Moin zusammen,
ich hänge mich mit meinen Eindrücken zu Teruyasu Fujiwara und dem Denka Gyuto im Speziellen einfach mal an die Diskussion dran (wenn etwas dagegen einzuwenden ist Klaus, bitte kurze Info an mich).
Wie einigen von euch bekannt ist, war ich ja kürzlich in Japan und unter anderem auch in Tokyo. Dort hatte ich mich mit den Leuten von Teruyasu Fujiwara verabredet, da mich die Messer in letzter Zeit sehr interessiert haben und mir noch einige Fragen aufgaben. Leider war ich grad in einer Feiertagswoche vor Ort, wo das Geschäft von Fujiwara eigentlich geschlossen ist. Kein Problem, es wurde angeboten extra für mich aufzumachen, das hört man doch gerne...
Kurzum... sehr herzliche nette Leute und ein sehr netter Laden in einer recht beschaulichen Wohngegend in Tokyo (nahe Meguro), in dem (nahezu... ein paar Nagelscheren etc. aus Seki ebenfalls vorhanden) ausschließlich die eigenen Produkte der Schmiede angeboten werden. Insgesamt habe ich mehrere Stunden dort zugebracht, Einladung zum Kaffee/Tee und kleine Tour durch die Werkstatt inklusive (die Schmiede liegt außerhalb). Definitiv eine der bleibenden Erinnerungen, die ich von der Reise mitnehme
Vielleicht komme ich demnächst nochmal dazu, mehr Fotos aus dem Laden, Portfolio etc. hochzuladen, da wollte ich aber lieber vorher nochmal per Email nachfragen, ob das ok ist...
Aber zum Thema... drei Fragen scheinen hier die Diskussion um die Teruyasu Fujiwara Messer zu bewegen:
1. Handelt es sich denn jetzt um einen Einzelschmied oder eine Manufaktur?
2. Warum diese augenscheinlich raue und grobe Verarbeitung? Mangel? Absicht? Haben sie es ggf. nicht nötig?
3. Die Messer haben einen Ruf sehr hoher Schärfe, auch im Auslieferungszustand. Deshalb hat mich natürlich besonders interessiert, wie dort die Messer geschärft werden.
zu 1.: Die Frage kann man kurz und bündig beantworten. Der Meister - den ich ebenfalls kennengelernt habe, der aber leider kein Englisch spricht, trotzdem irgendwie interessanter Typ - schmiedet, sein Lehrling (ich vermute der Sohn, wollte aber nicht so indiskret fragen...) schärft die Messer, macht die Nachbearbeitung wie bspw. die typischen Fingerkerben, montiert die Griffe und kümmert sich um den Emailverkehr etc.
Auf die anderen beiden Fragen möchte ich später zurück kommen...
Erstmal möchte ich mein Mitbringsel vorstellen: es handelt sich ebenfalls um ein
210mm Wa-Gyuto aus der Fujiwara Denka Linie mit Wa-Griff aus Ebenholz und ohne die Fingerkerbe und mit Machi.
Alternativ hatte ich mir zum einen Messer aus anderen Reihen (im nachfolgenden Bild ganz rechts z.B. ein Maboroshi Gyuto) angeguckt sowie diverse Varianten des Denka Gyuto.
Wie war das... "diverse Varianten"?

