Äpfel mit Birnen vergleichen

Incus

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Die Tage werden kürzer und die Obstbäume im Garten sind abgeerntet.
Es ist also an der Zeit einmal Äpfel mit Birnen zu vergleichen!

In diesem Fall vertreten durch zwei mittelgroße, feststehende Messer. Form und Geometrie der Klingen sind gleich. Oder sagen wir besser „sehr ähnlich“, da beide freihändig gefertigt wurden. Der relevante Unterschied liegt jedoch in den verwendeten Stählen.
Um die Messer während der Tests unterscheiden zu können sind auch die Griffe aus unterschiedlichen Hölzern. Um dem Titel gerecht zu werden habe ich mich für Apfel- und Birnbaumholz entschieden.

Team Apfel:

Apfelmesser.JPG


Team Birne:

Birnenmesser.JPG


Auslöser für diesen Versuch war eine wiederkehrende Diskussion mit einem Jäger und Messerliebhaber darüber, welches die wichtigsten Eigenschaften eines Stahls für ein Jagdmesser sind.
Nachdem @herbert und @Taperedtang hier ihren spannenden Ringversuch zu D2 durchgeführt hatten, kam mir die Idee etwas ähnliches zu machen. Teile des Konzepts sind (mit Erlaubnis) dort abgeschaut.

Nach dieser Einleitung möchte ich noch zwei Sachen klarstellen:

1) Es geht definitiv nicht darum, festzustellen welcher der beiden Stähle der „allerbesteste Messerstahl ever“ ist. Ich bin immer der Meinung „steel follows function“ und auch bei verschiedenen Einsatzgebieten hat man oft eine enorme Auswahl gleichwertiger Alternativen.
In erster Linie soll das Ganze hier Spaß machen. Den Teilnehmern und auch den Lesern. Weiterhin erhoffe ich mir als Messermacher ein par Erkenntnisse darüber, was diese beiden Stähle mit dieser Geometrie im normalen Einsatz leisten oder eben nicht. - unverfälscht durch die sonst eingebauten Sicherheitsreserven. Und eventuell lassen sich ein par Unterschiede im Gebrauch zwischen den Stählen aufzeigen oder eben, dass die Unterschiede nicht auffallen.

2) Ich habe leider nicht die Möglichkeiten, diesen Versuch mit Gefügebildern und Härteprüfungen zu begleiten. Außerdem ist die Stichprobe pro Stahl n=1. An die statistische Signifikanz der Ergebnisse kann man also keine zu hohen Erwartungen stellen. Falls das jemanden stört, darf er oder sie gerne noch weitere Testmesser beisteuern. :p

Als Tester konnte ich vier Mitglieder des Forums gewinnen. An dieser Stelle noch einmal Danke an die Teilnehmer!
Jeder Teilnehmer soll etwa 14 Tage lang Zeit zum Testen haben. Danach sind die Messer an den nächsten Teilnehmer und zum Schluss an mich zurück zu schicken. Über die Tests und die Ergebnisse ist hier im Messerforum mit einem bebildertem Beitrag zu berichten. Falls jemand vergrößerte Aufnahmen der Schneide machen kann, wäre das schön. Gerne darf auch generelle Kritik an den Testmessern geäußert werden.
Sofern die Messer die Tests überleben, werden sie im Anschluss unter allen Teilnehmern, die einen Bericht abgegeben haben verlost. Die Verlosung findet öffentlich hier im Messerforum statt.
Die Art der Tests kann jeder Teilnehmer grundsätzlich selber auswählen. (z.B. Holz schnitzen, Karton schnippeln, Essen zubereiten, Wild aufbrechen, Seile klein machen, etc.)
Auch hier bitte nichts härteres als Holz schneiden, kein wildes Hebeln und wirklich kein Batoning - dafür ist die Geometrie definitiv zu fein. Einfach die Messer so benutzen, wie man ein eigenes Messer mit dieser Geometrie benutzen würde.
Die Klingen sind nicht rostfrei und benötigen dementsprechende Pflege.
Der Anschliff darf nach eigenem Ermessen geändert werden. Vor der Weitergabe sollen die Messer möglichst im original Winkel geschärft werden, es sei denn der nächste Tester möchte das gerne selber übernehmen.
Sollte ein Messer bei den Tests kaputt gehen, ist das auch ein Ergebnis. Falls das passiert kann das Messer leider nicht mehr verlost werden. Ich hätte die Reste dann gerne zurück, um das Gefüge an der Bruchstelle zu überprüfen.
 
