Rock'n'Roll
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Beim Handwerk entsteht eine Beziehung zwischen dem Erzeuger und dem Besitzer. Es ist fast so, als würde der Geist des Erschaffers dann in dem Objekt wohnen.
Stian Korntved Ruud, 26, norwegischer Designer.
Boas,
wer Schneidfreude zu seinen Leidenschaften zählt, sollte für ein entsprechendes - schneidfähiges - Equipment sorgen. Wir haben uns bemüht bislang und sind nicht unzufrieden. Gern nehmen wir noch einmal Bezug auf das Buch von Roman Landes, dessen Lektüre uns auf den rechten Weg gebracht hat.
Worauf es ankommt wenn es darauf ankommt
o Möglichst perfekte Geometrie (spitzer Schneidenwinkel mit balliger Schneide, hohe Schärfe, geringe Schneidendicke),
o Geeigneter Stahl (niedrig legierter Kohlenstoffstahl) und die
o Richtige Wärmebehandlung
sind die essentiellen Bestimmungsfaktoren für den Stoff, aus dem unsere Träume sind.
Besonders behilflich bezüglich rostfähiger Balliger waren bisher Eckhard Schmoll (Leo-Damast-Folder), Painless Potter (Fixed mit Damast von Micha), Gerd Haslauer (Shirogami-SBH), Attila (zwei Kohlenstoff-Slipjoints) und Uli Hennicke (Kleiner Taschen-Klapp-Jäger 1.2519). Auf der steten Suche nach dem „heiligen Gral“ stießen wir natürlich auch auf die Messerchen von Daniel Jeremiah Boll. Und seine „Boygroup“ !
Wir fanden bei eingehender Recherche Messer mit schlanken, leicht ballig und sehr dünn und scharf ausgeschliffenen Klingen aus wolframlegiertem Kohlenstoffstahl mit kleinem Schneidenwinkel. Und waren fasziniert! Die Modell-Vielfalt hat es uns dann wieder mal echt besorgt. Fixed, Folder, Holz, Walroß, Giraffe und was sonst noch alles ….
Während Ulis Messer Grenadill trägt, sollte es bei Daniels Padouk sein. Wie es sich für einen echten Thai-Klapper gehört . Bei all der Rumstöberei und Grübelei blieb das Rad bei diesem Messer von enrico stehen: 1.2519, Titan, Padouk. So in der Art wollten wir das haben. Etwas kleiner - also mittelgroß. Und die Klinge aus 1.2442.
Wir haben dann in einer anderen Klingengemeinschaft die Variante mit Klemmer gefunden, die Daniel für sich selbst und seine Bermudas angefertigt hat. Und mittlerweile noch für eine kleine Zahl weiterer Messer-Junkies.
Jungle Fever …
Eigentlich wollten wir den „Redrocka“ zusammen mit Ulis „Black Rebel“ vorstellen. Weil wir beide im Mai 2014 bestellt haben. Und weil beide - das hat schon was Mystisches - genau am selben Tag, dem 23. Juli 2015 auf den Postweg geschickt wurden. Außerdem haben beide Messer einiges gemeinsam. Wie die Messermacher …
Nun begab es sich aber, daß die Fügung - gepaart mit unserer Ungeduld - es anders vorgesehen hatte. Daniels Klapper hing beim deutschen Zoll in Dresden! Doch jetzt ist er eingetroffen.
Unsere Bestell-Mail im Mai 2014 blieb eine ganze Weile unbeantwortet und wir befürchteten schon Böses. Wie man sich erzählt, sind Daniels Lieferzeiten nicht von schlechten Eltern. Sollte er gar keine Aufträge mehr annehmen? Die Sorge war unbegründet. Seine Antwort kam mit einigen Alternativen und nach ein paar knappen Detailfragen war die Sache geklärt. Als Lieferzeit wurden 10 bis 12 Monate in Aussicht gestellt.
Am Ende sind es dann 15 geworden. Wobei man den gesamten Lieferprozeß und den Zoll nicht vergessen darf. Inklusive Verbringung von Daniels Home zur Post in Phuket über den deutschen Zoll in Dresden und eine deutsche Kontaktadresse bis nach Monte Gordo ist so’n Messerchen schon eine Weile unterwegs. Daniel mußte sich für den Versand ein gutes Stück weit aus dem Fenster lehnen, wie er uns eindrucksvoll - auch anhand von Bildern thailändischer „Heißblütigkeit“ - geschildert hat.
