Schnitthaltigkeit, Zähigkeit, Rostträgheit - Drei Hitlisten

Jim Ankerson schreibt zu Anfang in seinem Rope Cutting Test: „All edges were at 30 degrees inclusive and polished to 6000 grit on the Edge Pro, sharpness was tested by slicing TP clean.“

Und: „The Custom Phil Wilson knives in M390 (62) and ELMAX (62) are not added to the data, they wouldn't fit into any of the Categories due to the Optimal HT and cutting ability, the difference is off the scale percentage wise so it wasn't added.“

R’n‘R
Kannst du bitte die Quellen angeben.
Was soll man daraus verstehen? Waren die Klingen aus M390 und ELMAX zu gut oder zu schlecht im Vergleich?
Warum wollte er die nicht mit in die Liste aufnehmen? Wegen zu optimaler Wärmebehandlung und Schneidfähigkeiten? Warum nicht?
 
I recently had the opportunity to test some of my knives in a real world-hunting situation. Cutting rope and cardboard is a good way to predict how a blade might act in the field but the only way to really test it is to actually use it for the intended job.

:hehe: Ein weiser Mann....

Grüße Wastl.
 
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Kannst du bitte die Quellen angeben.
Was soll man daraus verstehen? Waren die Klingen aus M390 und ELMAX zu gut oder zu schlecht im Vergleich?
Warum wollte er die nicht mit in die Liste aufnehmen? Wegen zu optimaler Wärmebehandlung und Schneidfähigkeiten? Warum nicht?

Die Zitate stammen aus Jim Ankersons Rope Cutting Test und finden sich gleich in der Einleitung vor „Category“.

Jim Ankerson sagt, daß die Messer von Phil Wilson beim Ranking in keine der 9 Leistungs-Kategorien mit einbezogen wurden, da sie aufgrund der optimalen Wärmebehandlung (HT für Heat Treating) und Schneidfähigkeit (cutting ability) so weit herausragen, daß sie in keine der von ihm aufgestellten Kategorien (Schnitthaltigkeitsklassen) hineinpassen.

Was sich dadurch erklärt, daß die verschiedenen Stähle in der Hauptsache an Serienmessern (zumeist von Spyderco) getestet wurden.

Im nach der Kategorie-Einteilung (Kategorie 1 = besonders schnitthaltig) erfolgenden Ranking aller getesteten Stähle - wo die Anzahl der Schnitte aufgeführt ist - taucht Phil Wilson dann wieder auf. Und liegt mit zwei Messern aus CPM 10V und CPM S125V vor dem Big Chris Custom mit Abstand an der Spitze. Selbst das Mule Team von Spyderco mit einer Klinge aus Maxamet liegt mit 1960 cuts 440 cuts unter den 2.400 von Phil Wilson.

Phil Wilson versteht also sein Handwerk und ist - wie Bastl Wastl korrekt anmerkt - ein weiser Mann …

R’n‘R
 
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Stand der Dinge

Die Aufgabenstellung: Ein möglichst schneidfreudiges Messer mit guter Schnitthaltigkeit und guter Zähigkeit (rostfähig oder rostträge) für einen bestimmten Einsatzzweck - EDC, Bushcraft, Haumesser, Jagd, Küche (Laser, Chopper), Rasur, Tauchen …

Die Parameter: Stahl, Wärmebehandlung, Klingendicke, Dicke hinter der Wate, Gesamtschneidenwinkel, Klingenschliff

Je nach Einsatzzweck kann der Schwerpunkt bei der Stahlauswahl auf Schnitthaltigkeit, Zähigkeit oder Rostträgheit gelegt werden. In der Regel können zwei Kriterien dabei etwa gleichwertig gut kombiniert werden (z.B. sehr hohe Zähigkeit mit sehr hoher Rostträgheit). Alle drei nicht. Wer auf Ausgewogenheit Wert legt, muß bei allen Kriterien Abstriche in Kauf nehmen. Eine gute Orientierung für die Stahlauswahl bieten die Tabellen von Larrin Thomas im Eingans-Post.

Die Wärmebehandlung kann auf einzelne Kriterien hin optimiert werden.

Der Gesamtschneidenwinkel und die Klingendicke (gesamt und hinter der Wate) sollten so klein sein wie möglich (weniger Kraftaufwand, größere Eindringtiefe, bessere Schneidfähigkeit, mehr Schneidfreude). Ein Jagdmesser braucht mehr "Futter" als ein Küchen-Laser.