Daten:

Die Testmesser haben eine Klingenlänge von 119 mm bei einer maximalen Klingenbreite von 26 mm. Die Rückenstärke beträgt direkt am Griff etwa 3,2 mm mit einem Taper auf 0,9 mm ca. 10 mm vor der Spitze. Die Schneide ist auf ca. 0,3mm vor der Wate ausgeschliffen. Die Gesamtlänge ist 232 mm.
Infos zu den Stählen und der Wärmebehandlung folgen nach Abschluss der Tests.

Die Klingen sind beide aus weichgeglühtem Blech grob geschliffen worden (stock removal). Nach dem Härten habe ich sie dann von Hand auf Diamantplatten ausgedünnt, um eine möglichst ähnliche Geometrie zu erhalten. Die Schneide wurde dann auf verschiedenen Banksteinen angebracht.

Aktuell befinden sich die Messer bereits beim ersten Teilnehmer.
Nachdem ich selber ein bisschen ausprobiert habe sind auch schon die ersten Kratzer im Finish. Also keine Scheu, noch mehr davon zu machen!

Messer Apfel:Birne.JPG


VG, Incus
 
Hallo Incus!
Die Messer sehen wunderschön aus und die Idee mit den Obstholzgriffen als Unterscheidungsmerkmal finde ich klasse! Magst du noch schreiben um welche Stahlarten es sich handelt? Oder hab ich das überlesen? Ich freue mich schon sehr auf die Testberichte!
 
Servus,

das Pärchen ist aktuell bei mir, ich bin der erste Teilnehmer. Die erste Woche werden die beiden hübschen mit üblichen EDC-Aufgaben, wie Lebensmittel schneiden zubringen, die zweite Woche sind kleinere Holzarbeiten angesagt. Eine Astgabel habe ich mit meinem Handbeil schon abgeschlagen:

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Da ich jetzt weiß, das beide Messer reaktiv sind, kann ich schon mal sagen das die „Birne“ auf jeden Fall reaktiver ist und sehr flott eine Patina ausbildet. Auch war es das schärfere Messer. Mehr dazu in meinem Bericht.

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Gruß, güNef
 
Hallo Incus,

ich schließe mich Herbert an, tolle Messer! Die Klingenform hast Du gut gewählt. Mit dieser klassischen Form liegt man mMn immer richtig. Das sind sehr schöne Allrounder, die auch sehr gut für den jagdlichen Einsatz geeignet sind. Die Griffe aus heimischem Holz gefallen mir auch ausgezeichnet, man vergisst gerne wie toll unser heimisches Holz aussehen kann. Vielen Dank für`s Zeigen!

Ich weiß wieviel Arbeit in so einem Projekt steckt, dafür meinen Respekt. Ich bin gespannt wie es weiter geht und freue mich schon jetzt auf die Fortsetzung. Vor allem über die Diskussion über die Stähle und deren Wärmebehandlung. Ich wünsche viel Erfolg für den weiteren Verlauf.

Gruß
Matthias
 
So wie der bisherige Beitragsverlauf sich darstellt, frage ich mich, ob das Thema in "Material Total"gut aufgehoben ist ... Vorschläge :confused:

Edit: Thema verschoben nach Handgemachte Messer - Allgemeine Diskussion
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke aber dass es auch darum geht die beiden Stähle zu vergleichen und zu bewerten, insofern passt das schon.
Und @Incus : gute Idee das erst mal nicht mitzuteilen.
Freue mich auf das weitere.
 