Unsere erste Anfrage an Daniel nach der Bestellung ging nach Solingen im Mai 2015 raus. Und von da an ergab sich ein mehr als erbaulicher email-Austausch. Wir stellten fest, daß wir die gleiche Kamera für unsere Fotos benutzen und neben Messern eine weitere gemeinsame Leidenschaft teilen: Rock’n’Roll & Funky Stuff! Die Wartezeit verging wie im Flug. Wir freuen uns schon auf die nächste …
Wie Uli ist auch Daniel ein Spätberufener. Er hat seine Brötchen zunächst als Rock- und Funk-Schlagzeuger verdient. Nach einiger Zeit als „Eremit“- auf einem Hof im Schwarzwald - begann er eine Ausbildung zum Messerschmied. Er hat sich dann zunächst in Solingen selbständig gemacht, ist ebenfalls Mitglied der Deutschen Messermacher Gilde und seit 2005 in Thailand ansässig. Jungle Fever !!
Der Stahl der Wahl …
1.2442 aka 115 W 8: C: 1,15 Si: 0,25 Mn: 0,35 Cr: 0,2 W: 1,8-2,1
Dieser wolframlegierte Kaltarbeitsstahl wurde früher gern für Sägeblätter genutzt, war dann eine Zeitlang in Vergessenheit geraten und ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Er ist übereutektoidisch.
U. Gerfin vertritt dazu folgenden Standpunkt:
„…. Der Ao Gami oder "Blaue Papierstahl" gleicht dem Shiro Gami im wesentlichen, enthält aber zusätzlich ca. 1,8 % Wolfram. Das ist ziemlich exakt unser Stahl 1.2442, der früher für Bügelsägen für Eisen gebräuchlich war, seit 20-30 Jahren aber leider aus der Mode gekommen ist. Eigenschaften im Vergleich zu Shiro Gami - etwas verschleißfester mit geringerer Neigung zu Grobkorn. Das ist ein toller Stahl und wenn jemand alte Bügelsägenblätter mit rotem Funken findet - ich weiß einen Abnehmer.
1.2842 scheint im C- Gehalt niedriger zu liegen - das ist aber weniger als man denkt, da durch den hohen Mangangehalt die Eigenschaften denen eines C-reicheren Stahls ähnlich sind. Der Mangangehalt führt auch zu erhöhter Härtbarkeit, sodaß Ölhärtung völlig ausreicht, bei dünnen Querschnitten und etwas erhöhter Härtetemperatur auch schon Lufthärtung eintritt.
Die Maximalhärte der bisher genannten Stähle unterscheidet sich kaum, der Ao Gami ist eine Spur verschleißfester und schnitthaltiger als die beiden andern - merken wird das in der Praxis kaum jemand. Ginge es in die Rasiermesser und feinste Kochmesserkategorie wäre meine Reihenfolge 1.2442 - Shiro Gami - 1.2842.“
Wer sich ein Bild von der Leistungsfähigkeit des 1.2442 machen will, dem legen wir den „1.2442 - Schnippeltest“ - thread von Achim Wirtz ans Herz, aus dem wir nur den folgenden Satz nach einer Wellkarton-Schnippelei zitieren wollen: „Naja, eigentlich ist es nur ein vorläufiges Resultat, denn nach gut 700 Schnitten rasiert das kleine Ding immer noch. Nicht mehr so, wie frisch abgezogen, aber immerhin. Ganz zufrieden ich bin.“
Der Rocka
Wir mögen es ja, unseren Messern Namen zu geben. In diesem Fall entbehrlich, denn Daniel hat das für uns übernommen. Er vergibt die Namen für seine Messer gern im Zusammenhang mit dem jeweiligen Auftraggeber. Und mit „Redrocka“ hat er ja in jeder Hinsicht voll ins Rote getroffen. Wir wollen ihm nicht widersprechen.
Wir waren auf dem Weg in den nahen Wald mal wieder kurz rein in die Post. Und am 13.08.2015 lag der Empfangsschein im Postfach. Wir waren dermaßen gespannt, daß wir das Päckchen sofort im Wald geöffnet haben. Nach kurzem Atemstillstand hatten wir die Lage im Griff und haben die ersten Fotos vom jungfräulichen Messer gemacht. Die Klinge war noch eingefettet.
Wobei wir gleich beim entscheidenden Corpus delicti angekommen sind. Sie kommt dem Ideal nach Roman Landes sehr nahe. Mit 93 mm Gesamtlänge (95 mm scharfe Schneide) und maximaler Stärke von 2,4 mm läuft sie schlank ballig auf so gut wie Null. Sie ist auf 3/10 mm ausgeschliffen, dann mit 20 Grad abgezogen. Sie ist nagelgängig !! Mehr muß man dazu im Prinzip nicht sagen. Unser Opinel läßt grüßen …
„Redrocka“ erreicht mit seinen Maßen Kochmesserniveau. In der Klingenmitte direkt hinter der Wate beträgt die Klingenstärke etwa 0,25 mm, 1 cm oberhalb 1,2 mm, 2 cm oberhalb 1,88 mm, am Klingenrücken 2,4 mm. Diese Maße sind vergleichbar mit einem Sirou Kamo-to Migaki Nakiri 165mm und besser als die eines Zakuri Petty 135. Bei alledem ist die Klinge aus 1.2442 STABIL - ein absolut zähes Luder!! Nur damit von vornherein klar ist, wo der Hammer bei diesem Klapper hängt. Wir wollten schon immer ein Herder 1922 als Klappmesser :lach:.
