Zwei Stähle aus Sheffield (UK), Wolfram Special und SF100

Mittlerweile haben xtorsten, Taperedtang, Moridin und ich einige Versuche zu dem merkwürdigen Verhalten des Stahls Wolfram Special durchgeführt.
Eine tolle und sehr gut les- wie auch nachvollziehbare Arbeit! Vielen Dank, dass Ihr Euch die Mühe gemacht habt das Rätsel des merkwürdigen Verhaltens dieses Stahls auf den Grund zu gehen.
Dank Eurer Arbeit und der daraus resultierenden "Reparaturanleitung" kann der Stahl überhaupt erst verwendet werden.

Möglicherweise zeigt eine andere Charge des Wolfram Specials dieses Verhalten nicht. Beim 1.2442 habe ich bis jetzt immer eine ordentliche Ansprunghärte (Glasritztest) erreichen können.

Danke auch für die Erweiterung meines Horizontes. Die Möglichkeit eines Verglühens von Wolframstählen war mir nicht bekannt - wieder was gelernt :)

Beste Grüße
Olaf
 
Zwischenzeitlich habe ich aus dem Wolfram Spezial zwei Messer gebaut, die "Wolfram-Zwillinge". Die Klingen haben nach dem Anlassen 66° HRc und 65° HRc erreicht. Herbert hat die Härteprüfung durchgeführt und wird den dazugehörigen Bericht auch noch einstellen. Die Griffmaterialien beim 1. Messer sind Elfenbeinmicarta mit Kupferpins und Backen aus rekonstruiertem Azurit. Beim 2. Messer Pockholz und Backen aus V2A ebenso die Pins. Da in diesem Thread auch der Stahl SF100 behandelt werden soll, werde ich hierzu auch noch etwas schreiben. Ich kann aber jetzt schon sagen, die Wärmebehandlung verlief völlig unkompliziert mit sehr guten Ergebnissen. Zunächst aber einige Bilder von den Wolfram-Zwillingen.

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Gruß
Matthias
 
Unglaublich was Du immer für Messerschönheiten produziert!
Ich bin hin- und hergerissen welches Messer mir besser gefällt. Die grüne Zwinge ist ein toller Farbakzent.
beide Messer wirken unglaublich knuffig.
Auch die Messerscheide sieht toll aus.
Wäre Klasse wenn du nach einiger Zeit der Nutzung über das Verhalten des Stahls berichten würdest.

Viele Grüße
Olaf
 
Vielen Dank, Olaf! Ja, die kleinen Messerchen sind knuffig (knapp unter 16 cm Gesamtlänge).

Viele Grüße
Matthias
 
Wäre Klasse wenn du nach einiger Zeit der Nutzung über das Verhalten des Stahls berichten würdest.
Ich hab so ein Gefühl, dass die schönen Teile schon zu Testflügen unterwegs sind...;)
Wenigstens eines davon.
Glückwunsch zu diesen schönen Arbeiten!
rocco26
 
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Hier noch zur Vervollständigung der von Matthias angekündigte Bericht über die Härtemessungen. Rundet das Gesamtbild ab. Freut vielleicht auch den, bei dem die beiden gerade gelandet sind......
Gruß
Herbert
 

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  • Haertemessungen Messauftrag Matthias feb 24 17.pdf
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die Wolframzwillinge sind bei Excalibur
Na ja, er hat ja eines schon in einem anderen Zusammenhang gezeigt und ich hab für solche Schönheiten einen Merks. ;)

Die erreichte Härte ist recht hoch (ermittelt / gemessen). Ist das so gewollt? Ich bin ein Liebhaber des 1.2550 und der 1.2442 ist da ja nicht so weit weg.
Ich mag diese Stähle sehr, auch wenn sie nun gar nicht rostträge sind. Ich glaube bei etwa 60 HRC spielen sie ihre Stärken aus.
Ich würde auch gerne mal testen...
Und ja mein Merks... Das Giraffenknochenmesser, dass Exkalibur von dir hat, ist ein Traum!
Danke an Herbert für die Begleitung! (y)
Greez roc
 
Ahoi,
ja die beiden Adlerküken sind tatsächlich aus dem Nest gefallen und haben einen Horst in Berlin gefunden🤭
Zum Hintergrund - die Messerentwürfe von Matthias fand ich schon immer toll, die Akribie bei Formgebung und Materialauswahl ist beachtenswert 💫- er hatte mir bereits eine Schönheit mit Kamelknochengriffen gebaut.
Ende letzten Jahres kam die Idee auf, ein kleines, taugliches City Knife für die Hosentasche zu probieren.
Diese beiden Entwürfe schickte er mir und leider wird er sie beide nie Wiedersehen🤭🤭🤭
Sie unterscheiden sich nicht nur im Griffmaterial- die Handlage unterscheidet sich ebenfalls.
Beim gedachten Verwendungszweck „City Knife“ war der Verwendungszweck bisher ebenso.
Papier, Äpfel und Pakete fielen den Messern bisher zum Opfer👏🏼👏🏼👏🏼
Obwohl beide Messer sehr scharf bei mir ankamen, ist es eine Marotte von mir, die Klinge trotzdem zu ledern.
Der Sheffield Stahl nimmt eine bissige Schärfe an, soviel kam ich nach wenigen Tage sagen🫡