Ja genau, Fujiwara schmiedet unterschiedliche Varianten der gleichen Baureihe/Größe... zum einen mit und ohne Machi und mit und ohne Fingerrest. Insbesondere werden aber auch leichtere, etwas niedrigere Klingen mit einer dünneren Angel geschmiedet (auf folgendem Bild Zweites und Drittes von oben) oder etwas massivere Varianten (Erstes und Viertes). Dabei variiert auch der montierte Griff. Der Gewichtsunterschied der Klinge ist dabei nicht dramatisch (ca. 10-15g waren es glaube ich).
Zur Verarbeitungsqualität ist mir aufgefallen, dass diese bei Maboroshi und Denka Serien doch spürbar über den Nashiji Messern liegen... soweit ja nicht überraschend. Allerdings weisen auch sowohl Maboroshi als auch Denka teils deutliche Bearbeitungsspuren (Schleifspuren, Kratzer, Kerben, recht roher Kehl etc...) auf sowie eine nicht zu vernachlässigendere Variation der Klingen untereinander.
Positiv zu bemerken ist, dass die Klingen allesamt sehr dünn und extrem nagelgängig ausgeschliffen waren. Außerdem empfinde ich die Yo-Griffe vom Finish deutlich schlechter als die Wa-Griffe. Hier zu beobachten an einem Maboroshi 210 Yo-Petty, welches jetzt in der Küche meiner Mutter gelandet ist:
Ich hatte letztlich das Glück, dass ich mir MEIN DENKA vor Ort aussuchen durfte. Ohne viele Worte möchte ich zum Eindruck einfach ein paar Bilder folgen lassen. Prinzipiell bin ich mit der Verarbeitung dieses spezifischen Messers sehr zufrieden. Ich habe es bisher nur einmal intensiv getestet und bin extrem angetan. Ich kann Klaus' spontane Einordnung zu den "Top 3 Messern im Block" durchaus nachvollziehen... Food Release sehr gut... Schneidfähigkeit exzellent... Schärfe ab Werk auf meinem üblichen Gebrauchslevel

... Profil, Balance und Handlage sehr gut und Reaktivität extrem gering.
Spezifischere Eindrücke folgen mit der Zeit
Bleiben die o.g. Fragen 2. und 3.
zu 2.: also warum diese grobe Verarbeitung, das "rustikale Finish" oder wie man es auch nennen mag... ich denke das geht nicht wirklich in unseren europäischen Kopf rein. Nein, ich denke nicht, dass er es nicht besser kann (andere Schneidwerkzeuge in seinem Laden zeigen das) und ich denke auch nicht, dass es sich um eine kalt kalkulierte Sparmaßname handelt. Vielmehr scheint es in Japan ein weit verbreitetes ästhetisches Prinzip zu sein, welches mir nicht nur bei Fujiwara, sondern auch bei anderen Messerschmieden/-händler die ich besucht habe (Aritsugu, Shigeharu und Furata in Kyoto... Diverse an der Kappabashi und am Tsukiji Fischmarkt in Tokyo) begegnet ist.
Man kann es nennen wie es will... das Messer ist ein Werkzeug. Spiegelpolierte Kanten etc. sind dabei eher überflüssig und ein als unnötig betrachteter Aufwand. Zum anderen ist mir oft eine gewisse Verehrung des Handwerks begegnet, die sich auch darin äußert, dass bewusst Bearbeitungsspuren sichtbar gelassen werden. Nicht nur bei Messern, sondern auch z.B. bei hochwertigen Töpferwaren oder Schnitzfiguren etc. Bei Teruyasu Fujiwara scheint es eine Mischung aus beidem zu sein. Von den hiesigen Schmieden kommt die Philosophie eines JJT dem wohl am Nächsten. Das kann man natürlich akzeptieren oder gut finden oder nicht, ggf. sollte man die Finger von den Messern lassen. Jedoch grobe Makel, die die Funktion der Messer einschränken würden sind mir nicht begegnet!

Für Finish-Fanatiker sind die Messer definitiv nichts. Nach dem ersten Eindruck spielt (jedenfalls mein) Denka in Punkto Funktionalitt jedenfalls ganz weit oben mit.
zu 3.: Ganz kurz und knapp... die Messer werden nach einem grobem Grundschliff auf umlaufenden synth. Schleifrädern auf einem Natur-Schleifrad geschliffen, welches mir als "Aoto" benannt wurde. Hier ein kurzer Blick in den Werkstattbereich:
Gefinished wird auf einem ebenfalls umlaufenden Stein, der mir als "synthetic 8000 Grit from Naniwa" vorgestellt wurde.
Gerne halte ich euch auf dem Laufenden. Wiegesagt, weitere Infos und Bilder folgen eventuell demnächst. In meine aktuellen Top 3 hat es das Denka auf jeden Fall auch geschafft...
Kleines OT-Bild zum Schluss: 100.000 Yen in Form von Stahl... ein Brocken Tamahagane höchster Qualitätsstufe
Gruß, Gabriel