Rostträge vs. Carbonstahl

Schmiedeglut

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Mich beschäftigt momentan die Frage, ob ein Stahl wie z.B. AEBL im Vergleich zu Carbonstahl (z.B. 1.2519) im praktischen Gebrauch spührbare Nachteile hat.

Ich habe zu dem Thema enorm viel über die SuFu gefunden, daher möchte ich hier mal weg von den Gefügeaufnamen, Theoreibereich usw. und eine offene Diskussion mit pro&Contra starten.



Ich fange gleich mal an meine Gedanken zu schreiben:

Der AEBL ist viel komplizierter in der Wärmebehandlung und sollte tiefgekühlt werden. Zudem ist er doppelt so teuer wie der 1.2519.
Wenn es aber nicht an den Kosten und Aufwand scheitern soll, warum nimmt man dann nicht immer AEBL ?
Merkt man überhaupt einen Schärfeunterschied zwischen AEBL und carbonstählen ? Immerhin sind ja auch Rasierklingen aus AEBL gemacht, oder ?

Vorteil ist natürlich die Geschmacksneutralität und die Rostträgheit.
 
Hi,

also ich könnte mir denken das man einen Unterschied bei der Schnitthaltigkeit bemerkt. Begründung:

Zum einen könnte der 2519 vermutlich einen Hauch schärfer werden da feinere Karbide vorliegen (je schärfer oder spitzer die Schneide am Anfang umso länger dauerts bis zum "Stumpfsein") dazu gesellt sich noch der Umstand das die Wolfram-Karbide des 2519 härter sind als die Chrom-Karbide des AEB-L's.

Ansonsten muss man die jeweiligen Vor- und Nachteile abwiegen und für sich entscheiden was am Ende rauskommt.

Vermutlich wird AEB-L auf folgenden Gründen weniger verwendet:
- schwer zu beschaffen
- wenig bekannt
- aufwändige Wärmebehandlung

Mehr fällt mir auf die Schnelle zu deiner Frage nicht ein.

Gruß
Simon
 
danke für die Antwort, das ist schon die Richtig die ich mir als Diskussion vorgestellt habe!

Theoretisch hast Du sicherlich Recht, aber merkt man das im praktischen Gebrauch auch ? Ob jetzt meine Karbide feiner sind oder nicht... fein sind beide und für die üblichen Schneidarbeiten sollten auch beidehart und schnitthaltig genug sein.

Anstelle von AEBL könnte man hier in der Diskussion auch andere feinkarbidige rostträge Stähle einsetzen... SB1 wäre z.B. ein Kandidat.

Ist es wirklich einfach nur der Aufwand der viele Messermacher zu Carbonstählen greifen lässt ?

Gruß

Xzenon
 
Da die meisten mir untergekommenen Messermacher oft "rostfreien" hochlegierten Stahl verwenden, kann ich mir "Aufwand" nicht vorstellen. Verfügbarkeit spielt da wohl viel eher eine Rolle.

Wolfram ligierte Stähle sind nach dem was ich gelesen habe nicht gerade das, was für Anfänger ist oder die Schneiden irgendwie schlechter.

Die meisten sind doch eher begeistert?
 
....aber merkt man das im praktischen Gebrauch auch ? Ob jetzt meine Karbide feiner sind oder nicht... fein sind beide und für die üblichen Schneidarbeiten sollten auch beidehart und schnitthaltig genug sein.

Anstelle von AEBL könnte man hier in der Diskussion auch andere feinkarbidige rostträge Stähle einsetzen... SB1 wäre z.B. ein Kandidat....

Mein Messer aus SB1 benutze ich leider zu wenig, um mir ein Urteil erlauben zu können aber da fällt mir noch der Sandvik13C26 ein.

Soweit ich weiss, werden daraus auch rostfreie Rasiermesser gemacht. Auf jeden Fall kommt die Feinheit der Schneide (für mich) dicht an die nicht rostträgen Stähle heran.

Da ich säurehaltige Lebensmittel (Obst) wegen dem Geschmack nicht mit rostenden Klingen schneiden mag, ist der 13C26 momentan mein Favorit.

Feine Schneide, schnitthaltig und geschmacksneutral.

Gruß
Olli
 
Mache jetzt schon seit landem Messer hautsächlich aus 1.2519 Stahl.

