"Unter Schneidfähigkeit" ist das Vermögen einer Schneide anzusehen, irgendeinen Körper, der weicher als die Messerschneide ist, mehr oder weniger wirksam zu trennen"
Quelle: R.Landes, S.29, Messerklingen und Stahl, eine technologische Betrachtung von Messerschneiden 2, vollständig überarbeitete Auflage
Diese Definition beinhaltet keine persönlichen Vorlieben!
Wenn alle Bedingungen der Testmesser gleichgeschaltet sind, also Stahl, Anschliff, Druck, Schnittgut, Schnitttechnik, Schneidenwinkel, die Oberflächenbeschaffenheit der Klingenflanken und Schneidenoberfläche, dann schneidet das dünnere und geometrisch optimierte immer besser.
Ich hab mit solchen Ein-Satz Definitionen so meine Probleme. Gerade weil hier eine Definition in die Runde geworden wird, die mit Sicherheit Teil eines größeren Kapitels in dem Buch ist. Und bei allem Respekt vor der Fachkenntnis von Herrn Landes, halte ich es als kontraproduktiv so eine Ein-Satz Definition aus dem Kontext des Buches heraus (was wahrscheinlich einige der Diskussionsteilnehmer nicht im Bücherregal stehen habe) zu benutzen und vor allem aus ihr abzuleiten, das jedwede andere Faktoren eines Messers jenseits der Korrelation zwischen einem möglichst dünnen Rücken und einer im Bereich von 1-10mm hinter der Wate ausgeschliffenen Klinge, keinen nennenswerten/meßbaren Einfluß auf die Brettperformance haben.
Letztendlich sagt die Definition nicht viel mehr aus, als das ein Messer mit dem ich mir nicht in den Daumen schneiden kann (egal wie die Werte 1mm und höher hinter der Wate aussehen) keine gute Schneidfähigkeit hat, eins was aber gleich die ganze Daumenkuppe abrasiert, eine gute Schneidfähigkeit hat. Um es mal überspitzt zu formulieren...
Auch eine Gleichschaltung der Testbedingungen wie von dir genannt halte ich für völlig realitätsfern, da sie für den Endnutzer nicht umsetzbar ist oder keinen sittlichen Nährwert besitzt. Ich bin im Gegensatz zu Leuten wie Gabriel kein Werkstoffwissenschaftler oder Ingenieur, aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir folgendes:
1. Es macht keinen Sinn Messer künstlich zu beschweren, da dies weder der Küchenrealität entspricht noch gewährleistet ist, ob die Gewichtsverteilung (steckt das Gewicht in der Klinge oder im Griff?) nicht ebenfalls einen Einfluß auf das Ergebnis hat.
2. Genausowenig macht es Sinn, das Schnittgut über das mit der Schneide nach oben fixierte Messer zu führen um den Einfluß des Gewichts auszuschließen...weil eben kein Mensch so schneidet...
3. Tests auf der heimischen Küchenwaage mit Lebensmitteln sind auch nicht aussagekräftig, wenigstens nicht wenn man mehr damit machen möchte als nur grobe Trends zu erfassen.
Es gibt mit Sicherheit Ansätze und Methoden, mit denen man herausfinden könnte ob ein Messer A aus demselben Stahl besser schneidet als ein Messer B. Die RFH Köln hat da z.B. eine Methode entwickelt, mit denen sie mithilfe eines Kraft-Weg-Diagramms Aussagen zur Qualität von Keramik-Skalpellen für die Augenchirugie und Rasiermessern machen können.
http://www.rfh-koeln.de/forschung-p...ehigkeit_von_schneidwerkzeugen/index_ger.html
Dann sind wir aber bei hoch-wissenschaftlichen Versuchsaufbauten, bei denen auch gar keine echten Möhren oder echtes Rindfleisch unters Messer kommt, sondern irgendwelche homogenen künstlichen Ersatzstoffe...und die Messer eventulle gar keine normalen Serienmesser mehr sind (sondern ein gerades Stück Blech was den gewünschten Geometrieverlauf hat) und mithilfe von Maschinen/Vorrichtungen geführt werden, die den Fehlerfaktor Mensch und Aspekte wie das Eigengewicht komplett herausnehmen....
