Schneidhaltigkeitsvorteil durch winkelgeführte Schleifsysteme

ebenezer

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Wer sich gern ein hoch gehärtetes Messer, beispielsweise aus PM-Stahl, kaufen möchte, wird mit einem Freihand-Schliff die Vorteile (Schnitthaltigkeit) nicht nutzen können. Vor allem nicht, wenn die Schleiferfahrung fehlt.

Genau genommen ergibt es also wenig Sinn, solche Messer ohne winkelgeführtes System zu verwenden.

Diese oder sinngemäß ähnliche Aussagen werden hier im Forum immer wieder getätigt.
Da sie in der Regel von erfahrenen und hochkompetenten Mitgliedern kommen, gehe ich davon aus, dass sie auf selbst gemachten Erfahrungen beruhen, und ich würde das nicht anzweifeln.
Mir selbst fehlen Erfahrungen mit geführten Schleifsystemen und kann das nicht einschätzen.

Andererseits mache ich mir Gedanken, und versuche zu verstehen, welche Physik hinter dieser Erfahrung stecken könnte.
Nach meinem Verständnis ist für die Schärfe und auch Schneidhaltigkeit einzig die Ausprägung der Schneidkante hinsichtlich Winkel, Schmalheit der Spitze, Gratfreiheit und Zerklüftung (Microsäge) ausschlaggebend.
Die restliche Fläche der Sekundärfase ist da eher untergeordnet.
Die Ausprägung der Schneidkante wiederum sehe ich nicht als zwingend gekoppelt an die Frage, ob geführt oder freihand geschliffen wurde.

Dieses Verständnis bringe ich aber nicht mit der obigen Aussage zur Deckung.

Gibt es jemanden, der eine zur Erfahrung passende Theorie hat?

Kann jemand beziffern, wie groß der Schneidhaltigkeitsfaktor zwischen einem gekonnten Freihandschliff und einem Systemschliff tatsächlich ist?
 
Kann jemand beziffern, wie groß der Schneidhaltigkeitsfaktor zwischen einem gekonnten Freihandschliff und einem Systemschliff tatsächlich ist?
Sehr interessantes Thema!
Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass zu der Gegenüberstellung der beiden Schliffarten objektive und belastbare Daten/Fakten lieferbar sind.

Ich selbst habe mich jedenfalls vom Freihandschliff zu 99% verabschiedet und nutze jetzt den Systemschliff.
Ausschlaggebend dafür waren für mich die Bilder der Schneiden unter dem Taschenmikroskop nach dem Schliff.
Jetzt mit dem Systemschliff kann ich immer eine winkeltreue, gleichmäßige, glatte Primärfase und auch Sekundär- bzw. Mikrofase erzeugen (und unter dem Mikroskop auch sehen) und dieser Umstand stellt "mich" vollkommen zufrieden.
Bin gespannt auf weitere Meinungen und Erfahrungen.
 
Grundsätzlich gleitet eine gleichmäßige maximal glatte Fase nebst zugehöriger Flanke am leichtesten durch das Schnittgut - und bleibt damit am längsten scharf. Theoretisch.

Jede Ungleichmäßigkeit des Schliffs, kann an der dünnen Fase für Ablenkung sorgen, begünstigt Verkanten, jede Microsäge, jedes abstehende Teilchen verfängt sich und birgt Verformungspotential, das wiederum die Fase minimalst bis gravierend beschädigen kann - diese schneller abstumpft.

Das Thema, das eine solche Klinge nach kurzer Zeit möglicherweise über die Tomatenhaut rutscht, ist ein anderes. Auch die Frage, was wer für welches Schnittgut am geeignetsten ansieht, ist ein anderes.

Aber. Auch aus den genannten Gründen halte ich das regelmäßige Schärfen hochgehärteter dünnen Klingen mit Atoma 400 oder 1K Steinen für ungeeignet und gehe bei diesen bis Shapton 5K. Auch, damit ich einen cleanen Schnitt bekomme und die Fase nicht unnötig schnell dicker wird.

So oder so, werden geführt die Unregelmäßigkeiten minimiert.