@use-it
Apfel- und Birnenholz sind dichte, schwere, harte und zähe Hölzer, die sich bzgl. Gewicht und Dichte sehr ähnlich sind. In der praktischen Anwendung wird man kaum einen Unterschied feststellen. Ich verarbeite diese Hölzer ganz gerne. Sie sind trotz der Härte gut zu bearbeiten und nehmen nach dem Polieren einen schönen, matten Glanz an.

Gruß
Matthias
 
Hallo zusammen,

freut mich, dass euch die Messer gefallen. Danke für die freundlichen Kommentare!

@Tonda Apfelkern:
Welche Stähle ich verwendet habe verrate ich erst zum Schluss. Die Tester sollen erstmal unvoreingenommen bleiben.

@use-it:
Bei Apfelholz habe ich bisher ziemlich große Unterschiede in Aussehen und Beschaffenheit gehabt. An Birnenholz komme ich seltener dran. In diesem Fall würde ich rein subjektiv sagen, dass die Birne härter und schwerer war. Groß ist der Unterschied aber nicht.

vG
Incus
 
Fast hätte ich es nicht angeklickt - wäre jammerschade gewesen!
Tests zu Stahl sind immer klasse - und Blindtests umso mehr. Auch von mir ein herzliches Dankeschön für die Mühe und den Aufwand; ich bin sehr gespannt.
Sehr hübsche Messer auf jeden Fall. Und laaange Klingen; da kannst ja ein Hirsch mit abfangen und aufbrechen ;)

Gruß,
Torsten
 
Servus,

Erstmal ein herzliches Danke an Benedikt für diesen Ringversuch und vor allem die Bereitschaft beide Messer am Ende an die Teilnehmer zu verlosen. Ich finde sowohl die Idee wie auch den Ablauf wirklich klasse.

Hier meine ganz persönlichen Eindrücke zu dem Apfel/Birnen-Pärchen ohne den Klingenstahl zu kennen. Der Einfachheit halber nenne ich sie im Verlauf meines Berichtes, „den Apfel“ und „die Birne“

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Beide Messer sind grundsätzlich baugleich, sie unterscheiden sich eigentlich nur durch das Griffholz, eines Birnbaum, eines Apfelbaum und geringste Abweichungen durch Handarbeit. Nur von der Stahlsorte unterscheiden sie sich wohl hauptsächlich. Wohl deshalb, weil ich ( wir, die Tester ) die Stahlsorte nicht genannt bekommen haben. Ich habe beide Messer als Erstes einen Apfel schälen und in Spalten schneiden lassen um einen ersten Eindruck der Klingengeometrie zu gewinnen, die mich naturgemäß natürlich mehr interessiert als der verwendete Stahl.

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Beide Messer sind exzellent fein ausgeschliffen, vielleicht auch einen Tacken zu fein für einen guten Allrounder, aber dazu später mehr. Die Klinge lässt sich perfekt unter der Apfelschale führen und die Klingenhöhe und Form tun ein Übriges. Der Schnitt ist sehr leicht für ein Allround-Fixed. Die Birne zeigte sich sogleich als das reaktivere Messer und bildete rasch eine Patina aus. Der Apfel hingegen nicht. Ich dachte schon, das ist eine Stainless-Klinge. Ist aber keine, da sich in späterer Folge punktuell Patinasprengel gebildet haben, aber deutlich weniger reaktiv als die Birne. Die Birne kam mir auch gefühlt schärfer vor, was ich dann beim Schnitzen wieder relativieren musste.