Einen Nutzen für uns Endverbraucher wird es durch solche Studien aber nicht geben, denn a) können wir diese Art von Tests nicht daheim machen, b) den Jungs aus Köln auch nicht mal unsere Messer zuschicken und c) steht dann noch die Frage im Raum, wie weit solche Methoden sich in der Küchenmesser produzierenden Industrie überhaupt durchsetzen werden. Die Firmen/Manufakturen von denen wir Messernarren gerne kaufen, haben für so einen Aufwand nicht das Geld oder die Verbindungen...also so Namen wie Ashi, Mr. Kamo, Herder oder die anderen kleinen Solinger, die sich mit Ach und Krach über Wasser halten und das häufig durch Export wie Burgvogel in die USA oder andere Märkte wie Folder/Outdoor/Tactical-Messer. Firmen wie Wüsthof, die sowas bezahlen könnten haben gar keine Notwendigkeit nach dem Messer mit der weltbesten Geometrie und Schneidfähigkeit zu forschen, weil die Zielgruppe einfach zu klein ist und der Forschungsaufwand sich nicht lohnt. Ich erinner da mal an die diversen Geschichten hier im Forum, was mit dünnen Lasern in unbedarften Familienhänden so schon paßiert ist...
Deswegen hat das ganze für mich irgendwie den Charakter einer Diskussion um der Diskussion willens. Gerade wenn wir uns nicht in die Ecke Profiküche bewegen ( und da vertraue ich einfach der praktischen Erfahrung eines Kochs und Messernarrs mit Schmiedeerfahrung wie gast), sondern bei der Fraktion der heimischen Hobbyköche bleiben...bei der die täglich verarbeiteten Schnittgut-Mengen im niedrigen einstelligen Bereich bleiben und je nach Haushaltsgröße und Gericht vielleicht nicht einmal die 1kg Marke knackt.
In dem Aspekt gebe ich dir recht: Das mit den Katos ist wahrscheinlich ein Trend, genauso wie davor der Wahn jedwede Art von Messer von Herrn Schanz brutalmöglichst ausdünnen zu lassen. Aber ob man den nun mitmacht oder nicht, ist doch jedem selber überlassen... keiner der Kato-Käufer hat seine sonstigen Messer alle in die Privat-Handel-Ecke hier im Forum gestellt, der Name fällt im Gegensatz zu Ashi und Schanz nicht bei Kaufberatungen...
Ich denke wir sind uns soweit einig das eine Klinge die 1mm über der Wate 0,30mm hinten und bis zur Spitze auf 0,20mm ausläuft und 1cm über der Wate mit 1,0mm bis 0,70mm und einem Klingenrücken von unter 2,0mm besser schneidet als eine Klinge die an den gleichen Stellen die doppelten bis dreifachen Wert zeigt, wenn es darum geht eine dicke Möhre in der Länge oder einen große Apfel zu schneiden.
Das ist jetzt ein Extrembeispiel und völlig realitätsfern, da deine dicke Beispielsklinge dann auf 1mm/Wate Werte von 0,4-0,6 an der Spitze, 0,6-0,9 am Kehl und 1cm Werte von zwischen zwischen 1,4-3mm kommen würde. Und klar, ein Messer das 0,3mm/0,7/<2mm am Kehl hat, geht durch eine Möhre besser als eins, das an den Meßwerte auf 0,9/3/6mm kommt... oder 0,6/1,4/4mm.
Nur wieviele Messer mit solchen Werten, die jetzt keine Fleischerbeile sind, kennst du und was haben diese Phantasiewerte gerade am Meßpunkt hinter der Wate mit einem Kato, Shig oder auch einem Toyama zu tun? Bzw. dem Trend zu Messern, bei denen der Klingenrücken an Kehl und Erl nicht nahe oder unter der 2mm Marke liegt?
Der Rücken meines Toyamas hat 3.1 am Kehl und 3,5 am Überganz von Erl zu Zwinge und das Messer hat hinter der Wate um die 0,2mm (bzw. laut meiner Messung sogar weniger) und 1cm über der Wate 1,05...
Ich verstehe aber auch -nicht böse gemeint- nicht, warum wir diese theoretische Diskussion eigentlich führen...außer wie schon gesagt um der Diskussion selber willens....