Angefangen habe ich mit nicht rostfreien Stählen wie z.b. RWL -34, D2 ,
CPM- Stähle und änlichem.
Im praktischen Gebrauch kann ich hier die feinkörnigkeit des 2519 bestätigen. Außerdem ist dieser Stahl elastischer. Am stärksten fällt der Unterschied beim schärfen auf, rostfreier Stahl macht hier deutlich mehr Mühe bis er scharf wird.
Auserdem schätze ich mitlerweile die schöne Patina die eben nur ein nicht rostfreier Stahl bekommt.

MfG
Reinhold
 
Wolfram ligierte Stähle sind nach dem was ich gelesen habe nicht gerade das, was für Anfänger ist oder die Schneiden irgendwie schlechter.

Die meisten sind doch eher begeistert?


Freilich begeistert

Schmieden ist bei z.B. .2552 hart (schwerer zu bearbeiten), wie ich finde. Stock-Removal am Schleifer geht sehr gut.

Besser sind die Rostenden im Alltag jedenfalls.

2519 und die anderen Verdächtigen auch.

Was der direkte Vergleich zu Stählen mit grundlegend anderen Eigenschaften soll, entzieht sich meinem Verständnis.
 
Hallo

ich denke auch das der Vergleich etwas hinkt.
Ich benutze den NIOLOX/SB1 auch sehr gerne aber kleine Karbinde sind es ja auch nicht alleine die Stahlmatrix dürfte bei den Rostträgen, schon allein durch die Wärmebehandlung bedingt, wesentlich grobkörniger sein.
Der AEB-L ist sicher einer der besten rostträgen Stählen für Handmesser aber ich würde auch nicht all zu viel auf die Verwendung bei modernen Rasierern geben denn durch den doch sehr speziellen Verwendungszweck und die vor seitlichen Belastungen geschützte Schneidkante sind das ja fast Bedingungen wie bei einem Maschinenmesser.
Bei einem Handmesser, gerade für den universellen Einsatz, wirken ganz andere Kräfte auf die Schneidkante ein.
Ich denke gerade wegen der feineren Matrix können die rostenden bei einer feinen Schneide oft punkten.
Was natürlich nicht heißen soll das ich große Karbide bevorzuge aber wie so oft muss halt alles zusammen und vor allem zum Verwendungszweck passen.:hmpf:


Viele Grüsse Ulf
 
... aber ich würde auch nicht all zu viel auf die Verwendung bei modernen Rasierern geben denn durch den doch sehr speziellen Verwendungszweck und die vor seitlichen Belastungen geschützte Schneidkante sind das ja fast Bedingungen wie bei einem Maschinenmesser.
Bei einem Handmesser, gerade für den universellen Einsatz, wirken ganz andere Kräfte auf die Schneidkante ein.
Ich denke gerade wegen der feineren Matrix können die rostenden bei einer feinen Schneide oft punkten.

Der Thread Starten wollte ja eigentlich nix vom Gefüge hören aber genau da sind wir jetzt wieder. AEB-L (oder der von Sandvic 13c...) haben sehr wohl eine feine Matrix die sehr nahe an den rostenden liegt (also bei den etwas mehr legierten mit vielen Zähnen). Dadurch hat man natürlich auch die gleichen Möglichkeiten was die feine Schneide betrifft. Schaut Euch doch mal an wie extrem die Klingen bei Einweg-Rasierer sind.

Bei vielen Messern ist aber genau hier der Knackpunkt - die Schneiden sind/wären für so einen Stahl einfach zu fett.
Bei "fein" denke ich eben an einen Schärfwinkel max. 20 Grad und einer Dicke (oberhalb der Schneide) von max. 0,3mm eher auf 0 ausgeschliffen.

Eigentlich ist dieses Thema aber schon x-mal durchgekaut worden.

Ich glaube die extrem schlechte Verfügbarkeit ist eben doch der Hauptgrund warum man recht wenig AEB-L klingen findet.
Und bei Standart Geometrien ist ein anderer Stahl auch nicht schlechter.