Wir sehen beim „Redrocka“ einen ab Ricasso etwa 5 cm langen recurven Klingenverlauf, von da an umkehrend und in einer eleganten Kurve nach vorne auf die sehr akzentuierte Spitze zulaufend. Die ist für feinste „Operationen“ ausgelegt. Beispielsweise, um sich im Feld notfalls einen Splitter damit aus dem Finger puhlen zu können. In seiner Gesamtheit irgendwie „maximalerotisch“ das Eisen.
Beim Schneiden bleibt kein Auge trocken. Eine Rasierklinge! Erstaunlich dabei, wie leicht 2442 höchste Schärfe annimmt, egal ob auf Naßschleifpapier 2000 plus Leder mit Diamantpaste 1 Micron oder Schleifleinen auf Mousepad in der Abfolge 4000, 6000, 8000, 12000 … Wir haben uns nach der bisherigen Erfahrung mit dem Messer als Standardlösung für „M4“ (Micro-Mesh-Mousepad-Methode) entschieden. „Redrocka“ wird bzw. bleibt bei regelmäßiger derartiger „Behandlung“ auf einfache Art und Weise abartig scharf. Das Messer dabei auf diese Weise konsequent ballig. Und das gefällt uns gut so!!
Was die Maintenance angeht, vertritt Daniel die Auffassung, daß eine solche Hochleistungsmechanik bei normalem Gebrauch einmal die Woche zerlegt, gereinigt und geölt werden sollte. Wir haben uns angewöhnt, grundsätzlich jedes Messer nach Gebrauch sorgfältig zu säubern. Im Fall von „Redrocka“ benutzen wir hierzu - bisher sehr erfolgreich - ein Blatt Küchenpapier, eine Zahnbürste, Zahnseide und Ballistol. Und sind zuversichtlich, durch den Einsatz dieses „Redrocka-Tool-Sets“ die Schraub-Intervalle - und den damit verbundenen mechanischen Verschleiß - etwas strecken zu können. Es sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß im Paket zwei Ersatzschräubchen mitgeliefert wurden, eins für die Griffschale und ein kleines für die Verschlußfeder.
Der Griff ist mit dem feurig-roten Holz der Padouk-Wurzel beschalt, welche in unserem Fall im Mai 2008 von Daniel selbst in der Provinz Kamphaeng Phet „geerntet“ wurde. Eine große Wurzel, aus deren Material er mittlerweile schon viele Griffe gefertigt hat. Der Feuchtigkeitsgehalt beträgt beruhigende 12 %.
Padouk kommt in Afrika und Asien vor, wobei die asiatische Variante härter ist. Die Brinellhärte beträgt hier 4,5. Die von Eiche - zum Vergleich - 3,8. Padouk dunkelt nach im Lauf der Zeit und wandelt sich von feurigem Rot in eher dunkles Braun. Auch im wechselnden Licht ist die Farbe des Holzes sehr unterschiedlich, was auf den Fotos gut deutlich wird. Im grellen Sonnenlicht brennt das Feuer, während im Schatten eher ein erdiger Braunton die Oberhand gewinnt. In jedem Licht ein Augenschmaus …
Beide Schalen sind aus einem sorfältig ausgesuchten Stück hälftig herausgeschnitten. Während auf der Vorderseite der Part eingesetzt ist, wo das Feuer lodert, folgen die Linien auf der anderen Seite harmonisch dem eleganten Lauf des Clips. Die Griffschalen stehen 1/10 über, damit bei „Bodenkontakt“ die Beule im Padouk und nicht in der Titanplatine entsteht. Es funktioniert …
Der Clip geht leicht zu stecken und zu ziehen und ist - beim Manitu - ein Schmuckstück der absoluten Sonderklasse. In der Titanplatine ist ein zweites Loch mit Gewinde, damit bei Bedarf das Messer auch ohne Clip beschalt werden kann. Wir müßten irre sein …
Der Bussard - der auf Clip und Klinge seine Schwingen ausbreitet - setzt einen dezenten Akzent von indianischer Anmutung, der uns irgendwie an Daniel Winklers Belt Knife mit Tribal-Maple-Griffschalen erinnert. Was das Klingenfinish anbetrifft, steht die in mühevoller Kleinarbeit „ehrlich“ erworbene Patina „Redrocka“ dabei passend zu Gesicht und sticht das Caswell-Finish des Winkler Knife klar aus.