Selbst wenn ein Messer, das noch dünner ist als sagen wir mal das magersüchtige Kotetsu Bunka, in einem von allen "subjektiven menschlichen" Begleitfaktoren befreiten und rein auf die Schneide fokusierten Testaufbau die Nase vor allen anderen Messern vorne hätte, kann man "persönliche" Vorlieben der Nutzer oder auch die Frage nach der Standzeit so einer Schneide eben nicht ausblenden. Was bringt mit diese Traumperformance bei unserer synthetischen Testkarotte, wenn ich aus Zeitgründen und Vorschriften als Profikoch nicht im schneidenschonenden Genuß-Zugschnitt auf dem edelsten Hirnholzbrett zen-mäßig die echte Bio-Möhre auf seziere, sondern das Messer schräg gehalten mit Tempo Richtung HACCP konformen Plastikbomber-Schneidbrett durch 2 Möhren gleichzeitig wandert, oder im Wiegeschnitt die Streifen schnell und grob zerkleinert werden müssen, mit dem Ergebnis das die Schneide spätestens nach dem ersten Sack Möhren dies mit (Mikro-)Ausbrüchen oder umlegen quittiert?
Und die produzierende Industrie hat auch gar kein Interesse gezielt "das Messer für festes Gemüse" (Möhren, Sellerie, Süßkartoffel) zu entwickeln, um es dann mit "dem Messer für weiches Gemüse" und dem Messer für feuchtes und somit stark haftendes Gemüse zusammen zu verkaufen. Genausowenig sind die meisten Personen hier in der Lage ein bestehendes Messer auf den zehntel Milimeter genau an diversen Meßpunkten umzuschleifen, um die perfekte Messerklinge selber zu erzeugen. Auch die meisten Messermacher in Deutschland, dürften solche Kundenwünsche entweder mit einem Kopfschütteln abtun oder maximal als grobe Richtwerte interpretieren. Und selbst wenn, würde der damit verbundende Aufwand den Preis in astronomische Höhen treiben, solange man den Schliff nicht einem computergesteuerten Roboter überläßt... den weder ein Herr Schanz, noch ein Herr Kamo, eine Manufaktur Herder oder Ashi in der Garage stehen hat.
Wer nicht glaubt wie ein Kato schneidet, der wird nicht dazu gezwungen. Entweder er ist mit seinen Messern glücklich, oder er macht beim Newsletter-Lotto mit...
Ich gebe aber Kiam recht, das Reviews oft (und da nehme ich mich nicht aus) und zwar gerade von uns Hobbyköchen in einem Schwang der Euphorie geschrieben werden und dann nur so von Superlativen trotzen... die Erkenntnisse des Kölner Messertreffens würde ich als Teilnehmer selbst z.B. gar nicht so hoch bewerten, dafür war a) zuviel Kölsch im Spiel, b) die geschnittene Menge mal sowas von nicht relevant und c) auch kein gescheiter Querschnitt durch die diversen Schnittgüter vorhanden. Möhren sind gut und schön, aber wir sind alle eben keine Hasen...
Erreicht man aber eine gewisse Menge an Mahlzeiten mit einem Messer in einem kompakten Zeitraum, bei dem die ersten Eindrücke nicht schon wieder nostalgisch verklärt sind, ist es möglich halbwegs aussagekräftige Reviews zu schreiben, ohne jetzt irgendwelche pseudo-wissenschaftliche Testumgebungen zu bequemen, solange man es vermeidet mit Superlativen um sich zu werfen und für den Leser klar herausarbeitet, was die Arbeitsbedingungen und eigenen Vorlieben sind.
Also nicht "Messer X ist das beste von Welt und schneidet jede Möhre wie im Schlaf", sondern eher "Messer X schneidet ohne Knacken im Zugschnitt mit dem vorderen Klingendrittel auch durch festeres Schnittgut wie Möhren", wobei dann entweder klar gemacht werden müßte, ob man a) nix zum choppen von Möhren mit dem hinteren Drittel sagen kann, weil man wie Krassi nur um Zugschnitt arbeitet oder b) zwar weiß daß es nicht so der Knüller beim Choppen ist, dieses Manko einen als Zugschnitt-Fetischist nicht stört.