Wenn rostende nicht rosten würden, würde es keine rostfreien geben ;)

Gruß
Simon
 
meine Erfahrung zu AEB-L ist dass der Stahl extrem feinkörnig ist darum sauscharf wird. Eine Zeitungsseite im Druckschnitt stellt keinen spürbaren Widerstand dar. Ein weiterer Vorteil ist, dass er sich sehr leicht schärfen lässt. Jegliche Vorarbeit mit gröberen Steinen (1000er) kann man sich sparen, allein ein Belgischer reicht für extreme Schärfe beim nachschleifen.
Um diesen Schärfevorteil im täglichen Gebrauch nutzen zu können ist beim täglich kochenden Privathaushalt spät. nach einer Woche ein nachschärfen notwendig; wobei er schon nach 2-3 Tagen bei der zu erreichenden Schärfe von z.B. Zwilling liegt aber meiner Meinung am Ende Der Woche nicht schärfer ist als ein deutsches Qualitätsmesser.
Zu dünn kann man die klingen auch nicht ausschleifen. Sie legt sich eher um als bei einem carbonstahlmesser, da die Härte nicht erreicht wird, trotz aufwändiger WB.
Sollte jemand AEB-L auf 62HRC härten können, bitte melden!
Ein Küchenmesser aus 125Cr3 wird nicht so scharf wie AEB-L!
Ich weiss aber, dass ich damit einen Monat ohne Schleifen auskomme (in meinen Privathaushalt), und dass es ab dem dritten Tag sicher schärfer ist als AEBL oder das deutsche Markenmesser.
Ausserdem ist die erzielbare Schärfe beim AEB-L nicht bissig. Ein nicht so scharfer legierter Carbonstahl ist bissiger in der Küche und von der Schärfe gebrauchsfreundlicher. Man braucht die Rasierschärfe und durch die Zeitung fallen in der Praxis nicht.
Alle Angaben beruhen auf subjektive eigene und geschätzte Werte für den Vergleich von AEB-L und Feilenstahl und haben keinen allgemeingültigen oder wissenschaftlichen Hintergrund.

gruss Karl
 
Hallo Xenonbenz,

Die Stahlwahl muss sich doch nach dem geplanten Einsatzzweck richten. Für ein reines Küchenmesser würde ich auch dem Chromstahl den Vorzug geben und das Härten einer Härterei (mit Tiefkühlung) überlassen.
Für ein Feld-Wald und Wiesenmesser, das ich zum Grillen mitnehme will und "Bäume fällen" will, da bietet sich ein Kohlenstoffstahl an.

Die Carbonstähle können in der Regel (hängt von der Wärmebehandlung ab) feiner geschliffen werden. Der AEB-L (= AISI 440-B = 1.4112) kann auf eine maximale Härte von 60 HRC gehärtet werden (sorry Karl, mehr geht wirklich nicht) nach dem Anlassen (200°C) bleiben halt nur (noch 55-57 HRC übrig. Der 1.4112 ist aber ein wirklich guter Stahl !!)
Die geringere Härte gegenüber den Werkzeugstählen (nach dem Anlassen 60-62 HRC) beinflusst dann halt die Dauer der Schnitthaltigkeit.
Ach ja, Rasieklingen werden ja auch nur kurze Zeit verwendet und nach spätestens 7x Rasieren sind die ja auch stumpf.
Aber wer will sich schon mit einer rostigen Klinge rasieren? Und durch den Rost werden die Messer ja auch stumpf, weil der Rost natürlich auch die besonders dünn ausgeschliffene Schneidkante "anknabbert".
Ich kenn nur ganz wenige Legierungen, welche eine Härte über 60 HRC und eine Rost- und Säurebeständigkeit aufweisen und ob eine davon schmiedbar ist weiss ich nicht, bezweifle es aber, da die meissten davon pulvermetallurgische Legierungen sind.

Ich denke, dass die Kostenfrage die geringste Rolle spielt, da es sich bei unseren Mengen (300-400 g) ja nur um ein paar € handelt (9€/kg Kohlenstoffstahl 16€/kg Chromstahl). Die viel teurere Härtung durch die Härterei (Minimalfaktur + 2x Versandt) muss einem der Spass halt wert sein. Oder?

Gruss,
Lupolino
 
Hallo Lupolino,
gib mal den AEB-L in die SUFU ein, und du wirst sehen dass es wem gibt der sagt dass AEB-L nach dem Anlassen zwischen 59 und 63 HRC hat.
Ich bin mehr auf Deiner Schiene, nochdazu weil die hohen Werte noch von keinem bestätigt wurden.l
mfg karl
 
Erst einmal möchte ich mich bei Euch bedanken, dass Ihr Euch so rege an dem Thema beteiligt!