To be continued 🫡
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@rocco26

Die Härte der Klingen wurde von Herbert gemessen. Im Post # 27 kannst Du den Prüfbericht (PDF-Datei) lesen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man das Potential eines Stahls ausschöpfen sollte, auch bezüglich der erreichbaren Härte. Hier gilt es natürlich abzuwägen, ob bei hoher Härte noch ausreichend Zähigkeit vorhanden ist. Der Verwendungszweck des Messers spielt hierbei eine große Rolle. Bei einem "City Knife" mit dem ich dessen typische Aufgaben wie z. B. Obst schneiden/schälen, Pakete öffnen, Bindfaden abschneiden, etc... wahrnehme benötige ich keine enorme Zähigkeit, hier ziehe ich eine hohe Schnitthaltigkeit vor. Bei ersten Schnitttests an Hartholz konnte ich keine Ausbrüche feststellen. Die Schneidenstärke beträgt auch stabile ca. 0,3 mm - 0,4 mm odW. Wenn man damit nicht unbedingt Knochen hackt, dürfte da nicht viel passieren.

Also ja, eine hohe Härte war beabsichtigt. Ich wäre aber auch schon mit 64° HRc zufrieden gewesen. Eine Wärmebehandlung auf ein Grad Rockwell genau durchzuführen ist nicht ganz einfach. Schwankungen von 1° - 2° HRc liegen in der Norm. Nicht ohne Grund geben viele Messerhersteller die Härte in einem Bereich wie z.B. 58° - 60° HRc an.

Gruß
Matthias
 
Wie angekündigt, zeige ich hier auch mein erstes SF 100 Messer. Die Griffschalen sind aus Raffir Alume Waves, die Pins aus Aluminium. Die Daten des Stahls habe ich zu Beginn des Threads bereits verlinkt. Das Messer ist ein EDC in der „17 cm Klasse“. Gesamtlänge: 17,3 cm, Klingenlänge 7,3 cm. Gewicht: 83 g

Die Wärmebehandlung verlief unkritisch mit gutem Ergebnis:

Härtetemperatur: 1080° C bei 13,5 min. Ofenzeit. Abschrecken in auf 60° C erwärmtem Durixol 25, danach 1h Tiefkühlung in Trockeneis. Anlassen für 2 x 2 h bei 200° C. Eine dreifache Härtemessung von Herbert ergab einen Durchschnittswert von 62,3° HRc. Aufgrund der Ähnlichkeit des SF100 mit dem 14C28N/AEB-L gehe ich beim SF100 auch von einer guten Zähigkeit aus. Mal schauen, wie er sich in der Praxis bewährt.

Jetzt noch einige Bilder zum Messer:


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Gruß
Matthias
 

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Hallo Matthias,
Mit einer bissigen „grünen Mamba“ als EDC in der Tasche, Wahnsinn! Ein tolles Design und Griffmaterial, Verarbeitung sowieso bei dir. Klasse, klasse…..

Abu
 
Ja wirklich ein sehr eigenwilliges Muster am Griff. Grüne Mamba paßt hier genau, @Abu .
Bin gespannt, wie es sich schlägt, äh... schneidet.
Herbert
 
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@Abu, @herbert,

Danke, Burghard! Grüne Mamba passt, giftig scharf ist es auf jeden Fall. :) Ja, Herbert, das Griffmaterial hat mich neugierug gemacht. Ich finde die feinen, in Kunststoff eingebetteten, Alu-Netze spannend. Je nach Lichteinfall, ergeben sich durch den transparenten Kunststoff, in Verbindung mit dem Alu, tolle Effekte. Das Material lässt sich super bearbeiten, hat Spaß gemacht.

Gruß
Matthias
 
Ich gehe mal nicht auf die Messer ein sondern auf die Wärmebehandlung. Ich sehe den wirklich sehr guten Bericht erst jetzt. Dieses Verhalten der Wolframstähle mit zunehmender Glühdauer dann WC ( die Abkürzung ist dann irgendwie Programm ;-) ) zu bilden mit der Bindung des Kohlenstoffs ist bekannt. Subjektive Effekte sind: Feilbarkeit nach dem Härten ( Feile wird trotzdem stumpf) und Bohrer kommt trotzdem nicht durch. Aus dem Grunde sollte man beim 2442 immer zunächst ein Lösungsglühen bei den beschriebenen 1050° einplanen. Besonders natürlich auch, wenn man den Stahl im Damast verwendet. Nach dem Lösungsglühen dann ein schnelles, mehrmaliges Normalisieren zur Kornfeinung und dann NICHT so lange weichglühen ( nicht im Ofen abkühlen lassen) sondern versuchen noch langsam unter den Umwandlungspunkt bringen und dann in Asche vergleichsweise schnell abkühlen. Ich härte dann bei 830 ° und die Feile rutscht.