Die Klinge mittig, der Daumenknopf perfekt dimensioniert, exzellent symmetrischer Klingenschliff, bronze-anodisierte Titan-Liner, geriffelte Feder zum leichten Entriegeln. Haptik und Handlage - Clip eingeschlossen - sind exzellent. Alles außer dem Padouk, den Titan-Linern und den Washern kann rosten. Was es aber bisher trotz der momentan extremen Luftfeuchtigkeit hier von bis zu 90 % in keinster Weise tut!!
„Redrocka“ hat alles durchlaufen: Hölzer, Obst, Gemüse, Käse …Und entwickelt dabei zügig eine sehr schöne Patina. Es gibt keine spürbare Geschmacksbeeinträchtigung. Und die Schnittleistung ist in jeder Hinsicht herausragend, überzeugend, fabelhaft … und btw voll küchentauglich! Nach mehreren Stunden schnitzen rasiert es unbeeindruckt. Die Klinge zeigt nach 8 Tagen Dauereinsatz keinerlei Blessuren.
„Redrocka“ könnte nach Größe, Art und Leistung „Das Eine für Alles“ sein!! Vom Charakter her sowieso. Dafür jedoch sind wir einfach zu Messer-irre.
Für‘s Foto haben wir mal Ulis Kleinen Klapp-Jäger dazugelegt - die Holzklasse halt …
Alles richtig gemacht bei unserer Auftragserteilung im Mai 2014: Zwei auf ihre jeweilige Art perfekte Messer von Hennicke und Boll.
In seinem Zusammenspiel aus erotischer Linienführung und Patinabildung, erdiger Ästhetik und fulminant-eruptiver Schneid-Beiß-Leistung besteigt „Redrocka“ den 1. Platz auf dem Roadhouse-Messerpodest unserer Messer für alle Fälle. Howgh :adoration:
Zum Abschluß sei noch gesagt, lieber Daniel, der Deal und die gesamte Kommunikation mit Dir - reinster Rock’n’Roll …
„Redrocka“ - Klapper mit Klemmer von Daniel Jeremiah Boll
Länge geöffnet: 215 mm
Länge geschlossen: 122 mm
Klinge: 1.2442, angelassen auf 62 HRC +/-1 (Finish: dezent längssatiniert, brüniert in Griffnähe), Klingenheber aus „Irgendstahl“, Bussard auf dem Ricasso
Klingenlänge: 93 mm (95 mm scharf - die Schneidfase entlang gemessen)
Klingenhöhe: 26,8 mm maximal am Ricasso, nachfolgend leichter Recurve auf etwa 5 cm Länge, ab da umkehrend und in einer eleganten Kurve nach vorne auf die sehr akzentuierte Spitze zulaufend
Klingenstärke: 2,4 mm an der Wurzel, Klingenmitte 2,35 mm, 1 cm vor der Spitze 1,9 mm, von da an auf Null)
Klingenschliff: beidseitig sehr schön gleichmäßig ballig, auf knapp 3/10 mm ausgeschliffen und mit 19-20 Grad abgezogen, Mikrofase, nagelgängig
Schrauben sind aus gehärtetem, nicht rostfreiem C-Stahl (ähnlich C45) und industriell brüniert
Klemmfeder (Clip), Verschlussfeder und die mechanischen Teile sind aus Ck 101 gefertigt
Die Titanplatinen inkl. separat verschraubten Griffschalen (4 x Innensechskant) ruhen auf 1 Stand-Off (Abstandhalter) hinten oben, dem Stoppin und der Achsschraube
Arretierung: Auswechselbare Verschlußfeder mit integriertem (ebenfalls wechselbaren) Detent
Titanplatinen aus federhartem 6AL4V mit leicht gewölber, samtig polierter Padouk-Auflage
Griffstärke: 15,3 mm max. in der Griffmitte über die gesamte Länge (19,9 mm inkl. Clip)
Griffhöhe: 27,8 mm max. an der Achsschraube, abnehmend auf 26 mm und langsam wieder ansteigend auf 35 mm am Griffende
Gewicht: 113 Gramm
Kein Lanyardhole
Fabelhafter - dem geschwungenen Griffverlauf folgender - Clip mit Bussard (von innen mit zweiter Schraube gegen Verdrehen gesichert)
Wer sich noch kein Bild gemacht hat …
Wir haben zwei Münzen in die Jukebox geworfen …
Les Claypool “Buzzards of Green Hill”
Bonus Track
ZZ Top “La Grange” (Templehound version)
Grüße von der Boll Boygroup, Chapter Monte Gordo
Johnny & Rock’n’Roll
Stian Korntved Ruud, 26, norwegischer Designer.