Die Frage soll jetzt auch nicht wieder eine der üblichen "welchen Stahl fürs erste mal" sein (die hatten wir ja schon :super:)
Ich werde öfters von von den "Nichtmessermachern" gefragt, warum ich denn hauptsächlich Messer aus "rostendem Stahl" mache. Ich empfinde es oft so bei totalen Messerlaien, dass "rostfreier Edelstahl" die Spitze der modernen Messermacherkunst sei....
Bisher habe ich immer angefangen von Karbiden und Schnittwinkeln zu sprechen.... was nie auf wirkliches Interesse stößt :irre: .... und wollte daher mal ganz praktische Alltagsunterschiede zwischen den Stählen sammeln, die jeder Hausfrau einleuchten!

Ich fasse also mal zusammen was hier im Thema bereits an alltäglichen Unterschieden herausgestellt wurde. Hierbei lasse ich bewusst alle Fachausdrücke weg und will es vereinfacht darstellen. Bitte gebt mir aber Rückmeldung wenn wirklich etwas falsch sein sollte, da ich keinen Quatsch erzählen will !!!

Optimal gehärteter Carbonstahl ...
... ist härter als rostträger Stahl
... ist stabiler an der Schneide
... ist bei extremer Schärfe schnitthaltiger als rossträger Stahl
... ist günstiger beim härten
... ist leichter beschaffbar
... ist ca. halbsoteuer
... lässt mehr Freiheiten bei der Gestaltung (Härtelinie, Damast, usw)
... bekommt eine Patina durch gebrauch
... ist besser im Druckschnitt

Optimal gehärteter Rossträger Stahl (ganz allgemein gehalten)
... ist rostträge
... länger "mittelscharf" (bei großem Schliffwinkel)
... geschmacksneutraler bei Obst
... ist besser im Zugschnitt
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi,

beim Rostfreien könnte man noch dazuschreiben das er "bei derberen Geometrien schnitthaltiger" ist.
Und "geschmacksneutraler" trifft die Sache nicht so ganz - man hat da eigentlich gar kein Geschmack im vergleich zu den wenig Legierten. Kurz gesagt "geschmacksneutral" passt meiner Meinung nach eher.

Ach ja "Damast in speziellen Fällen und unter hohem Aufwand möglich"
könnte man auch noch aufnehmen.

Wobei die Punkte für Messerlaien eigentlich wieder schwer verständlich sein könnten.

Gruß
Simon
 
Hallo Simon,

danke für das Feedback!

Ich muss gestehen, dass ich bei "rostenden" Stählen wie 2842 noch keinen Eisengeschmack im Essen feststellen konnte. (angeätzt und mit Patina)
Bei Damst aus 1.2842 und 1.2767 ist selbst bei Obst relativ unproblematisch.... daher wollte ich es so ausdrücken, dass rostträge Stähle da zwar dennoch im Vorteil sind, aber die rostenden nicht grundsätzlich negativ auffallen.
Hast Du eine Idee wie man das in 5 Worten formulieren könnte ? Ich ändere das gerne ab... hab nur keine Idee wie ich das schreiben kann um den Sachverhalt richtig auszudrücken!
 
Ich kenn nur ganz wenige Legierungen, welche eine Härte über 60 HRC und eine Rost- und Säurebeständigkeit aufweisen und ob eine davon schmiedbar ist weiss ich nicht, bezweifle es aber, da die meissten davon pulvermetallurgische Legierungen sind.

Der 154CM zum Beispiel - der bei guter WB und entspechendem Schliff eine sehr stabile Schneide ausbilden kann. Zuviel Schärfe sollte man dann zwar nicht erwarten, aber für einen robusten User, der Witterung/Feuchtigkeit ausgesetzt ist, eigentlich optimal.

mfg, stubenhocker
 
So villeicht was zur info.

AEB-L ist wie 13C26 auch problemlos auf 62-64HRC zu bekommen.

Die Grundlegenden WB Parameter hab ich hier schon preisgegeben. Das sind weil jeder ja eine andere Vorrichtung zur WB benutz nur die Grundwerte, welchen an die Werkstattbedingungen angepasst werden müssen.

Wenn dann beim Anlassen bei AEB L mit 200°C nur 58HRC übrig bleiben, dann hat man bei der Vorbehandlung mächtig Fehler gemacht (Temperatur, Zeit, Tiefkühlen, etc.)

440B ist nicht AEB-L, das ist wie einen Traktor mit einem Ferrari vergleichen.


