Nur wo gehts um die Praxisrelevanz?
Die Frage kommt mir bekannt vor

…
Die Praxisrelevanz von Larrins Blog kann nicht an einer singulären Tabelle festgemacht und in Frage gestellt werden. Der gesamte Blog in seiner mittlerweile enormen Vielfalt liefert umfassende Informationen und Erkenntnisse über Messerstähle, die ihresgleichen suchen und jedem Interessierten eine Orientierungshilfe bei der Auswahl eines für seine Belange geeigneten Stahls zur Verfügung stellen. Unschätzbarer Vorteil hier ist zudem die Tatsache, daß die Daten aus EINER nachvollziehbaren, validen Quelle stammen. Larrin stellt Basiswissen zur Verfügung.
Vielleicht stellen wir die Frage mal anders: Wozu kann ich Larrins Untersuchungen nutzen?
Wenn ich einen Stahl für ein Messer suche, gibt es diverse Ansprüche, die ich an seine Qualitäten stelle. Das Messer soll die Schärfe halten, die Klinge soll Belastungen standhalten, sie soll so leicht wie möglich schneiden. Gegebenenfalls soll sie rostträge sein.
Was sind die Voraussetzungen dafür?
In bestimmten Fällen lege ich den Schwerpunkt auf eine konkrete Eigenschaft. Ich schneide überwiegend Karton. Der Stahl sollte über eine möglichst hohe Schnitthaltigkeit verfügen. Ich sehe mir die Tabelle Edge Retention an und greife zu Rex121.
Ich will ein Haumesser. Die Klinge sollte Belastungen besonders gut standhalten können. Nach einem Blick in die Toughness-Tabelle greife ich z.B. zu 15N20 oder 5160.
Ich suche einen Allrounder, der alle oben genannten Eigenschaften möglichst optimal miteinander verbindet. Mit dem ich Karton zerkleinern kann, der gegebenenfalls Knochenkontakt und seitlichen Belastungen z.B. beim Schnitzen gut standhält und gleichzeitig eine möglichst schlanke Klinge mit relativ kleinem Gesamtschneidenwinkel aufweist. Für die Schneidfreude …
Hier ist Ausgewogenheit gefragt. Und es hilft zunächst ein Blick in diese Grafik:
Am ausgewogensten bezüglich Schnitthaltigkeit und Zähigkeit erweisen sich hier CPM 3V, CPM 4V, CPM CruWear und CPM M4. Einer dieser Stähle wäre demnach einer meiner Wahl für den Allrounder. Rostträgheit mal außen vor gelassen.
Ein Kriterium fehlt noch für eine konkrete Entscheidung. Und dazu ist es hilfreich, wenn man sich neben dem schnellen Blick in die Tabellen etwas Hintergrundwissen angelesen hat. Weil man dann weiß, daß für den erfolgreichen Widerstand gegen seitliche Belastungen (Schneidkantenstabilität) die Zähigkeit allein kein hinreichendes Kriterium ist.
Sie hilft Mikro-Chipping zu verhindern und sorgt darüber hinaus für eine möglichst stabile Schneidenspitze. Nicht minder essentiell ist aber der Widerstand gegen seitliches Umklappen der Schneide. Und hier ist Härte das Thema.
Ich suche mir aus den vier potentiellen Stählen für meinen EDC-Allrounder also den Stahl heraus, der sich hoch härten läßt. Und werde da bei CPM 4V fündig. Ein Blick in das Datenblatt von Crucible zeigt:
„CPM 4V is a powder metal tool steel with an outstanding combination of properties including high impact toughness and very good wear resistance. CPM 4V should be considered for service … where a combination of strength, wear resistance and toughness is required. CPM 4V should be considered for applications where a higher attainable hardness and additional abrasion resistance is required than can be offered by CPM 3V.“
Bei beispielsweise 64,5 HRC erreicht CPM 4V immer noch einen guten Zähigkeitswert von 14 ft-lbs, liegt also auf dem Niveau wie CPM M4 bei 61,5 HRC oder A2 bei etwa 60 HRC. Bei sehr guter Schnitthaltigkeit.
Das Ergebnis einer solchen Entscheidung für CPM 4V haben wir bereits bei Big Brown Bear in
post #117 gesehen:
CPM 4V (65-66 HRC)
Klingendicke 2,77 mm
0,36 mm hinter der Wate
BBB erläutert, daß bei einer schlanken CPM 4V-Klinge (unter 3 mm) nach seinen Tests für das unbeschadete Durchschlagen von Nägeln eine Stärke von 0,36 mm hinter der Wate und ein Gesamtschneidenwinkel von 34 Grad ausreichen. Das ist ein Wort!
Lassen wir Nägel außen vor, können wir mit dem Gesamtschneidenwinkel kleiner werden …
Wie fein eine Klinge jeweils ausgeschliffen wird, ist dann abhängig vom Haupteinsatzgebiet und kann nach aktuellem Bedarf / Vorliebe angepaßt werden.
Lasse ich dann in die Entscheidung für mein nächstes Papiermesser einfließen....
Hatten wir schon mehrfach! Und wird durch permanente Wiederholung nicht origineller …
In der Küche kann man fast sagen das ein 1.2562 mit extremer WB ähnlich lange sinnvoll schneidet wie ein K390, aber bei weitem länger als ein ZDP 189 beispielsweise. Ein 1.2519 mit TK Behandlung einen VG-10 mit leichtigkeit um das doppelte an Schnittgut in den Schatten stellt....
Was bitte soll es an nachvollziehbarer Information zu grundlegenden Eigenschaften eines Stahls bringen, wenn ich ihn gegen einen anderen mit einer extremen Wärmebehandlung (oder anderer Geometrie) vergleiche? Über Wärmebehandlung kann ich jeden Stahl in eine bestimmte Richtung hin optimieren.
Darüber hinaus kommen wir immer wieder an derselben Stelle an. Daß sich Zugschnitt und Druckschnitt (insbesondere Hacken / Choppen) nicht über einen Kamm scheren lassen. Auch hierauf weist Larrin immer wieder in aller Deutlichkeit hin. Es fängt an, mich zu langweilen ...
R’n‘R