Beide Messer wurden bereits vor dem Ringversuch benutzt und verwendet, feine Kratzer auf den Flanken zeugen davon. Die Kratzer der Birne werden von der Patina schön maskiert, der Apfel hingegen zeigt offen seine Gebrauchsspuren. Das Längs-Finish der Flanken ist aus meiner Sicht nicht 100% sauber, könnte besser sein. Beide Messer sind gut scharf angekommen. Ich persönlich würde das Messer auf 20° Schleifwinkel umschleifen und danach mit Mikrofeinzug scharf halten. In späterer Folge und bei Beschädigung oder regelmäßig starkem Gebrauch mit einem Sinterrubinstab einen Grundschliff setzen. Handlage und Haptik ist bei beiden Messern exzellent. Der Guard sorgt für Sicherheit und der feine Schliff für eine hervorragende Schneidfähigkeit, sowohl bei Lebensmittel wie auch an frischem Holz.

Die erste Woche waren die Messer im Haushalt beschäftigt. Frühstück und Kinderjausen die Hauptaufgaben. Schneiden am Brett ist naturgemäß durch den Guard ein wenig eingeschränkt, aber machbar. Orangen filetieren ging Aufgrund von Klingengeometrie, Form und Schärfe hervorragend, feine Arbeiten klappen super damit.

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Hier sieht man schön die bereits tüchtig patinierte Klinge:

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Die zweite Woche habe ich je eine Astgabel und einen Wanderstock mit meinem Handbeil abgeschlagen, entrinden und schnitzen war dann der Job von Apfel und Birne. Die Birne hat feinste plastische Verformungen und Mikrochips an einigen Stellen der Schneide gezeigt.

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Ich habe die Schneide nahe an der Schneidenspitze, vermessen und bin an der Stelle auf knapp unter 0,25mm gekommen. An anderer Stelle auf 0,35, das erklärt auch die sichtbar breiter werdende Fase unmittelbar vor der Spitze, also kein Winkelfehler, sondern einfach ein etwas stabilerer Spitzenbereich, was kein Fehler ist. Ich habe die winzigen Schäden an der Schneide absichtlich mit sehr simplen Mitteln, die eigentlich jeder im Haushalt verfügbar haben sollte rausgeschliffen. Wie schon oben geschrieben, bei so einem feinen Ausschliff muss der Schleifwinkel sehr stumpf gehalten werden, mindestens 20° besser noch stumpfer. Das stabilisiert die Schneide und macht sie robuster trotz Dünnschliff. Die Schärfe hat bei beiden Messern innerhalb meines Testzeitraumes gut gehalten. Kein auffälliges, schnelles abstumpfen.

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Beide Messer reagieren exzellent auf einen Flaska Keramikstab und danach einen Dick Mikrofeinzug und erhalten einen knackscharfen Biss.

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Mein Tipp an die nächsten Tester: Mit Erlaubnis des Machers auf mind. 40° Schneidenwinkel umschleifen, bei weiteren plastischen Verformungen oder Mikroschäden auf 50° Wenn dann nix mehr passiert, passt die Stabilität durch den Schleifwinkel. Entstehen immer noch winzige Chips oder plastische Verformungen, dann entweder die Schneide etwas rücksetzen und eine eventuell vorhandene Defektschicht dadurch entfernen, bei gleichzeitig mehr Substanz über der Schneidenspitze, dann sollte das klappen. Da beide Messer nicht auffällig schnell abgestumpft sind, sollte Härte und WB ganz gut passen. Erst wenn nach der Schneidenwinkelkorrektur und trotz rücksetzen der Schneide immer noch Schäden entstehen, kann man sich über die korrekte WB Gedanken machen. Insgesamt glaube ich aber das sie gut passt, da hauptsächlich plastische Verformungen und kaum Ausbrüche aufgetreten sind. Dennoch habe ich die Messer nur einen kurzen Zeitraum sorgsam benutzt, somit nur ein Ausschnitt. Die nächsten Tester werden zeigen wie das weitergeht.

Anfangs dachte ich die Birne ist schärfer, musste das aber revidieren, beim Schnitzen hat der Apfel sein Potential ausgespielt. Sehr scharf zu beginn und scharf geblieben, ferner keine Beschädigungen an der Schneide. Kann sein das ich mit Querbelastungen in engen Winkeln die Birne härter rangenommen habe, aber das ist halt immer situationsbedingt und keine wissenschaftliche Abhandlung. Die Messer beißen beide irre in das frisch geschlagene Holz und in flachem Winkel sind sie spanabhebend wie ein frisch geschärfter Hobel. Bei steilerem Winkel verkeilen sich beide manchmal im Holz.