Boas,
wer Schneidfreude zu seinen Leidenschaften zählt, sollte für ein entsprechendes - schneidfähiges - Equipment sorgen. Wir haben uns bemüht bislang und sind nicht unzufrieden. Gern nehmen wir noch einmal Bezug auf das Buch von Roman Landes, dessen Lektüre uns auf den rechten Weg gebracht hat.
Worauf es ankommt wenn es darauf ankommt
o Möglichst perfekte Geometrie (spitzer Schneidenwinkel mit balliger Schneide, hohe Schärfe, geringe Schneidendicke),
o Geeigneter Stahl (niedrig legierter Kohlenstoffstahl) und die
o Richtige Wärmebehandlung
sind die essentiellen Bestimmungsfaktoren für den Stoff, aus dem unsere Träume sind.
Besonders behilflich bezüglich rostfähiger Balliger waren bisher Eckhard Schmoll (Leo-Damast-Folder), Painless Potter (Fixed mit Damast von Micha), Gerd Haslauer (Shirogami-SBH), Attila (zwei Kohlenstoff-Slipjoints) und Uli Hennicke (Kleiner Taschen-Klapp-Jäger 1.2519). Auf der steten Suche nach dem „heiligen Gral“ stießen wir natürlich auch auf die Messerchen von Daniel Jeremiah Boll. Und seine „Boygroup“ !
Wir fanden bei eingehender Recherche Messer mit schlanken, leicht ballig und sehr dünn und scharf ausgeschliffenen Klingen aus wolframlegiertem Kohlenstoffstahl mit kleinem Schneidenwinkel. Und waren fasziniert! Die Modell-Vielfalt hat es uns dann wieder mal echt besorgt. Fixed, Folder, Holz, Walroß, Giraffe und was sonst noch alles ….
Während Ulis Messer Grenadill trägt, sollte es bei Daniels Padouk sein. Wie es sich für einen echten Thai-Klapper gehört . Bei all der Rumstöberei und Grübelei blieb das Rad bei diesem Messer von enrico stehen: 1.2519, Titan, Padouk. So in der Art wollten wir das haben. Etwas kleiner - also mittelgroß. Und die Klinge aus 1.2442.
Wir haben dann in einer anderen Klingengemeinschaft die Variante mit Klemmer gefunden, die Daniel für sich selbst und seine Bermudas angefertigt hat. Und mittlerweile noch für eine kleine Zahl weiterer Messer-Junkies.
Jungle Fever …
Eigentlich wollten wir den „Redrocka“ zusammen mit Ulis „Black Rebel“ vorstellen. Weil wir beide im Mai 2014 bestellt haben. Und weil beide - das hat schon was Mystisches - genau am selben Tag, dem 23. Juli 2015 auf den Postweg geschickt wurden. Außerdem haben beide Messer einiges gemeinsam. Wie die Messermacher …
Nun begab es sich aber, daß die Fügung - gepaart mit unserer Ungeduld - es anders vorgesehen hatte. Daniels Klapper hing beim deutschen Zoll in Dresden! Doch jetzt ist er eingetroffen.
Unsere Bestell-Mail im Mai 2014 blieb eine ganze Weile unbeantwortet und wir befürchteten schon Böses. Wie man sich erzählt, sind Daniels Lieferzeiten nicht von schlechten Eltern. Sollte er gar keine Aufträge mehr annehmen? Die Sorge war unbegründet. Seine Antwort kam mit einigen Alternativen und nach ein paar knappen Detailfragen war die Sache geklärt. Als Lieferzeit wurden 10 bis 12 Monate in Aussicht gestellt.
Am Ende sind es dann 15 geworden. Wobei man den gesamten Lieferprozeß und den Zoll nicht vergessen darf. Inklusive Verbringung von Daniels Home zur Post in Phuket über den deutschen Zoll in Dresden und eine deutsche Kontaktadresse bis nach Monte Gordo ist so’n Messerchen schon eine Weile unterwegs. Daniel mußte sich für den Versand ein gutes Stück weit aus dem Fenster lehnen, wie er uns eindrucksvoll - auch anhand von Bildern thailändischer „Heißblütigkeit“ - geschildert hat.
