Zur Markierung R: Der rostfreie Standardstahl in der "guten alten Zeit" war der 1.4034, aber er wurde nicht ausschließlich verwendet, auch rostfreie Legierungen ähnlich dem 1.4112 kamen, wenn auch nicht so häufig, zur Anwendung (nach meiner Vermutung bei den Constant-Klingen von Friedrich Herder).
Wenn Klingenmarkierungen als Hinweis für die Verarbeitung üblich gewesen wären, hätte es so etwas ja auch gerade für die verschiedenen rostenden Stähle geben müssen als Hinweis, ob C60 oder etwas anderes. Klingemarkierungen wie das "R" hatten eindeutig einen anderen Zweck, nämlich den der Werbung. Die Hersteller wollten, dass die Kunden gleich erkennen, dass sie hier pflegleichte Klingen und Werkzeugteile vor sich haben.
Zur Erfindung des rostfreien Stahls: Eine sehr verwirrende Angelegenheit, da die Erfindung von verschiedenen Personen in Anspruch genommen wird. Was mir bisher an Information untergekommen ist (das wird jetzt länger):
Schon 1911 soll die Bedeutung eines Mindestchromgehaltes durch P. Monnartz und W. Borchers -zumindest theoretisch - erkannt worden sein, die einen erheblichen Anstieg des Korrosionswiderstandes ab einen Gehalt von 10,5 % Chrom feststellten.
1912 kommen Dr. Benno Strauss, damals Direktor der Krupp-Forschungsanstalt, und Eduard Maurer ins Spiel, welche in diesem Jahr rostfreie Chrom-Nickel-Stähle oder auch VA-Stähle entwickelten. Zusammensetzung: 18 – 25 % Chrom, 8 – 10 % Nickel, 0,10 Kohlenstoff,
nicht härtbar; das A steht für Austenit, am verbreitetsten V 2 A (Versuchsschmelze 2 Austenit), v.a. für Besteckteile (abgesehen von Messerklingen) geeignet.
Ebenfalls von Krupp entwickelt wurden die VM-Stähle, Zusammensetzung: 13 – 14 % Chrom, etwas Nickel, härtbar, M steht für Martensit, für Messerwaren geeignet. Leider habe ich keine Angabe darüber, wann genau die martensitischen Chromstähle von Krupp entwickelt wurden.
Meine Vemutung ist, dass der martensitische, also härtbare, rostfreie Stahl zuerst von Harry Brearly entwickelt wurde. Jedenfalls wurden bereits 1914 von der Sheffielder Firma George Ibberson & Company probeweise Klingen für Tafel- und Taschenmesser hergestellt. Das Urteil von J.W. Ibberson war aber zunächst vernichtend: „Nach unserer Meinung ist dieser Stahl ungeeignet als Klingenmaterial; er ist schwer zu bearbeiten und fast unmöglich zu schleifen, und die polierte Oberfläche ist unansehnlich und hat eine schlechte Farbe.“
Weitere Firmen experimentierten mit dem rostfreien Material wie Dixon & Sons und Ernest Stuart von R.F. Mosley, der mit Harry Brearly zusammenarbeitete. Trotz aller Schwierigkeiten sollen bereits 1916/17 die ersten Küchenmesser aus rostfreien Stahl in Großbritannien in Umlauf gekommen sein.
Amerikanische Quellen bringen gerne Elwood Haynes als Erfinder des rostfreien Stahls ins Spiel. In Bezug darauf sind mir verschiedene Geschichten bekannt geworden. Nach einer wird erzählt, dass er eine Stahllegierung aus Nickel, Kobalt und Chrom schmolz, um Korrosion an den Spitzen von Zündkerzen zu verhindern. Nach einer anderen Version soll er 1911 aus Unzufriedenheit über sein rostiges Rasiermesser einen rostfreien Stahl erschaffen haben.
Ja, und nicht zu vergessen wird auch die Erfindung der Chrom-Nickel-Stähle zudem auch noch von österreichischer Seite beansprucht. Nach dem Wissenschaftskalender des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat im Mai 1913 Max Mauermann, Leiter der Forschungslaboratorien der Phönix-Stahlwerke (Schoeller-Bleckmann-Stahlwerke) in Österreich, bei der Adria-Ausstellung in Wien die ersten Gegenstände aus Chrom-Nickel-Stählen präsentiert, die mit dem Hinweis "rostfrei" vermerkt waren. „Seit 1899 gehörte zum Stab der Bleckmannwerke auch der aus dem oberschlesischen Tarnowitz in die Steiermark gekommene Max Mauermann. Er war es, der im Forschungs- und Versuchslaboratorium seines Unternehmens erstmals rostfreien Stahl herstellte und diesen 1913 auf der Wiener Adria-Austellung der staunenden Ingenieurwelt vorführte. Als ein Stahlwerkskonzern des Rhein-Ruhrgebietes, der später als Mauermann ebenfalls nichtrostenden Stahl zu erzeugen begann, dessen Herstellung in Österreich zu verbieten suchte, kam es 1924 zu einem Patentprozeß. In diesem wurde Mauermann, der inzwischen Stahlwerksleiter und Direktor der Schoeller-Bleckmann-Stahlwerke A.G. geworden war, die Priorität seiner Erfindung ausdrücklich bestätigt. Obwohl auf Grund dieses Urteils die Schoeller-Bleckmann-Werke den rostfreien Stahl weiter erzeugen konnten, fielen der Ruhm, diese Neuerung eingeführt zu haben und der überwiegende Anteil des daraus erzielbaren Gewinnes nicht der österreichischen Stahlindustrie, sondern jener des Rhein-Ruhrgebietes zu.“
http://www.wissenschaftskalender.at/text/index.aspx?D=0407