Sie stehen in direktem Zusammenhang. Das heißt, es ist nicht hinreichend, einen bestimmten Schneidenwinkel - sagen wir 40 Grad - als genügend stabil anzusehen, wie das folgende Bild (links Rosellis Kleiner Koch 2,7 mm & 0,5 mm hinter der Wate, rechts Xerxes Baby Bull 1,6 mm & 0,1 mm hinter der Wate) eindrucksvoll veranschaulicht.

01 Roselli & Xerxes 02 DSC05814 b.jpg

Mit einem Messer des Kalibers Xerxes Baby Bull würde ich selbst bei 50 Grad Gesamtschneidenwinkel nicht auf Stahlnägel und Bisons losgehen. Die Klinge würde sofort restlos kollabieren. Für die Tomatenjagd dagegen ist der Hauch von einem Laser ein wahrer Freudenspender.


Es ist erforderlich, bei der Wahl von Stahl und seinen Eigenschaften sowie Geometrie und Schliff für die auf die Anwendung bezogene richtige Abstimmung / Ausgewogenheit zu sorgen.

Was den Schliff anbetrifft, sollte die Klinge bis auf die angemessene / erforderliche Korngröße (Tomaten-Laser oder Jagdmesser) geschliffen / abgezogen werden. Je feiner die Körnung, desto höher die Schärfe (Breite der Schneidenspitze). Je höher die Schärfe, desto sensibler gegen Kontakt und schneller deren Abnahme.

Die folgende Grafik (frei nach Roman Landes) zeigt die maximal mögliche erreichbare Schärfe. Die theoretische Schärfe kann nicht erreicht werden. Man kann sich ihr nur annähern. Wie weit man den Schärfvorgang treibt, hängt davon ab, was man mit dem Messer vorhat. Will man Tomaten lasern, wird man mit dem Schleif-/Poliermedium immer feiner werden, während bei einem Jagdmesser oder EDC für den gewöhnlichen Gebrauch 4.000 Grit - oder auch weniger - durchaus befriedigende Ergebnisse liefern. Eine Hyperschärfe wäre beim Schnitzen alsbald wieder verschwunden.

02 DSC05784.jpg


Wie Big Brown Bear in post #117 gezeigt hat, reichen 2,7 mm Klinge aus CPM 4V mit einem Gesamtschneidenwinkel ab 34 Grad und 0,36 mm hinter der Wate aus, um Stahlnägel zu durchschlagen, ohne die Klinge zu beschädigen.

Wer also in jeder Hinsicht auf Nummer sicher gehen will, hat hier einen Maßstab für ein hochbelastbares, schneidfähiges und relativ schneidfreudiges Messer (Knochenkontakt, hauen, hacken, choppen, schneiden …).

Wenn wir den Anspruch etwas heruntersetzen, können wir mit der Klingendicke, dem Gesamtschneidenwinkel und / oder dem Wert hinter der Wate weiter heruntergehen. Wenn wir also beispielsweise Hacken / Choppen und Knochen aus dem Pflichtenheft streichen und uns auf den Gebrauch des Messers für Holz und allgemeine EDC-Arbeiten beschränken, können wir weiter verschlanken.

Eine diesbezüglich solide Geometrie liefern z.B. die Messer von Spyderco. Ein Para Military verläßt das Werk in Golden mit einem Gesamtschneidenwinkel von rund 30 Grad - bei 0,5 bis 0,6 mm hinter der Wate und einer Klingendicke von 3 mm in der Klingenmitte. Es lohnt, hinter der Wate etwas aufzuräumen, was die Schneidfähigkeit spürbar verbessert. Wer unbedingt „Verstärkung“ nötig hat, hat mit dem Sharpmaker oder anderen Medien die Möglichkeit, eine 40-Grad-Mikrofase zu setzen.

Man kann weiter verschlanken. Im Fall meiner Customs beispielsweise - bei einer Klingenstärke von 2,7 mm und geeignetem Stahl - bis auf 0,2 / 0,3 mm hinter der Wate und einen Gesamtschneidenwinkel von 20 / 22 Grad. Als Beispiel dazu mein Sündenbock von Daniel Boll mit einer schlank balligen Klinge aus niedrig legiertem Wolframstahl 1.2516 (60-61 HRC), der alle Tätigkeiten auf den unten folgenden Bildern zu meiner vollsten Zufriedenheit und ohne Blessuren erledigt.