Bei der Auswahl von zwei Dutzend Küchenmessern reicht es mir natürlich, wenn die Klinge eine Kochsession lang optimal ist.

grüsse, pebe
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Ausprägung der Schneidkante wiederum sehe ich nicht als zwingend gekoppelt an die Frage, ob geführt oder freihand geschliffen wurde.
Ich bin der Meinung, dass die Ausprägung der Schneidkante zwingend an an die Frage ob geführt oder freihand gekoppelt ist. Ich habe beim letzten PA die zwei Testmesser von ca. 18° auf 20° umgeschliffen. Bei der härteren Klinge dauerte das Umschleifen 7 Minuten pro Seite. Bei noch härteren Klingen dürften diese sieben Minuten nicht reichen. Bei einem geführten System, z.B. Novi Pro, gelingt es mir den Winkel konstant auf 20° zu halten. Freihand wird das sehr schwierig für mich, obwohl ich jahrelang freihand geschliffen habe.

Ich bin kein Physiker und kann dir daher nicht erklären, wie du zu einer Deckung zu meiner obigen Aussage kommen kannst. Aber ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass das Schleifergebnis wesentlich besser ist wenn ich mit dem Novi Pro schleife als freihand. Ich kann meine Arme nicht wie eine Schublehre hin und her bewegen ohne Winkelabweichung.

Gruss Ulli
 
Servus,

eine reproduzierbare Schneidfase ohne geführtes System scheint mir nicht möglich. Hier geht es um eine aus schleiftechnischer Sicht physikalisch sauber aufgebauten Schneide, die ich nur nach Gefühl und sei es auch gekonnt nicht in der Gleichmäßigkeit anbringen kann. Daraus resultiert allein schon die bessere Qualität durch Gleichmäßigkeit. Wie will man diese Theorie widerlegen? Das hat jetzt aber nichts mit der erzeugten Schärfe zu tun.

Gruß, güNef
 
Du hast Recht. Die Reproduzierbarkeit ist Freihand nicht gegeben.
Aber der Faktor Reproduzierbarkeit, also die Übereinstimmung mit einer von mir willkürlich als Ideal definierten Geometrie hat keine Auswirkung auf die reale Haltbarkeit einer Schneide.
Und ob jetzt einer persönlich meint, dass exakt 18 Grad besser oder haltbarer ist, als 20 Grad oder umgekehrt, ist auch Gefühlssache und nicht sauber untersucht.
Für mich regiert da zu viel Gefühl, persönliches Gusto, und zu wenig belegbare Fakten.
Mag sein, dass bei einem Freihandschliff der reale Schneidenwinkel über die Länge der Schneide um wenige Grad variiert.
Das muss aber nicht zwingend wahrnehmbar schlechter sein.

Ich kann eure Gedanken schon nachvollziehen, aber nicht einordnen wie viel tatsächliche Praxisrelevanz das gute Gefühl einer Exaktheit und Reproduzierbarkeit hat.

Bisher konnte mich nichts davon überzeugen, dass alles Murks ist, was nicht geführt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin

Ich behaupte mal , ich kann Freihand schleifen. In meinem Haushalt ist das auch nicht ganz so messbar , da einfach zu viel gewechselt wird.
Aber...Wastl hat das mal getestet...und da hat das System haushoch gewonnen.
Genauso sind die Erfahrungen der Leute ( nicht wenige ) für die ich mit Nowi geschliffen habe. Darunter auch einige Köche.
Je nach Stahl und Schneidskills ist doppelt so lange haltbar normal.
Also nichts aus dem Labor , sondern in der täglichen Anwendung....sollte langen

Gruss

Micha
 
Aber der Faktor Reproduzierbarkeit, also die Übereinstimmung mit einer von mir willkürlich als Ideal definierten Geometrie hat keine Auswirkung auf die reale Haltbarkeit einer Schneide.
Wieso denn nicht? Je dünner eine Klinge ausgeschliffen ist, desto schneller ist die Schärfe weg. Du kannst ein Messer so dünn ausschleifen, dass die Klinge überhaupt nicht mehr schneidet (z.B. Folie)

Gruss Ulli
 
@Valentinian II Sowohl als auch. Mit System triffst du den Winkel genauer. Wenn du freihand schleiffst, schaffst du es kaum nach jedem Seiten- oder Steinwechsel die Phase präzis zu treffen. Das heisst, du schleiffst mehre Facetten in die Phase.
 
