Nein, ich habe leider keine Ahnung, wo man drehen muss, dass wir uns nicht tod- und angstzivilisieren.
Pitter
Man muss nicht gleich ein Katastrophen-Szenario bemühen wie der Kollege weiter oben mit der Cruise Missile. Von dem Gedanken, die Menschheit kehre noch einmal zurück zu einem naturnäheren Leben, müssen wir uns allerdings endgültig verabschieden. Das wäre in der Tat nur der Fall bei einer mittleren bis größeren globalen Katastrophe.
Überzivilisierte Sozialkrüppel mit zwei linken Händen in einer Überlebenssituation ist zwar immer ein erheiternder Gedanke, aber wenn ganze Gesellschaften in diesen Zustand gebombt werden, geht die Zivilisation zum Teufel. Und die bietet uns ja doch einiges.
Zum Beispiel viele Nischen für Lebensstile, die nicht Mainstream sind, sogar für Messer- und Naturliebhaber.
Soziologisch gesehen machen alle modernen Gesellschaften einen Zerfallsprozess durch hin zu immer kleineren Subgruppen mit unterschiedlichsten Grundüberzeugungen. Der Sockel von einer Mehrheit geteilten Normen wird immer schmaler. Letztendlich fühlt sich praktisch jeder einer kleinen Gruppe zugehörig, die seine speziellen Abneigungen und Vorlieben teilt.
Das hat Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass solche modernen Gesellschaften ein großes Maß an Toleranz akzeptieren müssen, um sich nicht vollständig zu zerlegen. Das kommt auch uns zugute.
Im Mittelalter hätten wir nicht nur ein verständnisloses Kopfschütteln geerntet bei der Demonstration von Vorlieben, die soweit vom Mainstream entfernt sind wie heute Messergebrauch/-sammeln, sondern wären auf dem Scheiterhaufen gelandet.
Ein Nachteil ist, dass mehrheitlich kontraproduktive oder schädliche Lebensstile (gedankenloser Ressourcenverbrauch, Prinzip Eigennutz, Zerfall der Familien, Entfremdung im Berufsleben) der Preis sind für körperlich und geistig bequemes Leben.
Nein, einen gangbaren Weg heraus aus der "Tot- und Angstzivilisation" sehe ich nicht. Aber das ist kein Grund für Depressionen und Abwertung der ach so verständnis- und ahnungslosen uns umgebenden Restgesellschaft. Sie ermöglicht uns ja gleichzeitig, in ihr zu schwimmen wie der Fisch im Wasser, auch gegen den Strom.