Fazit:

Beide sind feine Messer die zum Schneiden gefertigt wurden und nicht zum hacken, schlagen, batonen, hebeln oder ähnliche harte Belastungen. Ob sie beim Aufbrechen von Wild langzeittauglich sind kann ich nicht sagen, da kein Jäger. Einen schönen Wanderstock bearbeiten können sie allemal, wenn man die Schneide etwas adaptiert, zumindest bei der Birne aus dem Stand auch schadlos. Für leichte Arbeiten und Feldküche auf jeden Fall sehr gut brauchbar.

Welche Stähle könnten das sein? Ich weiß es nicht, tippe jetzt völlig blind auf 80CrV2, eventuell Feile, vielleicht auch Wälzlagerstahl, oder etwas mit einem Schuss Wolfram, in Wahrheit kann es alles sein. Der Stahl der Birne stinkt wenig bei Säurekontakt, daher tippe ich eher auf einen einfachen gängigen und alt bewährten Stahl bei der Birne und einem Semi-Stainless beim Apfel der eine feine Schneide zulässt, vielleicht 3V? D2 wurde ja dezidiert ausgeschlossen.

Gefühlt ist mir die Birne das liebere Messer und der liebere Stahl. Begründen kann ich das mit einer Patina, ich mag einfach lebendige sich verändernde Stähle und das maskieren von Gebrauchsspuren. Ich bilde mir ein, die Birne wird leichter schärfer, ohne viel schneller als der Apfel abzustumpfen, aber das ist ein rein subjektiver Befund.

Zu den Scheiden will ich nicht viel schreiben, außer dass sie gut funktional sind. Vielleicht könnte der Haltepunkt etwas strammer sein, aber die Messer sitzen am Gürtel gut und lassen sich leicht ziehen.

Sollte ich das Glück und die Wahl haben, dann würde ich die Birne nehmen, es ei den der Apfel ist tatsächlich 3V ;).

Gruß, güNef
 
Vielen Dank für deinen ausführlichen und detailreichen Bericht!
-hat wirklich Spaß gemacht ihn zu lesen und die Bilder sind ebenfalls Klasse (und appetitlich)!

Im Vorfeld war ich zugegebener Weise etwas nervös, ob die Schneiden halten würden, oder ob ich es übertrieben habe. Von mir aus darf der Schneidenwinkel gerne geändert werde, solange das bei beiden Messern mit identischen Winkeln geschieht.

So, ich halte mich jetzt ansonsten erstmal zurück und lasse die anderen Tester ran, bevor ich noch was zu den Stählen verrate. ;)

Danke nochmal und vG!
 
Incus-Messertest

Ich darf die Messer als Zweiter testen. Vielen Dank Benedikt, dass ich dabei sein durfte.

Mein Vorgehen gleicht dem von @güNef . Auch ich werde die Messer nach ihrem Griffholz benennen. Messer A ist das rostträge Messer mit Apfelholzgriff. Das Messer B hat Birnenholz als Griff und die Klinge hat bereits eine schöne Patina. Da das Birnenholz etwas dunkler ist und die Klinge eine Patina hat, kann man die beiden Messer gut unterscheiden.

von Links: Messer B, Böker Bronco, Messer A

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Eigentlich wollte ich mit einem Mikroskop Aufnahmen der Wate machen und habe deshalb mein Equipment aufgerüstet. Obwohl eine Installationsdisc mitgeliefert wurde, gelang es mir bis heute nicht dieses Mikroskop via Interface mit dem Computer oder Handy zu verbinden. Daher müssen diese Aufnahmen von einem anderen Tester erstellt werden. Sorry!

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Nicht getestet habe ich die Duktilität und Tenazität. Ich überlasse es den anderen Tester die Biege und Faltfähigkeit der Klingen zu messen.