Auch auf eine Klingenstärke von 2 mm kann bei geeignet zähem Stahl ohne weiteres zurückgegangen werden, wie Custom-Klapper von Daniel Boll (Fischhautklapper) oder Attila Kovács zeigen.

Mein Bushcrafter von Blind Horse Knives aus O1 Toolsteel hat einen Scandi auf Null. Da Klingenhöhe = 3,9 mm und Anschliffhöhe von 9,6 mm feststehen, läßt sich der Gesamtschneidenwinkel exakt mit dem Kosinussatz berechnen: 23,44 Grad. Damit habe ich im Vergleich mit einem weiteren Scandi von MLL Knives einen armdicken Ast aus durchgetrocknetem Eukalyptus im Wechsel in etwa 20 Minuten durchgehackt. Beide Messer haben keine Blessuren davongetragen und anschließend noch einwandfrei Kurven in Papier geschnitten.

Der Sündenbock

03 DSC05940.jpg 04 DSC05007.jpg 05 DSC05686.jpg 06 DSC05693.jpg 07 DSC05904 b.jpg 08  DSC08086.jpg 09 DSC05811.jpg 10 DSC07702.jpg 11 DSC07772.jpg 12  DSC07725.jpg 13 DSC07838.jpg 14  DSC07935.jpg 15 Geometrie Sündenbock.jpg

Was die generelle Geometrie angeht - also Flachschliff, Scandi, Hohlschliff, konvexer Schliff - ist eine ballige Klinge sehr empfehlenswert, da sie stabil ist und leichter sowie tiefer in sperriges Schnittgut eindringt, da sie keine „Ecken und Kanten“ hat, die sie ausbremsen und das Schnittgut nur einen kleinen Teil der Flanke touchiert, was zu einem geringeren Reibungswiderstand führt. Das Abziehen eines balligen Schliffs auf Mousepad mit Micro Cloth geht mit etwas Routine flott und mit sehr befriedigendem Ergebnis von der Hand.

R’n‘R
 
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Mein Bushcrafter von Blind Horse Knives aus O1 Toolsteel hat einen Scandi auf Null. Da Klingenhöhe = 3,9 mm und Anschliffhöhe von 9,6 mm feststehen, läßt sich der Gesamtschneidenwinkel exakt mit dem Kosinussatz berechnen: 23,44 Grad. Damit habe ich im Vergleich mit einem weiteren Scandi von MLL Knives einen armdicken Ast aus durchgetrocknetem Eukalyptus im Wechsel in etwa 20 Minuten durchgehackt. Beide Messer haben keine Blessuren davongetragen und anschließend noch einwandfrei Kurven in Papier geschnitten.

Habe gerade noch ein Bild von der Aktion wiedergefunden. Der BHK Bushcrafter hat wie gesagt eine 3,9 mm starke Klinge aus schlichtem O1 Toolsteel mit Scandi auf Null, die mit 58 HRC auf Stabilität hin ausgerichtet wurde. Da muß man sich bei der Holzarbeit um einen Gesamtschneidenwinkel von 23,44 Grad keine Sorgen machen …

1.2510 aka O1 - C: 0,95 Si: 0,2 Mn: 1,2 Cr: 0,6 W: 0,6 V: 0,1

01 DSC03735.jpg 02 DSC07300.jpg 03 DSC00838 (2).jpg

R’n‘R
 
Ich habe ein anschauliches Beispiel für den Sinn der Wahl bezüglich zähem und eher sprödem Stahl. War unterwegs, um einen Folder mit Klinge aus niedrig legiertem, zähem Wolframstahl 1.2552 auszuprobieren. An einem netten Ort im Abseits mit Blick auf den Fluß fand ich ein altes verlassenes Bauernhaus und ebendort einen Wirbelknochen von einem Schaf.

Der kam sehr gelegen, konnte ich doch neben diversen Hölzern auch testen, wie sich eine dünn ausgeschliffene Klinge aus 1.2552 mit Gesamtschneidenwinkel von 20 Grad an einem Knochen verhält.

Ich hatte noch mein Fällkniven F1 mit VG10-Klinge und ungemoddetem Anschliff mit dabei. Beide Messer waren vorher fein säuberlich rasurscharf abgezogen worden. Mit beiden Messern habe ich die gleiche Anzahl Schnitte am Knochen ausgeführt, jeweils ein kleines Stück weggehobelt.