Unsere erste Anfrage an Daniel nach der Bestellung ging nach Solingen im Mai 2015 raus. Und von da an ergab sich ein mehr als erbaulicher email-Austausch. Wir stellten fest, daß wir die gleiche Kamera für unsere Fotos benutzen und neben Messern eine weitere gemeinsame Leidenschaft teilen: Rock’n’Roll & Funky Stuff! Die Wartezeit verging wie im Flug. Wir freuen uns schon auf die nächste …
Wie Uli ist auch Daniel ein Spätberufener. Er hat seine Brötchen zunächst als Rock- und Funk-Schlagzeuger verdient. Nach einiger Zeit als „Eremit“- auf einem Hof im Schwarzwald - begann er eine Ausbildung zum Messerschmied. Er hat sich dann zunächst in Solingen selbständig gemacht, ist ebenfalls Mitglied der Deutschen Messermacher Gilde und seit 2005 in Thailand ansässig. Jungle Fever !!
Der Stahl der Wahl …
1.2442 aka 115 W 8: C: 1,15 Si: 0,25 Mn: 0,35 Cr: 0,2 W: 1,8-2,1
Dieser wolframlegierte Kaltarbeitsstahl wurde früher gern für Sägeblätter genutzt, war dann eine Zeitlang in Vergessenheit geraten und ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Er ist übereutektoidisch.
U. Gerfin vertritt dazu folgenden Standpunkt:
„…. Der Ao Gami oder "Blaue Papierstahl" gleicht dem Shiro Gami im wesentlichen, enthält aber zusätzlich ca. 1,8 % Wolfram. Das ist ziemlich exakt unser Stahl 1.2442, der früher für Bügelsägen für Eisen gebräuchlich war, seit 20-30 Jahren aber leider aus der Mode gekommen ist. Eigenschaften im Vergleich zu Shiro Gami - etwas verschleißfester mit geringerer Neigung zu Grobkorn. Das ist ein toller Stahl und wenn jemand alte Bügelsägenblätter mit rotem Funken findet - ich weiß einen Abnehmer.
1.2842 scheint im C- Gehalt niedriger zu liegen - das ist aber weniger als man denkt, da durch den hohen Mangangehalt die Eigenschaften denen eines C-reicheren Stahls ähnlich sind. Der Mangangehalt führt auch zu erhöhter Härtbarkeit, sodaß Ölhärtung völlig ausreicht, bei dünnen Querschnitten und etwas erhöhter Härtetemperatur auch schon Lufthärtung eintritt.
Die Maximalhärte der bisher genannten Stähle unterscheidet sich kaum, der Ao Gami ist eine Spur verschleißfester und schnitthaltiger als die beiden andern - merken wird das in der Praxis kaum jemand. Ginge es in die Rasiermesser und feinste Kochmesserkategorie wäre meine Reihenfolge 1.2442 - Shiro Gami - 1.2842.“
Wer sich ein Bild von der Leistungsfähigkeit des 1.2442 machen will, dem legen wir den „1.2442 - Schnippeltest“ - thread von Achim Wirtz ans Herz, aus dem wir nur den folgenden Satz nach einer Wellkarton-Schnippelei zitieren wollen: „Naja, eigentlich ist es nur ein vorläufiges Resultat, denn nach gut 700 Schnitten rasiert das kleine Ding immer noch. Nicht mehr so, wie frisch abgezogen, aber immerhin. Ganz zufrieden ich bin.“
Der Rocka
Wir mögen es ja, unseren Messern Namen zu geben. In diesem Fall entbehrlich, denn Daniel hat das für uns übernommen. Er vergibt die Namen für seine Messer gern im Zusammenhang mit dem jeweiligen Auftraggeber. Und mit „Redrocka“ hat er ja in jeder Hinsicht voll ins Rote getroffen. Wir wollen ihm nicht widersprechen.
Wir waren auf dem Weg in den nahen Wald mal wieder kurz rein in die Post. Und am 13.08.2015 lag der Empfangsschein im Postfach. Wir waren dermaßen gespannt, daß wir das Päckchen sofort im Wald geöffnet haben. Nach kurzem Atemstillstand hatten wir die Lage im Griff und haben die ersten Fotos vom jungfräulichen Messer gemacht. Die Klinge war noch eingefettet.
Wobei wir gleich beim entscheidenden Corpus delicti angekommen sind. Sie kommt dem Ideal nach Roman Landes sehr nahe. Mit 93 mm Gesamtlänge (95 mm scharfe Schneide) und maximaler Stärke von 2,4 mm läuft sie schlank ballig auf so gut wie Null. Sie ist auf 3/10 mm ausgeschliffen, dann mit 20 Grad abgezogen. Sie ist nagelgängig !! Mehr muß man dazu im Prinzip nicht sagen. Unser Opinel läßt grüßen …
„Redrocka“ erreicht mit seinen Maßen Kochmesserniveau. In der Klingenmitte direkt hinter der Wate beträgt die Klingenstärke etwa 0,25 mm, 1 cm oberhalb 1,2 mm, 2 cm oberhalb 1,88 mm, am Klingenrücken 2,4 mm. Diese Maße sind vergleichbar mit einem Sirou Kamo-to Migaki Nakiri 165mm und besser als die eines Zakuri Petty 135. Bei alledem ist die Klinge aus 1.2442 STABIL - ein absolut zähes Luder!! Nur damit von vornherein klar ist, wo der Hammer bei diesem Klapper hängt. Wir wollten schon immer ein Herder 1922 als Klappmesser :lach:.