Die Daten von den Messern hat Incus bereits in diesem Thread mitgeteilt. Nur Angaben zum Gewicht der Messer fehlen. Beide Messer wiegen je 108 g. Die Messer sind leicht grifflastig, die Balance liegt zwischen 1,5 und 2 cm hinter dem Ricasso.

güNef hat die Messer sehr scharf zu mir geschickt und ich konnte gleich mit den ersten Arbeiten anfangen. Damit ich besser einschätzen konnte, wie gut die Leistung der Testmesser ist, habe ich immer ein Messer aus meinem Fundus die gleichen Arbeiten verrichten lassen.

Zuerst verarbeiten die ungleichen Zwillinge Karotten, Kürbis, Randen und Sellerie. Die Klingen sausten mühelos durch die harten Gemüse und das Schälen der Randen war einfach, weil die Klingen ganz knapp unter der Schale geführt werden konnte. In dieser Disziplin sind beide Messer gleichauf. Zu meiner grossen Überraschung gelang es mir, mit beiden Messern so feine Karottenscheiben zu schneiden, dass man das Prägezeichen von Incus sehen konnte. Beide Messer konnten locker mit meinem Vergleichsmesser, dem Petty von Culilux, mithalten.

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Und nun ALLE auf EINEN

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Nach den ersten Tests wollte ich prüfen ob beide Messer noch genau so scharf waren, wie sie bei mir angekommen sind. Dafür musste eine Seite Zeitungspapier sowohl von der geraden- wie auch von der gezackten Seite her geschnitten werden. Beide Messer erledigten das ohne Probleme.

Am Nachmittag wurde Brot mit harter Kruste geschnitten und einige Späne aus einem gut getrockneten Buchenholz abgeschabt. Beide Messer mussten noch eine kleine Kerbe aus diesem Buchenholz hacken. Wobei Hacken etwas Übertrieben ist, denn das geschah vorsichtig und ohne Kraft. Das Messer B ist etwas aggressiver, bissiger in das Holz eingedrungen. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, dass ein Messer besser gewesen wäre als das andere. Gleichstand.

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Und hier das Foto vom Buchenholz. Das lag 2 Jahre neben dem Kamin und ist sicher knochentrocken.

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Die anschliessende Kontrolle der Wate war bei beiden Messer ohne Befund. Gut, ich konnte das nur mit einer Juwelier-Lupe mit 30ig-fach Vergrösserung kontrollieren und mit dem Fingernagel prüfen ob sich Ausbrüche durch die Tests entstanden sind. Aber immerhin, das heisst ja auch schon was.

Bei beiden Messern war die „Anfangsschärfe“ nicht mehr vorhanden. Die (Rest)Schärfe von Messer A war jedoch wesentlich besser als die von Messer B.

Weil die Messer ohnehin einen Brush-up brauchten, war der ideale Zeitpunkt gekommen, um die Messer von ca. 18° Grad auf 20° zu schleifen. güNef hat das in seinem Bericht vorgeschlagen und ich kann jetzt schon verraten, dass dieser Wechsel den Messern gut getan hat.

Damit ich keine grossen Kratzer in die Wate schleife, benutzte ich den 1000er Shapton Glass Stone HR. Von den geschätzten 18° auf 20° zu schleifen ist ja einfach und nur wenig Material musste abgetragen werden. Zudem hilft die Geometrie der Klingen, dass die Messer sehr einfach zu schleifen sind. Für das Messer A benötigte ich 7 Minuten je Seite, für das Messer B je 2 (Zwei!) Minuten. Das Finnisch erfolgte auf dem 3K von Shapton mit dem gleichen zeitlichen Aufwand. Also 7 Min. für Messer A und 2 Min. je Seite für Messer B. Beide Messer habe ich noch kurz übers Leder gezogen.

Diese Wellnesskur brachte vor allem beim Messer B eine sensationelle Schärfe. Es liessen sich beliebige Radien in das Zeitungspapier schneiden. Auch das Messer A erreichte eine sehr gute Schärfe, einfach ohne diesen wouuww-Effekt.

