man muss für hervorragende Messer nicht unbedingt in Japan bestellen :D:: Dennoch hat das Watanabe bei mir ein größeres Haben-wollen ausgelöst.
@joschlot Herzlichen Dank, dass du das Messer in diesen kleinen PA gegeben hast und ich dabei sein durfte.
Bin schon auf die Einschätzungen der weiteren Tester gespannt.

Viele Grüße

Rainer
 
Ist damit nun gemeint, dass das Messer das Schnittgut freiwillig hergibt, also im Idealfall gleich auswirft/abwirft oder ist ein guter Food-Release schon gegeben, wenn ich mit dem Finger das Anhaftende leicht von der Klinge streifen kann …
Also ersteres – Messer wirft Schnittgut freiwillig ab – ist mir bei den halbwegs normalen Geometrien noch nicht begegnet.
Ich kenne mehr die Einschätzung „geht gut oder nicht gut mit dem Finger ab“.
Zum Thema Foodrelease gibt es aus meiner Sicht fließende Abstufungen:

Die Minimalforderung wäre aber für mich, dass sich das anhaftende Schneidgut ohne merklichen Kraftaufwand abstreifen lässt.
Für den einen beginnt da schon Foodrelease, für den anderen beginnt da ein Messer akzeptabel zu werden.

Für mich wäre da sowas wie die Nullinie.
Abweichungen davon sowohl in Richtung besser als auch schlechter sollten Erwähnung finden.

Für mich beginnt Foodrelease als ausgewiesene Eigenschaft dort, wo ein Messer beginnt, zumindest einen Teil des Schnittgutes freiwillig abzuwerfen und zwar nicht erst, wenn es über den Messerrücken geschoben wird.
Denn die Vision ist ja, den Arbeitsfluss nicht unterbrechen zu müssen, weil die Flanke voll ist.
Und dann muss man eigentlich noch über die "Korngröße" des Schnittgutes sprechen.
Ganze Scheiben von Gurke oder dicker Karotte lösen sich unter Umständen schon an einer Balligkeit der Flanke, während kleine Würfelchen dazu neigen, auch geometrische Foodreleasemaßnahmen zu überwinden.
Das Ideal wäre, wenn selbst kleinste Würfelchen zu 100% abgeworfen würden.
Ein Messer, das diesem diesem Ideal entspricht ist nach meinem Kenntnisstand noch nicht entwickelt worden.
Ich bin schon sehr glücklich, wenn ich ein Messer habe, das bei Karottenwürfeln von 6-7mm Größe 70% freiwillig und den Rest durch leichte Berührung fallen lässt.

In dieser Hinsicht würde ich mir sehr ein paar Videos der neuen "The Hollow" Serie wünschen.
 
@ScottyC
Noch ein paar Fragen meinerseits:
Ich sehe auf Deinem Bild sehr klein geschnittenes Gemüse. Dabei werden die Abstreifkräfte natürlich sehr gering und die Unterschiede weniger wahrnehmbar.
Hast Du auch größere Würfel geschnitten, und dies auch in Deine Beurteilung einfließen lassen?

Hast Du auch diesen deutlichen Kraftanstieg wahrgenommen zwischen einem 10mm Einschnitt in eine Karotte und einem Schnitt durch die ganze Karotte?
Ist das bei den Vergleichsmessern ähnlich?
 
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