Zurück im Roadhouse habe ich beide Klingen unter das Lichtmikro gelegt. Während der Klapper mit der 1.2552-Klinge nur ein paar winzige Mikrochips zeigt (auf dem Daumennagel nicht spürbar), hat das Fällkniven eine im Vergleich derbe Macke abbekommen.

Links ballige 1.2552-Klinge 2,65 mm und 20 Grad Gesamtschneidenwinkel, rechts Standard-Fällkniven VG10, 4 mm

01 1.2552.jpg 02 VG10.jpg

R’n‘R
 
Einen solchen Schaden, wie er an der VG10-Klinge entstanden ist, bemerkt mancher gar nicht. Bei einfacher Draufsicht sieht man nichts davon. Das Mikrobild zeigt die Schneide hier in 250facher Vergrößerung. Den Ruckler auf dem Daumennagel kann man aber schon deutlich spüren. Und wenn ein solcher Ausbruch erstmal da ist, beschleunigt der „Verfall“ der restlichen Schneide.

Die Reparatur einer derart ramponierten balligen Klinge (Bild 01) erfolgt bei mir auf einfache Weise wie folgt. Etwa 20 Züge über den Sinter-Rubin-Stab sorgen erst einmal für Klare Kante (Bild 02) und hinterlassen eine Mikrosäge. Der anschließende Abzug auf Micro Cloth (1.800, 2.400, 3.200, 4.000, 6.000) sorgt für die einwandfreie Wiederherstellung der fein geschlossenen balligen Schneide.

Alles in allem kein großer Aufwand mit einfachen Mitteln. Was den VG10 angeht, ist es halt um seine Zähigkeit mit nur 5,8 ft-lbs nicht besonders gut bestellt. Kein schlechter Stahl eigentlich, der auf einfache Weise sehr schön scharf wird und Standardbelastungen durchaus standhält. Wem das nicht genügt, der sollte sich auf Larrins Tabelle aufwärts orientieren. Bei zknives steht zu VG10: „Good edge holding and stain resistance. Works well with high polished, acute edge, but depending in the application acute edge part may need revision.“

Bild 01 Lädierte Schneide, 02 Sinter, 03 4.000 Grit, 04 6.000 Grit

01 Ausbrüche.jpg 02 Sinter.jpg 03 4.000 Grit.jpg 04 6.000 Grit.jpg

R’n‘R
 
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VG10-Klinge ist stark plastisch verformt ("zu weich"). So was passt für Benutzung, wo die Klinge missbraucht wird (man kann die bestimmt auch wetzen).

Die 1.25..- Klinge zeigt sauber. Ausbruch ohne plastischer Verformung- dafür gibt's die grossten Punktabzüge beim Testen. Wobei, hoffentlich, liegt das an Sinterstäbchen.
 
So, nach etwas (ca 5-6 St. Arbeit mit einem Schleifsystem ohne Bandschleifer) siets so aus (vorher/nachher).
Haarspalterei in 5 Min. mit 1 Stein (Washita) erreicht, dann mit einem 2 Stein ist die verbessert.

38286598rb.jpg



38389819si.jpg
 
Die 1.2552-Klinge hat noch nie einen Sinterstab gesehen, sie ist nagelneu und nur auf Schleifleinen abgezogen (auch nach dem Microausbruch). Die Aktion diente ihrem Test. Und der kleine Microausbruch war bei der Belastung zu erwarten, da sie extrem dünn hinter der Wate ist mit nur 0,14 mm. Es hätte weit schlimmer kommen können ...

Die Schneide der VG10-Klinge ist auch nicht plastisch verformt, sondern es ist ein relativ großes Stück herausgebrochen, was schon mit einer Handlupe klar zu sehen war.

R'n'R
 
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Schau mal, die Schneidenspitze ist abgerundet- also Schneidwinkel liegt bestimmt über 20.

Wichtig ist, dass da mindestens eine kleine plastische Verformung auftrit- saubere Ausbrüche bedeuten Rissgefahr, wenns ernst wird.

Ich würde die Ausbrüche mit plastischer Verformung bevorzügen, die Klingen mit "sauberen" Ausbrüchen sind nicht für mich (wobei die Anderen können (dürfen) anderer Meinung sein.

