Servus,
durch ein nettes Ereignis bin ich auch an ein gepimptes Böker Cottage Craft gekommen und möchte meine gewonnen Eindrücke in diesen Thread einbringen. Mich hat die Frage geplagt, was ich den breit und dicht über das Messer schreiben soll, wenn ich schon hunderte verschiedene Kochmesser in der Hand hatte, darunter wirkliche Preziosen ohne das ich ständig einen Vergleich bemühe? So räum ich das mal alles zu Seite und schau bemüht vorurteilsfrei auf das Cottage Craft, das ich bekommen habe und das ist ein schlichtes Haushaltsmesser, groß genug für alles was in einer Küche so anfällt. Was macht also den Unterschied zu dem Rest aus Solinger Produktion? Es wurde für diese Serie eine alte Tradition wiederbelebt, das Messer ist aus C75 einem bekannten und bewährten Carbon-Stahl, es rostet also bei nachlässigem Umgang. Der Griff ist aus einem Stück Obstholz, genauer aus Pflaume, klassisch mit Messingpins vernietet.
Das war’s.
Beworben wird es mit einfacherem Schärfen als eine Stainlessklinge und einer bissigeren Schärfe, sozusagen als Belohnung für den höheren Pflegeaufwand. Der Preis ist erstaunlich fair, wenn man die Handarbeit gegenrechnet und auch sonst, wenn man es in die Hand nimmt und betrachtet.
Ansonsten hat das Messer keinerlei unnötiges Beiwerk, ein Flacherl mit zwei Holzgriffen dran und das reicht auch für jene, die zwar dem Messerhobby frönen, aber deren Affinität in einem anderen Bereich zu Hause ist. Einzig einer kleinen Gruppe von Kochmesserfreaks könnte das gebotene unter Umständen nicht genügen, aber um die geht es hier nicht.
Der Platzhirsch in deutschen Landen, wenn es um C-Stahlklingen und Obsthölzer als Griffmaterial geht ist nun mal Herder, deshalb komme ich auch nicht um einen Vergleich herum. Ich halte mich aber kurz und trete das ewiger Herder-Thema jetzt nicht in epische Breite, sondern bringe das auf den Punkt. Ein Herder sollte in der Regel dünner geschliffen sein und leichter scheiden. Über die Qualität und Eigenschaften der verwendeten Stähle breche ich jetzt keine Lanze, ein Herder als Flacherl kostet locker das Doppelte und das garantiert weder einen schöner versäuberten Griff noch einen tatsächlich leichteren Schnitt, wohl aber beides möglich ist, wenn man gut auswählt.
Die aufgerufenen 48,- Euro für das Cottage Craft sind verlockend kaufanreizend und treiben das Pendel stark Richtung Vernunft und bezogen auf das mir vorliegende Messer, gilt dieser Griff als tadellos versäubert und hübsch gezeichnet noch dazu. Auch haptisch und ergonomisch gibt es keinen Grund zu klagen. Liegt gut in der Hand, wenn man es wie die deutsche Hausfrau greift, also voll, eventuell mit gestrecktem Zeigefinger am Rücken zusätzlich stabilisierend.
Die Dicke an der Wate scheint 0,30mm nicht zu unterschreiten, wenn, dann geht die Tendenz eher Richtung 0,50mm Hier irgendwo dazwischen werden wohl die meisten Exemplare angesiedelt sein. Aber nicht meines. Das wurde von kundiger Hand, und jetzt kommt’s „vernünftig“ ausgedünnt. Was mag das heißen? Häufig geht der Wunsch nach einer dünnen Wate mir einer durchgängigen Nagelgängigkeit einher. Die berühmte Auslenkung der Schneide bei leichtem Druck gegen den Daumennagel in Form einer Beule die über die ganze Länge der Schneide rollt, wenn man das so will und jemand das kann. Natürlich raubt man mit so einem nagelgängigen Schliff einer Schneide ihre Stabilität. Das kann man schon machen, wenn man weiß wie damit umgehen und welche Schneidenwinkel jetzt zwingend notwendig sind. Man kann aber auch anders und so ist es mit meinem Exemplar geschehen. Hier wurde bis knapp vor Nagelgängigkeit ausgedünnt und nur mit viel Druck gegen eine Tischkante lenkt die Schneide aus, gegen den Nagel passiert wenig bis nix. Solcherart geschliffen, bleibt eine satte Stabilität der Schneide erhalten, weil noch genug Materialdicke belassen wurde, bei gleichzeitiger Verbesserung der Schneidfähigkeit gegenüber dem Original, weil da einfach mehr Stahl als nötig über der Wate steht, wenn man Missbrauch ausschließt.
Eine Lösung die ich als gestanden vernünftig erachte, kann das Messer so geschliffen noch jeder benutzen, so wie er es von zu Hause gewohnt ist, mit Querbelastungen, Druck gegen den Rücken beim Kräuterwiegen und feste druff auf ( fast ) alles wie gewohnt. Wohlgemerkt und zur Erinnerung, ich reden von normalen Anwendern, für die ein Messer Mittel zum Zweck ist, ein Werkzeug und kein Spielzeug mit Selbstzweck, für ein besonderes Schneidgefühl, dass nur wenigen Freaks wichtig ist. Der Rücken ist glatt und rund überschliffen und der Kehl ohne Kante oder Grat. Somit ist alles was nötig ist gemacht, um aus einem ordentlichen deutschen Kochmesser ein etwas Besseres zu machen, so man das überhaupt will..
Klar kann man das nochmal dünner machen, klar kann man das noch etwas balliger schleifen, aber wenn einem der Vergleich mit wirklich gut geschliffenen Geometrien fehlt, ist das bei weitem nicht nötig. Welcher normale Nutzer hat schon von Food release gehört? Also lassen wir die Freaky-Feinheiten einfach sein. Bei mir steht das Böker Cottage Craft jetzt neben dem Brett bereit, für alles was schnell geschnitten werden muss, ohne eine Zeremonie daraus zu machen. Das schneidet Brot und Semmel, Striezel und Kuchen, Pizza und Omelette, Obst und Rohkost, Nüsse und Verpackungen die geöffnet werden müssen, also alles wofür mir meine Preziosen zu wertvoll und divenhaft sind.
Es gibt ja verschiedene Messer aus dieser Serie und das Böker Cottage Craft Schinkenmesser um knapp über 40,- Euro würde ich einem Tranchelard von Herder vorziehen. Zu viele gute Gründe sprechen für das Böker, zumindest bei dieser Art Messer, zu wenige für das Herder, wenn wir am Boden der Vernunft bleiben.
Nach einer guten Woche Mädchen für alles, schaut das jetzt so aus, schönes Buntmetall:
In diesem Sinne habe ich ein Küchenwerkzeug bekommen, über das ich mich freue und dessen Wert ich schätze.
Gruß, güNef