Wieso denn nicht? Je dünner eine Klinge ausgeschliffen ist, desto schneller ist die Schärfe weg. Du kannst ein Messer so dünn ausschleifen, dass die Klinge überhaupt nicht mehr schneidet (z.B. Folie)
Sorry, aber dünn ausgeschliffen und Winkel an der Schneidkante selbst sind zwei paar Schuhe.
 
@ebenezer Dann habe ich dich falsch verstanden. Mit "Geometrie" habe ich angenommen du meinst den Winkel. Und je spitzer/flacher ein Winkel ist, desto weniger lange hält die Schärfe.
 
Und je spitzer/flacher ein Winkel ist, desto weniger lange hält die Schärfe.
Schon klar, aber das gilt unabhängig davon, ob ich die sagen wir mal 18 Grad von Hand oder per System anschleife.
Man könnte höchstens sagen: wenn ich von Hand 18 Grad anstrebe, wackle ich ein wenig um die 18 Grad und habe dann real eventuell an manchen Stellen nur 15 Grad, und das geht auf die Standzeit.
 
Servus,

ein System mit Druckentlastung, bedeutet eine knapp über dem Stein schwebende Schneide, die ich, egal wie schwer das Messer auch sein mag, mit immer dem gleichen Druck ( +/- wenige Gramm ) über den Stein schiebe und somit die Wahrscheinlichkeit das die Schneidendicke durchgehend konstant ist, eine andere ist, als wenn ich ein Messer Freihand über den Stein führe. Die Wahrscheinlichkeit von unterschiedlich hohem Abtrag innerhalb einer Schneidenlänge ist vielfach höher und so entstehen „Schwachstellen“ an einer Schneide, weil sie „wellig“ von unterschiedlicher Dicke sein wird. Das ist einer der Gründe für die geringere Stabilität der Schneidenspitze, weil ihr die Konstanz der Gleichmäßigkeit fehlt. Dazu kommt, je stumpfer der Winkel, desto stabiler die Schneide. Hier ist aber wieder die Dicke der Wate ausschlaggebend ob das leicht schneidet, auch mit stumpf angelegten Winkel.

Gruß, güNef
 
Deckt sich mit meinen Erfahrungen und das in allen Bereichen von Messern.

Hintergrund ist aus meiner Sicht, dass nicht nur die vorderste Kante der Schneide Ausschlag gebend ist für die Haltbarkeit, sondern auch die seitliche Abstützung durch den oberhalb liegenden Teil.
....sonst würden ja unterschiedliche Winkel keinen Sinn ergeben ;)

Und da ist Gleichmäßigkeit wichtig.
Gerade im bauchigen Teil einer Schneide schleift man punktuell. Kippeln, Winkeländerungen, etc. - das ist alles Mist. Man bekommt bei einem harten Schleifmedium stark übertrieben immer sozusagen eine facettierte Schneide als Ergebnis. Und die dünnsten Stellen der Schneide sind dann die Schwachpunkte, wo vorzeitiges Versagen beginnt und sich von da aus ausbreitet.

Gerade die sehr abriebfesten Stähle benötigen doch deutlich mehr Züge und sind dann fehleranfälliger. Mit einfachen C-Stählen kommt man da noch besser hin (was meiner Meinung nach auch der Grund für den Mythos ist, dass diese Stähle schärfer werden als rostträge Stähle).

Insofern reime ich mir so den theoretischen Hintergrund dafür zusammen, dass winkeltreu geschärfte Klingen deutlich länger scharf bleiben als Freihandgeschärfte. Ausnahme bildet das Stroppen, da sich das Schleifmedium anpasst und die Ungleichmäßigkeiten deutlich reduziert werden.

Quantifizieren ist schwierig und hängt auch davon ab, wie mehr oder weniger gut man freihand gerade 'drauf' ist. 30-100% bessere Standzeit (je nach Stahl, Klinge und Tagesform) würde ich mal so aus dem Bauch heraus annehmen. Aber das ist subjektiv und nur so, um eine Größenordnung zu nennen, über die man reden/ diskutieren kann ;)

Viele Grüße,
Torsten
 
Servus.
Man bekommt bei einem harten Schleifmedium stark übertrieben immer sozusagen eine facettierte Schneide als Ergebnis. Und die dünnsten Stellen der Schneide sind dann die Schwachpunkte, wo vorzeitiges Versagen beginnt und sich von da aus ausbreitet.

dem kann ich nur in vollem Umfang zustimmen. 👍

Gruß, güNef
 
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