Ich würde Kunst so definieren: der Künstler ist nur sich selbst verpflichtet. Sollte er ein Pflichtenheft haben, hat er das selbst aufgestellt.
Design dagegen ist eine Dienstleistung. Die Rahmenbedingungen stellen i.d.R. mehrere Personen auf (Marketing, Fertigung, ...).
Beiden gemeinsam ist, dass nachher ein unbekanntes Individuum oder "der Markt" entscheidet, ob das Produkt / Kunstwerk ankommt oder nicht.
Dabei kann es auch beiden passieren, dass sie übers Ziel schießen und im Moment einfach nicht verstanden werden.
Viele namhafte Künstler sind arm gestorben. Nach heutigem Marktwert hätten sie mit einem verkauften Bild ein Leben in Saus und Braus verbringen können.
Erinnert sich noch jemand an die ersten Palms (war das in den 90ern?) das war der Superflopp - und heute? Wer hat noch kein Smartphone?
@ Pitter
Rams wollte für alle Komponenten ein einheitliches Design. Damit musste er Kompromisse bei der Bedienung eingehen.
Da hast Du vollkommen Recht mit deiner Einschätzung. Die Vielfalt an Einzelanforderungen verlangt immer wieder Kompromisse.
Dennoch ein überzeugendes Produkt hinzubekommen macht die Qualität von Design aus.
Ein Problem, warum der Begriff "Design" so schwer fassbar ist liegt (neben dem Umstand, dass der Prozess als solcher normaler Weise hinter geschlossenen Türen stattfindet) darin,
dass er im Deutschen keine wirkliche Definition erfahren hat - und im angelsächsischen Sprachraum noch viel weniger. Dort bedeutet "to design" alles vom "Bilder malen" über "Entwerfen" bis zum "Konstruieren".
Heute wird sachlich differenziert z.B. in Kommunikationsdesign, Investitiongüterdesign, Interfacedesign, Automotivdesign, Textildesign um nur einige Studienfächer zu nennen.
Mit dem Fachchinesisch werden die wenigsten je konfrontiert. Eher schon mit Hairdesign oder Naildesign. OK das müssen wir Designer aushalten
Früher sagte man bei uns "Formgestalter" - das war schließlich mit dem Architekten und Künstler Peter Behrens (AEG) eine deutsche Erfindung - auch Massenprodukte der Industrie zu gestalten (kurz nach dem Jugendstil!).
Bis dato war das Aufgabe der Ingenieure gewesen (die damals auch noch das Studienfach Stielkunde hatten!). Ein alter Bugatti ist ein (sorry) geiles Stück Ingenieursgestaltung andere pflegten eine eher willkürlich
eklektizistische (oft weniger glückliche) Gestaltauffassung.
Dann kam der "Produktgestalter" auf, gefolgt vom Industrie- später Industrial-Designer.
Das wäre die Berufsgruppe, wenn es um gestaltete industriell in Serie gefertigte Messer (Böker...) geht. Das können aber auch Einzelstücke sein (Jens Ansø, ...).
Dagegen Gerhard Wieland "der Schmied" schätze ich sehr, weil er fantastische Kunstwerke macht, die auch sehr gut funktionieren. Die Grenzen sind wie so oft fließend. Gunther "Scorpio" Löbach beispielsweise bewegt sich in beiden Welten und Gerd "Hasenfuß" Hasslauer
sortiere ich bei den Designern ein. Nicht unerwähnt sollen die sein, die sich dem Thema archäologisch experimentell nähern. Da steht die Faszination um die Techniken der Vorindustriellen Zeit in Verbindung mit aktuellem Fachwissen
im Vordergrund. Stellvertretend: die Ergebnisse von AchimW sind für mich absolut überzeugende Leistungen - auch vom Standpunkt des Gestalters betrachtet!
Da muss jetzt nicht jeder meiner Meinung sein. Aber ich bin überzeugt:
befragte man einen repräsentativen Querschnitt der messerbegeisterten Bevölkerung, läge ich nicht daneben.
Und ihnen gemeinsam ist: sie reflektieren ihre Arbeit, entwickeln ihre Entwürfe / Techniken weiter.
Daraus resultiert dass ab einem bestimmten Niveau der Funke auf den Betrachter überspringt ...
Zur allgemeinen Verunsicherung trägt dann auch noch die Gloalisierung von "Information" bei.
Kacper lebt in London und hat dort an einer namhaften Schule studiert. Die Engländer haben tendenziell eine freiere Auffassung von Design als die Deutschen
(wahrscheinlich gibt es in London auch keinen Baum, den man fällen dürfte), die Franzosen fassen Design oft eher konzeptionell auf, die Dänen und die Finnen pflegen eine enge Beziehung
zwischen Industrie und Kunsthandwerk, was in D (leider oft) verpönt ist und die Italiener studieren Architektur um nachher als Designer zu arbeiten.
Die Amerikaner waren Cowboys (Bowy, Buck Folding Hunter 110), heute sind sie (versteht das bitte nicht zynisch) Golfkrieg / 9.11.traumatisiert (Tactical, Camo, Military ... kaum mal Bilder ohne Automatikmusspritze).
Das ist jetzt keine Wertung!
Ästhetik und ästehisches Empfinden ist kulturgeprägt, die Ausgangsbedingungen (z.B. Rohstoffversorgung, Stand der Technik, Anforderungen des Marktes) sind grundverschieden.
Deshalb sehen traditionelle Messer in Spanien anders aus, als in Japan oder bei den Inuit. Kulturübergreifende Einflüsse gab es schon immer durch den Handel oder die Verschiebung von Herrschaftsbereichen -
"Maurische" Messer in Spanien, Korsika oder Sardinien, ... Italien.
Die Informationen stehen uns heute einfacher denn ja zur Verfügung. Als in D ausgebildeter Produktgestalter wünsche ich mir halt (@ Kacper) ein Mindestmaß an Reflektion, wenn ich ein
traditionelles Higonokami mit einem SAK verheirate.
Gerne - herzlichen Dank für Deinen Anstoß!
Ich hoffe, damit die Komplexität des Designs etwas nachvollziehbar zu machen.
Und Bitte: alle Messermacher, die sich hier nicht erwähnt finden: seht mir das nach! Das ist nicht wertend gemeint. Ich bring hier nur nicht alle unter
Herzliche Grüße,
Jost