Aber, die neuen Klingen, sind selten gut geschärft- daran kanns auch liegen.
 
Aber, die neuen Klingen, sind selten gut geschärft- daran kanns auch liegen.

Genau das ist meine sich wiederholende, generelle Erfahrung mit neuen Klingen - Serie wie Customs. Insbesondere bei den sehr fein ausgeschliffenen dünnen Klingen. Das Problem legt sich in der Regel nach dem etwa dritten Schärfen. Die 1.2552-Klinge hatte bei den ersten Schneidversuchen an hartem Holz noch zwei drei winzige Chips mehr. Der Knochen war nach weiterem Holzbeschnitt die zweite Runde. Ich bin überzeugt davon, daß sich das Problem jetzt - nach dem dritten Schärfen - mehr oder weniger erledigt hat ...

R'n'R
 
Meine Erfahrung nach, wenn die Klingen korrekt gut wermebehandelt, ausgeschliffen und geschärft sind, spielt dann Schneidwinkel mit Abstand die Hauptrolle.
Sollte eine Belastung zu groß sein, dann muss man anschauen, WIE die Schneiden versagen:
Saubere Ausbrüche- Schneidwinkel muss am größten sein.

Wenn immer nur plastische Verformung auftrit- dann darf d. Winkel etwas weniger vergrößert werden.

Wenns um Schneiden gehts, dann schneiden am längsten die Klingen, die kleine Ausbrüche mit plastischer Verformung bilden (Jagdmesser, Küche).

Natürlich spielen dabei Härte und... auch eine Rolle.
 
Nach einer Stunde schneiden an hartem Holz (dabei reichlich Kernholz Eukalyptus) und ein paar Minuten am Knochen sieht die 1.2552-Klinge jetzt schon besser aus (Bild 01). Auf dem Daumennagel absolut nichts zu spüren. Nach ein paar Zügen auf Schleifleinen 1.500 sind die winzigen Unebenheiten wieder verschwunden (Bild 02).

01 1.2552 Knochen.jpg 02 1.2552 1.500 Grit.jpg

Was die Grundsätze zur Optimierung der Schneidfähigkeit einer Klinge angeht, kenne ich die Zusammenhänge. Bei bestimmten Messern habe ich aber eine andere Herangehensweise.

Ich liebe maximal schneidfreudige Messer mit „nix“ hinter der Wate und sehr kleinem Schneidenwinkel. Und ich versuche dann, herauszufinden, wie weit sie belastbar sind. Was kann ich damit „ungestraft“ schneiden. Schnitthaltigkeit und maximale Belastbarkeit sind dabei nicht mein prioritäres Ziel. Wenn ich mit einer solchen Klinge alle durchschnittlichen EDC-Arbeiten erledigen und Holz der Güte Eukalyptus schneiden / schnitzen kann, bin ich zufrieden.

Das Knochenschnitzen war hier die durch den Zufallsfund ausgelöste Ausnahme. Ist für MICH irrelevant. Ich werde also bei diesem herrlich schneidfreudigen Messerchen nicht den Schneidenwinkel vergrößern sondern auf Knochen - wie bisher - verzichten.

Erforderlichenfalls habe ich ausreichend auf Stabilität ausgerichtete Messer mit z.B. Klinge aus M390 oder SB1, 0,5 mm hinter der Wate und Gesamtschneidenwinkel von 40 Grad …

R’n‘R
 
Um die Sache für mich abzuschließen, habe ich das Messerchen noch auf 4.000 Grit abgezogen und dann intensiv 30 Minuten an drei „gut abgehangenen“ - das heißt durchgetrockneten und sehr harten - Eukalyptus- und Olivenknüppeln häppchenweise die Enden vorweggeschnitzt. So, als hätte ich drei Besenstiele gekürzt. Beide Daumen benötigten dann dringend eine Reha.

Unter dem Mikro zeigt sich nach der Arbeit das von mir erhoffte Ergebnis. Keine Regung der nach wie vor rasurscharfen Schneide. Und das bei einer 2,65 mm starken Klinge aus 1.2552 mit 0,14 mm hinter der Wate und einem Gesamtschneidenwinkel von +/-20 Grad. Was definitiv zutrifft, da die Klinge in eine flach liegende Plastikflasche einschneidet, wenn man sie um 10 Grad anhebt.

