Der Ansatz hat nur das Problem, dass der Mensch nicht rational sondern emotional entscheidet. Was Du jetzt aus rationalen Gründen tust, hat Dein Bauch schon vor einer Sekunde entschieden. Um das zu erkennen, muss man sich nicht für Hirnforschung interessieren, das sieht man ja im echten Leben jeden Tag zig mal.
Und weil der Mensch halt emotional viel leichter zu packen ist, kann man auch solche Gesetze verabschieden. Die treffen ja auf einen Boden, der schärferen Waffengesetzen gegenüber nicht abgeneigt ist. Aus nicht rationalen Gründen. [...]
Dem stimme ich im Ergebnis zu. Es liegt nur kein Problem des Liberalismus oder der der Wirtschaftstheorie vor. Ich war hier ungenau, insofern ich in meinem Ausgangspost einen allgemeinen Begriff von Rationalität gebraucht habe, nicht einen wirtschaftstheoretischen. Bezogen habe ich mich damit auch nicht auf die Motivation von Handlungen, sondern auf einen vernunftgeleiteten Entscheidungsprozess, der festlegt, wie Zwecke durch die Wahl der Mittel effektiv erreicht werden können. Die Auswahl des Zweckes bzw. die intrinsische Motivation des Handelns selbst kann irrational sein und ist in der Mehrzahl der Fälle durch Emotionen bzw. Intuition bestimmt (siehe Haidt, Kahneman, Tversky etc.).
Die Kritik – ich nehme jetzt hier Nancy Faeser als Akteur – ist zunächst, dass der angegebene Zweck „höhere gesellschaftliche Sicherheit“ durch Wahl des ungeeigneten Mittels „Messerverbot“ nicht erreicht wird, in diesem Sinne der Entscheidungsprozess also irrational ist.
Natürlich bleibt das vordergründig. Geht man eine Stufe weiter, kann man z.B. annehmen, dass die Motivation des politischen Akteurs Machterhalt ist, der Zweck Kompetenzsimulation und das Mittel dazu das Messerverbot. Da dies mehr oder weniger in einer Öffentlichkeit verfängt, die durch das Framing der Medien und der Politik vom Messer als Mordwaffe geleitet wird, ist die Kompetenzsimulation erfolgreich und insofern das Handeln Faesers rational. Gefühle sind in der Politik Fakten, wie Boris Palmer gerne sagt - falls man den noch zitieren darf.
Diese allgemeine Analyse könnte man jetzt deutlich tiefergehend aufschlüsseln nach dem Modell des rationalen Akteurs in der Ökonomie als eines zeitkonsistenten Erwartungsnutzenmaximierers (kein Motivationsmodell, sondern ein darüber ansetzendes Modell der Bildung konsistenter Präferenzordnungen), dessen Einschränkung durch verhaltensökonomische Ansätze und seiner Anwendung in der Neuen Politischen Ökonomie. Das würde dann deutlich genauer, aber das Ergebnis würde meiner Einschätzung nach im Großen und Ganzen gleich bleiben: Bei der Verschärfung der Waffengesetze handelt es sich um einen Fall effektiver politischer Manipulation der Öffentlichkeit. Nicht der erste, nicht der schlimmste, nicht der letzte, und zwar unabhängig davon, wie die nächste Wahl ausgeht. Aber er betrifft uns eben diesmal.
Ich wollte das jetzt nur ergänzen, damit meine summarische Kritik an den Verschärfungen nicht auf das Modell des rationalen Akteurs bzw. homo oeconomicus in der Wirtschaftstheorie zurückgeführt wird. Das ist deutlich komplexer und kassiert wie der Begriff "Neoliberalismus" zu oft aus den falschen Gründen Prügel.
Geschichte verläuft nicht linear. Vielleicht gründet jemand die Partei der praktikablen Vernunft und hat damit Erfolg.
Kannst du Ansätze dazu nennen? Würde mir das gerne einmal anschauen.