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Das war ja klar, als ich den Auslöser drückte, sprang die Anzeige von 20,0° auf 20,1°. Einfach nur um mich ein wenig zu ärgern.

Heute ist der letzte Testtag und ich werde begleitet von meinem Kumpel Andreas. Als gelernter Koch kennt er sich natürlich mit Messern aus. Wir beginnen mit den etwas gröbere Arbeiten( z.B. Rinde wegschneiden und anspitzen) an einem trockenen Ast, dann „rändeln“, das ist die Kante etwas abrunden. Dieses Abrunden ist richtige Feinarbeit. Das gelang mit beiden Messern hervorragend.

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Nach dem Schnitzen am harten Holz würfelte Andreas eine Zwiebel.

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Seiner Meinung nach ging es mit dem Messer A einfacher als mit dem Messer B. Schön, dass Andreas zum gleichen Ergebnis wie ich gekommen ist. Als Vergleich nahm ich – wie gestern auch – mein Lieblingsjagdmesser (Böker Magnum in 440) mit. Der heutige Testtag wurde ziemlich kurz, weil das Böker in jeder Anwendung den beiden Testmessern klar unterlegen war. Das Böker ist wesentlich schwerer, der Griff liegt nicht annähernd so gut in der Hand und die Schnitthaltigkeit war ebenfalls geringer als bei den Testkandidaten.

Einen kleinen Vorteil verschaffte sich das Böker beim Tragen am Gürtel, weil es ca. 2 cm kürzer ist. Das Böker habe ich seit neun Jahren bei jeder Jagd dabei gehabt und war sehr zufrieden damit. Es ist eine alte Weisheit, das Bessere ist der Feind des Guten.

Noch ein Wort zu den Lederscheiden. Sie halten die Messer sehr zuverlässig. Das Sattelleder ist über 3 mm dick und somit mehr als ausreichend robust. Was fehlt, ist ein Loch unten, damit eingedrungenes Wasser wieder abfliessen kann. Die grossen Schlaufen an den Scheiden lassen den Messern genügend Bewegungsfreiheit, dass sie beim Sitzen oder Autofahren nicht stören.


Fazit

Die Messer von Incus sind sehr gut. Die Griffe sind handschmeichler und liegen perfekt in meiner Hand (Handschuhgrösse 8). Wenn man das Messer als EDC verwendet, kann man das ganze Spektrum an täglichen Arbeiten damit erledigen. Und die Arbeit mit diesen Messern macht richtig Spass. Ich habe auf jeden Fall viel mehr geschnippelt als sonst üblich. Der Pflegeaufwand ist gering. Die Holzgriffe habe ich nach den Tests mit Spoon-Butter eingerieben und die Klingen getrocknet. Das Messer B muss etwas mehr Aufmerksamkeit erhalten, weil der Stahl reaktiver ist. Messer B muss auch etwas öfters über die Banksteine geschubst werden als Messer A, dafür erreicht es die aggressivere Schärfe.


Die Frage nach dem Stahl kann ich leider auch nicht beantworten, aber ich vermute, dass bei Messer A der V3 Stahl verwendet wurde. Bei Messer B der C75.

Egal welcher Stahl auch immer verwendet wurde, ich hatte sehr viel Freude an den beiden Messern und lasse sie nur widerwillig zu @Virgil4 ziehen. Aber vielleicht kommt ja eines wieder zu mir zurück.

Falls ihr noch Fragen habt, nur zu.

Gruss Ulli
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch dir vielen Dank fürs Mitmachen und den tollen Bericht!

Es freut mich, dass die Messer gefallen und funktionieren aber vor allem auch, dass tatsächlich Unterschiede zwischen den Stählen feststellbar sind. Ich bin gespannt, ob die nächsten beiden Tester zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Viele Grüße

Benedikt


PS: Ist das eine Maserknolle an dem Brotlaib?
 
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