Wir sehen beim „Redrocka“ einen ab Ricasso etwa 5 cm langen recurven Klingenverlauf, von da an umkehrend und in einer eleganten Kurve nach vorne auf die sehr akzentuierte Spitze zulaufend. Die ist für feinste „Operationen“ ausgelegt. Beispielsweise, um sich im Feld notfalls einen Splitter damit aus dem Finger puhlen zu können. In seiner Gesamtheit irgendwie „maximalerotisch“ das Eisen.
Beim Schneiden bleibt kein Auge trocken. Eine Rasierklinge! Erstaunlich dabei, wie leicht 2442 höchste Schärfe annimmt, egal ob auf Naßschleifpapier 2000 plus Leder mit Diamantpaste 1 Micron oder Schleifleinen auf Mousepad in der Abfolge 4000, 6000, 8000, 12000 … Wir haben uns nach der bisherigen Erfahrung mit dem Messer als Standardlösung für „M4“ (Micro-Mesh-Mousepad-Methode) entschieden. „Redrocka“ wird bzw. bleibt bei regelmäßiger derartiger „Behandlung“ auf einfache Art und Weise abartig scharf. Das Messer dabei auf diese Weise konsequent ballig. Und das gefällt uns gut so!!
Was die Maintenance angeht, vertritt Daniel die Auffassung, daß eine solche Hochleistungsmechanik bei normalem Gebrauch einmal die Woche zerlegt, gereinigt und geölt werden sollte. Wir haben uns angewöhnt, grundsätzlich jedes Messer nach Gebrauch sorgfältig zu säubern. Im Fall von „Redrocka“ benutzen wir hierzu - bisher sehr erfolgreich - ein Blatt Küchenpapier, eine Zahnbürste, Zahnseide und Ballistol. Und sind zuversichtlich, durch den Einsatz dieses „Redrocka-Tool-Sets“ die Schraub-Intervalle - und den damit verbundenen mechanischen Verschleiß - etwas strecken zu können. Es sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß im Paket zwei Ersatzschräubchen mitgeliefert wurden, eins für die Griffschale und ein kleines für die Verschlußfeder.
Der Griff ist mit dem feurig-roten Holz der Padouk-Wurzel beschalt, welche in unserem Fall im Mai 2008 von Daniel selbst in der Provinz Kamphaeng Phet „geerntet“ wurde. Eine große Wurzel, aus deren Material er mittlerweile schon viele Griffe gefertigt hat. Der Feuchtigkeitsgehalt beträgt beruhigende 12 %.
Padouk kommt in Afrika und Asien vor, wobei die asiatische Variante härter ist. Die Brinellhärte beträgt hier 4,5. Die von Eiche - zum Vergleich - 3,8. Padouk dunkelt nach im Lauf der Zeit und wandelt sich von feurigem Rot in eher dunkles Braun. Auch im wechselnden Licht ist die Farbe des Holzes sehr unterschiedlich, was auf den Fotos gut deutlich wird. Im grellen Sonnenlicht brennt das Feuer, während im Schatten eher ein erdiger Braunton die Oberhand gewinnt. In jedem Licht ein Augenschmaus …
Beide Schalen sind aus einem sorfältig ausgesuchten Stück hälftig herausgeschnitten. Während auf der Vorderseite der Part eingesetzt ist, wo das Feuer lodert, folgen die Linien auf der anderen Seite harmonisch dem eleganten Lauf des Clips. Die Griffschalen stehen 1/10 über, damit bei „Bodenkontakt“ die Beule im Padouk und nicht in der Titanplatine entsteht. Es funktioniert …
Der Clip geht leicht zu stecken und zu ziehen und ist - beim Manitu - ein Schmuckstück der absoluten Sonderklasse. In der Titanplatine ist ein zweites Loch mit Gewinde, damit bei Bedarf das Messer auch ohne Clip beschalt werden kann. Wir müßten irre sein …
Der Bussard - der auf Clip und Klinge seine Schwingen ausbreitet - setzt einen dezenten Akzent von indianischer Anmutung, der uns irgendwie an Daniel Winklers Belt Knife mit Tribal-Maple-Griffschalen erinnert. Was das Klingenfinish anbetrifft, steht die in mühevoller Kleinarbeit „ehrlich“ erworbene Patina „Redrocka“ dabei passend zu Gesicht und sticht das Caswell-Finish des Winkler Knife klar aus.