RGDS Roman
 
@ Roman,

du hast schon recht der 440B (1.4112) entspricht nicht genau dem AEB-L. Ich habe die genaue Zusammensetzung nachgeschlagen, bin da einem Fehler aufgesessen (Asche auf's Haupt). Hier die Zusammensetzungen :

AEB-L : C=0.65; Cr= 12.8; Si=0.4; Mn=0,65
1.4112 : C=0.85; Cr=18; Si< 1.0; Mo=1,1;V=0,1

Aus den Werten ist mir nicht klar, wieso der AEB-L eine so viel höhere Härte erhalten soll. Der "tiefe" Kohlenstoff gehalt, bei einem "mittleren" Chromgehalt (Chrom bindet ja etwas vom Kohlenstoff um Chromcarbide zu bilden) deuten ja nicht gerade auf extrem hohe zu erwartende Härtegrade hin. Leider konnte ich kein Härte & Anlassdiagramm vom AEB-L finden.
Ich hatte beruflich viel mit dem 1.4112 zu tun. Diesen Stahl kenne ich also sehr gut und das Härte & Anlassdiagramm gibt keinen Wert über 60HRC an. Nach dem Anlassen 55-57 HRC. Und das waren auch Werte welche wir immer erhalten haben.

Kannst du mir das bitte Erklären?

Vielen Dank für die metallurigische Nachhilfe.

Gruss,
Lupolino
 
Verhoeven lesen ist in der Tat der denkbar beste Anfang.
Da es dabei auch nur um die Kleinigkeit von knapp 200 Seiten auf Englisch geht, ist das in wenigen Minuten erledigt.
Für ganz Eilige, die sich diese Zeit nicht nehmen wollen, eine kurze Erklärung, warum kohlenstoffärmere Stähle härter werden können, als kohlenstoffreichere: Vorab: 1.4112 und AEB L unterscheiden sich nicht nur ein bißchen, sondern sind völlig unterschiedliche Stähle. AEB L liegt noch im nicht ledeburitischen Bereich und ist deshalb deutlich besser schärfbar und zäher. 1.4112 ist schon klar ledeburitisch und deshalb wegen der vielen harten Karbide bei derberem Schneidenwinkel verschleißfester.
Zurück zur Härte: Unlegierte Stähle erreichen die Maximalhärte schon bei ca 0,7 % C. Hoch kohlenstoffhaltige Stähle werden wegen des mit dem C-Gehalts steigenden Restaustenitanteils nicht mehr härter. Durch kleine Beigaben von Chrom, Wolfram oder Vanadium kann man durch die bessere Anlaßbeständigkeit und die Mischhärte der ungelösten Karbide ein, zwei HRC-Einheiten herauskitzeln, mehr aber auch nicht.
Da alle Legierungselemente mit Ausnahme von Kobalt die Löslichkeit des Kohlenstoffs im Austenit verringern, wirken sie so, als hätte man den C-Gehalt erhöht.
Der klassische- und weit unterschätzte- "rostfreie" Stahl 1.4034 mit ca. 0,4-0,5 C ist deshalb schon deutlich übereutektoidisch und im Gefüge etwa einem Feilenstahl mit 1,3 % C zu vergleichen.
Der limitierende Faktor für die Härte bei den hoch chromhaltigen Stählen ist eben nicht der C-Gehalt, sondern die Neigung zur Restaustenitbildung.
Das optimale Verhältnis von C- und Chrom in rostbeständigen Stählen hat Verhoeven sehr klar und einleuchtend herausgearbeitet. Entscheidend für die Eignung als Messerstahl ist bei den rostbeständigen Stählen, daß man die Chrom- und/oder Mischkarbide soweit lösen kann, daß genug Chrom in der Grundmasse vorhanden ist-damit die Korrosionsbeständigket erreicht wird-ohne mit der Temperatur so hoch gehen zu müssen, daß grobes Korn= mangelnde Zähigkeit und Restaustenit in großer Menge= mangelnde Härte entstehen.
Diesem Ziel kommen Stähle wie der AEB L näher als Ledeburitstähle.
Auch 1.4034 oder AEB L oder wie sie alle heißen bilden mehr Restaustenit als einfache Werkzeugstähle und bleiben deshalb in der Härte meist deutlich hinter diesen zurück. Man kann die Lücke durch aufwendige Wärmebehandlungen-sprich Tiefkühlen- verringern, schließen kann man sie nicht. Eine Ausnahme wären überlegierte Ledeburite, die man im Sekundärhärtemaximum auf Werte um 67 HRC bringen kann.
Das ist aber wieder eine andere Kategorie.
MfG U. Gerfin
 
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