Mehr erwarte ich von einer solchen Klingen-Delikatesse nicht. Das Messerchen werde ich - wenn die Arbeiten am Review fertig sind - vorstellen …

Bild 01: Vor der Arbeit, Bild 02: Nach den 30 Minuten

01 4.000 Grit.jpg 02 Nach 30 Min Hartholz.jpg

R’n‘R
 
Larrin präsentiert aktuell eine umfangreiche und dazu äußerst informative Aktualisierung seiner Untersuchungen zur Edge Retention von Stählen für Messerklingen. Die Liste umfaßt jetzt insgesamt 48 Stähle und bezieht dazu das Verhältnis von Edge Retention und Toughness mit in die Betrachtung ein: Testing the Edge Retention of 48 Knife Steels.

Alle 48 Stähle wurden von Larrin wärmebehandelt, von Shawn Houston von Triple B Handmade (Big Brown Bear) mit dem gleichen Gesamt-Schneidenwinkel von 30 Grad versehen und auf die gleiche Weise geschärft (Edge Pro 400 Grit Bonded CBN). Die Tests auf Larrins eigenem CATRA-Tester durchgeführt. Ein kurzes Video zeigt, wie der Tester arbeitet.

Der Beitrag geht weit ins Detail und ist überaus interessant und empfehlenswert.

„It is difficult to summarize this big study which took several months of time and several thousands of dollars. And we will hopefully add more steels and look at other things in the future. For those that don’t care about all of the individual details I recommend looking at the big comparison chart.“

Der ist hier. Einmal als Tabelle und einmal als übersichtliche Grafik (TCC (mm) = Total Cards Cut in mm):

01 CATRA Edge Retention.jpg

02 CATRA Edge Retention.jpg


Und hier auszugsweise noch drei Übersichten zum Verhältnis von Edge Retention und Toughness. Als besonders ausgewogen zeigen sich CPM 3V, CPM CruWear, CPM 4V, CPM M4 und die rostträgen 14C28N und LC200N.

03 toughness-edge-retention-total3.jpg 04 stainless-toughness-edge-retention2.jpg 05 low-alloy-toughness-edge-retention-balance.jpg

R’n‘R
 
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Interessante bzw. ernüchternde Ergebnisse .... demnach würde 440C in 56 HRC besser abschneiden als zB der (auch) von Dir viel gelobte, zähe und wolframlegierte 1.2519 in 62 HRC...???

BGC
 
Das ist halt der Vorteil hochlegierter Stähle. Die vielen Chromkarbide schlagen zu. Der Vorteil der niedrig legierten Wolframstähle liegt ja auch nicht in „überragender“ Schnitthaltigkeit, sondern in der durch Wolfram bedingten Feinheit der Struktur. Sie lassen sich auf konventionelle Weise sehr fein ausschleifen. Wie Du ja weißt ;) ...

Hier Gefügebilder von 2442 (Bild 01), 2519 (Bild 02) und 440C (Bild 03)

01 2442.jpg 02 2519.jpg 03 440C.jpg


Und es gibt weniger zähe (1.2562), ausreichend zähe und sehr zähe unter ihnen. Mein diesbezüglicher Favorit, mit dem ich beste Erfahrung bei dünnen Klingen mit kleinem Gesamtschneidenwinkel gemacht habe, ist der 1.2552 mit relativ geringem C-Anteil. Schnitthaltigkeit hat bei mir keine Priorität. Auch 1.2516 und dem 1.2442 kann ich nichts Schlechtes nachsagen.

1.2562: C: 1,40-1,43 Cr: 0,30-0,35 Mn: 0,30 Si: 0,20-0,23 V: 0,25 W: 3,00-3,05
1.2552: C: 0,75-0,85 Cr: 1,00-1,20 Mn: 0,30-0,50 Si: 0,40-0,60 V: 0,25-0,35 W: 1,80-2,10


Ob eine Klinge 10 oder 20 % länger scharf bleibt, mag den interessieren, der auf die Jagd oder zu einem Wettbewerb geht. Wer sich - wie ich - an feinsten Schneiden delektiert und Patina mag, ist mit niedrig legierten Wolframstählen gut beraten.

Ganz unabhängig davon ist es natürlich überaus erfreulich, überhaupt mal ein vergleichbares Ergebnis über eine derart große Menge an Stählen für Messer verfügbar zu haben.

R’n‘R
 
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