Erst mal: Bravo Oliver !
Nicht nur Lesen, sondern auch Testen mit Verstand gefährdet die Dummheit.
Zu Deinem Test ein paar Anmerkungen:
Die Versuche, die Qualität einer Schneide objektiv zu erforschen, sind immer wieder angestellt worden und haben kein abschließendes Ergebnis gebracht. Der Grund liegt darin, daß der Schneidvorgang wesentlich komplizierter ist, als er zunächst wirkt. In Romans Buch, das ja in zweiter, erweiterter Auflage demnächst erscheint, ist die Literatur über diese Versuche so ziemlich vollständig zitiert.
Die Tests sind teilweise ähnlich konzipiert, wie Du Deinen Test aufgebaut hast. Meist wird mit vorgegebenem Druck bei vorgegebener Hublänge ein möglichst gleichmäßiges Schnittgut geschnitten. Es gibt aber auch Versuche, die auf anderen Überlegungen beruhen. So hat Klemm in Freiberg genormte Klingen in unterschiedlich hartes Schneidgut eingedrückt und sie umgekehrt auf einen härteren Körper als Stahl aufgedrückt, um die Art der Beschädigung zu untersuchen, die dabei entsteht. Logischerweise läßt sich eine Klinge nur in einen weicheren Prüfstoff eindrücken und ebenso logisch wird eine spröde Klinge beim Aufdrücken auf einen härteren Prüfkörper andere und schwerwiegendere Beschädigungen erleiden, als eine zähere.
Dies war die Grundlage von Romans Untersuchungen bei seiner Diplomarbeit, aus der dann letztlich das Buch hervorgegangen ist.
Wenn man sich diese Tests insgesamt anschaut, stellt sich eine Konstante heraus: Das Ergebnis hängt mehr von den Versuchsbedingungen ab, als von den untersuchten Stählen. Die Ergebnisse sind also immer mit einer gewissen Vorsicht zu interperetieren, insbesondere im Hinblick darauf, welche Belastung bei dem Test im Vordergund stand.
Bei den meisten Versuchen wurde mit relativ hohem Druck stark verschleißendes Material geschnitten. Dabei mußte zwingend herauskommen, daß die karbidhaltigen Stähle am besten abschneiden, weil die harten Karbide dem Verschleiß eben am besten widerstehen. Die erreichbare Schärfe war dagegen weitgehend bedeutungslos, weil bei dem angewandten hohen Druck auch vergleichsweise stumpfe Messer noch gut abschnitten. Bei Klemms und Romans Versuchen war dagegen von vornherein zu erwarten, daß feinkörnige und karbidfreie oder doch karbidarme Stähle sich am besten hielten.
Der Königstest, der über alle beim Schneiden wichtigen Faktoren Auskunft gibt, ist noch nicht gefunden, man kann sich aber durch unterschiedliche Tests langsam heranarbeiten.
Aus Deinen Testergebnissen lese ich erst mal ab, daß Du vorzüglich schärfen kannst. Das erklärt, wieso ein einfacher 1.2842 bei derart verschleißendem Material so gut abgeschnitten hat. Er läßt sich nämlich einfacher schärfen und auf eine höhere Schärfe bringen, als sie mit den Ledeburitstählen dauerhaft zu erreichen ist. Selbst wenn er bei dem Schnittgut Abnutzungen an der Schneide hat, ist er immer noch so scharf oder schärfer, als die Ledeburitstähle im Ausgangszustand.
Mich würde brennend interessieren, welche Schnitttiefe man mit einer optimal geschäften Klinge mit leichtem Druck bei einem Schnitt erreichen kann. Ein Vergleich der erreichbaren Anfangsschärfe mit den Ergebnissen eines Schnitthaltigkeitstests, wie Du ihn gemacht hast, sollte einen recht guten Überblick über das Potential verschiedener Stähle geben.
Etwas ist übrigens merkwürdig: Die unterschiedlichen Ergebnisse verschiedener Klingen aus gleichem Material erschrecken mich doch etwas. Hält man die Analysengrenzen geradeso ein und begnügt sich immerhalb dieser Grenzen mit dem Einfachsten und Billigsten ?
Soweit ich weiß, hatte Hans Peter-hpkb- die Absicht, Schneidtests der von mir oben geschilderten Art-absolute Schneidfähigkeit bei geringem Druck_ zu machen. Vielleicht hört man bald was aus dieser Ecke.
Wenn Du Deine Versuche mit möglichst vielen unterschiedlichen Stählen durchführen würdest, könnte ein weiterer Schritt zur Objektivierung geleistet werden.
Achims Wootz dürfte übrigens bei dem von Dir gewählten Versuchsaufbau vorzüglich abschneiden. Viele Karbide in einer zähen Grundmasse sind für die hier vorliegende Beanspruchung gut geeignet.
MfG U. Gerfin