Ich möchte da nicht als Klugscheiss… gelten aber da man nicht weiß, was im Herstellerwerk passiert ist, mache ich das Lösungsglühen als Standard schon seit Jahren.
 
Danke, für deine Hinweise zur Wärmebehandlung. Bisher habe ich die Stähle wie geliefert bearbeitet, meistens ist das auch gut gegangen. Nach dem Erlebnis mit dem Wolfram Spezial und der Beschreibung deiner Vorgehensweise, werde ich mich dieser anschließen, da sich dieser Mehraufwand auf jeden Fall lohnt.

Gruß
Matthias
 
Eine Frage bezüglich der Härtetemperatur des Wolfram Special bzw. 1.2442.
Larrin empfiehlt in seinem Buch "Knife Engineering" eine Härtetemperatur für den 1.2442 von unter 800°C, aber dafür mit längerer Haltezeit. Sein Argument ist der hohe C Gehalt des Stahls, der bei hohen Austenisierungstemperaturen in Lösung geht, was zu einer verminderten Zähigkeit führt (wenn ich die Argumentation richtig im Kopf habe - ich kann leider momentan nicht nachschlagen da ich gerade ein paar Zeitzonen entfernt bin).

Bei den letzten Messern habe ich das von Larrin empfohlene Protokoll mit 795°C angewendet. Glasritztest hat problemlos funktioniert.

Wie bewertet Ihr diese Härtetemperaturempfehlung für den 1.2442, bzw. analog für den Wolfram Special?

Viele Grüße
Olaf
 
Eine Frage bezüglich der Härtetemperatur des Wolfram Special bzw. 1.2442.
Larrin empfiehlt in seinem Buch "Knife Engineering" eine Härtetemperatur für den 1.2442 von unter 800°C, aber dafür mit längerer Haltezeit. Sein Argument ist der hohe C Gehalt des Stahls, der bei hohen Austenisierungstemperaturen in Lösung geht, was zu einer verminderten Zähigkeit führt (wenn ich die Argumentation richtig im Kopf habe - ich kann leider momentan nicht nachschlagen da ich gerade ein paar Zeitzonen entfernt bin).

Bei den letzten Messern habe ich das von Larrin empfohlene Protokoll mit 795°C angewendet. Glasritztest hat problemlos funktioniert.

Wie bewertet Ihr diese Härtetemperaturempfehlung für den 1.2442, bzw. analog für den Wolfram Special?

Viele Grüße
Olaf
Das ist sehr schwer zu beantworten. Aus den Berichten weiter oben wird ja klar, dass mit zunehmender Glühdauer I totglühen) immer mehr C gebunden wird. Von anfänglich W3C bis zum WC der dann dreimal soviel C bindet. Viele Versuche mit den Härtetemperaturen bringen dann verschiedene Härteergebnisse einfach weil der Zustand des Stahls vor dem Härten nicht gleich ist. Unterschiedliche Ausgangszustände bringen dann unterschiedliche Ergebnisse trotz gleicher Wärmebehandlung.

Ich habe da vor mittlerweile fast 20 Jahren auch meine Erfahrungen machen müssen. Der 2442 wurde nicht hart, ließ sich feilen, aber nicht bohren ( weil halt schon jede Menge Wolframcarbide da waren) . Bin dann mit der Härtetemperatur hoch gegangen, kein Erfolg. Hab sie testweise mit Wasser abgeschreckt und zum Platzen gebracht. Waren trotzdem nicht wirklich hart. In den Diskussionen damals mit Roman Landes sind wir dann auf die Vermutung mit der WC Bildung gekommen. Ich hab damals auch schön lange ( so langsam es ging) weichgeglüht. Er vermutete dann als Ursache diese WC Bildung. Wirkliche Erfahrung hatten wir ja auch nicht, weil es den 2442 als Messerstahl ja nicht so wirklich verfügbar gab. Das Lösungsglühen brachte dann die „Erlösung“

Dazu kommen dann ja noch die Tücken des Rockwellverfahrens, welches ja zur Ermittlung der Zugfestigkeit als zerstörungsfreie 100% Prüfung entwickelt wurde ( einen Zugstab aus dem Bauteil zu schneiden zerstört es ja ;-) )Ich erzähle nix Neues wenn ich behaupte, dass ein reiner Kohlenstoffstahl wie c60 bei gleicher Rockwellhärte eine wesentlich geringere Schnitthaltigkeit aufweist, wie ein Sonderkarbismonster. Liegt an den harten Sonderkarbiden. Logisch. Diese werden offensichtlich durch das Rockwellverfahren nicht umfänglich abgebildet. Ist halt in Etwa so, als wenn man eine Gummiplatte mit eingelagerten Kieselsteinen prüft. Die Kieselsteine werden zur Seite gedrückt. Wolframcarbide, Vanadiumcarbide etc lassen sich auch Härteprüfen. Das sind aber andere Verfahren.. Wenn man die Werte dann in Vergleichstabellen umrechnet, was im Prinzip so nicht vorgehen ist, landet man bei irgendwo 90 HRC ohne diese bei einer normalen HRC Prüfung erfassen zu können.
 
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