Ich hatte die Frage nach dem Weg der Legierungselemente aus dem Erz in das Eisen gestellt, weil sich aus den Darlegungen von Herrn Hollmann- wenn sie richtig wären- für die Stähle der Frühzeit eigentlich bis ins 18. Jhdt bedeutende Folgerungen ableiten ließen.
Schweißdamast in unserem Sinne, bei dem das Muster durch nicht diffundiierende Legierungselemente gebildet wird und der deshalb eine Vielzahl hochleistungsfähiger Kompositionen ermöglicht, wäre danach in der Zeit vor etwa 1850 nicht möglich gewesen.
Die beiden Literaturstellen, die ich im ersten Beitrag angesprochen habe, gehen auch in diese Richtung-trotz hoher Mangangehalte im Erz war bei dieser Versuchsdurchführung nichts in den Stahl gelangt.
Da sich viele Leute heutzutage mit "Rennfeuern" befassen, erwartete ich eigentlich schnelle, einfache und präzise Antworten. Es scheint mir aber so, daß die Ergebnisse der modernen Rennfeuer noch nicht umfangreich wissenschaftlich analysiert wurden.
Ich habe daher selbst ein bißchen nachgelesen und will ein paar Grundzüge dessen, was ich so gefunden habe, hier zur Diskussion stellen.
Als wesentlicheQuelle habe ich Johannsen: "Die Geschichte des Eisens"
3. Auflage 1953, Verlag Stahleisen mbH Düsseldorf benutzt.
An dem frühen Erscheinungsjahr sollte man sich nicht stören, da gerade dadurch noch die Nähe zu vergangenen Techniken und ihre Kenntnis gegeben ist. Sollte man das Thema weiter vertiefen wollen, wäre auch an das 5 Bände umfassende Werk von Ludwig Beck "Die Geschichte des Eisens" zu denken.
Der besseren Übersicht halber sollen drei Aspekte getrennt behandelt werden.
1. Die Feuer
Zu meiner Überraschung beschreibt Johannsen die Feuer, die wir allenthalben auf den Rennfeuertreffen sehen, nicht als Rennfeuer, sondern nennt sie Schachtöfen oder Stücköfen.
Rennfeuer sind nach seiner Darstellung Feuer, die mit einer relativ flachen Grube-25 cm tief und30-50 cm breit- arbeiten, über die Brennstoff und Erz aufgehäuft werden.
Das wird von den einfachsten afrikanischen Schmelzen bis ins hohe Mittelalter ganz ähnlich beschrieben. Nach Agricola: "de re metallica libri XII" erzielt man mit diesem Rennfeuer ohne Schacht in 4-8 Stunden1-3 Ztr. Luppe erzeugt, die mit Holzhämmern verdichtet wird, danach in passende Stücke zerteilt wird, die zu Schienen ausgeschmiedet werden können.
Schachtöfen mit natürlichem Zug oder Gebläse nennt er Stücköfen und gibt für diese Konstruktion schon Luppengewichte bis 400 kg an.
Eine weitere Fortentwicklung sind die Floßöfen, die sich von den Stücköfen nur durch größere Dimensionen unterscheiden und im Sprachgebrauch zur Zeit ihrer Nutzung von diesen nicht unterschieden wurden.
Rennfeuer und Stücköfen werden der Zeit von Beginn der Verhüttung- also ca 3000 vor Chr. bis ins 14.Jhdt., Floßöfen der Zeit ab 1300 zugeordnet.
2. Das Ergebnis der jeweiligen Verhüttungsverfahren.
Bei den einfachsten Rennfeuern fanden sich in der Schlacke Eisenkörnchen. Die mit Körnchen angereicherte Schlacke wurde nochmals im Rennfeuer behandelt und erst danach erhielt man eine mit Schlacken durchsetzte Luppe, die verdichtet und schließlich geschmiedet werden konnte.
Bei besser gesteuerten Verfahren, etwa dem von Agricola für das 15.Jhdt geschilderten erzielte man eine zentnerschwere Luppe, die verdichtet, zerteilt und geschmiedet werden konnte.
Neben der eigentlichen Luppe, die im C-Gehalt zwischen 0,1 bis 2 % schwanken konnte, gab es bei hoher C-Aufnahme oder hohen Temperaturen auch Roheisen, also ungereinigten Guß mit 2-4 % C.
Bei den hohen Stücköfen oder Floßöfen war der Anteil des geschmolzenen Materials höher.
In diesen Öfen konnte man auch ärmere und besonders phosphorreiche Erze verwenden, da der Phosphor den Schmelzpunkt herabsetzt.
Der Verfasser schildert hier Grenzpfähle, mit denen die Johanniter an der Grenze zwischen Neumark und Pommern ihr Gebiet abgesteckt haben ( 1354-1364), die 6,2 % Phosphor (in Worten: sechs-komma-zwei !) enthalten.
3. Die Weiterverarbeitung
Luppen aus dem Rennfeuer oder Stückofen mit günstiger Zusammensetzung-nicht zuviel C- konnten nach dem Verdichten geschmiedet werden. Zur Säuberung wird man sie mehrfach miteinander verschweißt haben.
Die Luppenteile, die durch eine zweite Behandlung im Rennfeuer- hier ist das "echte" Rennfeuer des Verfassers gemeint, weiter gereinigt werden sollten, verhielten sich dabei je nach C-Gehalt unterschiedlich:
Die kohlenstoffreichsten Teile schmolzen nämlich ab, wurden durch den Windstrom des Frischfeuers entkohlt und bildeten eine eigene Luppe, die mit der Restluppe wieder vereinigt wurde.
Konsequenzen aus diesen Befunden ergeben sich für mich wie folgt:
Von "dem" Rennfeuer mit der immer gleichen exakten Temperatur X kann man nicht sprechen. Je nach Brennmaterial, Luftzufuhr u.s.w. gab es in verschieden geführten Feuern unterschiedliche Temperaturen, die in vielen Fällen jedenfalls ausreichten, aufgekohlten Stahl zu schmelzen.
Ein ganz interessantes Beispiel bietet eine Untersuchung des Ergebnisses der tatara: In 68 Stunden wurden 12.370 kg Erz und 13.490 kg Holzkohle durchgesetzt. Das Ergebnis war wie folgt:
1.575 kg Roheisen (= ungereinigter Guß, also voll geschmolzen)
1.126 kg Stahl
1.012 kg Schmiedeeisen.
Das Roheisen, das entstanden war, hat man nicht einfach weggeworfen. Durch Windfrischen konnte es entkohlt und in Stahl oder Schmiedeeisen verwandelt werden.
Eine andere, ganz aparte Art der Nutzung ist aus der Zeit von vor etwa 2000 Jahren aus Merv an der Seidenstraße berichtet worden. Dort hat man das "Wasser des Eisens"- also Rohstahl, der flüssig geworden war- zerbröckelt und mit Eisenfeilspänen im Tiegel auf ca. 1200 Grad erhitzt.
Dabei schmolz der Rohstahl, umfloß die Eisenspäne, gab an diese einen Teil seines Kohlenstoffs ab und es entstand das Mittelding zwischen Roheisen und Schmiedeeisen, nämlich härtbarer Stahl.
Daraus ergibt sich die weitere Konsequenz, daß in den Fällen, wo Schmelzerscheinungen aufgetreten waren, eine Reduktion von Legierungselementen zu erwarten ist.
In welche Richtung man da zu denken hat, hat Mythbuster meiner Ansicht nach korrekt dargelegt.
Freundliche Grüße
U. Gerfin