Erstmal ganz vielen lieben Dank an Incus für die Organisation dieses tollen und spannenden Passarounds. Das ultimative Sahnehäubchen ist natürlich, dass beide (!) Messer danach verlost werden. Das ist eine echt krasse Ansage! 👍🏻👍🏻
Eigentlich wurden in diesem Passaround
zwei Fragen gestellt:
- wie schlagen sich die beiden Stähle von Apfel und Birne bei nahezu identischer Geometrie bei den verschiedenen Anwendungen im direkten Vergleich?
- Wie gut schlagen sich generell extrem dünn ausgeschliffene Messer und was halten sie aus?
Ohne vorzugreifen kann ich sagen, dass für mich beide Fragen zufriedenstellend beantwortet wurden.
Die beiden sind ja von meinem Vortestern schon ausführlich beschrieben worden und auch mit sehr gutem Bildmaterial dargestellt, so dass sich die Messer nicht erneut vorstellen möchte, um nicht zu langweilen.
Allerdings möchte ich noch mal auf die extrem auf Schneidfreudigkeit hin ausgeschliffenen Klingen hinweisen. Ich habe die beiden wieder mit der Bügelschraube vermessen und erhalte Resultate von circa 0,22 mm bis 0,26 mm hinter der Wate, im Spitzenbereich steigen die Werte bis auf etwa 0,34 mm an. Die Schneidkanten sind gegen einen Messingstab gedrückt, durchgehend ganz leicht nagelgängig (ich habe versucht, das zu fotografieren, es ist mir aber leider nicht zufrieden stellend gelungen,). Das findet man einem bei einem Allroundmesser aus der Produktion so gut wie nie – ich habe so etwas jedenfalls noch nicht gesehen.
Als die Messer bei mir ankamen, hatte Apfel bereits eine ganz minimale Deformation im Schneidenbereich:

Es war also klar: diese Messer sind nicht unzerstörbar, sondern wirklich Schneidwerkzeuge. So war es von Incus auch ganz klar kommuniziert worden.
Sie kamen leidlich scharf bei mir an; daher stellte sich als erstes die Frage, wie sie am besten zu schärfen seien. Da swifty58 mit einem Nowi-System eine 20°-Fase angebracht hatte, dachte ich mir, dass ich bei so einer schmalen Fase erst einmal ganz simpel den Spyderco SharpMaker versuche (20°-Einstellung).
Hier zeigte sich bereits der allererste Unterschied: die Birne nahm nach wenigen Zügen auf den weißen Stäben eine wirklich furchteinflößende Schärfe an - weiter oben wurde vom „wow-Effekt“ geschrieben. Beim Apfel dauerte es etwas länger, bis immer noch eine sehr gute Schärfe erreicht wurde, aber eben ohne „wow-Effekt“.
Tatsächlich bin ich für die gesamte Testdauer bei dieser vergleichsweise primitiven Schärfmethode geblieben, da sie an diesem Messern extrem gute Resultate zeigte und ich auf diese Weise die beiden sehr leicht auf eine reproduzierbare Schärfe bringen konnte. Die Messer wurden vor jedem der folgenden Tests auf diese Weise neu geschärft.
Als erstes stand die Lebensmittelzubereitung auf dem Plan: verschiedenste Lebensmittel wurden mit den Messern - überwiegend auf dem Brett - geschnitten:

Dabei lässt sich zu allererst festhalten, dass beide Messer wie die Lichtschwerter durch das Schnittgut glitten. Ich besitze sogar (alte) Küchenmesser, die das schlechter machen. Für Outdoormesser phänomenal!
Aber auch hier war ein leichter Unterschied festzustellen: der Apfel glitt generell leichter durch das Schnittgut, während bei der Birne der „food release“ deutlich schlechter war. Das Geschnittene pappte eher an der Oberfläche fest und behinderte folgende Schnitte. Generell konnten beide aber alle Arten von Lebensmitteln wunderbar bearbeiten.
Dann wurden die beiden zum Schnitzen ausgeführt: eine Bemerkung sei mir hier zu den hervorragend gemachten Lederscheiden erlaubt. Ich persönlich finde, dass eine Scheide (egal aus welchem Material) nur so viel größer als das zugehörige Messer sein sollte wie unbedingt notwendig. (Also nicht wie die Schneeschuhe von Bark River…). Dies wurde hier auf handwerklich sehr hohem Niveau wunderbar umgesetzt. Sie passten sogar perfekt in die Halterungen des Fahrradanhänger/Kinderwagens:

Am repräsentativen merkte man die Unterschiede beim Schnitzen bei etwas härteren Hölzern, hier zum Beispiel relativ trockene Haselnuss:

Mit beiden konnte man Schnitzen wie ein Weltmeister, aber irgendwie hatte der Apfel bei mir immer leicht die Nase vorn; die Klinge geht immer den minimalen Tucken leichter durchs Holz als die Birne. Wobei man generell sagen muss, dass das Schnitzen mit den beiden die helle Freude war: sie gingen durchs Holz wie ein auf Null geschliffener Scandi, ohne dessen Spaltwirkung zu haben.

Dann wollte ich etwas forderndere Schnitzereien testen: an einem dickeren trockenen Haselstecken sollte mit möglichst viel Kraft und möglichst wenig Schnitten eine Spitze erzeugt werden. Also von so:

nach so:

Beide Messer bewältigten dies mit jeweils fünf Schnitten. Trotz wirklich starker Krafteinwirkung, die sicherlich nicht immer exakt in einer Linie mit der Klinge verlief, traten keinerlei Ausbrüche, Deformation oder andere Beschädigungen auf. Hier also kein messbarer Unterschied.
Schnitzen: der Endgegner…

Seit Jahren habe ich einen Rest Holz liegen, aus dem einmal alte Gartenstühle gefertigt waren. Keine Ahnung, was das ist. Eigentlich ein recht weiches Holz, hat aber vermutlich Silikateinlagerungen oder ähnliches und ist damit der Tod jeder Schneide.
Die Birne hatte nach wenigen Schnitten in diesem Holz Mikroausbrüche, die mit dem Fingernagel deutlich fühlbar waren. Beim Apfel dauerte dies etwas länger. Bei beiden waren dies aber nach wenigen Zügen über die weißen Stäbe des Sharpmakers wieder entfernt.
Dann habe ich angefangen, etwas Karton zu zerkleinern. Heidewitzka, das war ein Spaß! Die beiden flogen nur so durch die Pappe, dass es eine reine Freude war. Aber ich hatte nach einem Weilchen das Gefühl, dass die Birne schneller abstumpfte und nicht mehr ganz so glitt.
Bis zu diesem Punkt war meine Präferenz für den Apfel also eher eine etwas gefühlte. Ich wollte versuchen, dass auf eine zumindest pseudowissenschaftliche Basis zu stellen.
Gleich vorweg: die gewählte Testmethode erhebt nicht den Anspruch wissenschaftlicher Reproduzierbarkeit oder Exaktheit. Aber vielleicht kann sie als Anhaltspunkt dienen.
Vorgegangen bin ich wie folgt: von normalem Verpackungskarton wurden circa 10 cm breite Streifen geschnitten.

Diese Streifen wurden mit den Testmessern jeweils längst der „Faser“ in schmale Stückchen zerschnitten, wobei ich versucht habe, immer denselben Klingenabschnitt einzusetzen (so gut das halt ging).

In unregelmäßigen Abständen wurde überprüft, ob das Messer noch gut durch Papier (80 g Druckerpapier) gleitet. Funktionierte dies nicht mehr, war der Test für das Messer beendet. Das Messer war dann natürlich nicht stumpf, aber zeigte in Papier eben ein leichtes Rupfen. Auch dies ist natürlich kein wirklich objektivierbares Endkriterium, aber gibt eine Art Anhaltspunkt.
Sei es, wie es will, die Resultate waren wie folgt:

Apfel 🍏 450 Schnitte

Birne 🍐 142 Schnitte
Ohne die Aussagekraft der Testmethode überzustrapazieren, würde ich also sagen, dass beim Apfel eine deutlich höhere Schnitthaltigkeit bezüglich abrasiven Schnittgutes wie Karton zu beobachten ist.
Ein Testfeld stand noch aus: das der jagdlichen Eignung. Jedoch sollte im neuen Jahr bei uns im Revier noch einmal eine Drückjagd stattfinden, wo ich auf die beiden zum Einsatz bringen zu können hoffte.
Bei der Jagd kamen dann mehrere Stück Rehwild zur Strecke, aber leider keine Sauen (Wildschweine). Das war aus mehreren Gründen schade: erstens schmecken sie ausgezeichnet, zweitens ist das Aufbrechen von Sauen die jagdlich höchste Herausforderung für Messer. Aber was willste machen, die Schwarzkittel waren halt nicht zu Hause…
Mit den beiden Messern wurden dann immer abwechselnd zwei Stück Rehwild aufgebrochen: ein Schmalreh (einjähriges weibliches Stück) und eine Geltgeiß (altes weibliches Stück „in der Menopause“). Leider kann ich hiervon keine Bilder zeigen, da ich erst an das Smartphone gedacht hatte, als wir alle schon schweißige (d.h. blutige) Hände hatten und ich nicht mehr in die Tasche greifen konnte beziehungsweise wollte (von wegen Sauerei).
Dabei wurden die Messer zu allen Arbeiten beim Aufbrechen eingesetzt - mit Ausnahme des Öffnen des Schlosses (will unser Pächter so und ihr wisst ja: „ Wes Brot ich ess, des Lied ich sing…“ ). Das wird mit einer kleinen Säge beziehungsweise einem Knipser erledigt. Alle Arbeiten ließen sich völlig problemlos verrichten, beziehungsweise die Messer „performten“ dabei in einer für Jagdmesser völlig unbekannten Weise.
Auch das Öffnen des Brustkorbs und das Schneiden durch die Rippen ging ohne jegliche Beschädigung von statten.
Bei der alten Geiß musste ein Teil der Rippen entfernt werden, da sie nicht perfekt getroffen worden war. Die Rippen waren aufgrund des Alters des Stückes schon relativ stark verknöchert; aber die beiden Klingen gelitten in beeindruckender Weise durch sie hindurch, wie ein robuster ausgeschliffenes Messer dies einfach nicht leisten kann.
Auch hier hatte der Apfel leicht die Nase vorn, was mir durch einen Jagdkameraden bestätigt wurde, ohne dass ich ihn vorher über meine Präferenzen informiert hatte. Also immerhin
zwei rein subjektive Eindrücke😆
Beschädigungen an der Schneide konnten nach der Aktion bei keinem der beiden Messer festgestellt werden.
Würde ich jedem meiner Jagdkameraden eins der Messer einfach so in die Hand drücken? Nein, wohl eher nicht. Das sind definitiv Messer für jemanden, der schneiden möchte und auch ein bisschen weiß, was er tut. Wenn man als Grobmotoriker damit herumrandalierte, könnte ich mir schon vorstellen, dass die Leistungreserven der beiden, insbesondere was Querbelastungen angeht, überschritten werden könnten (sprich Knacks).
Setzt man eine solche Geometrie aber mit Bedacht ein, dann würde ich auch im jagdlichen Kontext sagen: es gibt kaum Besseres. Als Reviermesser würde ich es aber auch nicht ausschließlich einsetzen wollen. Gerade so etwas wie das so genannte “Bestechen“ von Leitersprossen (d.h. man rammt die Klinge möglichst tief in das Holz einer Leitersprosse, um zu testen, ob und wenn ja, wie tief sie morsch ist - mache ich bei uns aus verschiedentlichen Gründen recht oft) könnte so eine Klinge schnell abbrechen.
Fazit: Was kann ich sagen? Die beiden Früchtchen sind ein Traum. Es gibt eigentlich nichts zu meckern, die Griffe liegen super in meiner 8,5er Hand und sind aus tollen Hölzern (das Stück Birne finde ich noch schöner als den Apfel), die Lederscheiden sind super geplant und qualitativ hochwertig angefertigt. Wer unbedingt was finden will: die Scheide der Birne ist ungleichmäßig eingefärbt. Na gut.
Ich jedenfalls hatte noch nie so konsequent dünngeschliffene Outdoormesser in der Hand und war von der Schneidperformance absolut begeistert.
Unter den gegebenen Rahmenbedingungen (d.h. Geometrie und Wärmebehandlung) halte ich den Apfelstahl für mein Anwendungsprofil für den besseren, wobei die Birne ebenfalls der Hammer ist.
Die Schnitthaltigkeit ist höher und auch die Schnittfreude besser (subjektiv, siehe oben).
Was man aber wieder mal sieht (wie schon Roman Landes im 19. Jhdt. schrieb): Geometrie kommt vor Wärmebehandlung kommt vor Stahlsorte (sinngemäß…).
Nochmals vielen lieben Dank an Incus für den tollen Passaround. Sollte eines der beiden den Weg zu mir finden, würde ich mich freuen wie ein Kullerkeks!
In diesen Sinne mit WMH,
Owain