Hier -wie meist-findet sich eine gute Zusammenstellung bei Rapatz- dort Kapitel 5. Anlassen und Vergüten S. 63 ff. Dem ist nicht wirklich etwas hinzuzufügen. Die Anlaßfarben entstehen durch Oxydschichten und durchlaufen die Farbskala von blaßgelb bis grau. Das Wachstum der Oxydschicht ist sowohl temperatur-, wie auch zeitabhängig. Bei einer Erwärmung der Oberfläche von nur wenigen Minuten erscheint die blaßgelbe Farbe bei 200 Grad und bei 400 Grad wird die graue Farbe erreicht. Bei längerer Erwärmung treten die Anlauffarben logischerweise bei niedrigeren Temperaturen auf. Bei einer Stunde Erwärmungsdauer auf 230 Grad wird schon hellblau erreicht, Kornblumenblau schon nach etwa 45 Minuten (oder nach etlichen Gläschen Hochgeistigem). Die Anlaßfarben für kurzfristige Erwärmung sind auch in Havards schönem Buch dargestellt.
Man kann sich bezüglich der Wirkung des Anlassens grob nach der Farbe richten, da ein längeres Erhitzen auf niedrigere Temperatur nicht nur die gleiche Farbe, wie ein kurzfristiges Erhitzen auf höhere Temperatur erzeugt, sondern auch zu ähnlichen Eigenschaften führt. Völlig austauschbar sind die Wirkungen von Zeit und Temperatur aber nicht, soweit es um die mechanischen Eigenschaften geht. Ein kurzfristiges hohes Erhitzen kann schon Spannungen abbauen, bevor Karbidausscheidungen einsetzen. Bei höher legierten Stählen kommt es je nach der Vorbehandlung zu Sekundärhärteerscheinungen und sonstigen interessanten Wirkungen, die hier zu erörtern nicht der Platz ist.
Bei mehrfachem Anlassen auf 200 Grad über je eine Stunde könnte man ohne weiteres schon die blaue Anlaßfarbe erzielen, ohne die negativen Auswirkungen gewisser Karbidausscheidungen in Kauf nehmen zu müssen. Da die Anlaßfarben nicht haltbar sind, bleibt das Ganze eher eine Spielerei.
Kurven des Härteverlaufs bei unterschiedlichen Anlaßtemperaturen fanden sich bei W. Haufe- Werkzeugstähle und ihre Wärmebehandlung. Dieses Büchlein kann nicht genug empfohlen werden , ist aber wohl nur noch zufällig zu finden. Ich habe es ausgeliehen und nicht mehr zurückerhalten-leider habe ich vergessen, wer es hat. Nur soviel

ie Erhöhung der Anlaßtemperatur wirkt sich wesentlich stärker aus, als die Anlaßdauer.
Wichtig ist noch folgendes: Korrosionsbeständige Stähle oxidieren langsamer als niedrig legierte. Die Anlaßfarben tauchen bei ihnen grob geschätzt bei etwa der doppelten Temperatur auf. Die ungünstigen Schneideigenschaften korrosionsbeständiger Stähle liegen zum Teil auch am achtlosen Schleifen, da das Alarmzeichen der Anlaßfarben zu spät auftaucht.
MfG U. Gerfin