Die Klinge mittig, der Daumenknopf perfekt dimensioniert, exzellent symmetrischer Klingenschliff, bronze-anodisierte Titan-Liner, geriffelte Feder zum leichten Entriegeln. Haptik und Handlage - Clip eingeschlossen - sind exzellent. Alles außer dem Padouk, den Titan-Linern und den Washern kann rosten. Was es aber bisher trotz der momentan extremen Luftfeuchtigkeit hier von bis zu 90 % in keinster Weise tut!!
„Redrocka“ hat alles durchlaufen: Hölzer, Obst, Gemüse, Käse …Und entwickelt dabei zügig eine sehr schöne Patina. Es gibt keine spürbare Geschmacksbeeinträchtigung. Und die Schnittleistung ist in jeder Hinsicht herausragend, überzeugend, fabelhaft … und btw voll küchentauglich! Nach mehreren Stunden schnitzen rasiert es unbeeindruckt. Die Klinge zeigt nach 8 Tagen Dauereinsatz keinerlei Blessuren.
„Redrocka“ könnte nach Größe, Art und Leistung „Das Eine für Alles“ sein!! Vom Charakter her sowieso. Dafür jedoch sind wir einfach zu Messer-irre.
Für‘s Foto haben wir mal Ulis Kleinen Klapp-Jäger dazugelegt - die Holzklasse halt …
Alles richtig gemacht bei unserer Auftragserteilung im Mai 2014: Zwei auf ihre jeweilige Art perfekte Messer von Hennicke und Boll.
In seinem Zusammenspiel aus erotischer Linienführung und Patinabildung, erdiger Ästhetik und fulminant-eruptiver Schneid-Beiß-Leistung besteigt „Redrocka“ den 1. Platz auf dem Roadhouse-Messerpodest unserer Messer für alle Fälle. Howgh :adoration:
Zum Abschluß sei noch gesagt, lieber Daniel, der Deal und die gesamte Kommunikation mit Dir - reinster Rock’n’Roll …
„Redrocka“ - Klapper mit Klemmer von Daniel Jeremiah Boll
Länge geöffnet: 215 mm
Länge geschlossen: 122 mm
Klinge: 1.2442, angelassen auf 62 HRC +/-1 (Finish: dezent längssatiniert, brüniert in Griffnähe), Klingenheber aus „Irgendstahl“, Bussard auf dem Ricasso
Klingenlänge: 93 mm (95 mm scharf - die Schneidfase entlang gemessen)
Klingenhöhe: 26,8 mm maximal am Ricasso, nachfolgend leichter Recurve auf etwa 5 cm Länge, ab da umkehrend und in einer eleganten Kurve nach vorne auf die sehr akzentuierte Spitze zulaufend
Klingenstärke: 2,4 mm an der Wurzel, Klingenmitte 2,35 mm, 1 cm vor der Spitze 1,9 mm, von da an auf Null)
Klingenschliff: beidseitig sehr schön gleichmäßig ballig, auf knapp 3/10 mm ausgeschliffen und mit 19-20 Grad abgezogen, Mikrofase, nagelgängig
Schrauben sind aus gehärtetem, nicht rostfreiem C-Stahl (ähnlich C45) und industriell brüniert
Klemmfeder (Clip), Verschlussfeder und die mechanischen Teile sind aus Ck 101 gefertigt
Die Titanplatinen inkl. separat verschraubten Griffschalen (4 x Innensechskant) ruhen auf 1 Stand-Off (Abstandhalter) hinten oben, dem Stoppin und der Achsschraube
Arretierung: Auswechselbare Verschlußfeder mit integriertem (ebenfalls wechselbaren) Detent
Titanplatinen aus federhartem 6AL4V mit leicht gewölber, samtig polierter Padouk-Auflage
Griffstärke: 15,3 mm max. in der Griffmitte über die gesamte Länge (19,9 mm inkl. Clip)
Griffhöhe: 27,8 mm max. an der Achsschraube, abnehmend auf 26 mm und langsam wieder ansteigend auf 35 mm am Griffende
Gewicht: 113 Gramm
Kein Lanyardhole
Fabelhafter - dem geschwungenen Griffverlauf folgender - Clip mit Bussard (von innen mit zweiter Schraube gegen Verdrehen gesichert)
Wer sich noch kein Bild gemacht hat …
Wir haben zwei Münzen in die Jukebox geworfen …
Les Claypool “Buzzards of Green Hill”
Bonus Track
ZZ Top “La Grange” (Templehound version)
Grüße von der Boll Boygroup, Chapter Monte Gordo
Johnny & Rock’n’Roll
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